Strauss, Josef

Alle

Strauss, Josef

Die Spinnerin Op. 192, Die Libelle Op. 204, Frohes Leben Op. 272 (3 Waltz Cycles)

25,00 

 – Die Spinnerin Op. 192, Die Libelle Op. 204, Frohes Leben Op. 272 (3 Waltz Cycles)

(geb. Wien, 20. August 1827 — gest. Wien, 22. Juli 1870)

Neudruck

Konzertmusik
Volume 1

Die Spinnerin,
polka française, op. 192
Die Libelle
polka mazur, op. 205
Frohes Leben
walzer, op. 272

Es spricht einiges dafür, daß Josef Strauss – zweites Kind von Johann Baptist Strauss und Maria Anna Streim – bei der Geburt eine leichte Hirnschädigung davontrug. Diese Beeinträchtigung mag möglicherweise seinen frühzeitigen Tod mit nur 42 Jahren verursacht haben, nachdem er während des Dirigierens zusammengebrochen war. Wie dem auch sei – Strauss litt seit früher Kindheit an Problemen mit der Wirbelsäule, und seine Mutter ließ ihm in besonderem Maße Fürsorge und Aufmerksamkeit zukommen. Seine Familie nannte ihn ‘Pepi’, während sein berühmter älterer Bruder Johann II ‘Schani’ genannt wurde.

Seine Interessen wichen häufig von denen seiner Angehörigen ab. Im Revolutionsjahr 1848 kaufte er sich eine Uniform und ein Gewehr und brach zu den Barrikaden auf, obwohl sein Vater und sein Bruder mit den Habsburgern sympathisierten. Josef überlegte es sich jedoch anders, als er erfuhr, daß den Revolutionären ein kroatisches Regiment gegenüberstand, das für den unbarmherzigen Umgang mit Studenten berüchtigt war. Er legte Uniform und Waffe nieder und zog sich statt dessen für einige Wochen in ein Kloster zurück, derweil seine Mutter die Militärs, die nach ihrem Sohn suchten und bei ihr nachfragten, mit Hilfe großer Mengen Bier ablenkte.

Josef entschied sich auch dagegen, seinem Vater und seinem älteren Bruder ins Familienorchester zu folgen. Er wollte nicht Musiker werden, sondern verfolgte eine Ausbildung als Architekt und Stadtplaner. Zu Beginn der fünfziger Jahre des 18. Jahrhunderts stellte ihn die Stadt Wien für die extensiven Wiederaufbauarbeiten an. Doch 1853 holte ihn die musikalische Welt wieder ein: Sein Bruder war erkrankt, und Josef wurde bekniet, das Orchester zu leiten, und sei es auch nur für einen Teil der laufenden Saison. Pepi widersetzte sich zunächst diesem Begehr, doch am Ende wurde er weich: »Das Unvermeidliche ist geschehen«, schrieb er seiner Verlobten. Zu diesem Behufe komponierte er seinen ersten Walzer, Die Ersten und die Letzten.

Nahezu ebenso unausweichlich kam es, daß der Bruder im folgenden Jahr wieder erkrankte und Pepi erneut für ihn einsprang. Er komponierte einen neuen Walzer, Die Ersten nach den Letzten, und widmete sein Leben von nun an der Musik. Er lernte gar das Violinspiel auf einem ausreichend hohen Niveau, so daß er das Orchester in der Manier seines Vaters und seines Bruders dirigieren konnte, ohne auf einen Taktstock angewiesen zu sein.

Nun setzte eine wahre Produktionsflut ein. Obwohl Josef Strauss nur 17 Jahre seines Lebens komponierte, von 1853 bis 1870, umfaßt sein Werkkatalog doch über 500 Werke, einschließlich der Arrangements populärer Gassenhauer sowie zahlreiche Konzert-versionen von Werken zeitgenössischer Komponisten wie Mendelssohn, Schumann und vor allem Wagner, dessen Musik – das ist vielleicht eine kleine Überraschung – er als erstes in Wien vorgestellt hat. Seine Produktivität war größer als die seiner Brüder Johann II und Eduard zusammen. Es ist schade, daß viele seiner Stücke uns heute nicht mehr überliefert sind. Eine ganze Reihe von unveröffentlichten und unvollendeten Werken verschwand nach seinem Tod. Nicht zuletzt wird sein Bruder Johann II verdächtigt, sich einiger Stücke bemächtigt zu haben, bis hin zu dem Punkt, daß manche unterstellen, vieles aus Die Fledermaus speise sich aus der Feder Josefs. Sein Bruder Eduard verbrannte 1907 die gesamte Notenbibliothek des Strauss-Orchesters, die, soweit wir wissen, etwa 200 Werke Josefs enthielt. Damit bleiben uns nahezu 300 Werke, von denen die meisten zu Strauss’ Lebzeiten veröffentlicht worden sind.

Und um was für eine Musik es sich hier handelt! Einer bekannten Anekdote zufolge soll Johann II bekannt haben: »Pepi ist der begabtere, ich bin halt populärer.« Man kann den Stücken anhören, was er damit meinte. Innerhalb der restriktiven Tanzform, die die Komponisten der Familie Strauss bedienten, gelang es Josef, Musik zu schreiben, die melodisch und harmonisch wesentlich origineller ist, als man erwarten würde; auch zeigte er eine größere Umsicht und Subtilität in bezug auf die Instrumentation und Tongebung, welche sein berühmter Bruder nicht immer erreichte.

Die Spinnerin
Josef schrieb dieses Stück für ein Konzert im Salon des Wiener Volksgarten, das am 18. Februar 1866 stattfand. Eine Figur in den Celli stellt das moto perpetuo eines Spinnrads dar – ein offensichtliches Vorbild mag der »Chor der Spinnerinnen« aus Wagners Fliegendem Holländer gewesen sein.

Die Libelle
Dies ist eines der bekanntesten Werke Josef Strauss’, ein gelungenes kleines Tongemälde einer Libelle, die über einem Teich in der Sommerhitze schwebt. Besonderen Eindruck machen die Akzente, die jede Phrase beenden (oder beginnen?). Sie stellen die Art und Weise, wie die Libelle während des Schwebens ihre Position verändert, aufs Treffendste dar. Das Stück wurde während Unruhen geschrieben, die dem desaströsen Krieg Österreichs gegen Preußen folgten. Jener Krieg endete mit der Niederlage Österreichs bei Königgrätz. Das Stück wurde am 21. Oktober 1866 im Volksgarten uraufgeführt.
Frohes Leben
Das Stück wurde im Sommer 1869 niedergeschrieben. Der Titel ist wahrscheinlich ironisch gemeint, denn es war eine schwere Zeit für Pepi. Mit seinem Bruder Johann II war er nach Pavlovsk nahe bei St. Petersburg gereist, um einen Vertrag für eine Saison beim Vauxhall-Pavillon auszuhandeln. Der Reise war kein Erfolg beschieden. Nicht nur, daß kein Vertrag zustande kam – Josef hatte auch die Unterschiede zwischen dem Russischen und dem Europäischen Kalender nicht bedacht, so daß die Musiker 14 Tage zu früh eintrafen und gleichwohl bezahlt werden mußten. Josef schrieb an seine Frau: »Ich werde daher sehr klug und weise thun, wenn ich von meinem Honorar pr. 3000 Rubel 1000 Rubel angebe.« Josef bekam Heimweh, und er wurde depressiv und schrieb ihr weiter: »Ich habe viele Widerwärtigkeiten auszustehen, aber ich ertrage alles, nur um Dir ein frohes, sorgenfreies Leben zu bereiten. Für Dich arbeite ich, für Dein Opfer, das Du durch 12 Jahre im Hinterhaus mir brachtest.« Um ihn aufzumuntern, schlug Johann II vor, zusammen ein Stück zu schreiben. Das Ergebnis war die Pizzicato Polka, aber es half Pepi nicht aus seiner Depression. Im September schrieb er seiner Frau: »Ich sehe nicht gut aus, ich bin blasser geworden, die Wangen hohler, die Haare habe ich verloren, ich bin im Ganzen abgestumpft, ich habe keine Anregung zum arbeiten … Die Ungewißheit in der ich lebe, weil ich nicht weiß, ob ich engagiert werde oder nicht, macht mich noch kränker und unzufriedener …« Als sich schließlich entschied, daß Josef keine Anstellung in Pavlovsk erhalten sollte, komponierte er geschwind den Galopp Ohne Sorgen! sowie den Walzer Frohes Leben und kehrte nach Wien zurück, wo er die Uraufführung am 4. November im Sofiensaal besorgte. Es handelt sich um einen schönen Walzer, der sehr ins Blut geht. Eine langatmige Einleitung oder Coda gibt es nicht, nur den Strom (nahezu) nicht abbrechender glücklicher Gedanken. Seinen Humor verdankt das Stück dem Gebrauch recht kurzer Themen, die in ungestümen Tempo gespielt werden. Das Stück gewinnt zudem enorm durch die da capo-Wiederholungen in jeder Walzersektion, und die vorliegende Edition enthält jede einzelne von ihnen. Frohes Leben ist ein nahezu unbekanntes Stück, sollte aber zum Standardrepertoire gehören, handelt es sich doch um ein Paradebeispiel für Josef Strauss’ Kunst, eine bestimmte Stimmung oder ein Gefühl musikalisch zum Ausdruck zu bringen, auch wenn seine eigene Befindlichkeit gänzlich anders ausfiel.

Über diese Ausgabe
Es handelt sich bei allen drei hier vorgelegten Stücken um Aufführungsfassungen, dies gilt auch für alle auf diese folgenden, weiteren Editionen. Die vollständige Partitur und die Stimmen sind bei Musikproduktion Höflich, München (www.musikmph.de) zu beziehen. Sie basieren auf der originalen Orchesterpartitur, die im Fall dieser Ausgabe von Spina (Wien) veröffentlicht wurde. Die folgenden Stimmen sind, wo sie auftreten, optional einzusetzen: 2. Oboe, 2. Fagott, 3. und 4. Horn, 3. und 4. Trompete, 1. und 2. Posaune (das gilt jedoch nicht für die 3.) sowie die Tuba.

Es bedurfte einer ganzen Reihe editorischer Eingriffe, um eine Aufführungsfassung herzustellen, die den Ansprüchen des 21. Jahrhunderts genügt. Nicht jede der editorischen Entscheidungen ist in der vorliegenden Ausgabe dokumentiert, schließlich handelt es sich hier nicht um einen Urtext. Statt dessen verzeichnet eine Auflistung alle weitreichenden Aspekte, die mir notwendig erschienen.

Die Musik der Familie Strauss weist eine große Anzahl kurzer Wiederholungs-abschnitte auf, die während der Einstudierung stets einiges an zusätzlicher Zeit beanspruchen. Um den Arbeitsaufwand möglichst gering zu halten, wurden die da capo-Wiederholungen stets in voller Länge ausgeschrieben. Dies kommt natürlich auch dem musikinteressierten Partiturleser zugute. In Frohes Leben ist dies etwa von besonderem Gewicht, da viele Orchester die da capos in Walzern nicht voll ausspielen, auch wenn dies in der Partitur ausdrücklich angezeigt ist. Gerade Frohes Leben gewinnt aus diesen Wiederholungsabschnitten sehr viel.

Was den Umgang mit Notenlängen, insbesondere an Phrasenenden anbelangt, herrscht derzeit keine generelle Übereinkunft. Einige der Stimmen weisen Viertelnoten auf, andere Achtelnoten. Dies findet sich auch häufig in Partituren von Beethoven und Schubert. Vielleicht handelt es sich um eine stillschweigende Konvention, daß die Musiker einen Notenwert anvisieren sollen, der zwischen Viertel und Achtel liegt. Was die Instrumenten-gruppen anbelangt, so wurden die Notenlängen angeglichen, dies gilt aber nicht für das Verhältnis zu anderen Instrumentengruppen. So weisen in Frohes Leben die Streicher in den Takten 24 – 26 Achtelnoten auf, während die Holz- und Blechbläser Viertelnoten zu spielen haben. In anderen Fällen, wo die typische Walzerbegleitung Takt für Takt in Viertelnoten gesetzt ist, jedoch gegen eine Melodiestimme in Achteln (z. B. Takte 197 -210} aus Frohes Leben), wurden die Begleitstimmen nicht angepaßt.

Einige der Phrasen wurden verändert, um Konsistenz zu erreichen, das gilt vor allem innerhalb der Instrumentenfamilien, wiederum aber nicht für das Verhältnis zu den anderen Gruppen.

Einige der Einzelstimmen weisen ein Crescendo oder Diminuendo auf, oder generell eine Ausdrucksbezeichnung, die sich nicht in den anderen Stimmen findet. Die Frage an diesen Stellen besteht darin, ob die dynamischen Angaben tatsächlich nur für die einzelne Stimme oder für alle Stimmen gelten oder für einen Teil der anderen Stimmen – und wenn ja, für welche Stimmen genau. Josef Strauss hat oftmals Instrumentenstimmen mit unterschiedlichen dynamischen Stufen versehen, so daß hier nicht leicht die richtige Antwort zu finden ist. Wo Unklarheiten bestehen, habe ich in aller Regel alle Stimmen mit der gleichen Angabe versehen, auch wenn hiermit ein bewußt gesetzter individueller Ausdruck übergangen wurde.

Zudem habe ich einige Tempoangaben ergänzt. Sie finden sich zumeist am Beginn eines Stücks, und sie sind recht offensichtlich zu erkennen, z.B. das tempo di polka mazurka. Einige andere sind jedoch nur als Vorschläge für eine erfolgreiche Aufführung gedacht, so etwa das animando aus Frohes Leben. Solche Anweisungen sind in Klammern gesetzt und können ohne weiteres ignoriert werden.
Bestreitbar mögen hingegen die kurzen Passagen sein, die ich in den letzten Takten von Frohes Leben für Pauke und Harfe hinzugefügt habe. Josef Strauss rechnete damit, daß das Orchester über zwei Perkussionisten verfügt, von denen einer die Pauke sowie die Cassa, also die Baßtrommel mit Zymbeln, bedient, der andere die kleine Trommel. Am Ende des Stücks erklingt die Cassa, so daß niemand für die Pauke zur Verfügung steht. Ich habe dessen ungeachtet eine Paukenstimme hinzugefügt für den Fall, daß ein Orchester über einen dritten Perkussionisten verfügt. Was die Harfe betrifft, so kann ich mich hier nicht philologisch herausreden – es ist schlichtweg unbefriedigend, daß die Harfe während des Finales zu schweigen hat. Es versteht sich von selbst, daß auch diese Zusätze deutlich als optional gekennzeichnet sind.

Der Orchestersatz der vorliegenden Edition beinhaltet eine zusätzliche Klarinettenstimme, die für B- oder A-Klarinette transkribiert wurde, auch wenn dies kleinere Nachbesserungen im Part der ersten Klarinette nach sich zog, um nicht ihren Stimmumfang zu übeschreiten. Auch finden sich Transkriptionen des Trompetenparts für Instrumente in B. Dies ermöglicht es auch Amateurorchestern, diese Stücke ohne größere Schwierigkeiten aufführen zu können. In der Partitur werden diese Extrainstrumente nicht eigens verzeichnet. Pauke und Cassa teilen sich das gleiche System, so daß sie entweder von einem einzigen Spieler bedient werden können, wie es intendiert war, oder von zweien.

Übersetzung: Stefan Schenk-Haupt, 2006

Aufführungsmaterial ist zu beziehen über Musikproduktion Höflich, München (www.musikmph.de).

Partitur Nr.

620

Special Edition

The Phillip Brookes Collection

Genre

Orchester

Seiten

116

Performance materials

available

Printing

New print

Size

160 x 240 mm

Nach oben