Schmidt, Franz

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Schmidt, Franz

String Quartet No. 2 in G

20,00 

Franz Schmidt – Streichquartett Nr. 2 in G moll (1929)

(geb. Preßburg/Bratislava, 22. Dezember 1874 – gest. Perchtoldsdorf, 11.  Februar 1939

I Molto tranquillo
II Adagio
III Scherzo. Allegro vivace
IV Allegro

Vorwort
Franz Schmidt hat sein II. Streich-Quartett, G-dur 1929 in Perchtoldsdorf bei Wien geschrieben. Widmungsträger ist Arnold Rosé (1863-1946), der berühmte Violinist, der mit seinem Rosé-Quartett das Werk am 22. März 1930 in Wien zur Urauffühurng brachte. Was eigentlich dabei geschah, weiß man dank einer nicht gerade unbefangen-objektiven Kritik des Abends aus der Feder Julius Korngolds: „Rosé wollte zeigen, daß das vorgeschützte Bedürfnis nach zeitgenössischen Novitäten, zumal in der Kammermusik, bei der nicht Szene, nicht Kinobild nachhelfen und die nun einmal ein ernstmusikalisches Publikum hat, nur ein Parteibedürfnis sei“ – und habe daher Freikarten und Gesichtsentrees untersagt. Das Resultat war ein „gähnend leerer Saal“ in dem „jeder Erschienene sich in Beifall zu verzehnfachen wünschte, um den Künstler zu entschädigen.“ Das mag wohl alles stimmen; immerhin ist es merkwürdig, dass Rosé, der für seine Parteinahme für schwierige oder umstrittene Werke, die er für wertvoll hielt, überall bekannt war, kein zweites Mal das Werk aufs Programm setzte. Es war der Verdienst eines zweiten Wiener Ensembles, des Sedlak-Winkler-Quartetts, dessen wiederholte Aufführungen dafür sorgten, dass sich das Wiener Publikum allmählich mit Schmidts neuem Quartett anfreundete.

Denn Schmidts II. Streich-Quartett gehört keineswegs zu den unmittelbar verständlichen seiner Werke. Die Monographien über den Komponisten und seine Werke – z.B. von Andreas Liess (1951), Carl Nemeth (1957), und Norbert Tschulik (1972) – stimmen überein in der Behauptung, Schmidts damals intensive Beschäftigung mit der avantgardistischen Musik, mit der Schönbergs insbesonders – 1929 hat er als Rektor der Wiener Fachhochschule für Musik und Darstellende Kunst einen Schönberg-Abend veranstaltet und dessen Pierrot Lunaire nach zahlreichen Proben aufgeführt – habe sich in der fortgeschrittenen Chromatik dieses Streichquartetts niederschlagen. Das ist allerdings höchstens bedingt richtig. Man soll sich an das berühmte Urteil Hans Pfitzners über das musikalische Schaffen Franz Schmidts erinnern: „Ehrlicher als Richard Strauss, einfallsreicher als Reger und formvollendeter als Bruckner“ – und auch wenn man mit dem Urteil selbst nicht einverstanden ist, muss man zugeben, dass Pfitzner die stilistischen Anhaltspunkte richtig identifiziert hat. Das stimmt auch in Bezug auf das II. Streich-Quartett. Nemeth schreibt, „der erste Satz, in seiner dichten Chromatik und seinen komplizierten harmonischen Situationen, gemahnt eher an Reger,“ was weitgehend für alle vier Sätze gilt. Schmidts Linienführung ist sogar klarer, geschmeidiger als die Regers, mit größerem Wert auf Bewegungskontinuität gelegt. Zwar grenzt der Scherzosatz und Teile des Finales ans Bizarre, aber das Anmutige und sogar (wenn es nicht zu stereotyp anmutet, es zu sagen) Gemütliche fehlen nie gänzlich und bestimmen oft die Ausdrucksweise. Wie Lies zu behaupten, dass der expressionistische Zug am Werk „unverkennbar“ sei, ist eher verfehlt: Merkwürdig ist, wie wenig expressionistisch Schmidts Ausdrucksweise ist. Wie Tschulik zu behaupten, „die Ausweitung des Tonalitätsbegriffs erscheint bis nahe an die Atonalität vorangetrieben“, ist schlichtweg falsch. Zwar weiß man nicht gleich zu Anfang – Tschuliks Beispiel – „dass man es mit einem Opus in G-dur zu tun hat“, doch ist ein solcher Anfangsgambit auch in tonalen Werken kaum unerhört; ansonsten lässt sich sagen, Schmidts chromatisch sequenzierende Linienführung sorgt zwar für eine gewisse Auflockerung der tonalen Zielstrebigkeit, aber selbst seine abstrusesten Stilmittel – etwa seine harmonisch eigensinnigen Laufbässe – zeigen sich schließlich als tonalitätsbestätigend, nicht tonalitätsauflösend. In wenigstens einer Hinsicht hat Julius Korngold wohl recht gehabt in seiner zitierten Kritik, als er Schmidts Haltung zur musikalischen Avantgarde beschreibt: „War es nicht auch diesem Wiener Meister gleich seinem Interpreten um eine halb ernste, halb scherzhafte Demonstration zu tun? Wollte er nicht dartun, daß er alles das könne, was die Linearen können, nur besser, musikalischer, phantasie- und kunstreicher als sie?“

Partitur und Stimmen des II. Streich-Quartetts erschienen beim Wiener Verleger Ludwig Doblinger, die Stimmen (D. 6710a, 1929) den Daten nach sogar vor der Partitur (D. 6710, 1930) (heute erhältlich bei Musikproduktion Höflich, www.musikmph.de). Was aber Einspielungen betrifft: Jene österreichischen Komponisten, die nicht zur Schönberg-Schule gehörten und in Österreich ansässig blieben, bewohnten eine Art musikalischer Provinz. Es nimmt also nicht wunder, dass die einzige Schmidt-Aufnahme vor 1945 das berühmte Intermezzo aus seiner Oper Notre Dame war. Erst in der Nachkriegszeit wurde die erste österreichische Schallplattenfirma vom Rang gegründet – 1952, von Otto G. Preiser – und im Laufe der 1950er und -60er Jahre erschien bei seiner Firma eine beachtenswerte Schallplattenreihe von Schmidt-Aufnahmen, vorwiegend von Kammermusikwerken. So erschien 1965 eine Langspielplatte von dieser II. Streich-Quartett in einer Einspielung von 1964, gespielt vom Wiener Konzerthausquartett (Preiser Records SPR 3246-47). Diese Auffürung erschien wenig später bei Favorit Klassik (FK 50115), eine Preiser-eigene Marke, und endlich auf CD (Preiser Records 93063, 1990) und als Download bei www.preiserrecords.at. Die Erhältlichkeit durch einer britischen Firma von einer zweiten (und einer auch recht feinen) Einspielung des Werks (gespielt vom Wiener Franz Schubert Quartett, Nimbus NI 5467, CD, 1997, aufgenommen 1996) mag ein Zeichen des nachhaltigen und wachsenden Interesses am Werk Franz Schmidts sein.

Stephen Luttmann, 2011

Aufführungsmaterial zu beziehen bei Musikproduktion Höflich, München (www.musikmph.de). Nachdruck eines Exemplars aus der Musikbibliothek der Stadtbücherei München, München.

English preface > HERE

Partitur Nr.

1178

Edition

Repertoire Explorer

Genre

Kammermusik

Seiten

72

Format

Printing

Reprint

Performance materials

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