Nietzsche, Friedrich

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Nietzsche, Friedrich

The Hymn of Life (Hymnus an das Leben) for mixed choir and orchestra

Art.-Nr.: 1985 Kategorie:

12,00 

Preface

Friedrich Nietzsche

(geb. Röcken, 15. Oktober 1844 – d. Weimar, 25. August 1900)

Hymnus an das Leben
für gemischten Chor und Orchester

 

Vorwort
Für Friedrich Nietzsche war Musik von größter Bedeutung. In der Musik fand er nicht nur einen Gegenstand für philosophische Fragen, auch sah er sie als Medium für den Ausdruck persönlicher künstlerischer Tendenzen an.

Geboren 1844 nahe Leipzig als Sohn eines lutherischen Pfarrers und Organisten hatte Nietzsche früh Kontakt zur Musik. Er war schon als Kind zutiefst beeinflusst von der protestantischen Kirchenmusik. Später, während seiner Zeit als Schüler im Naumburger Gymnasium, besuchte er oft Soirées im Haus seines Bekannten Gustav Krug, wo er in seiner Überzeugung gestärkt wurde, dass Musik seine Berufung sei. Obwohl er bei diesen musikalischen Abenden viele zeitgenössischen Komponisten kennenlernte, entwickelte er doch eine Affinität zur deutschen Klassik. Die ersten Stücke, die er im Alter von 14 Jahren komponierte, waren hauptsächlich von Schubert und Mendelssohn sowie von Bach, Haydn, Mozart und Beethoven beeinflusst. Er betrachtete diese Komponisten als die „Seele der deutschen Musik“ und blieb ihnen treu, bis er Wagner entdeckte. Anfangs rang er mit Wagners Einfluss; als dieser ihn jedoch eingenommen hatte, war ein Hauptteil seiner Werke bereits geschrieben. Seine musikalischen Interessen und Fähigkeiten als Komponist wuchsen durch sein Engagement im privaten Club „Germania“, den er 1860 mit Krug und Wilhelm Pinder gründete. Musikalische Komposition, essayistische Schriften sowie Debatten über zeitgenössische Kultur und Musik im „Germania“- Club hatten einen zentralen Einfluss auf die persönliche Entwicklung des zukünftigen deutschen Philosophen. In diesen frühen Jahren der intellektuellen Reifung durchlief Nietzsche eine Phase der nationalen Romantik, doch sein Interesse am Thema des Nationalismus ging über den des deutschen Volkes hinaus. Er entwickelte ein Interesse an der nordischen Mythologie, den Legenden des gotischen Königs Ermanaric, der serbischen Folklore und epischen Poesie, der ungarischen und der polnischen Nationalmusik. Es ist erwähnenswert, dass Nietzsche, obgleich er seinem eigenen musikalischen Schaffen kritisch gegenüberstand, niemals längere oder komplexere Stücke schuf. Die meisten seiner Arbeiten waren Klavierminiaturen oder- lieder. Ausnahmen stellen Wie sich Rebenranken schwingen (1863) und Eine Sylvesternacht (1864) dar, beide für Violine und Klavier, mehrere Stücke für vierhändiges Klavier und ein vierstimmiges Chorstück (Kirchengeschichtliches Responsorium, 1871). Trotzdem schrieb und fantasierte Nietzsche über bedeutsame Werke; so vertonte er beispielsweise Schopenhauer, eine Schlüsselfigur der Philosophie. Schopenhauer schrieb: „(…) Musik ist keineswegs wie die anderen Künste, nämlich eine Kopie der Ideen, sondern eine Kopie des Willens selbst, deren Objektivität, aus welcher die Ideen sind. Aus diesem Grund ist die Wirkung der Musik so viel mächtiger und durchdringlicher als die der anderen Künste, denn diese sprechen nur von dem Schatten, Musik aber von dem Wesen.“ Durch Schopenhauer, dem er später ein Buch widmen sollte (Schopenhauer als Erzieher, 1874) näherte Nietzsche sich Wagner an, der auch von Schopenhauer fasziniert war. Wagner und Nietzsche trafen sich erst 1868, bevor Nietzsche seine Lehrtätigkeit an der Universität Basel sowie eine Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig erhielt. In Wagners Tristan und Isolde erkannte Nietzsche genau das, worüber Schopenhauer schrieb. Zwischen 1868 und dem Aufsatz Nietzsche gegen Wagner (1888-1889, 1895 veröffentlicht) entwickeln die beiden Männer eine komplexe intellektuelle Beziehung und brechen später mit ihr. Es scheint jedoch, dass Wagner für Nietzsche, der merklich von ihm beeinflusst war, ebenso wichtig war wie seine Forschung über die klassische griechischen Kultur, um das zweifache Prinzip von „apollinisch“ und „“dionysisch“ zu entwickeln. Dieses philosophische Prinzip ist entscheidend für das Verständnis seiner Beziehungen zu den Künsten.

Keine seiner Kompositionen dieser Zeit konnte qualitativ seinem philosophischen Werk das Wasser reichen, so dass dieses dialektische Prinzip nicht in einen Kompositionen belegt werden kann. Am Ende seiner musikalischen Laufbahn schliesslich gelang es Nietzsche (der während seines Studiums erkannte, dass die Musik seine Leidenschaft bleiben würde, aber nicht seine Berufung), ein einziges Stück zu schaffen, das aus dem Rest seines Oeuvres an Qualität und intellektueller Stärke herausragt – Hymnus an das Leben.

Hymnus an das Leben basierte auf dem musikalischen Thema seines eigenen Hymnus auf die Freundschaft (1874), einem Klavierstück, das Wagner vertraut war. Der Hymnus an das Leben wurde im Jahre 1887 fertiggestellt und verwendet ein Gedicht von Lou Salomé, die er zu dieser Zeit bereits persönlich kannte: Lebensgebet von 1882. Nietzsche schrieb über Salomé: „Ich fand keinen begabteren oder reflektierenderen Geist. Lou ist bei weitem die klügste Person, die ich je gekannt habe“. Ihr Lebensgebet erzählt von bedingungsloser Liebe zum Leben, unabhängig von den Herausforderungen, die das Leben dem Menschen stellt. Mit diesem Thema und der Tatsache, dass dies Nietzsches letztes musikalisches Werk war, könnte man es als ein philosophisches Testament bezeichnen. „Dem großen Zyniker“ des 19. Jahrhunderts gelang es, über das Leben und den Wert des Lebens zu sprechen, kurz bevor er selbst psychische Krankheit und Tod erlitt.

Das Stück ist für gemischten Chor und Orchester komponiert, doch der unerfahrene Nietzsche brauchte Hilfe bei der Instrumentation, die Johann Heinrich Köselitz (1854-1918) beisteuerte. Der von Nietzsche Peter Gast genannte Köselitz war ein Freund, mit dem er ab den 1870er-Jahren bis hin zu seinem Tod eng zusammenarbeitete. Köselitz selbst hinterließ ein bescheidenes Oeuvre, nur bemerkenswert die komische Oper Der Löwe von Venedig. Jedoch verdient er Anerkennung für seine Mitarbeit an Nietzsches Musik sowie seine spätere Arbeit (wenngleich vielfach kritisiert) an Nietzsches Weimarer Archiv. Es besteht kein Zweifel daran, dass Köselitz für die Entstehung und vielleicht sogar die Korrektur der Originalpartitur verantwortlich war. Sich stark entwickelnde Gesangsteile dominieren das Stück; Die Atmosphäre ist feierlich, mit leichten Harmonien und oft wiederholtem, euphorischem Thema, während dem Orchester eine etwas bescheidene Rolle als harmonischer Hintergrund zufällt. Einer kurzen Einleitung in D-Dur folgen zwei Versen, nach denen das hymnische Thema wiederholt wird. Eine einfache, transparente Struktur, sowie eine eingängige Melodie schaffen ein eigenständiges, wehmütiges musikalisches Bild.

In Ecce Homo schreibt Nietzsche, dass er dieses Stück in einer Zeit des tiefen „tragischen Pathos“ komponiert habe. Er fand Trost in Salomés Poesie, die erzählt, wie „Schmerz kein würdiger Einwand gegen das Leben ist.“ Im selben Aufsatz sagt der deutsche Philosoph, er hoffe, dass nach seinem Tod der Hymnus an das Leben „in seinen Gedanken singen“ würde.

Übersetzung: Oliver Fränzke

Lou Salome
Lebensgebet

Gewiß, so liebt ein Freund den Freund,
Wie ich dich liebe, Rätselleben –
Ob ich in dir gejauchzt, geweint,
Ob du mir Glück, ob Schmerz gegeben.

Ich liebe dich samt deinem Harme;
Und wenn du mich vernichten mußt,
Entreiße ich mich deinem Arme
Wie Freund sich reißt von Freundesbrust.

Mit ganzer Kraft umfaß ich dich!
Laß deine Flammen mich entzünden,
Laß noch in Glut des Kampfes mich
Dein Rätsel tiefer nur ergründen.

Jahrtausende zu sein! zu denken!
Schließ mich in beide Arme ein:
Hast du kein Glück mehr mir zu schenken
Wohlan – noch hast du deine Pein.

Score Data

Edition

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Genre

Chor/Stimme & Orchestra

Format

210 x 297 mm

Druck

Reprint

Seiten

16

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