Vocht, Lodewijk de

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Vocht, Lodewijk de

In ballingschap, symphonic poem (first print)

16,00 

Lodewijk De Vocht – Im Exil (1914)

(Antwerpen, 21. September 1887 – ’s Gravenwezel, 27. März 1977)

Dieses Werk stellt ein klingendes Zeugnis des Ersten Weltkriegs aus der Feder eines Komponisten dar, der selbst vor der Gewalt dieses Krieges fliehen musste. Nach den schweren Bombenangriffen, die Antwerpen am Abend des 7. Oktober 1914 zerstörten, floh Lodewijk De Vocht gemeinsam mit vielen tausenden Antwerpenern in die Niederlande. Seine Frau und sein kleiner Sohn waren schon früher an einen sicheren Ort verbracht worden. Am Nachmittag des 9. Oktober kam er in Hilversum an. Am folgenden Tag erschien in der Zeitung De Gooische Post ein Interview mit De Vocht, in dem er über diese Flucht Zeugnis ablegte: „Es war eine unabsehbare Prozession endlosen Leides.“

Während ihres Exils verblieb die Familie De Vocht in Rotterdam, von wo aus De Vocht versuchte, seine Kompositionen in den Niederlanden aufführen zu lassen. Am 25. November 1914 durfte er in Utrecht – und am darauffolgenden Tag in Rotterdam – bei drei seiner eigenen Kompositionen das Utrechts Stedelijk Orkest dirigieren, und zwar bei den früher entstandenen sinfonischen Gedichten Avondschemering (Abendschimmer) und Lentemorgen (Frühlingsmorgen) und dem erst später komponierten Bede voor mijn vaderland (Gebet für mein Vaterland), das er später in In ballingschap (Im Exil) umtaufen sollte. Der Rest des Programms, das mit Lodewijk Mortelmans‘ Mythe der lente (Mythos des Frühlings) schloss, wurde von Wouter Hutschenruyter dirigiert, dem Chefdirigenten des Utrechts Stedelijk Orkest.

De Vocht komponierte In ballingschap kurz nach seiner Ankunft in den Niederlanden in nur wenigen Wochen; die Orchesterpartituren wurden erst in der Nacht vor der ersten Probe fertig. De Vocht notierte in der Partitur eine kurze programmatische Erklärung auf Niederländisch und Französisch: „Das Lied eines ganzen Volkes im Exil war der Anlass zu diesem Werk. Die Anfangsmelodie, schlicht im Aufbau wie ein Choral, ist ein flehendes Gebet, ein Drängen der Seele, im Wechsel mit einem Thema, das bitteren Schmerz ausdrückt. Letzterer entwickelt sich und wächst sich entweder zur Verzweiflung aus oder geht in eine Stimmung von majestätischer Gelassenheit über. Wenn am Ende die Anfangsmelodie wiederaufgenommen wird, ist es, als schmachtete das ganze Volk nach seiner Befreiung.“

In der Zeitung De Maasbode erschien diese lobende Rezension der Aufführung in Rotterdam: „Dem Werk die Krone aufsetzen sollte das erst in diesen schrecklichen Zeiten entstandene Werk Bede voor mijn vaderland. Wie sonst hätte dieses tiefe Leid unserer südlichen Nachbarn besser in Klängen ausgedrückt werden können, als von einem Spross dieses schönen Belgiens selbst?
Kein banaler handwerklicher Aufwand, vermengt mit kraftlosem Impressionismus, keine bildliche Geräuschkunst. Nein, all das Leid, das schreiende Elend, die traurigen Töne der Klagelieder, in denen die bitteren Schmerzen der Verzweiflung herausgesungen werden, das ist es, was De Vocht so natürlich, so klar hervorzaubert. Man hört gewissermaßen die Jammerklagen aufsteigen, die ächzenden Rufe, die Schmerzensseufzer, die in unseren Tagen so manch einem Busen entweichen. Aber es zeigt auch die Sonne der Hoffnung! Es soll nicht nur ein unaufhörliches Weinen bleiben! Wenn die Klagen auch immer wiederkehren, so bricht dennoch jedes Mal wieder der Sonnenstrahl des Vertrauens durch sie hindurch.
Wen wundert es da, dass man sich der mächtigen Verzauberung der Musik nicht entziehen konnte? Vor allem, weil einem das Orchester zum Genuss der melodischen Schönheit und der harmonischen und rhythmischen Grazie der Bearbeitung in vollen Zügen verhalf. Hatte der vollbesetzte Doelen-Saal bereits nach den ersten beiden Werken seine Wärme für De Vochts Talent bekundet, so sollte diese erst nach der „Bede“ auf eine ganz besondere Weise zum Ausdruck kommen. Sogar das gesamte Orchester erhob sich, um sich an die begeisterten Ovationen anzuschließen. Der Komponist seinerseits aber ließ großzügig jenen die Ehre zuteilwerden, denen Ehre gebührte.“

Dieses symphonische Gedicht wurde später noch verschiedene Male aufgeführt.
Das Flämische Rundfunkorchester brachte 2004 unter Leitung von Jan Latham König eine Aufnahme auf der CD Flemish Connection IV (Et’cetera) heraus. Die Zeitdauer dieser Aufnahme beträgt 12‘12“.
Diese Neuausgabe wurde von Leen Uytterschaut und Piet Stryckers besorgt. Sie beruht auf den handschriftlichen Partituren des Werkes im Besitz der Bibliothek des Königlichen Flämischen Konservatoriums Antwerpen.

Kompositionspartitur
(B-Ac MS 175.388)
Autograf in Bleistift, mit zahlreichen Verbesserungen in Bleistift und roter Tinte

Dirigierpartitur
(B-Ac MS 175.346)
Autograf in Tinte

– Takt 113, Violoncello, 7. Note a: sic. Die Cellostimme war in den Takten 99-115 ursprünglich in Achteln notiert, in der Kompositionspartitur jedoch nachträglich als Sechzehntel, und so wurde es auch in die Dirigierpartitur eingefügt. Beide Fassungen verzeichnen hier a.
– Die Takte 217-219 stehen in der Fagottstimme der Dirigierpartitur einen Takt zu früh, jedoch korrekt in der Kompositionspartitur.

Jan Dewilde
(Übersetzung: Eva-Maria Kintzel)

Diese Partitur wurde in Zusammenarbeit mit dem Studienzentrum für flämische Musik herausgegeben (www.svm.be). Mit Dank an den Fonds Lodewijk De Vocht.

 

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Partitur Nr.

2555

Sonderedition

Genre

Orchester

Format

Aufführungsmaterial

vorhanden

Druck

Erstdruck

Seiten

32

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