Mendelssohn, Arnold

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Mendelssohn, Arnold

Die Leiden des Herrn Op. 13 / Aus tiefer Not schrei ich zu Dir Op. 54 / Auf meinen lieben Gott Op. 61

Art.-Nr.: 1005 Kategorie:

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Arnold Mendelssohn – Drei geistliche Chorwerke

(geb. 26. December 1855, Ratibor — gest. 19 February 1933, Darmstadt)

Die Leiden des Herrn, op. 13 (1900)
Aus tiefer Not schrei ich zu Dir, op. 54 (1912)
Auf meinen lieben Gott, op. 61 (1912)

Vorwort
Mit dem Namen Mendelssohn verbindet man die evangelische geistliche Musik, vom einfachen Chorsatz bis zu abendfüllendem Oratorio, und eine starke Verbunden-heit mit ihren Traditionen. Oft genug beinhaltet der lateinische Spruch nomen est omen eine gewisse Richtigkeit, und es wird wohl kaum überraschen zu erfahren, dass der Komponist Arnold Ludwig Mendelssohn — sein Vater war Vetter des berühmten Felix Mendelssohn (1809-1847)– sowohl Zeit seines Lebens als auch bis heute an erster Stelle als Kirchenkomponist anerkannt war. Damit greift man freilich etwas zu kurz. Als Liedkomponist war er ebenfalls sehr geschätzt und erfolgreich, seine drei Opern und zwei Schauspielmusiken erlebten zumindest Achtungserfolge, und seine Kammer-musik hat sich gut verkauft und wurde oft gespielt. Lediglich seine Orchesterwerke haben im Konzertleben nicht richtig Fuß gefasst – von seinen drei Symphonien (von Jugendwerken abgesehen) ist keine im Druck erschienen, und es bleibt Aufgabe der Zukunft zu entscheiden, ob ihm das symphonische Denken nicht besonders lag oder ob der Kirchenkomponist nicht besonders ernstgenommen wurde von den führenden Kräfte des damaligen Konzertlebens.

Die beste Erklärung für Arnold Mendelssohns damaligen Ruhm und kleinen, jedoch festen Platz im heutigen Musikleben stammt eigentlich von Mendelssohn selbst. Mit seinem Namen verbindet man auch die ganz bestimmte Gedankenwelt – war einer seiner Vorfahren doch der Philosoph und Theologe Moses Mendelssohn (1729-1786) – und es hat auch eine gewisse Nachvoll-ziehbarkeit, dass das meistgekaufte Werk Arnold Mendelssohns ein Buch war, dessen Veröffentlichung er nie beabsichtigte: Gott, Welt und Kunst, ein von Wilhelm Ewald gesammelter und posthum (1946, im Insel-Verlag) erschienener Aufzeichnungsband. (Ewalds Disposition der Aufzeichnungen erinnert stark an die Aphorismenbände von Karl Kraus, was zum Stoff erstaunlich gut past.) Wie nicht wenige andere Kompo-nisten – nicht zufällig unter ihnen sein berühmtester Schüler Paul Hindemith (1895-1963) – fand er in Johann Sebastian Bach eine Identifikationsfigur: “Es ist anders geworden. Bach konnte so groß werden, weil die Kirche zu seiner Zeit in dem Kreise, dem er angehörte, äußerlich und innerlich ein formgebendes Element war. In ihr fand der ganze Mensch Stütze einerseits, und Aus-druck andererseits. Dazu bot sie ihm, banal gesprochen, ein Publikum, mit dem er sich auf gleichem Boden befand, — ein ähnliches Verhältnis, wie es bei der Attischen Tragödie stattfand. Trat das Genie in den Kreis, so war die Möglichkeit der höchsten Leistung gegeben. Es ist anders geworden. Seit man die Kirche leichtfertig abgetan hat, fehlt das Band, das einen Kreis wirklicher gemeinsamer völkischer Kultur abgrenzte.

[ . . . ]” 

Es ist also kaum überraschend, dass Arnold Men-delssohns musikalische Tätigkeit eher selten aus dem kirchenmusikalischen Kreis trat. Nach Ende der musika-lischen Ausbildung an zwei Berliner Anstalten (am Königlichen Akademischen Institut für Kirchenmusik und am Akademische Hochschule für musikalische Komposition) wurde er zum Organisten und Chordiri-genten der evangelischen Kirchengemeinde Bonn ernannt (1880-1882). In Bonn war er mit den Theologen Friedrich Spitta (1852-1924) und Julius Smend (1857-1930) befreundet, aus dieser Zeit stammt auch Mendels-sohns lebenslange Interesse für das Erbe der evangelischen Kirchenmusik, die er bis zu seinem Tod pflegte und die sich in zahlreichen Ausgaben älterer Musik niederschlug: aus seiner Feder stammten zahlreiche Bear-beitung geistlicher Chorwerke der Spätrenaissance und des Frühbarocks (Orlando di Lasso, Hans Leo Hassler, Claudio Monteverdi, Heinrich Schütz), und ab 1928 gab er zusammen mit Friderich Blume (1893-1975) und Willibald Gurlitt (1889-1963) die kritische Gesamt-ausgabe der musikalischen Werke von Michael Praetorius heraus.

Nach Bonn folgten weitere, immer wichtigere Beru-fungen: Musikdirektor in Bielefeld, Lehrer am Kölner Konservatorium (Theorie, Orgel), und Kirchenmusik-meister der Hessischen Landeskirche in Darmstadt (1891-1912). In Darmstadt ist er fast lückenlos bis zu seinem Tod geblieben. Zwar trat er 1912 eine Stellung als Chor- und Kompositionslehrer am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt am Main an, wo seine fördernde Natur und milde Haltung stilistischen Experimenten gegenüber (trotz aller satztechnischen Strenge – und trotz seiner imposanten Physiognomie) die lebenslange Zuneigung und Dankbarkeit seiner Schüler erweckten – unter ihnen, neben Hindemith, auch Kurt Thomas (1904-1973) und Günter Raphael (1903-1960). Er blieb kaum ein Jahr in Frankfurt: krank geworden und wohl überfordert (denn er hatte seine Verpflichtungen in Darmstadt nie völlig aufgegeben) zog er nach Darmstadt zurück, wo er sich nachher hauptsächlich der Komposition widmete. In seinen letzten Jahrzehnten wurde er mit Ehrungen regelrecht überhäuft: neben der Ernennung zum Mitglied der Berliner Akademie der Künste (1919), der Verleihung des Darm-städter Georg-Büchner Preises (1923) und des Beethoven-Preises der Preußischen Staatsakademie (1928) erhielt er mehrmals die Ehrendoktorwürde und die Ehrenbürgerschaft. Er starb an einem Herzschlag kaum drei Wochen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, die seine Werke wegen der Herkunft ihres Urhebers verbannten.

Als Komponist vertrat Arnold Mendelssohn, besonders in seinen für kirchlichen Gebrauch bestimmten Werken, eine ausgesprochen konservative, oft nicht zeitgemässe Richtung. Man darf jedoch nicht annehmen, dass die Sprache der Spätromantik und der Frühmoderne im fremd gewesen wären. Wie Arnold Werner-Jensen in der zweiten Ausgabe der Musik in Geschichte und Gegenwart schreibt: “Der bewusste, fast registerartige Einsatz unterschiedlicher Stilmittel” – gemeint sind unter anderen eine stark erweiterte Tonalität und volkstümliche Diatonik – “gehörte zu Mendelssohns kompositorischem Persönlichkeitsbild.” In den drei hier vorliegenden Werken überwiegt, besonders in der kontrapunktischen Stimmführung, ein Bach verpflichteter Stil, auch die häufige Mollchromatik hält sich in für den Kirchensänger zumeist dankbaren Grenzen. Spuren eines späteren kompositorischen Denkens findet man jedoch nicht selten in den Ausdrucksmitteln, insbesondere in den begleitenden Figurationen.

Obwohl die Kompositionen Arnold Mendelssohns, insbesondere seine Chorwerke, nicht selten eingespielt werden, harren die drei in diesem Band gesammelten Werke noch auf die Ersteinspielung.

Stephen Luttmann, 2010

Aufführungsmaterial ist vom Verlag C. F. Peters, Frankfurt (http://www.edition-peters.de) zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.

Partitur Nr.

1005

Edition

Repertoire Explorer

Genre

A Cappella

Seiten

94

Format

Druck

Reprint

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