Wetzler, Hermann Hans

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Wetzler, Hermann Hans

Suite aus der Schauspielmusik zu Shakespeares „Wie es Euch gefällt“ op. 7 (1920)

Art.-Nr.: 1913 Kategorie:

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Hermann Hans Wetzler
(geb. Frankfurt am Main, 8. September 1870 – gest. New York, 29. Mai 1943)
Suite aus der Schauspielmusik zu Shakespeares
„Wie es Euch gefällt“ op. 7
(1920)

I Pagenduett. Frisches Zeitmaß (p. 3)
II Liebesszene. Andante con moto (p. 9) – Mondnacht. Andante (p. 10) – Tiefschwarze Nacht (p. 17) –
Breit und wuchtig (p. 20) – Elastisches Zeitmaß (p. 22) – attacca:
III Erster Schäfertanz. Einleitung, Allegro ma non troppo, präludierend – Tanz (zwei junge Schäferinnen), gemächlich, doch anmutig bewegt (p. 24) – Vivace non troppo. Derb und kraftvoll (p. 27) –
Gemächlich, doch anmutig bewegt (p. 31) – Präludierend – Etwas lebhafter (p. 34)
IV Rosalindes Abschied. Adagio (p. 35)
V Zweiter Schäfertanz. Allegretto (p. 39) – Più animato (p. 44) – Noch belebter (p. 45) – Immer ruhiger – Andante quasi lento (p. 47) – Ruhig (p. 49) – Presto (p. 50)

Vorwort
Zwar wurde Hermann Hans Wetzler in Frankfurt am Main geboren, doch wuchs er in einer wohlhabenden Familie in Chicago und Cincinnati auf. Er erlernte das Klavier- und Violinspiel in Cincinnati und trat schon früh als Geiger mit seiner jüngeren Schwester Minna am Klavier öffentlich auf. 1885 zogen die Wetzlers zurück nach Frankfurt, und die beiden Geschwister begannen nach einem Vorspiel bei Clara Schumann mit dem Studium am Hoch’schen Konservatorium, wobei nicht überliefert ist, wie regelmäßig sie Unterricht von Clara Schumann erhielten. Hans Hermann Wetzlers weitere Lehrer waren Hugo Heermann (1844-1935; Violine), Bernhard Scholz (1835-1916; Dirigieren) und Iwan Knorr (1853-1916) und vor allem Engelbert Humperdinck (1854-1921) in Komposition. Einer seiner Kommilitonen war Hans Pfitzner.
Nach dem Abschluss des Studiums ging Wetzler 1892 wieder in die USA, wo er in New York als Organist, Orchesterbratschist, Chorleiter und Klavierlehrer arbeitete und zusammen mit seinem Freund Carl Dienstbach (1870-1956) versuchte, mit Hilfe eines Teams von Handwerkern ein ‚Luftschiff’ zu bauen. Er heiratete Carls Schwester Lini Dienstbach und gründete 1902 das Wetzler Symphony Orchestra, welches drei Jahre lang regulär auftrat. Als Richard Strauss 1904 in New York gastierte, leitete er dieses Orchester in der Uraufführung seiner ‚Sinfonia domestica’.

1905 war Wetzler wieder in Deutschland, wo er zuerst am Hamburger Stadttheater tätig war, um dann 1908 als Erster Kapellmeister in Elberfelde (Wuppertal) angestellt werden. Weitere Wirkungsstationen als Dirigent waren ab 1909 Riga, ab 1913 Halle, ab 1915 Lübeck, und schließlich, Seite an Seite mit Otto Klemperer und dem Assistenten Paul Dessau, ab 1919 Köln. Den Berichten zufolge kam es immer wieder zu Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den Orchestern, und 1923 wurde sein Vertrag in Köln nicht verlängert.

Nun verlegte sich Wetzler verstärkt aufs Komponieren und übersiedelte 1929, mittlerweile in finanziellen Schwierigkeiten, nach Brissago am Lago Maggiore in der italienischen Schweiz, und von dort 1932 nach Basel. Es gelang ihm jedoch nicht, in der Schweiz eine konstante Anstellung zu erhalten. 1933 starb seine Frau, und Wetzler zog mit seiner neuen Lebensgefährtin Doris Oehmigen nach Ascona, von wo aus er Reisen nach Deutschland, England und Amerika unternahm. 1935 wurde Wetzler aufgrund seiner jüdischen Abstammung mit Aufführungsverbot belegt. So begab er sich 1940 wieder nach New York, wo er vergeblich auf das Kriegsende und die Rückkehr hoffte. 2006 wurde sein umfangreicher Nachlass in die Zentralbibliothek Zürich überführt. Er enthält neben den Autographen seiner Kompositionen und Schriften ca. 10.000 Briefe, 6.000 Kritiken und einen großen Bestand an Fotografien. Die hier vorgelegten Informationen verdanken wir publizierten Texten des Wetzler-Forschers Heinrich Aerni.

In den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hatte Wetzler überwiegend Lieder komponiert, aber auch 1901 einen Zyklus von ‚12 Tonbildern in Form von Variationen’ für Klavier solo. Ab 1917 schrieb er vermehrt Orchesterwerke, beginnend mit der Ouvertüre zu Shakespeares ‚Wie es euch gefällt’ op. 7, die 1918 in Berlin unter Richard Strauss uraufgeführt wurde. 1922 entstand die Symphonische Phantasie für Orchester op. 10, 1923 folgten die sechs Tonbilder ‚Visionen’ op. 12, die zunächst den Titel ‚Silhouetten’ trugen, am 20. November 1923 unter Hermann Abendroth in Köln aus der Taufe gehoben wurden und 1924 bei Max Brockhaus im Druck erschienen. Nach der Legende ‚Assisi’ schrieb er seine einzige Oper ‚Die baskische Venus’ op. 14 auf ein Libretto seiner Frau Lini, die er 1928 vollenden konnte und die auch einen großen ‚Symphonischen Tanz im baskischen Stil’ enthält. Unter Wetzlers ungedruckt gebliebenen, im Autograph erhaltenen Orchesterwerken seien hier aus der frühen Zeit eine Konzert-Ouvertüre und seine einzige Symphonie in Es von 1891, an undatierbaren Orchesterwerken ein ‚Engelsconcert’ nach dem gleichnamigen Gemälde von Hans Thoma und eine ‚Music for Chamber Orchestra, aus den späteren Jahren eine Anfang 1932 vollendete Symphonie concertante op. 15 für Violine und Orchester und eine ‚American Rhapsody’ von 1942 genannt – Musik, die wie auch Wetzlers Magnificat für Sopran, Knabenchor, Violine und Orgel op. 16 (1937), das ‚Nunc dimittis’ op. 20 (1939) und zahlreiche weitere kleine geistliche Werke der Spätzeit für a cappella-Chor sowie seine zwei Streichquartette (ein früheres und das c-moll-Quartett op. 18 von 1939) zum Zeitpunkt dieses Nachdrucks nach wie vor vollkommen unbekannt ist.

Hermann Hans Wetzler vollendete die revidierte Reinschrift der Partitur zur Ouvertüre zu William Shakespeares ‚Wie es Euch gefällt’ am 8. September 1917 in Lübeck und widmete sie „meiner geliebten Lini“. Außerdem schrieb er eine Schauspielmusik zu ‚Wie es Euch gefällt’ und arrangierte eine fünfsätzige Orchestersuite daraus für den Konzertgebrauch. Ouvertüre, Suite und Schauspielmusik erschienen bei F- E. C. Leuckart in Leipzig im Druck, die Ouvertüre noch im Jahr der Fertigstellung. Wetzler war – als Nachfolger Wilhelm Furtwänglers – in seiner Zeit als Generalmusikdirektor in Lübeck von 1915 bis 1919 sehr beliebt bei Pubklikum und Kritikern, und insbesondere die leichfüßige Schauspielmusik zu ‚Wie es Euch gefällt’ fand allseits besonderen Anklang und begründete seinen zunehmenden, wenngleich auch nicht allzu lange währenden Erfolg als Komponist. Uraufgeführt wurde die Ouvertüre in ursprünglicher Fassung bei der Première am Stadttheater Lübeck zusammen mit der kompletten Schauspielmusik am 14. März 1917 durch das Philharmonische Orchester Lübeck unter Wetzlers Leitung. In revidierter Fassung kam die Ouvertüre am 9. November 1917 in Essen durch das Städtische Orchester Essen unter Generalmusikdirektor Max Fiedler (1859-1939) zur Uraufführung. Sie verbreitete sich schnell, Arthur Nikisch dirigierte sie sieben Mal (mit dem Gewandhaus-Orchester, den Berliner Philharmonikern und dem Städtischen Orchester Baden-Baden), und bald war sie unter weiteren Kollegen wie Siegmund von Hausegger, Richard Strauss, Fritz Reiner, Ewald Straesser, Ewald Lindemann, Hermann Abendroth, Hans Pfitzner, Ludwig Rottenberg, Wilhelm Sieben etc. in den meisten führenden Musikstädten Deutschlands erstmals erklungen. Es folgten 1921 in San Francisco Alfred Hertz, Nikisch in Lateinamerika, Willem Mengelberg in Amsterdam, Volkmar Andreae in Zürich, 1922 Ossip Gabrilowitsch in Detroit, 1923 Mengelberg in New York und Reiner in Cincinnati, 1925 Abendroth in Edinburgh, 1926 Weingartner in Wien, 1927 Knappertsbusch in München, 1928 Abendroth in Liverpool, und noch 1941 Reiner in Pittsburgh, nachdem es ab 1930 still um die Ouvertüre geworden war. (Alle detaillierten Aufführungs-Informationen sind der vorbildlich dokumentierenden Monographie von Heinrich Aerni: ‚Zwischen USA und Deutschem Reich. Hermann Hans Wetzler, Dirigent und Komponist [Bärenreiter, Kassel 2015, ISBN: 9783761823583] entnommen.)

Wie Mendelssohn bei seiner ‚Sommernachtstraum’-Ouvertüre wurde wohl auch Wetzler durch den durchschlagenden Erfolg seiner ‚Wie es euch gefällt’-Ouvertüre dazu angeregt, zum gleichen Theaterstück eine Schauspielmusik folgen zu lassen. Anders als bei der Ouvertüre ist es nicht gelungen, den genauen Zeitpunkt der Komposition festzustellen, doch jedenfalls lag die fünfsätzige Suite 1920 vor, und die Partitur ist in jenem Jahr beim Verlag F.E.C. Leuckart in Leipzig im Druck erschienen. Zur Uraufführung gelangte die Suite aus der ‚Musik zu Shakespeares «Wie es euch gefällt»’ am 16. November 1920 in Köln durch das Städtische Orchester unter der Leitung des Komponisten. Der Erfolg war geringer als bei der Ouvertüre, und die nächsten beiden Aufführungen fanden erst 1922 und lediglich wieder in Köln statt: am 30. Mai wiederum durch das Städtische Orchester, diesmal unter Heinrich Anders, und am 23. Juli durch das Orchester des Kölner Stadttheaters. Am 13. Dezember 1925 folgte die US-amerikanische Première in New York durch die ‚Society of the Friends of Music’ unter Artur Bodanzky, die am selben Tag des darauffolgenden Jahres durch die gleichen Beteiligten wiederholt wurde. Danach kam es nur noch zu wenigen provinziellen Aufführungen.

Die Suite ist ein wertvolles, dramaturgisch fein aufgebautes Werk, das zwischen den duftiger bewegten Sätzen zwei besonders eindrückliche langsame Sätze – die leidenschaftliche und farbenprächtige Liebesszene und das Adagio ‚Rosalindes Abschied’ – umfasst. Die rechtliche Historie des Werks ist eine bewegte: Von Leuckart, mit denen Wetzler nicht glücklich war, ging es zu D. Rahter in London, und vor einigen Jahren gingen alle Verlagsrechte Rahters an Boosey & Hawkes über. Möge dieser Nachdruck des Erstdrucks der Verbreitung dieser reizvollen Musik dienen, die natürlich auch zusammen mit der einst so beliebten Ouvertüre gespielt werden kann.

Christoph Schlüren, Oktober 2016

Aufführungsmaterial ist erhältlich vom Verlag Boosey & Hawkes, Berlin (www.boosey.de).

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