Berlioz, Hector

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Berlioz, Hector

Rêverie et Caprice Op. 8 for violin and orchestra or piano (Piano Reduction/Solo)

Art.-Nr.: 644b Kategorien: ,

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Berlioz, Hector

Rêverie et Caprice Op. 8 for violin and orchestra or piano (Piano Reduction/Solo)

Romanze für Violine und Orchester oder Klavier (1841)

Im März 1839 schrieb der leidgeplagte Komponist Hector Berlioz einen eiligen Zettel an den allmächtigen Leiter der Pariser Opéra, Charles-Edmond Duponchel: «Sehr geehrter Herr, es ist mir eine Ehre, Ihnen mitteilen zu dürfen, daß ich meine Oper „Benvenuto“ hiermit zurückziehe. Ich bin fest davon überzeugt, daß Sie diese Nachricht mit Freude entgegennehmen werden. Ich verbleibe, sehr geehrter Herr, ergebenst Ihr H. Berlioz.»
In seiner Einschätzung der Situation lag Berlioz keineswegs falsch: Seit dem Anfang der Probenarbeiten im Mai 1838 erfuhr die Oper Benvenuto Cellini nichts als dumpfen Widerstand von Seiten der Orchestermusiker, der Sänger, des Verwaltungspersonals und schließlich des großen Theaterleiters, der fest daran glaubte, es handele sich dabei lediglich um ein totgeborenes Experiment. Nach vier Aufführungen weigerte sich der männliche Hauptdarsteller weiterzumachen, nachdem er seine Rolle bisher mit einem unübersehbaren Grinsen gesungen hatte, als ob sich das Ganze nur um einen herrlichen Witz handeln würde. So vollkommen war der Mißerfolg von Benvenuto Cellini, daß die Zukunftsperspektiven des Komponisten an der Opéra mit einem Schlag auf immer vernichtet wurden. Berlioz, der sein Herzensblut in die Partitur hatte hineinfließen lassen, war untröstlich. Dennoch wußten er und einige weitsichtige musikalische Mitstreiter genau, daß dabei ein Meisterwerk unerkannt und ungepriesen geblieben war. Heute hat sich das übereilte Urteil Duponchels in sein Gegenteil gekehrt.

Eine der ersten Stellen in Benvenuto Cellini, die der Kritik der Musiker zum Opfer fiel, war eine Kavatina im ersten Akt (“Ah, que l’amour une fois dans le cœur”), die das Mißfallen der Sängerin Julie Dorus-Gras erregt hatte und daher ersetzt werden mußte. Über die Vorzüge des Stücks war Berlioz jedoch anderer Meinung, und als sich eine Gelegenheit 1841 anbot, ein Orchesterkonzert gemeinsam mit einem jungen Freund, dem belgischen Geigenvirtuosen Alexandre-Joseph Artôt (1815-1845) zu bestreiten, schrieb der Komponist die ursprüngliche Kavatina in eine „Romance“ für Violine und Orchester (in Anlehnung an die Romanzen op. 40 und op. 50 von Beethoven) um. Die neue Fassung erschien sofort als Partitur und Klavierauszug beim Pariser Verlag Richault & Cie. unter dem Titel Rêverie et caprice … Romance … Oeuvre 8 (1841). Einige Monate darauf, am 1. Februar 1842, hoben Artôt und Berlioz das neue Stück im Pariser Salle Vivienne aus der Taufe. Obwohl die neue Romanze bei der Uraufführung nicht sonderlich auffiel, wurden bald einige der führenden Virtuosen der Zeit auf sie aufmerksam. Der spätere Geigenprofessor am Pariser Conservatoire Delphin Alard (1815-1888) spielte das Stück mit triumphalem Erfolg bei einem Konzert am Conservatoire im Jahre 1843. Noch wichtiger war wohl der Einsatz des großen Geigers Ferdinand David (1810-1873), der das Werk im gleichen Jahr bei einem Leipziger Konzert in Anwesenheit des Ehepaars Schumann zum besten gab. Jahre danach erinnerte sich Berlioz an dieses Ereignis in seinen Memoiren, wobei er auch nicht vergaß, das Orchester hervorzuheben: «David erklärte sich bereit, das Violinsolo zu spielen, das ich zwei Jahre zuvor für Artôt komponiert hatte und eine ziemlich anspruchsvolle Orchesterbegleitung ausweist; sein Vortrag war meisterhaft und wurde vom ganzen Publikum gelobt.»

Trotz der herzlichen zeitgenössischen Rezeption wird die Rêverie et caprice durch Berlioz‘ Biographen nicht gerade wohlwollend betrachtet. Jacques Barzun (1950) bezeichnet sie als „unbedeutend, mit der einzigen Einschränkung, daß sie als Zeichen dafür dient, daß Berlioz – mit etwas Übung – sein Glück mit gewinnbringender Tagesware hätte probieren können„.Dreißig Jahre später sah Hugh Macdonald keinen Grund dieses Urteil zu revidieren, indem der die „impulsiven Stimmungs- und Temposchwankungen“ des Werks bemängelte, die im Konzertsaal eher fehl am Platz wirken und dafür sorgen, daß die Anzahl der Bewunderer gering bleibt. Ein gänzlich anderes Bild wirft jedoch die Publikationsgeschichte der Romanze auf: Die Firma Richault legte 1865 die Partitur neu auf, eine weitere Partitur mit Stimmensatz erschien 1880 bei Costallato in Paris, und noch eine weitere – diesmal mit dem Titel Träumerei und Kaprice – Anfang des 20. Jahrhunderts beim Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel. Zu den zahlreichen Nachdrucken der Klavierfassung gehört zunächst ein Raubdruck der Richault-Ausgabe durch Pietro Mechetti (Wien 1841), gefolgt von weiteren Ausgaben beim Londoner Verlag Augener (hrsg. E. Heine 1900), Steingräber in Leipzig (hrsg. Henri Marteau 1926), Faber in London (hrsg. Neil Heyde 1995) und dem Kasseler Verlagshaus Bärenreiter (hrsg. Hugh Macdonald 2003), das auch 2003 eine Partitur mit Stimmensatz als Abfallprodukt der „New Berlioz Edition“ herausgab. Am beeindruckendsten ist jedoch die lange Liste der überragenden Violinisten, die die Rêverie et caprice auf Tonträger aufzeichnete, darunter Yehudi Menuhin (1967), Joseph Szigeti (1969), Arthur Grumiaux (1972), Joseph Suk (1978), Itzhak Perlman (1981) und noch weitere weniger große Vertreter ihrer Zunft. Die vorliegende Ausgabe vereint als erste die Orchester- und Klavierfassung in einem einzigen Heft.

Bradford Robinson, 2006

Aufführungsmaterial ist von der Breitkopf und Härtel, Wiesbaden zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München

 

Partitur Nr.

644b

Edition

Repertoire Explorer

Genre

Violine & Orchester

Format

Anmerkungen

Druck

Reprint

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