Busoni, Ferruccio

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Busoni, Ferruccio

Divertimento for Flute and Small Orchestra Op. 52

Art.-Nr.: 1003 Kategorie:

14,00 

Ferruccio Busoni – Divertimento für Flöte und kleines Orchester op. 52 (1920)

Vorwort
Gegen Ende seines Lebens, als er noch an seinem asketisch-strengen, jedoch schließlich unvollendet gebliebenen Hauptwerk Doktor Faustus arbeitete, nahm sich Ferruccio Busoni die Zeit, um zwei Instrumentalwerke zu komponieren, die zu den liebenswürdigsten Schöpfungen aus seiner Feder gehören: das Klarinettenconcertino op. 48 (1918) und das Divertimento op. 52 für Flöte und kleines Orchester (1920). Tatsächlich wurden diese beiden Werke als eine Art musikalisches Diptychon konzipiert; in einem Brief an seinen Freund Albert Biolley sprach er 1920 vom Divertimento: „C’est un ‚pendant‘ au Concertino de Clarinette; plus fantastique peut-être, peut-être aussi plu viril. Et une idée plus court (probablement par ‚l’idée‘ qui m’a manquée)“. Wie das Wort „viril“ bereits andeutet, handelt es sich beim Diverti-mento wohl um den männlichen Teil einer männlich-weiblichen musikalischen Werkpaarung – eine Verbindung, die in anderen Werkpaaren aus diesem Zeitraum ebenfalls vorkommt, wie etwa in den Sarabande und Cortège von 1918/19, die später in die Oper Doktor Faustus Eingang fanden.

Das Divertimento entstand rasch (laut Busoni “so leicht, als wenn ich einen Brief schreiben würde”) im Mai 1920, wobei das Datum der Fertigstellung im Manus-kript als 24. Mai 1920 angegeben wird. Das Werk, das dem großen französischen Flötisten und Dirigenten Philippe Gaudet (1879-1941) gewidmet ist, erklang zum erstenmal am 21. August 1920 bei einem Probespiel mit dem Tonhallen-Orchester Zürich unter der Leitung von Volkmar Andreae – eine Abschiedsgeste des Orchesters an den großen Komponisten, der die letzten Jahre in Zürich verbracht hatte, bald jedoch nach Berlin zurückkehren mußte, um sein letztes Amt an der Akademie der Künste wahrzunehmen. Die öffentliche Uraufführung fand hingegen am 13. Januar 1921 während eines Busoni gewidmeten Konzerts in der Berliner Philharmonie statt, bei dem der holländische Flötist Henrik de Vries den Solopart spielte und Busoni selber die Berliner Philharmoniker leitete. Auch wenn die neuere Musik Busonis dabei etwas unfreundlich aufgenommen wurde (man erwartete etwas Radikalieres vom Autor des Entwurfs einer neuen Ästhetik der Musik!), wurde das Divertimento doch als Erfolg empfunden und erschien 1922 beim Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel als Partitur in Druck (Breitkopf & Härtel Partitur-Bibliothek Nr. 2607). Ein Jahr darauf veröffentlichte der gleiche Verlag eine Bearbeitung für Klavier und Flöte aus der Feder des wohl herausragendsten Busoni-Schülers (nach Edgard Varèse): Kurt Weill.

Das Divertimento erhielt eine durchsichtige Besetzung für jeweils zwei Oboen, Klarinetten, Fagotte, Trompeten und Hörner sowie Pauken, Schlagzeug und Streicher. Dieser durchsichtigen Orchestrierung entspricht die an Mozart erinnernde Leichtigkeit der Satzweise: Die Melodik besteht auffallend aus Dreiklangsmotiven, obwohl der Bezug zur Tonika vergnügt ziellos hin und her zu wandern scheint. Besonders knapp und quicklebendig ist der formale Aufbau: Die Einfälle werden dargestellt, entwickelt und wieder fallenlassen mit einer Schnelligkeit, die der Verständlichkeit der Musik ohne die etwas konventionelle formale Anlage wohl im Wege stünde. Das Werk fängt mit einem ausgiebigen Ritornell an, das die Doppelexposition der klassischen Form des Instrumentalkonzerts unmißverständlich ankündigt. Zu den vielen glücklichen Wendungen des Orchester-satzes gehört zweifellos der erste Einsatz des Flötensolos, dem ein amüsantes kleines Duett für gedämpfte und ungedämpfte Trompete vorausgeht. Kurz nach Anfang des Durchführungsteils wird der musikalische Verlauf durch einen eingeschobenen, aria-ähnlichen langsamen Abschnitt unterbrochen, der als eine Art langsamer Satz dient. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Abschnitt um eine getreue Orchesterbearbeitung der früheren Elegie für Klarinette und Klavier, die kurz davor – zwischen September 1919 und Januar 1920 – für die Soloklarinettestin des Tonhallen-Orchesters und Widmungsträgerin der Klarinet-tenconcertino Edmonda Allegra komponiert wurde. Die Reprise fängt mit einer unveränderten Wiederholung der Exposition an, schlägt jedoch nach acht Takten ganz andere Richtungen ein und nimmt mit schnellen, Tarantella ähnlichen Triolen fast die Gestalt eines Scherzos an. Mit reichlich filigranem Passagenwerk des Solisten sowie mit regelrechten Lachsalven des Orchesters kommt dieses gutgelaunte Stück zu einem befriedigenden Schluß.

In seiner späteren Rezeption erging es dem Divertimento nicht ganz so erfolgreich wie seinem Schwesterwerk, dem Klarinettenconcertino. Nichtsdestotrotz gibt es wenigstens eine beachtliche Platteneinspielung durch den Flötisten Jean-Claude Gérard mit dem Berliner Rundfunksinfonieorchester unter der Leitung von Gerd Albrecht. Der Klavierbearbeitung Kurt Weills ist hingegen ein weitaus größerer Erfolg beschert: 1950 wurde die Druckausgabe neu aufgelegt, und in den 1960er Jahren nahm sich der herausragende italienische Interpret der zeitgenössischen Flötenmusik Severino Gazzelloni (1919-1992) des Divertimento an, wodurch es bald in das Kammermusikrepertoire als selbständiges Werk Eingang fand. Einige bemerkenswerte Platteneinspielungen der Klavierfassung deuten auch auf eine Zukunft für die Busonische Originalfassung hin, die in der vorliegenden Ausgabe zum erstenmal im Studienformat erscheint.

Bradford Robinson, 2010

Aufführungsmaterial ist von Breitkopf und Härtel, Wiesbaden zu beziehen.

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