Grieg, Edvard

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Grieg, Edvard

Bergliot Op. 42. Melodrama for recitation and orchestra (Piano Reduction/Speaker)

Art.-Nr.: 763b Kategorien: ,

12,00 

Edvard Grieg (b. Bergen, 15 June 1843 – d. Bergen, 4 September 1907)

Bergliot op.42

Vorwort zur Partitur:

Das Melodram Bergliot entstand in seiner Urfassung Anfang der siebziger Jahre zu einer Zeit, da Grieg sich vordringlich mit nationalen sujets zu befassen schien: Die Folkelivsbilleder (Bilder aus dem Volksleben) für Klavier op. 19 und die dramatische Szene Foran Sydens Kloster (Vor der Klosterpforte) op. 20 waren gerade abgeschlossen, als Grieg mit der Komposition begann. Ihr sollten die Kantate Landkjenning (Landerkennung) op. 31 und die Bühnenmusik zu Sigurd Jorsalfar op. 21 folgen. Die Zuordnung „national“ darf nicht zu dem Schluß verleiten, Grieg habe zu jener Zeit verstärkt auf volksmusikbasiertes Material gesetzt. Im Gegenteil scheinen die Jahre nach 1870 eine Art Atempause bei der Hinwendung zur Volksmusik zu sein, nachdem die zweite Violinsonate op. 13 und die 25 Norske Folkeviser og Dandse (Norwegische Volksweisen und –tänze) op. 17 den eingeschlagenen Weg zum Personalstil unmißverständlich bekräftigt hatten, sei es wie im ersten Fall durch die Verarbeitung von im Geist der Volksmusik erfundenen Themen in ein zyklisches Werk, oder wie im zweiten Fall die Bearbeitung originalen Materiales für Klavier.

Op. 20, 21, 31 42 und die kurz darauf in Angriff genommene, aber unvollendet gebliebene Oper Olav Trygvason entstanden auf Texte von Bjørnstjerne Bjørnson, jenem zu seiner Zeit mit Henrik Ibsen um die Krone der norwegischen Dichtkunst rivalisierenden und mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichneten Schriftsteller, der doch heute auch in seinem Heimatland eine untergeordnete Rolle spielt.

Bjørnson beschreibt in Bergliot in idealisierter Form eine zunächst alltägliche Situation: Ein Zwist, in den Bergliots Ehemann verwickelt ist, steht zur Entscheidung an. Der „Thingfrieden“ spielt dabei die entscheidende Rolle; er verspricht den streitenden Parteien freies Geleit unabhängig von der Schwere eines möglichen Vergehens. Die Gegenpartei bricht diesen Thingfrieden; Mann und Sohn Bergliots werden von ihren Gegnern ermordet.

Bjørnsons damalige Texte sind vom Standpunkt ihrer dramatischen Glaubwürdigkeit nicht unproblematisch; Grieg selbst warf seinem Kollegen angelegentlich der Vertonung des Librettos zu Olav Trygvason undramatisches Denken vor.1 Die deutsche Übersetzung der frühen dramatischen Vorlagen Griegs verstärkt – womöglich aus einer Anlehnung an die idealisierende Tendenz Wagnerscher Operntexte – einseitig die affektiven Werte der Dichtung, ohne in der individuellen Zeichnung der Personen immer überzeugen zu können. So ist es all zu leicht, Bergliot als im umgangssprachlichen Sinne tatsächlich melodramatisch abzutun: pathetisch, rührselig und nicht zuletzt – denkt man an die Frauengestalten Ibsens – von der Zeit überholt.

Man übersieht – oder auch überhört – dabei, daß Grieg sich dem Text an keiner Stelle ausliefert. Schon in der zuerst entstandenen Klavierfassung und erst recht in der klare instrumentale Akzente setzenden Orchestrierung wird deutlich, daß Grieg Bergliot nicht als gattungsabhängigen Typus versteht, sondern als Person ernst nimmt. Der ihrem Mann zur Seite stehenden Ehefrau, der ängstlichen und sorgenden Mutter nimmt Grieg jede Gefühligkeit, wir können sie als Individuum sehen und in ihrer in der damaligen gesellschaftlichen Struktur gefangenen Rolle akzeptieren. Der abschließende Trauermarsch schließlich geht über die Vorlage hinaus: Wo der Text Resignation und Trauer Bergliots in der Vordergrund stellt, läßt Grieg Auflehnung und Wut über den Verrat an der Familie offen durchscheinen. Seine Bergliot wird sich – soviel scheint sicher – nicht in das Schicksal der Männer ihrer Familie ergeben.

Bergliot erschien in einer ersten Orchesterversion erst 1886 bei Peters in Leipzig und wurde 1897 womöglich noch einmal einer Revision unterzogen.2 Max Abraham, Leiter des Verlages, begrüßte Griegs Veröffentlichungspläne, bemängelte aber nach Durchsicht der Partitur, daß sich kein reines Orchesterstück daraus extrahieren lasse.3 Man mag über diese oberflächlich betrachtet rein kommerziell anmutende Argumentation die Nase rümpfen, doch fürchtete Abraham mit gewissem Recht, daß die reine Melodramfasssung der Verbreitung der Musik entgegenstünde, da dem Publikum im Ausland die historische Grundlage des Textes unbekannt und dessen Duktus womöglich unzugänglich seien. Abrahams Anregung, den Schluß des Werkes zusammen mit dem Trauermarsch im Gedenken an Rikard Nordraak 4 als Klavierbearbeitung zu veröffentlichen, fanden bei Grieg jedoch kein Gehör.

Klaus Henning Oelmann, 2008

1 Oelmann, Klaus Henning: Edvard Grieg – Versuch einer Orientierung, Egelsbach 1993, S. 114 f. 2 Grieg, Edvard: Briefwechsel Band 1, Frankfurt/Main 2005, S. 200 f. 3 ebd. S 97 4 zu seiner Person siehe Oelmann op. cit. S. 66-79

 

Aufführungsmaterial ist von der Peters, Frankfurt zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München

 

Partitur Nr.

763b

Edition

Repertoire Explorer

Genre

Chor/Stimme & Orchestra

Format

225 x 320 mm

Anmerkungen

Klavierauszug & Sprecher

Druck

Reprint

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