Draeseke, Felix

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Draeseke, Felix

Ouvertüre zur Oper »Gudrun«

Art.-Nr.: 285 Kategorie:

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Felix Draeseke

(geb. Coburg, 7. Oktober 1835 — gest. Dresden, 26. Februar 1913)

Ouvertüre zur Oper »Gudrun« (1882)

Vorwort
Felix Draeseke, einer der bedeutendsten deutschen Komponisten seiner Zeit im Schatten von Liszt, Wagner und Brahms, ist heute mit Sakralmusik, Symphonik, Kammermusik und Klavierwerken Kennern ein Begriff. Als Opernkomponist war er schon zu Lebzeiten wenig erfolgreich, und nach seinem Ableben hat hier nie eine Wiederentdeckung stattgefunden. Draeseke schrieb sieben Werke für die Opernbühne: die großen Opern König Sigurd (1853-57, ungedruckt und bis heute unaufgeführt), Herrat (1877-79, erschienen 1892 im Selbstverlag), Gudrun (1879/82-84) und Bertran de Born (1892-94, nicht zur Aufführung gekommen), das Volksstück mit Gesang Waldschatzhauser (1876/82), die einaktige komische Oper Fischer und Kalif (1894-95, ungedruckt) und das Musikdrama Merlin (1900/03-05,Klavierauszug im Selbstverlag). (Draeseke hat übrigens, entgegen seiner sonstigen Gepflogenheit, seine Opern grundsätzlich nicht mit Opuszahlen versehen.)
1878 hatte Draeseke achtunggebietende Erfolge mit der Uraufführung seiner Zweiten Symphonie F-Dur op. 25 (in Dresden am 15. Februar unter Ernst von Schuch [1847-1914]) und der Wiedergabe seiner Ersten Symphonie G-Dur op. 12 beim Tonkünstlerfest des ADMV (Allgemeiner Deutscher Musik-Verein; in Erfurt am 22. Juni unter Max Erdmannsdörfer [1848-1905]). Am 22. November 1878 gelangte in Dresden sein Adventlied op. 30 nach Friedrich Rückert (1788-1866) unter Friedrich Reichel (1833-89) zur Uraufführung.
Am 19. Februar 1879 vollendete Draeseke seine zweite Oper Herrat. Im Sommer 1879 wurde die erhoffte Aufführung der Herrat an der Dresdner Hofoper abgelehnt (sie kam dann erst am 10. März 1892 in Dresden unter Ernst von Schuch zur Uraufführung). Dies war ein schwerer Rückschlag, dem eine schöpferische Pause folgte. Dann verfasste Draeseke seine kurze Abhandlung Die Beseitigung des Tritonus (in welcher — zwecks Vermeidung des übermäßigen Sekundschritts — die Mollskala nicht als den Oktavraum durchmessende Tonleiter generiert wird, sondern als leittönige Umspielung von Grundton und Quint). Im Oktober 1879 begann Draeseke mit dem Textbuch zu seiner nächsten Oper Gudrun, das er rasch fertigstellen konnte. Dann schrieb er, der eigentlich längst sein Requiem h-moll op. 22 für Soli, Chor und Orchester vollenden wollte, sein Erstes Streichquartett c-moll op. 27, welches im Februar 1880 fertig war. Am 1. Mai 1880 schloß er endlich das Requiem ab. In der zweiten Hälfte des Jahres 1880 entstanden 42 Lieder (etwa die Hälfte seines gesamten Liedschaffens). Von Mai bis Juli 1881 komponierte Draeseke sein Violinkonzert e-moll (ohne Opuszahl; das Adagio daraus kam erstmals am 11. April 1886 in der Leipziger Thomaskirche durch Adolf Brodsky [1851-1929] zum Klingen, das Konzert als Ganzes blieb unaufgeführt), das ungedruckt blieb und dessen Partitur und Orchestermaterial seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen sind.
Am 26. Oktober 1881 wurde in Dresden von der Dreyssigschen Sing-Akademie unter Adolf Blaßmann (1823-91) das Requiem h-moll op. 22 uraufgeführt, eines der nachhaltig erfolgreichsten und wertvollsten Werke Draesekes. Zum Jahresbeginn 1882 wurde die 22-jährige Frida Neuhaus (1859-1942) seine Schülerin an der Rollfuß-Akademie zu Dresden. Bald war sie seine Lieblingsschülerin, viel später (am 16. Mai 1894) wurde sie seine Frau.

Eigentlich wollte Draeseke mit der Vertonung seines Textbuchs zur Gudrun nicht beginnen, bevor die Herrat auf die Bühne gekommen wäre. Außerdem hatte erst kürzlich August Klughardt (1847-1902) mit einer Oper Gudrun reüssiert. Doch es kam anders. Erich Roeder fasst zusammen (in Erich Roeder. Felix Draeseke. Der Lebens- und Leidensweg eines deutschen Meisters, II. Band, Berlin 1937):
“Ernst von Schuch, der in seiner Nachbarschaft wohnte, machte ihm aber neue Hoffnungen. Damit schon bald etwas aus dieser ‘Gudrun’ gebracht werden könnte, schuf Draeseke sogleich die Ouvertüre. Diese entstand somit, wie seinerzeit die des ‘Sigurd’, vor der fertigen Oper (dies erklärt die Nichtverwendung der nachher recht wesentlichen Weise »Nichts soll mich von Herweg scheiden«). Draeseke zwang sie im August 1882 im Lauf von acht Tagen und Nächten. Das überraschte Schuch. Um so mehr, als das Stück in bedeutenden Ausmaßen angelegt ist und ein ganz großes Orchester beansprucht.
Die ‘Gudrun’-Ouvertüre ist Draesekes schönstes Opern-Vorspiel, ein neudeutsches Gegenstück zu der der ‘Euryanthe’. Sie zieht wie eine großartige nordische Ballade vorüber. Man hört das ewige Meer rauschen und den Klippenwind brausen. Man fühlt die Leiden der am eisigen Gestade waschenden Hegelingentochter, erlebt ihre Versuchung und Errettung. […] Die Einleitung gibt thematische Vorschau. Ein Quintenmotiv, gefolgt von chromatisch heulendem Nachsatz, stellt Umgebung und Bild der von einem zarten F-Dur-Motiv besonders gekennzeichneten ‘Gudrun’ vor die Seele des Zuhörers. Zu der aufsteigenden Weise von Hartmuths Liebesbeteuerung tritt das in 12taktigem Rhythmus gehaltene Moll-Thema des Rachegesangs der Hegelingen: »Einst erdämmert Tag dem Lande.« Der sehr lebhafte Hauptsatz hat die Meerminnen-Verheißung »Gudrune, du Getreue« zum Thema. Die zweite Themengruppe entwickelt sich aus Hartmuths feurigem Liebesgesang und gipfelt in der sprechenden Weise »O bleibe mir nicht länger fern«. Die Durchführung strebt zu einem Fugato über den Rachegesang. Dieser tritt im Wiederholungsteil nach der aus der Tannhäuser-Ouvertüre bekannten Weise der Berliozschen Cellini-Ouvertüre mit eherner Gewalt als Blechsatz auf. Auf dem Gipfel eines hinreißenden Finales erstrahlt in freudigem A-Dur-Glanz seine Dur-Wendung »Lache Gudrun«. Das Glück des Wiedervereintseins der Verlobten wird auf breitleuchtender Fläche bestätigt.”

Nach dem Sommerurlaub komponierte Draeseke die Waldschatzhauser, die er im Oktober abschloß, laut Roeder (s. o.) “ein Volksstück mit Gesang und Tanz, ein dramatisches Märchen in Singspielform [in vier Aufzügen]. Die Dichtung hatte er 1876 nach Wilhelm Hauffs [1802-27] Schwarzwaldmärchen ‘Das kalte Herz’, d. h. der Erzählung des Studenten im Wirtshaus im Spessart, geschaffen.” Zu jener Zeit befasste sich Draeseke aufs Intensivste mit mehrstimmigen Kanons und arbeitete an der Gudrun, die er im November 1882 vorläufig fertigstellen konnte, um sie im Frühjahr 1883 nach zehnmonatiger Entstehung in Partitur zu vollenden.

Mittlerweile war die Gudrun-Ouvertüre am 12. Januar 1883 in Dresden in einem Konzert der Hofkapelle zur Uraufführung gekommen, dirigiert von Franz Wüllner (1832-1902) anstelle des erkrankten Ernst von Schuch. “Der Erfolg war durchschlagend.” (Roeder)

Die große Oper in drei Akten Gudrun ist “Freiherrn Hans Bronsart von Schellendorf in alter Freundschaft, Verehrung und Dankbarkeit gewidmet vom Componisten”. Da mit einem Mal Ernst von Schuch das Interesse an der Gudrun verloren hatte, mußte sich Draeseke wegen der Uraufführung anderswo umsehen. “Nun hatte Draeseke selbst zwei Heldenopern daliegen. […] In diesem drängenden Augenblick entsann er sich seines Freundes Bronsart.” (Roeder) Hans Bronsart von Schellendorf (1830-1913) war seit 1867 Intendant des Hoftheaters zu Hannover und selbst ein fähiger Komponist. Bronsart bestand auf mehreren starken Änderungen des Werkes, die Draeseke später für berechtigt und glücklich halten sollte. Und er setzte die Annahme des Werkes durch. So kam die Oper Gudrun am 5. November 1884 am Königlichen Schauspiele zu Hannover unter Kapellmeister Karl Herner (1836-1906) zur Uraufführung.
Im Druck erschienen Partitur, Stimmen und Klavierauszug der Gudrun im Juli 1885 beim Leipziger Verlag Kistner. Im gleichen Jahr erschien auch in separater Partitur die Ouvertüre zur Oper »Gudrun«, die als Vorlage des hiermit erstmals im Studienformat vorliegenden Nachdrucks diente. Sie ist zweifellos eines von Felix Draesekes unmittelbar fesselndsten Werken.
Christoph Schlüren, 2004.

Aufführungsmaterial ist vom Verlag Kistner & C. F. W. Siegel & Co., Köln, zu beziehen.

Nachdruck eines Exemplars aus der Sammlung Oliver Triendl.


Felix Draeseke

(b. Coburg, 7 October 1835 — d. Dresden, 26 February 1913)

Overture to the Opera ‘Gudrun’ (1882)

Preface
Felix Draeseke was one of the most important composers of his time who stood in the shadows of Liszt, Wagner and Brahms. He is today known to musically knowledgeable people because of his sacred music, symphonic works, chamber music and piano compositions. Even during his lifetime he had little success in the realm of opera and after his demise no “rediscoveries” were made. Draeseke wrote seven works for the operatic stage: the grand operas König Sigurd (King Sigurd, 1853-57, unpublished and unperformed to this day), Herrat (1877-79, which appeared in private edition in 1892), Gudrun (1879/82-84) und Bertran de Born (1892-94, which never came to performance), the populist stage work with song Waldschatzhauser (The Inn in Spessart, 1876/82), the one act comic opera Fischer und Kalif (1894-95, unpublished) and the music drama Merlin (1900/03-05, vocal score published privately). (Draeseke, by the way, and against his usual custom, intentionally avoided giving his operas opus numbers.)
In 1878 Draeseke had experienced resounding successes with the premiere of his Second Symphony in F major, Op. 25 ( on February 15 in Dresden under Ernst von Schuch [1847-1914]) and the repeat on June 22 of his First Symphony in G major, Op. 12 at the music festival of the ADMV [Allgemeiner Deutscher Musik-Verein or General German Music Union] in Erfurt under Max Erdmannnsdörfer [1848-1905]. On November 22,1878 his Adventlied, Op. 30, after Friedrich Rückert (1788-1866) reached performance in Dresden under Friedrich Reichel (1833-89).
On the 22nd of February 1879 Draeseke finished his second opera Herrat. In the summer of 1879 Draeseke’s hoped for performance of Herrat at the Dresden Hofoper was cancelled (appearing later for the first time in Dresden on March 10, 1892 under the direction of Ernst von Schuch). This was a severe disappointment and a creative pause set in. Thereafter Draeseke then wrote his short discourse Die Beseitigung des Tritonus (Avoiding the Tri-tone) in which, for the purpose of avoiding the augmented second, the minor mode is not dealt with as an octave with leading tone, but rather as a sequence with leading tone reference between the tonic and dominant). In October 1879 Draeseke began work on the text to his next opera, Gudrun, which he was quickly able to finish. Then he turned to his Requiem in B minor for Soloists, Chorus and Orchestra, Op. 22 which he had long wanted to finish, but completed instead his First String Quartet in C minor, Op. 27, which was ready in February of 1880. Finally on May 1, 1880 he finished his Requiem. In the second half of 1880 42 Lieder, or about half of his entire song production, were ready. From May to July 1881 Draeseke composed his Violin Concerto in E minor (without opus number; the Adagio from it first resounded in the Thomaskirche in Leipzig on April 11, 1886, played by Adolf Brodsky [1851-1929], but it remained unplayed in its entirety), and this has remained unpublished for the orchestral score and parts have been missing since the Second World War.
On the 26th of October 1881 the Requiem in B minor, Op. 22 was premiered in Dresden by the Dreyssig Sing-Akademie under Adolf Blassmann (1823-91) and has proven to be one of the most succesfully permanent and worthwhile works of Draeseke. At the beginning of the year the 22 year old Frida Neuhaus (1859-1942) became his student at the Rollfuss Academy. She was soon his favorite student and much later (on May 16, 1894) she became his wife.

Draeseke really did not want to begin setting the text of his Gudrun before Herrat had reached the stage. Aside from this, August Klughardt (1847-1902) had just recently come out with a Gudrun opera. But there was more. Erich Roeder summarizes it in his study Felix Draeseke. Der Lebens- und Leidensweg eines deutschen Meisters, Vol. II (Berlin, 1937):
“Ernst von Schuch, who lived in his neighborhood, awakened new hopes in him. So that something from his Gudrun might be given, Draeseke immediately produced his overture. This, like the overture to Sigurd in its day, came into being before the rest of the opera was finished (and this explains the absence in it of the truly affecting melody for ‘Nichts soll mich von Herweg scheiden’ (‘Nothing shall part me from Herweg’). Draeseke completed it as if possessed and finished it a period of eight days and eight nights. Schuch was caught off guard by this, even more so since the work displays considerable formal dimensions and requires a truly large orchestra.
The ‘Gudrun’ Overture is Draesekes most handsome opera prelude, a New German parallel to that for ‘Euryanthe’. It presents itself like a magnificent nordic ballad. One hears the roll of eternal sea and the roar from windy cliffs. One feels the suffering of the daughter of the Hegeling washing at the icy shore, experiences her temptation and rescue. […]. The introduction presents a preview of themes. A motive built on the fifth, followed by a chromatically howling challenge, places before the soul of the listener a portrait of Gudrun and her surroundings, defined by a tender F major motive. As the melody for Hartmuths declaration of love comes up it is met by the minor mode theme in 12/4 time of the Hegelings’ song of vengeance, ‘Einst erdämmert Tag dem Lande’ (‘Day once dawned on the land’). The exceptionally lively development section makes use of the call of the mermaids ‘Gudrune, du Getreue’ (‘Gudrun, thou faithful lady’) as a theme. The second thematic group is developed from Hartmuth’s song of fervent love and climaxes in the declamatory melody of ‘O bleibe mir nicht länger fern’ (‘Do not remain distant from me any longer’). The development then strives towards a fugato on the song of vengeance. In the recapitulation this theme is presented in a manner reminiscent of the Tannhäuser emulation of Berlioz’s Cellini Overture and its boldly brassy presentations. At the climax of this compelling finale there streams forth in joyful A major the major mode presentation of ‘Lache Gudrun’ (‘Laugh, Gudrun’). The happiness at the reuniting of the betrothed is illustrated in broad confirmation.”
After his summer leave Draeseke composed his Waldschatzhauser, finishing it and, according to Roeder, it is “a folk piece with song and dance, a dramatic fairy tale in singspiel form [in four acts]. Draeseke had fashioned it after Wilhelm Hauff’s[1802-27] fairy tale of the Black Forest, Das kalte Herz (The Cold Heart), that is, the tale of the student in the inn.” At the time Draeseke also busied himself with greatest intensity composing polyphonic canons and worked on Gudrun, which he was able to declare finished in November 1882, but completing the orchestral score only in the early spring of 1883 after a total of ten month’s preoccupation.

In the meantime the Gudrun Overture had been premièred at a concert of the Dresden Hofkapelle on January 12, 1883, conducted by Franz Wüllner (1832-1902), who replaced the ailing Ernst von Schuch. “Its success was exceptional!” (Roeder)

The grand opera in three acts Gudrun is “dedicated by the composer to Freiherr Hans Bronsart von Schellendorf out of lasting friendship, devotion and thanks”. Since Ernst von Schuch had suddenly lost interest in Gudrun, Draeseke had to seek elsewhere for a premiere. “Now there were two heroic operas laying before him. […] By the urgent nature of the matter he thought of his friend Bronsart.” (Roeder) Hans Bronsart von Schellendorf (1830-1913) had been director of the Court Theatre at Hannover since 1867 and was himself an accomplished composer. Bronsart insisted on several major changes in the work, which Draeseke would later admit to have found measured and just. Thus he was able to get the work accepted for performance and thus was the opera Gudrun premiered at the Royal Playhouse Hannover on November 5, 1884 under the direction of Kapellmeister Karl Herner (1836-1906).
In July of 1885 the orchestral score, orchestral parts and piano/vocal edition were published by the Leipzig firm Kistner Verlag. In the same year there also appeared as an independent orchestral score the Overture to the Opera ‘Gudrun’, which has served as the source for this present reprint in study score format. It is without a doubt one of Felix Draeseke’s most immediately compelling works.
Translation: Alan H. Krueck, 2004.

For performance materials please contact the publisher Kistner & C. F. W. Siegel & Co., Cologne.

This reprint is from a copy in the collection of Oliver Triendl.

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