Les trois palmiers, Symphonic poem, Op. 10
Spendiarov, Alexander
29,00 €
Preface
Alexander Spendiarov (Spendiaryan)
Les trois palmiers (Drei Palmen)
Symphonische Dichtung op. 10 (1905)
(geb. Kachowka am Dnjepr, 20. Oktober/1. November 1871 – Jerewan, 7. Mai 1928)
Andante (p. 157) – Animando poco a poco (p. 171) – Allegro agitato (p. 174) – Poco più mosso (p. 178) –
Allegro agitato (p. 186) – Andantino sostenuto (p. 189) – Moderato (p. 208) – Poco più mosso (p. 228) –
Più vivo (p. 233) – Allegro irato (p. 234) – Andante (p. 237) – Poco più mosso (p. 239) –
Animando poco a poco (p. 241) – Allegro irato (p. 242) – Andante (p. 244) – Moderato (p. 245) –
Poco più lento (p. 249) – Andantino sostenuto (p. 250) – Larghetto (p. 258)
Vorwort
Zwei armenische Musiker waren es, die die klassische Musiktradition des Landes begründeten, nachdem die bedeutende Musik Armeniens zuvor durch die orale Tradition der Aschochs (fahrender Musiker, vergleichbar den mittelalterlichen Troubadouren in Europa) vermittelt wurde: der eine ist Soghomon Soghomonian (1869-1935), bekannt geworden als Komitas Vardapet, sammelte die überlieferten Melodien und arrangierte sie in harmonisch wundervollen Bearbeitungen – er gilt heute als eigentlicher Begründer einer ‚armenischen Schule’ (auch George Ivanovich Gurdjieff [1866-1949] ist hier zu nennen, der in den Einrichtungen seines Schülers und Mitarbeiters Thomas de Hartmann [1885-1956] neben vielem anderen auch wertvolle armenische Melodien aufschreiben ließ); der andere ist der zwei Jahre jüngere Alexander Spendiarov, dessen aus Ani stammende Familie vor der Russifizierung durch das zaristische Reich natürlich Spendiarian hieß.
Schon in früher Kindheit zeigte Alexander Spendiarov außergewöhnliche und vielseitige künstlerische Begabung. Als Dreijähriger bastelte er Papierfiguren von solch herausragender Qualität, dass der große Maler Ivan Aivasovsky (1817-1909, insbesondere berühmt für seine fantastischen Seegemälde) sie nach St. Petersburg mitnahm und in der Akademie der Künste ausstellen ließ. Mit acht Jahren war er als Maler so weit fortgeschritten, dass die Kunsthändler sich um ihn bemühten. Er kümmerte sich nicht darum, und noch als reifer Mann sollte er zu sagen pflegen: „Nichts Außergewöhnliches ist mir je in meinem Leben widerfahren.“ Musikalisch orientierte er sich an seiner Mutter, die exzellent Klavier spielte, und als Siebenjähriger komponierte er einen ersten Walzer. Er schrieb Gedichte und Tänze und Marschlieder für Klavier, doch hatte er überhaupt kein Interesse an technischen Übungen für das Instrument. Mit vierzehn Jahren begann er mit dem Geigenspiel und erreichte beträchtliche Meisterschaft, was dazu führte, dass ihn Nikolai Klenovsky (1857-1915) als Konzertmeister des Symphonieorchesters der Moskauer Universität auswählte. Denn ab 1890 studierte er dort zunächst ein Jahr lang Naturgeschichte, außerdem Jura bis zu seinem Abschluss im Jahr 1895. Während dieser Zeit nahm er auch weiterhin Geigenunterricht und komponierte. Als Klenovsky, der sein Mentor geworden war, Moskau verließ, ging Spendiarov 1896 auf seinen Rat nach St. Petersburg, um seine Kompositionen Nikolai Rimsky-Korsakov (1844-1908) vorzulegen, der voller Bewunderung war und ihn ermunterte, sich intensiv mit der Volksmusik seiner Heimat zu befassen. 1896-1900 erhielt Spendiarov privaten Kompositionsunterricht von Rimsky-Korsakov; in dieser Zeit entstand unter anderem sein Erstes Streichquartett. Alexander Glasunov (1865-1936) berichtete, dass „Rimsky-Korsakov vollauf zufrieden war mit den Ergebnissen von Spendiarovs Arbeit“ und ihn als einen „seriösen, begabten Komponisten mit einem großen Talent für das Komponieren“ betrachtete. Und Nikolai Tcherepnin (1873-1945) schätzte ihn nicht nur als einen der feinsten und inspiriertesten Komponistenkollegen, sondern auch als selbstlosen Mann von unermesslicher Güte und Gastfreundschaft, dem neben dem Aufbau des Musiklebens in Armenien und auf der Krim und der unermüdlichen Förderung aller ersthaften musikalischen Bestrebungen um ihn herum auch die Errichtung des Kalinnikov-Monuments auf dem Friedhof zu Jalta zu verdanken war.
1900 komponierte Spendiarov eine ‚Konzert-Ouvertüre’, die im Juni 1901 in Pavlovsk zur Uraufführung kam. 1903 folgten für Orchester die erste Serie der ‚Krim-Skizzen’ und die Tondichtung ‚Drei Palmen’, die ihm den Durchbruch als Komponist bescherte, auch im Urteil von Kollegen wie Anatol Liadov (1855-1914), Glasunov oder Tcherepnin. Bis 1913 kamen Werke wie die ‚Legende von Beda dem Prediger’ für Altstimme und Orchester, die zweite Serie der ‚Krim-Skizzen’, ‚Vergessene Gräber’ auf ein Gedicht von Khachatur Abovyan (1809-48) für Tenor und Orchester, die Streichquartette Nr. 2 und 3, und eine Vielzahl von Werken für Cello bzw. Violine hinzu. Während dieser Zeit wurde Spendiarov drei Mal mit dem Glinka-Preis geehrt: 1908 für die ‚Drei Palmen’, 1910 für die ‚Legende von Beda dem Prediger’, und 1912 für eine große melodische Deklamation. In all dieser Musik hat er wie kein in der russischen Tradition ausgebildeter professioneller Komponist der armenischen Tradition seine Stimme geliehen, und immer mehr das spezifisch Armenische, das von vielen Invasionen über die Jahrhunderte hinweg immer wieder ausgelöscht zu werden drohte, nicht nur in der Musik, sondern überhaupt in den Künsten aufgespürt und zum Ausdruck gebracht. Er wirkte vor allem in Jalta, wo er die Bekanntschaft von Anton Tschechov, Maxim Gorky und Fjodor Schaljapin machte und sich auch befand, als 1917 die Revolution ausbrach. Zu jener Zeit war er vertieft in das Studium armenischer Folklore und die Kunst der aussterbenden Aschochs, und sammelte seit vielen Jahren armenische Volksweisen. Er hatte noch in dessen letzten zwei Lebensjahren Unterweisung vom todkranken letzten großen armenischen Aschoch, Dzhivani (1846-1909, geboren mit dem bürgerlichen Namen Serob), erhalten (von Dzhivanis ca. 100 Lieder sind nur ca. 20 in authentischer Form überliefert, die anderen sind entweder in der Weitergabe unkenntlich gemacht worden oder verloren). 1924 übersiedelte Spendiarov, der als fähiger Dirigent viel in Charkow und Odessa gewirkt hatte, auf Einladung der sowjetischen Kulturbehörden nach Yerewan, wo er ein vierzigköpfiges Orchester aufbaute, aus dem später das heutige Armenische Nationalorchester hervorgehen sollte. 1925 entstanden seine berühmten ‚Yerewan-Etüden’ (oder ‚Yerewan-Skizzen’) für Orchester, eines seiner zauberhaftesten Werke. Spendiarov wirkte nun auch sowohl beratend als auch unmittelbar aktiv bei der systematischen Erforschung der armenischen Traditionen mit und war mit der Fertigstellung seiner einzigen Oper ‚Almast’ nach dem Gedicht ‚Die Erstürmung von Tmkabert’ von Armeniens großem Nationaldichter, seinem unmittelbaren Zeitgenossen Hovhannes Tumanyan (1869-1923), beschäftigt, deren Klavierauszug er in Tumanyans Todesjahr vollendet hatte. Spendiarov starb nach kurzer Krankheit. Die wenigen Szenen von ‚Almast’, die er nicht mehr in Partitur niederschreiben konnte, orchestrierte nach seinem Tode Maximilian Steinberg (1883-1946), wie Spendiarov einst Schüler Rimsky-Korsakovs. Nach Aufführungen der Oper in den dreißiger Jahren in Yerewan war es 1939 die Moskauer Première von ‚Almast’, die jenen umfassenden Erfolg hatte, den der Komponist nicht mehr erleben sollte.
Spendiarovs ‚Drei Palmen’ op. 10, als ‚symphonisches Tongemälde’ im Gefolge der jungrussischen Tradition konzipiert, wurden von dem gleichnamigen allegorischen Gedicht von Michail Lermontov (1914-41) inspiriert, welches in der Übersetzung Dominik Hollmanns mit den Worten beginnt:
„Im Wüstenbereich im Arabischen Land
stolz wuchsen drei Palmen hervor auf dem Sand.
Aus fruchtlosem Boden schlug plätschernd ein Quell […]“
Doch die Palmen sind eines Tages unzufrieden mit ihrem einsamen Dasein und „fluchen Gott“:
„Sind wir nur geboren, um hier zu verrotten? […]
Noch nie sah ein Mensch uns mit dankbarem Blick […]“
Ihrer Bitte wird entsprochen. Eine Karawane naht und wählt den Ort zu nächtlichem Gelage. Und was geschieht? Die Palmen werden in der Abenddämmerung gefällt:
„So fielen sie leblos, die Hundertjahralten.
Bald waren die Stämme zerhackt und zerspalten.“
Eine zeitlos aktuelle Geschichte, im 21. Jahrhundert freilich aktueller denn je:
„Und heute ist öde und wüst diese Stelle. […]
Der gierige Geier allein sich ergötzt,
der hier seine Beute erwürgt und zerfetzt.“
Am 7. Juni 1905 schrieb Spendiarov aus Jalta an seinen Freund George Melikenzov: „Ende Mai beendete ich das Symphonische Bild ‚Drei Palmen’ nach Lermontov für großes Orchester. Solange ich es nicht von einem Orchester gespielt gehört habe, werde ich es nicht beurteilen. Dieses Werk ist sehr solide, es umfasst rund 100 Partiturseiten. Ende dieses Monats werde ich die ‚Drei Palmen’ mit dem hier spielenden Preobazhensky-Orchester proben. Sollte mein Werk mich zufriedenstellen, so wird es hier auch öffentlich aufgeführt.“
Einen weiteren Monat später, am 25. August 1905, gelangten die ‚Drei Palmen’ in Jalta in der ersten Hälfte eines Benefizkonzerts durch das Preobazhansky-Orchester unter der Leitung des Komponisten zur Uraufführung. 1907 wurden sie in Partitur veröffentlicht. Sie waren, auch dank der überschwänglichen Urteile Glasunovs, Liadovs und Nikolai Tcherepnins, so erfolgreich, dass Spendiarov anschließend Aufführungen der ‚Drei Palmen’ u. a. in Berlin, Kopenhagen und New York leitete.
Besonderer Dank für die Beschaffung der Druckvorlage und Hilfe bei der Recherche geht an die in München lebende Pianistin Margarita Oganesjan.
Christoph Schlüren, Juni 2016
Aufführungsmaterial ist erhältlich vom Spendiarov-Haus-Museum, Yerewan/Armenien (www.spendiaryanmuseum.am).
Score Data
Edition | Repertoire Explorer |
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Genre | Orchester |
Format | 210 x 297 mm |
Druck | Reprint |
Seiten | 118 |