Moniuszko, Stanislaw

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Moniuszko, Stanislaw

Verbum nobile Overture

Art.-Nr.: 1245 Kategorie:

19,00 

Stanisław Moniuszko

(geb. Ubiel bei Minsk, Weißrussland, 5. Mai 1819 – gest. Warschau, Polen, 4. Juni 1872)

Ouvertüre zur Oper Verbum Nobile

Besetzung: 1Fl./Picc. – 2 Ob. – 2 Kl. – 2 Fg. – 4 Hr. – 2 Trp. – 3 Pos. – Streicher –

Pauke – Schlagwerk

Aufführungsdauer: ca. 6 Minuten

Vorwort der Herausgeberin

Musik zu hören und sie zu verstehen, stellt einen hohen Anspruch an den Hörer – darüber zu sprechen und zu schreiben, fordert Autoren wie Leser zusätzlich auf eine ganz besondere Art und Weise heraus. Denn wie kann und soll es gelingen, über etwas nachzudenken und dies an andere zu vermitteln, das so wenig greifbar ist? Dies trifft generell für Musik und speziell auf Stanisław Moniuszko und seine in Vergessenheit geratenen Werke zu.

Im Wintersemester 2011/2012 entstanden am Musikwissenschaftlichen Institut der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf in dem von mir geleiteten Projekt-Seminar „Schreiben über Musik“ fünf Vorworte zu Opern-Ouvertüren des polnischen Komponsiten: Halka, Flis, Jawnuta, Paria und Verbum Nobile. Die Relevanz solcher Praxiserfahrungen zeigte sich gleich daran, dass (erfreulicherweise) mehr Seminarteilnehmer als zu erarbeitende Vorworte vorhanden waren. So fanden sich Studierende aus geisteswissenschaftlichen wie künstlerischen Studiengängen in Autoren-Teams zusammen, um gemeinsam einen Text zu erarbeiten. Bereits durch diese Konstellation ergab sich eine Gemengelage unterschiedlichster fachlicher und auch persönlicher Voraussetzungen, die zu fruchtbaren Diskussionen führten. Innerhalb regelmäßiger Seminarsitzungen wurden die entstehenden und wachsenden Versionen sowohl in der Gruppe als auch in Einzelbesprechungen durch unterschiedliche Betrachtungs- und Lesemethoden diskutiert, korrigiert und optimiert.

Die ‚Schwierigkeit‘, aber zugleich auch Chance ergab sich in erster Linie aus der dünnen Literaturgrundlage der deutschsprachigen Moniuszko-Forschung. Die Ausgangssituation, mit wenig Vorgegebenem arbeiten zu müssen bzw. zu können, bot die Möglichkeit, die Werke Moniuszkos selbstständig und neu betrachten zu können. So zeigen alle Vorworte völlig unterschiedliche und originelle Ansätze, die überzeugend verdeutlichen, dass sich die Beschäftigung mit Musik jenseits des üblichen „Repertoire-Kanons“ stets lohnt.

Yvonne Wasserloos, Mai 2012

Entstehung des Vorworts zur Ouvertüre Verbum Nobile

Das Vorwort zur Ouvertüre der Oper Verbum Nobile ist aus der Zusammenarbeit zweier Teilnehmerinnen am Seminar „Schreiben über Musik“, Jill Hollender und mir, entstanden. Als wir anfingen, Informationen über Moniuszko und sein Werk zu sammeln, haben wir sofort gemerkt, dass diese keine leichte Aufgabe sein würde. Zunächst, weil wir kaum etwas über den Komponisten weder von dem Menschen noch von dem Musiker wussten. Dazu kam die Feststellung, dass die wissenschaftliche Literatur im deutschensprachigen Raum sich auf einen extrem geringen Umfang beschränkt. Da wir aber zu Beginn der Recherche bei mehreren Diskussionsrunden mit den anderen Projektteilnehmern – darunter auch polnisch-sprachige Studierende – unsere gesammelten Informationen austauschen konnten, wurden uns sowohl Leben als auch Werk des Komponisten allmählich klarer. Erstaunlicherweise, je vertrauter er und seine Musik uns wurden, desto schneller wuchs das Interesse daran, mehr darüber zu erfahren. So standen wir, schneller als wir dachten, vor einigen Rätseln: Wie konnte seine Musik in Vergessenheit geraten? Was hat ihn dazu verleitet, so zu komponieren und nicht anders? Welcher kulturelle bzw. gesellschaftliche Kontext hat ihn geprägt? Die Nachforschung, um uns diese und weitere Fragen zu beantworten – was aufgrund der Zeit, nur teilweise möglich war – stellte gewiss keine leichte Aufgabe dar. Dennoch können wir heute diese als eine sehr bereichernde Erfahrung bezeichnen, die aber vor allem Ihnen, dem Leser und Musikliebhaber, es ermöglichen soll, sich einen kurzen, dennoch tiefgreifenden Überblick in das Werk und Leben von Stanisław Moniuszko zu verschaffen.

Maribel Saldaña Márquez


„Der Gesang ist die in höchster Leidenschaft erregte Rede: die Musik ist die Sprache der Leidenschaft.“ (Richard Wagner)

Der polnische Komponist Stanisław Moniuszko teilte diese Ansicht und äußerte sich voller Bewunderung über Richard Wagner: Er versah ihn sogar in seinem Brief vom 25. Juni 1853 an den polnischen Musikwissenschaftler Józef Sikorski mit dem Titel „Großer Reformator“ und „Retter des Musikdramas“. Überdies erweiterte er Wagners Ansichten um einen ganz eigenen Aspekt: Die Musik solle als eine Art Übersetzerin jeglicher menschlicher Gefühle fungieren, welche durch die gesprochene Sprache ausgedrückt werden. Darüber hinaus solle sie insbesondere klar und verständlich für jedes Individuum sein und demgemäß in ihrer Aussagekraft eine so hohe Präzision wie nur möglich aufweisen. So scheint es nicht verwunderlich, dass sich der polnische Komponist, mit Ausnahme von zwei Streichquartetten und einigen kleinen Klavier- bzw. Orgelwerken hauptsächlich den Gattungen Lied, Oper, Operette und Kantate widmete. Für die von ihm angestrebte hohe Ausdruckskraft gab er der Vokalmusik den Vorzug.

Doch wer war dieser Mensch, der in seinem Heimatland als Nationalkomponist verehrt und gefeiert wurde und bis heute auch wird? Jener, dessen erste Oper Halka den wohl größten Triumph für ihn darstellte und welcher sich nie einen ähnlichen Ruf außerhalb der Landesgrenzen erarbeiten konnte? Dort, wo ihm nie die entsprechende Anerkennung für seine Erfolge entgegengebracht wurde und er folglich für den Rest der Welt nahezu in Vergessenheit geriet?

Moniuszko wurde am 5. Mai 1819 in Ubiel (Weißrussland) auf einem kleinen Landgut als Sohn einer verarmten adligen Familie geboren und verstarb am 4. Juni 1872 in Warschau. In seiner Person vereinigte er die Rollen eines Komponisten, Dirigenten und Musikpädagogen. Seine zahlreichen Opern und Lieder zeichnen sich einhellig durch einen patriotischen und nationalen Charakter aus. In späteren Jahren bewertete er seine Kompositionen sogar als eine Art „Dienst am Volke“. Im Allgemeinen folgte er in seinen Werken der Tradition der polnischen Kunstmusik und entwickelte diese hin zu einer eigenen musikalischen Sprache, die reich an melodischen Erfindungen und markanten Rhythmen ist. Dennoch blieb sie in ihrem Wesen durch die harmonische Eingängigkeit klar und verständlich für den Hörer, welcher sich mit dieser identifizieren sollte.

Nun mag ein mancher den Verdacht hegen, Moniuszkos Motive für seine kompositorische Arbeit wären aus einem reinen Bewusstsein für ästhetische Prinzipien entsprungen. Diese Intention soll noch um den folgenden Gesichtspunkt erweitert werden: Sein musikalisches Wirken widmete sich in gleicher Weise in aufklärerisch-erzieherischer Absicht dem Aufbau eines eigenen, fortschrittlichen Musiklebens in Polen, eine Nation, die als solche zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr existierte. Daher war es für die polnische Bevölkerung notwendig sich erneut als Einheit zu definieren und sich entschlossen von den benachbarten Staaten abzugrenzen. Moniuszko versuchte seinerseits dieses Vorhaben durch Lehr- und Organisationstätigkeiten, wie etwa die Gründung von Musikvereinen oder die Durchführung öffentlicher Konzerte, zu unterstützen. Dessen ungeachtet war die Oper für ihn die eigentliche Krönung seines Schaffens und das fokussierte Ziel all seiner musikalischen Wünsche, so auch Verbum Nobile.

In der Handlung der Oper tritt immer wieder ein bestimmtes prägendes Element in unmittelbare Erscheinung: Der Adelskreis, der die polnischen Bräuche und Traditionen ausdrücklich hervorhebt. Nicht grundlos trägt die Oper den Namen Verbum Nobile, das „adelige Ehrenwort“. Die Handlung, deren Ausgangspunkt die militärischen Oberhäupter zweier adliger Familien darstellen, wird vor dem Haus einer der Feldherren angesiedelt. Die Edelherren, Serwacy Łagoda und Marcin Pakuła, trafen bereits im Vorfeld ein Abkommen über die zukünftige, beabsichtigte Heirat ihrer beiden Kinder, Zuzia und Stanisław. Als sie über die nötige Reife verfügen und der Zeitpunkt der Eheschließung unaufhaltsam näher rückt, verlieben sie sich – nur wählen sie augenscheinlich einen anderen Partner, sehr zum Unmut ihrer Väter. Das Versprechen droht gebrochen zu werden, eine Lösung des Konfliktes scheint vergebens. Nachdem das Publikum stiller Zeuge verwirrender Missverständnisse geworden ist, lichtet sich die allgemein herrschende Hilflosigkeit: Zuzias Liebhaber, Michał, entpuppt sich nun als der für sie ursprünglich angedachte Partner. Er ist Stanisław, Sohn des Marcin Pakuła. Das Schicksal hat sie auf seine ganz eigene, nahezu ironische Weise letzten Endes doch noch zusammengeführt, das ‚edle Wort‘ konnte eingehalten werden.

Die einaktige Oper wird mit einer etwa sechs-minütigen Ouvertüre eröffnet. Das Libretto stammt von Moniuszkos bis dato weitestgehend unbekanntem polnischen Zeitgenossen Jan Chęciński. Hiermit ging der Komponist ein gewisses Risiko ein, da die Zusammenarbeit mit namhaften Librettisten und die Umsetzung bekannter Sujets als Garant für die positive Aufnahme eines Musikstückes galten. Diese ungewohnte Konstellation sollte sich auch auf die Rezeption auswirken. Die Uraufführung der Oper erfolgte am 1. Januar 1861 im Teatr Wielki („Großes Theater“) in Warschau.

Auch wenn Moniuszkos Werk ohne Weiteres in das Genre der Komischen Oper eingeordnet werden kann, spielte die Auffassung der Komik eine entscheidende Rolle in der damaligen Rezeptionsgeschichte. Hier spalteten sich die Kritiker-Stimmen in zwei Lager: Zum einen wurde Verbum Nobile als zu adelskritisch und damit als ablehnungswürdig eingeschätzt, zum anderen wurde die Darstellung der feineren polnischen Gesellschaft begrüßt und die Oper als nationales Werk anerkannt. Ausschlaggebend dafür war die Auslegung der Handlungsweise der Figuren. In Abhängigkeit davon, ob diese als satirisch-ironische Anklage überlebter Riten gedeutet wurde oder als Verherrlichung des altpolnischen Idealzustandes, kamen die Kritiker zu unterschiedlichen Beurteilungen.

In der in Warschau erscheinenden Zeitung Gazeta Codzienna vom 2. Januar 1861 hieß es: „Moniuszko schmückte dieses leichte und fröhliche Werk mit einer leichten, fröhlichen und hübschen Musik.“ Der Rezensent hob mit seiner Wortwahl die musikalischen Qualitäten der Oper hervor, ließ jedoch in seine Kritik auch Begrifflichkeiten wie „hübsches Kleinod“ und „niedliches Spielzeug“ miteinfließen. Somit bot er dem Leser großen Raum für ironische Interpretationsansätze. Doch nicht für jeden wies Verbum Nobile eindeutige komische Attitüden auf: Man bemängelte das Fehlen einer greifbaren Intrige und verwies auf die zu knapp gehaltene Handlung. Dem setzte man aber wiederum die harmonische Verbindung zwischen Libretto und Komposition gegenüber. Abschließend wurde der Oper keine weitere Bedeutung beigemessen: „Verbum Nobile ist keine ländliche, sondern eine höfische Idylle

[…] Wie das Leben in unseren alten […] Höfen“ (Gazeta Codzienna vom 2. Januar 1861). Der anonyme Autor empfahl Moniuszko sogar, sich im Folgenden wieder der aussagekräftigeren Form der ernsten Oper zuzuwenden. Eben zu jener, welche ihm zur allgemeinen Anerkennung seiner Person verholfen hatte: „Jetzt aber, nach vier Opern mit komischem Inhalt […], sei es erlaubt Moniuszko zu raten, wieder zu dem Genre zurückzukehren, das ihm Ruhm einbrachte, zur opera seria, es mag nun genug sein, sich auf Gebieten lächelnder, leichterer Gedanken auszuruhen.“

Demgegenüber äußerte sich Józef Sikorski im hohen Maße positiv hinsichtlich der Handlung. Zwar bezeichnete er diese als „kleines Drama“ und die Ouvertüre sei „leicht mit den Streichern dahingezwitschert“, grundsätzlich handle es sich aber „um ein vorzüglich in Szene gesetztes Sittenbild. Der Hauptgedanke: ‚Das adlige Ehrenwort ist eine heilige Sache‘ ist schön dargestellt“ ( Ruch Muzyczny, Warschau, vom 9. Januar 1861). Dementsprechend verlieh er dem zugrundeliegenden Inhalt der Oper eine tiefer gehende Bedeutung als andere Kritiker. Jedoch berief er sich in seiner Rezension ebenso wenig auf einen adelskritischen Gehalt des Werkes.

Die alleinige Aufführung einer neuen nationalen Oper kam aufgrund der immer schwieriger werdenden Situation am Warschauer Theater einer politischen Auflehnung gegenüber den russischen Machthabern gleich. Der Interpretationsansatz der vermeintlich satirischen Überzeichnung und des grotesk skizzierten Bildes adliger Sitten, stieß auf geringe Beachtung seitens Moniuszkos Zeitgenossen und trat folglich in den Hintergrund. Anders verhielt es sich mit der dazu kontrastierenden offensichtlichen Sozialkritik in seiner Nationaloper Halka: Durch die offenkundige negative Wertung der gesellschaftlichen Zustände, schien eine Auseinandersetzung mit dieser unausweichlich. Somit ist Verbum Nobile ein eindringliches Beispiel für die unterschiedliche Auffassung und Gewichtung der Werke des Komponisten, deren Bedeutsamkeit an gegebenen politischen Verhältnissen und nationalen Bedürfnissen gemessen wurde.

Moniuszkos musikalisches Schaffen vollzog sich in einer Zeit, die durch die Suche nach nationaler Identität geprägt wurde. Eine Zeit, in der sich das Finden des ‘Eigenen‘ und die Abgrenzung von dem Fremden als Leitgedanke in den Köpfen vieler Künstler und Intellektueller in Europa wiederfand. Der Beitrag des polnischen Komponisten hierzu war geprägt davon, dass er das allgemeine Gut der Kunstmusik mit seinen Mitteln und Formen aufgriff. Er kombinierte diese jedoch mit rein polnischen Merkmalen, wie etwa der Landessprache, und verband sie mit vertrauten Rhythmen der Volkstänze. In Abhängigkeit davon, welche jeweiligen Aussagen und Stimmung er mit seinen unterschiedlichen Kompositionen anstrebte, verwendete er ganz konkrete Mittel:

In der Ouvertüre zu Verbum Nobile wird dem Publikum bereits ein kleiner Ausblick auf den Verlauf der Geschichte, bekanntermaßen einen sich anbahnenden Konflikt im Adelskreis, geboten. Die Ouvertüre beginnt mit einem kurzen Akkordschlag in der Tonika D-Dur, welcher von den Bläsern und den Pauken gespielt wird. Unmittelbar darauf stellen die ersten Violinen ein nach oben strebendes, in seiner Lebendigkeit markantes, melodisches Motiv vor. Das nachfolgende „Allegro vivo, leggierissimo“ verströmt bereits zu Anfang eine heitere, losgelöste Atmosphäre, die eine feierliche Stimmung erzeugt. Plötzlich erklingen zwei Fanfaren im Orchester-Tutti, in der Dominante A-Dur, welche unmittelbar hintereinander gespielt werden (Ziffer 2). Diese könnten für den majestätischen Charakter des höfischen Kreises stehen. Daraufhin wechseln die jeweiligen Einsätze zwischen den Streicher- und Bläsergruppen sehr lebhaft und in rascher Abfolge. Das Fanfarenmotiv erklingt erneut, dieses Mal aber in vierfacher Abfolge (Ziffer 3), hiermit wird die durchdringende Präsenz des dominierenden Adels noch deutlicher hervorgehoben. Unerwarteter Weise reduziert sich im Anschluss die Besetzung. Mit einer Dynamik, die sich vom Pianissimo ausgehend hin zum Fortissimo erstreckt, erreicht das Orchester durch einen Tutti-Einsatz die Subdominante G-Dur (Ziffer 4-5). Aus der Tonika heraus entwickeln die Streicher ein lyrisches Motiv, wodurch der Übergang zu einem neuen Abschnitt erkennbar wird (Ziffer 5-6).

Vom „Cantabile“ hin zum „Dolcissimo delicatamente“ entfalten im Oktav-Abstand die ersten Violinen und die Celli ein weiteres melodisch-lyrisches Motiv. Die Übereinstimmung des Klanges in der Melodieführung kann an dieser Stelle als die Darstellung einer reinen Liebe zwischen zwei Menschen gedeutet werden: Somit würde die Violine die weibliche Stimme repräsentieren, während das Cello dem männlichen Part entspräche. Ein Trio, bestehend aus Flöte, Klarinette und Fagott, dient hier zunächst als harmonisches Gehalt, übernimmt jedoch zwischenzeitlich die Solo-Partie (Ziffer 6-7). Das Duo Violinen-Celli nimmt die Führung erneut auf, kurz darauf gliedern sich Bläser, Streicher und Schlagwerk unterstützend mit ein, bis sie so den Übergang zu einem leichten, tänzerischen und graziösen Abschnitt schaffen (Ziffer 8-9). Durch eine abwechslungsreiche rhythmische Motivik, der sprunghaften Artikulation und großen Intervallen in der Melodieführung, geht es zunehmend zum Tutti Fortissimo, welches einen Dominantseptakkord in höchster Lage erklingen lässt (Ziffer 9-13). Hiermit wird in der Komposition ein derart prägender Spannungsmoment erreicht, das dieser auf die Handlung bezogen die drastische Zuspitzung des Konfliktes nahezu greifbar macht. Nach wenigen Takten leiten nur noch die Streicher, im Diminuendo gehalten, einen sehr zarten, lyrischen Dialog zwischen Flöte und Violinen ein (Ziffer 14-16). Durch das neu zusammengefügte Duett lässt sich auf eine Parallele zur Entfaltung der doppelten Identität des Michałs schließen: Dieser wird zunächst als Zuzias Liebhaber dargestellt, es handelt sich in Wirklichkeit jedoch um Stanisław, Sohn des Marcin Pakułas, und somit um den Verlobten der zukünftigen Braut.

Ein kurzer Akkordschlag im Fortissimo, gefolgt von einem Tutti („Con brio“), unterbricht abrupt die Durchführung des Duos (Ziffer 16-17). Die Fanfarenmotive treten abermals in Erscheinung (Ziffer 18), die Instrumentation verringert sich erneut und die Artikulation wirkt wiederum leicht und geschwind. Ein von der ersten Violine gespieltes Solo wird von den Streichern und Blasinstrumenten begleitet (Ziffer 19) und vollzieht sich hin zu einer, durch das Schlagwerk initiierten, belebten Rhythmik (Ziffer 20-21). Ein kurzer Akkordschlag dient als deutliches Signal zur Einleitung des letzten Abschnittes. Das erste Motiv, mit welchem eine Rückkehr zur Tonika erfolgt, wird durch mehrere Instrumente im Wechsel dargestellt. Die Lautstärke steigert sich merklich, alle Instrumente sind beteiligt, das Tempo ist erhöht und die Artikulation abgesetzt (Ziffer 21-27). Insbesondere der unnachgiebige Klang einer Militärtrommel bringt sich zum ersten Mal mit ein (Ziffer 28). Hier kann der pompöse Charakter des Schlagwerkes als die krönende Auflösung des Konfliktes gedeutet und gleichermaßen der Adel als imposante, vorherrschende Klasse angesehen werden. Die Ouvertüre endet kraftvoll im Orchester-Tutti auf dem Grundton d der Tonika.

Die schlichte Harmonie und unterschiedliche Instrumentenkonstellationen führen zu einem hellen, transparenten Klang und verleihen der Komposition einen geradezu majestätischen, feierlichen Charakter. Dieser bringt die Ouvertüre in Kombination mit zahlreichen, höchst lyrischen Melodien zu ihrer facettenreichen, unterhaltsamen und dennoch anspruchsvollen Vollendung. Moniuszko bietet sowohl dem Hörer als auch dem Musiker eine reiche Palette an unterschiedlichsten Klangfarben und markanten Rhythmen , kurz gesagt: ein Orchesterstück voller Kraft und Lebendigkeit.

Jill Hollender, Maribel Saldaña Márquez, März 2012

Aufführungsmaterial ist von PWM, Krakau zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtischen Bibliotheken, Leipzig.

Editor’s Preface

If listening to and understanding music places high demands on the listener, speaking and writing about it poses further quite special challenges to writers and readers alike. How is it possible or feasible to think about something so intangible and to convey it to other people? This question applies not only to music in general, but especially to Stanislaw Moniuszko and his forgotten works.

In the 2011-12 winter semester, I held a seminar on “Writing about Music” at the Musicological Institute of Robert Schumann University in Düsseldorf. The result was five prefaces to opera overtures by Moniuszko: Halka, Flis, Jawnuta, Paria, and Verbum Nobile. The relevance of such practical experience became immediately apparent in that, happily, there were more seminar members than prefaces to be written. As a result, students from the arts and humanities formed teams to write joint essays. The combinations produced a very broad and varied array of intellectual and personal prerequisites, which led to productive discussions. During the regular seminar sessions, the emerging and expanding versions were debated, altered, and optimized both within the group and in individual discussions using various approaches and methods of reading.

One primary “difficulty,” and at the same time an opportunity, was the paucity of scholarly writings on Moniuszko in German. The ability and necessity of proceeding more or less from scratch made it possible to view his works with a fresh and independent eye. As a result, all the prefaces represent wholly different and original approaches, convincingly demonstrating that the study of music outside the standard “canon” is always worth the effort.

Yvonne Wasserloos, May 2012

Writing the Preface to the Verbum Nobile Overture

The preface to the Verbum Nobile Overture arose from the collaborative efforts of two members of the “Writing about Music” seminar: Jill Hollender and myself. As we began to gather information on Moniuszko and his work, we immediately realized that the assignment would not be easy. First of all, we knew next to nothing about Moniuszko the man and musician. Then we discovered that the scholarly literature on him in the German-speaking countries was extremely sparse. However, as we set out on our research, we were able to exchange the information we collected with the other participants in the project, including several who spoke Polish. Gradually Moniuszko’s life and music became clearer. Amazingly, the more familiar his life and works became to us, the faster we wanted to learn more about him. As a result, sooner than we thought, we faced a number of riddles: How could his music fall into oblivion? What caused him to write in this way rather than another? What cultural and social context left a mark on him? To be sure, our pursuit of these and other questions, hampered by the shortage of time, was no easy task. Nevertheless, today we think of it as a very enriching experience, which is, however, primarily intended to give you, the reader and music-lover, a concise but penetrating overview of the life and work of Stanisław Moniuszko.

Maribel Saldaña Márquez


Stanisław Moniuszko

(b. Ubiel nr. Minsk, 5 May 1819 – d. Warsaw, 4 June 1872)

Overture to the Opera Verbum Nobile

Instrumentation: 1 fl (pic), 2 ob, 2 cl, 2 bn, 4 hn, 2 tpt, 3 tbn, strs, timp, perc

Duration: ca. 6 min.

“Song is speech aroused to the pinnacle of passion: music is the language of passion.” Richard Wagner

The Polish composer Stanisław Moniuszko shared this view and expressed his unbounded admiration for Richard Wagner. In a letter of 25 June 1853 to the Polish musicographer Józef Sikorski, he even called Wagner the “great reformer” and the “savior of musical drama.” He also enlarged on Wagner’s views by adding an aspect all his own: music should function as a sort of translator for all human feelings expressible in spoken language. Moreover, it should be clear and intelligible to everyone, and as precise as possible in its expressive force. It thus comes as no surprise to find that Moniuszko, apart from two string quartets and a few minor pieces for piano or organ, mainly wrote songs, operas, operettas, and cantatas. For the expressive force he was seeking, he gave pride of place to vocal music.

But who was this man who was and still is honored and celebrated as the national composer of his native country? This man whose first opera, Halka, was perhaps the greatest triumph of his career, but who never attained a similar reputation outside the borders of Poland? This man whose successes never received proper recognition abroad, so that he fell virtually into oblivion for the rest of the world?

Moniuszko was born into an impoverished noble family on a small country estate in the White Russian town of Ubiel on 5 May 1819, and died in Warsaw on 4 June 1872. He combined the functions of composer, conductor, and music educator in a single person. His many operas are all distinguished by a patriotic and national character. In later years he even came to regard his compositions as a sort “service to the nation.” In general, his works follow in the tradition of Polish art music, which he developed into a personal musical idiom full of inventive melodies and striking rhythms. With its accessible harmony, however, it remained essentially clear and intelligible to the listener, who was meant to identify with it.

Some might suspect that Moniuszko’s motives for composing arose from an unsullied awareness of aesthetic principles. To these motives it must be added that his musical activities were no less educational in intent, in that they centered on building up a distinctive and progressive musical life in Poland, a nation that no longer existed as such at the time. It was thus essential for the Polish people to redefine themselves as a unity and to forcefully set themselves apart from neighboring states. Moniuszko, for his part, tried to advance this cause with educational and organizational activities, e.g. by founding music societies and mounting public concerts. Nonetheless, the actual crown of his activities and the focused goal of all his musical aspirations was the opera – which brings us to Verbum Nobile.

A distinctive element crops up time and again in the opera’s plot: the aristocracy, who expressly stand for Polish customs and traditions. It is not by chance that the opera bears the title Verbum Nobile, “The Word of Honor.” The plot hinges on the militaristic heads of two aristocratic households and takes place in front of the home of one of these commanders. The two noblemen, Serwacy Łagoda and Marcin Pakuła, have already reached an agreement on the future marriage of their children, Zuzia and Stanisław. Now the two young people have attained the necessary maturity and the date of their wedding draws implacably nigh. They fall in love – except that, much to the chagrin of their fathers, they apparently choose different partners. The word of honor seems broken, a solution to the conflict unreachable. But the audience becomes a silent witness to a mare’s nest of confusions, after which the prevailing sense of helplessness begins to brighten. Zuzia’s lover, Michał, turns out to be the bridegroom originally foreseen for her: Stanisław, the son of Marcin Pakuła. Fate has, uniquely and almost ironically, brought them together after all. The word of honor can be upheld.

The one-act opera begins with an overture lasting roughly six minutes. The libretto is by Jan Chęciński, a contemporary Polish writer who was, at the time, by and large unknown. In this sense the composer ran a certain risk, for a collaboration with well-known librettists and a choice of familiar subject-matter were considered de rigueur for success on the musical stage. This unusual combination would later have an impact on the work’s reception. The première took place on 1 January 1861 in Warsaw’s Teatr Wielki (“Great Theater”).

Though Verbum Nobile can be readily classified as a comic opera, the nature of the comedy played a key role in the way it was received. Critical opinion fell into two camps: to some, the work was overly critical of the aristocracy and deserving of rejection; to others, its portrayal of Poland’s more refined society was welcomed and the opera hailed as a national work of art. The point of view hinged on how the actions of the figures were perceived. Critics arrived at conflicting assessments depending on whether these actions were interpreted a satire on outdated rituals or as the apotheosis of an idealized ancienne Pologne.

Here, for example, is the Warsaw daily newspaper Gazeta Codzienna of 2 January 1861: “Moniuszko decorated this light and merry work with equally light, merry, and pretty music.” With his terminology the reviewer emphasizes the opera’s musical qualities, though he also drops such verbal tags as “pretty gem” and “cute plaything,” thereby granting the reader much leeway for ironic interpretation. But not everyone was convinced by Verbum Nobile’s comic stance: the absence of a tangible intrigue was frowned on and the plot criticized as overly succinct. These complaints were offset by the skillful confluence of libretto and score. Finally the opera was said to be unimportant: “Verbum Nobile is not a rural idyll, but a courtly one […] like the life in our old courts” (Gazeta Codzienna of 2 January 1861). The anonymous author even advised Moniuszko to turn in the future to the more meaningful form of serious opera, the very form that had helped him to widespread recognition: “But now, after four operas on comic subjects […], we are permitted to urge Moniuszko to return to the genre that brought him fame – to opera seria. He has recuperated long enough in realms of smiles and levity.”

In contrast Józef Sikorski, writing in Ruch Muzyczny (Warsaw, 9 January 1861), expressed his complete satisfaction with the plot. True, he called it a “little drama” and referred to the overture as “lightly chirped in the strings.” But basically, he continued, it is “an excellently staged genre painting. The main idea, ‘the nobleman’s word is sacrosanct,’ is prettily depicted.” Accordingly, he attached deeper significance than other critics to the opera’s basic theme. Yet not even his review mentions a critique of the aristocracy.

Given the increasingly difficult situation in Warsaw’s theaters, the mere performance of a new national opera amounted to a political uprising against the Russian overlords. As Moniuszko’s contemporaries paid little heed to interpreting it as an allegedly overdrawn satire and a grotesque depiction of aristocratic mores, these aspects fell by the wayside. How different this was from the blatant critique of society in Halka, whose obviously negative reading of social conditions made it imperative to mention them. In this light, Verbum Nobile is a prime example of the different ways in which Moniuszko’s works, whose importance was measured with the yardstick of political circumstances and national needs, were perceived and assessed.

Moniuszko’s music arose in an age dominated by the quest for a national identity, an age in which the discovery of the “self” and the demarcation from the “other” were guiding thoughts in the minds of many European artists and intellectuals. His contribution to this quest resides in the way he approached the general legacy of art music with his own resources and forms. But he combined this legacy with specifically Polish features, such as the Polish language and the familiar rhythms of folk dances. He applied quite specific devices depending on what messages and moods he sought to convey.

The Overture to Verbum Nobile gives the audience a quick glance into the course of the story, which, as we know, has to do with a growing conflict in aristocratic circles. It opens with a crisp chord in the tonic D major, struck by the winds and timpani, after which the first violins immediately state a strikingly lively and tuneful ascending motif. From the very outset, the Allegro vivo, leggierissimo that follows radiates a relaxed cheerfulness that generates a festive atmosphere. Suddenly we hear two successive fanfares from the orchestral tutti in the dominant key of A major (rehearsal no. 2). They might be said to stand for the majesty of the courtly surroundings. This is followed by lively entrances from the string and wind sections in rapid alternation. The fanfare motif returns, this time with four occurrences (no. 3), further emphasizing the pervasive presence of the dominating nobility. Then the orchestral forces are unexpectedly reduced. Traversing a dynamic range from pianissimo to fortissimo, the orchestra reaches the subdominant G major with a full tutti (nos. 4-5). Proceeding from the tonic, the strings elaborate a lyrical motif to signify the transition to a new section (nos. 5-6).

Playing in octaves, the first violins and the cellos now state another lyrical melodic motif ranging from cantabile to dolcissimo delicatamente. The unison writing may be said to represent the genuine love between two characters, with the violins embodying the female role and the cellos the male. A trio of flute, clarinet, and bassoon initially provides harmonic support but occasionally assumes solo functions (nos. 6-7). The violin-and-cello duet returns to the foreground. Shortly thereafter the winds, strings, and percussion offer their support, creating a transition to a section of light, dance-like grace (nos. 8-9). With variegated rhythmic motifs, sprightly articulation, and large melodic leaps, the music proceeds to a tutti fortissimo landing on a dominant 7th chord in the highest register (rehearsal nos. 9-13). Here the piece reaches a moment of such tension that the drastic culmination of the conflict becomes almost palpable. After a few bars the strings alone, playing diminuendo, introduce a very delicate lyrical dialogue between the flute and violins (nos. 14-16). The newly joined duet suggests a parallel to Michał’s dual identity: though first presented as Zuzia’s lover, he is in fact Stanisław, the son of Marcin Pakuła, and thus her fiancé.

The development of the duet (nos. 16-17) is abruptly interrupted by a fortissimo chordal hammerblow, followed by a tutti marked Con brio. The fanfare motifs return (no. 18), the orchestration is again reduced, and the articulation again sounds light and evanescent. A solo in the first violins, accompanied by strings and winds (no. 19), evolves into a lively rhythm initiated by the percussion (nos. 20-21). Here a brief chordal interpolation clearly paves the way to the final section. The first motif, restoring the music to the tonic, is presented by several instruments in alternation. The volume noticeably rises; all the instruments become involved; the tempo quickens; and the articulation turns detaché (nos. 21-27). In particular, the relentless sound of a military drum is heard for the first time (no. 28). The pompous nature of the percussion might be said to mark the crowning resolution of the conflict while depicting the aristocracy as an imposing, dominating class of society. The overture ends with a powerful tutti on the tonic D.

The straightforward harmony and varied instrumental combinations produce a bright, translucent sound, lending the piece a flavor of almost festive majesty. Together with its many highly lyrical melodies, it brings the overture to a scintillating, entertaining, yet sophisticated conclusion. Moniuszko offers listeners and musicians alike a rich palette of widely varied timbres and striking rhythms – in brief, an orchestral piece abounding in strength and vitality.

Translation: Bradford Robinson

For performance material please contact the publisher PWM, Krakow. Reprint of a copy from the Musikabteilung der Leipziger Städtischen Bibliotheken, Leipzig.

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