Boieldieu, François Adrien

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Boieldieu, François Adrien

La Dame Blanche

Art.-Nr.: 25 Kategorie:

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Francois Adrien Boieldieu

„La Dame Blanche“ Komische Oper in 3 Akten

(geboren am 16. 12. 1775 in Rouen, gestorben am 8. 10. 1834 in Jarcy bei Paris)

Libretto: Eugène Scribe
nach zwei Romanen von Sir Walter Scott: The Monastery (1820) und Guy Mannering (1815)
Uraufführung: Opéra-Comique, Paris, 10. 12. 1825

Vorwort

Francois Adrien Boieldieu kam als Sohn eines erzbischöflichen Sekretärs im französischen Rouen zur Welt. In jungen Jahren erhielt er als Chorknabe an der Kathedrale Nôtre-Dame-de-Rouen seine erste musikalische Ausbildung und wurde später Schüler des Organisten Charles Broche. Der junge Boieldieu zeigte beachtliches Talent und bekam früh eine Stelle als Organist der Kirche St. André. Nebenbei besuchte er jede Opernaufführung im Stadttheater. Er komponierte unzählige Romanzen und mit siebzehn schon seine erste Oper, La Fille coupable (1793), eine sogenannte comédie larmoyante. Das Libretto dazu schrieb sein Vater. Noch in Rouen entstand eine weitere Oper und nach dem ermunternden Erfolg der beiden Erstlinge zog es ihn nach Paris, wo er sich erstmal als Klavierstimmer durchschlagen mußte. Schließlich wurde er in die richtigen Salons eingeführt und konnte mit seinen Romanzen reüssieren. 1797 wurde sein vierter Versuch als Opernkomponist in Paris, La Familie suisse, so positiv angenommen, dass er nach ähnlichem Muster Le Pari, L’heureuse Nouvelle und Zoraime et Zulnare komponierte. Er hatte Talent, besass das nötige Gefühl für Theatereffekte und seine leichtfliessende Melodik gefiel. Seine Kompositionen lehnten sich jedoch deutlich an die Werke der berühmteren Komponisten wie etwa Grétry und Monsigny an, einschliesslich all ihrer Manierismen. Im Jahr 1800 entstand Béniovsky ou Les Exilés du Kamchattka und im selben Jahr gelang ihm am 29. Fructidor des Revolutionsjahres VIII (16. September) mit dem Calife de Bagdad der eigentliche Durchbruch. Zwischen 1802 und 1812 kam diese Oper ganze 175 Mal in Paris und bald auch in ganz Europa zur Aufführung, 1806 sogar in New Orleans. Nach einer Vorstellung des Kalifen soll ihn Cherubini gefragt haben, ob er sich denn nicht eines so unverdienten Erfolges schäme? Boieldieu bat daraufhin den Meister, ihn als Schüler zu nehmen. Cherubini, der schon Auber mit den Worten „Arbeite… oder stürze Dich zum Fenster hinaus“ angetrieben hatte, verstand es, seinem Schüler ins künstlerische Gewissen zu reden. Von diesem Augenblick an ist es vorbei mit der oberflächlichen Leichtigkeit Boieldieus. Schon die Burleske Ma Tante Aurore (1803) zeigt den guten Einfluss des älteren Lehrers.
1801 verliebt sich Boieldieu in die Tänzerin Clothilde Malfleurai und heiratet sie, aber sie ist flatterhaft und untreu. Die Verbindung schadet ihm gesellschaftlich und ist angeblich der Grund des inszenierten Skandals während der Premiere der „Tante Aurore“. Die Vorstellung wird von Claqueuren erheblich gestört, die Oper scheint durchgefallen zu sein. Der deutsche Komponist J.F. Reichhardt ist am Uraufführungstag Zeuge einer Verschwörung in einem Café, bei der beschlossen wird, die Oper auszubuhen. Aber nur zwei Tage darauf stellt sich der verdiente Erfolg dann doch ein.
Boieldieu ist mehr oder weniger auf der Flucht vor Clothilde und Paris, als er 1803 nach Russland geht. Am Zarenhof in St. Petersburg, wohin er sich, wie vor ihm Giuseppe Sarti, als Kapellmeister und Komponist berufen lässt, verpflichtet er sich, jährlich drei Opern herauszubringen. Die Sujets werden allerdings von Zar Alexander I selbst bestimmt. Er verbringt sieben Jahre in Russland, wo er neun Opern, darunter Les Voitures versées (1808), komponiert. Er ruiniert dort seine Gesundheit und wird obendrein der Spionage verdächtigt, als er eine Oper in drei verschiedenen Paketen nach Paris schickt, bezeichnet si, mi, sol: von den Grenzbeamten als six, mille, soldats entziffert.
Während seines Aufenthalts in St. Petersburg studiert er die neue italienische Oper, er modernisiert seine Harmonik und vertieft die Arbeit mit dem Orchester. Als er nach Paris zurückkehrt, kann er an seinen alten Erfolg anschliessen, zuerst mit Jean de Paris (1812), dann folgen Le Nouveau Seigneur du Village (1813) und sein nicht ganz märchengetreues Rotkäppchen, Le petit Chaperon rouge (1818). 1815 wird er zum Hofkomponisten ernannt und 1816 in die Königliche Musikakademie aufgenommen.
Die Zeiten sind wirr, die Wellen der Politik schlagen über den französischen Komponisten zusammen, ohne dass es diese jedoch besonders zu interessieren scheint: Ausser dann, wenn ihre Beamtenstellen auf einmal nicht mehr existieren. Sie komponieren wie im Rausch, versuchen heiter zu bleiben und halten ohne bemerkenswerte Rivalität zusammen. Oft komponieren sie auch zu zweit, zu viert oder sogar zu neunt, wie bei der Marquise de Brinvilliers, für die u.a. Auber, Hérold, Cherubini und Paer schreiben und Boieldieu eine einzige Nummer beisteuert.
Am 10. Dezember 1825 kulminiert Boieldieus Erfolg mit La Dame blanche, die ihn unsterblich macht. Danach schreibt er nur noch eine Oper, Les Deux Nuits (1829), in der er Mozarts Figaro zitiert. Trotz aller Schönheit der Melodie lässt ihre eher steife Bemühtheit sie bald vergessen werden, und als Boieldieu merkt, dass er den Höhepunkt seines Schaffens überschritten hat, hört er zu komponieren auf. Alles in allem hinterliess Boieldieu zu einer Zeit, in der viele Kollegen über 100 Opern aufweisen konnten, 38 signierte Partituren.
Er hatte wieder geheiratet, die Sängerin Jenny Phillis-Bertin, und arbeitete bis zu seinem Tod als Lehrer. 1817 nahm er als Nachfolger von Etienne Méhul eine Stelle am Konservatorium von Paris an, wo u.a. Adolphe Adam zu seinen Schülern zählte. Auf Grund seiner Kehlkopftuberkulose konnte er am Schluss nicht mehr sprechen. 1829 trat er in den Ruhestand, aber das Revolutionsjahr 1830 beraubte ihn seiner Pension und er liess sich wieder anstellen. Am 18. 10 1834 starb Boieldieu in Jarcy bei Paris.

„Die weisse Dame“ genoss enorme Popularität und wurde sofort Gesprächstoff in Paris. Man erzählte sich, dass Adam die halbe Ouverture geschrieben und übrigens auch beim Librettisten die Chorballade des dritten Aktes eigenmächtig bestellt hätte. Man sang die Hits des Abends, die beiden Arien des George Brown, dargestellt vom berühmten Tenor Ponchard: „Ah! quel plaisir d’etre soldat“ und „Viens, gentille dame“. Sogar eine Omnibuslinie wurde nach der Oper benannt. Boieldieus Nachbar am Boulevard Montmartre 10, der absolute Meister aller Meister der Zeit, Rossini, lobte das Werk in hohen Tönen, insbesondere das Ensemble der stilvollen Versteigerungsszene: „Wir… Italiener hätten viel Lärm dabei gemacht, mit felicità, felicità und solchen Dingen.“ Boieldieu, gerührt über die Anerkennung, verabschiedete sich, um in die höhere Etage hinaufzusteigen: „Ich bin Ihnen doch nur über, Meister, wenn ich schlafe.“ Auch Carl Maria von Weber äusserte sich überströmend: „Seit „Figaros Hochzeit“ ist keine komische Oper geschrieben worden wie diese“ und der junge Komponist Reynaldo Hahn sprach vom „anmutigen Mozartismus“. Zu den Bewunderern des Werks zählten auch Schumann, Wagner, Donizetti und Berlioz.
Die Oper wurde bald an allen wichtigen Häusern gespielt, im Juli 1826 hatte sie in Wien Premiere und im Oktober desselben Jahres in London. Am 24. August 1827 erlebte sie ihre Erstaufführung in New York (in deutscher Sprache). Ende der 1920er zeigte die Opéra Comique La Dame blanche noch zum 1706. Mal, danach geriet sie so sehr in Vergessenheit, dass sie erst 1997 wieder ins Repertoire genommen wurde.
Die Oper verdient es nicht, vergessen zu werden. Boieldieus Kollege Grétry meinte, dass man mit zwanzig vielleicht eine gute Tragödie komponieren könne, doch erst mit vierzig eine gute Komödie. Und Boieldieu entwickelt auch erst in La Dame blanche sein ganzes musikalisches und komisches Erzähltalent. Er ist auf dem Gipfel seines Könnens. Mit romantischen und modernistischen Momenten belebt er die traditionelle opéra comique und erneuert die veraltete Form durch chromatische Harmonie und ausdruckstarke Orchestration. Die Harfe spielt eine wichtige Rolle als Begleiterin der Dame und die Holzbläser und Flöten werden mit Subtilität eingesetzt. Boieldieus früher eher enge Melodieführung ist hier warm und geschmeidig geworden. Die Melodien gehen ins Ohr, sind einfach und doch raffiniert verziert und durch – doch eher französisch anmutende – schottische Folklore bereichert. Besonders gelungen ist die z. B. im Terzett des 2. Aktes und in der Versteigerungsszene sorgfältig gearbeitete Ensemblekunst, die der nicht ganz einfachen Geschichte ein eindringliches musikalisches Leben voll symmetrischer Vornehmheit und flüssiger Leichtigkeit gibt. Sie erinnert entfernt an Mozart und in ihrer unermüdlichen musikalischen Plauderkunst an Rossini, ist jedoch von typisch französischem Esprit und Stil. Die Dialoge sind pointiert und klar. George Browns Arien sprühen von Spontaneität und verführerischem Charme und gehörten schon bald zum Konzertrepertoire grosser Tenöre, wie etwa Leo Slezak und Fritz Wunderlich. Schade nur, dass die Ouverture erst am Abend vor der Generalprobe mit Hilfe der Schüler Adam und Labarre, also viel zu hastig geschrieben wurde, das Resultat ist ein eher blasses, einfaches Potpourri aus den Hauptthemen der Oper…

Irmelin Mai Hoffer, 2004

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