Schubert, Franz

Alle

Schubert, Franz

Der vierjährige Posten

Art.-Nr.: 49 Kategorie:

28,00 

Franz Schubert
(geb. Wien, 31. Januar 1797 – gest. Wien 19. November 1828)

Der vierjährige Posten

Ein Singspiel in einem Aufzuge von Theodor Körner.
Musik von Franz Schubert
D190

Vorwort
Der vierjährige Posten (1815) gilt als Schuberts erster vollendeter Versuch im deutschen Singspiel. Er hat den Einakter in nur elf Tagen (8.-19. Mai) komponiert. Der in Verse gefasste Text stammt aus der Feder des österreichischen Dichters Theodor Körner und wurde zwischen 1813 (von Karl Steinacker, Wien) und 1913 (Louis Zehnter, Basel) mindestens zwanzigmal vertont. Zu Schuberts Zeit war Körner sowohl wegen seines Heroismus wie auch wegen seiner literarischen Begabeung beliebt: Kurz nach seiner Ernennung zum Wiener Hoftheaterdichter im Jahre 1813 meldete er sich freiwillig zum Lützower Freicorps; nach wenigen Monaten fiel er im Kampf. Im Kontext der antinapoleonischen Befreiungskriege wurde er schnell zum vaterländischen Symbol und festen Bestandteil des deutschen kulturellen Erbes des frühen neunzehnten Jahrhunderts. Komponisten wie Carl Maria von Weber und Franz Schubert haben viele seiner Gedichte vertont; aus der Feder des Letzteren stammt u.a. Lützows wilde Jagt (D. 205) aus Körners Sammlung Leyer und Schwerdt.

Laut der autografen Partitur wurde der Text «nach einer wahren Anekdote» geschrieben. Jedoch ist das Libretto nicht von einer gewissen Naivität frei; es mischt idyllische Vorstellungen von der Liebe mit allgemeinen humanistischen Idealen in einem spezifisch zeitgenössischen (1809) militärischen Kontext. Heinrich Duval, ein französischer Soldat, lebt in einem deutschen Grenzdorf. Vor vier Jahren, als er für die französische Armee Wache hielt, wurde er beim unerwarteten Rückzug seiner Kameraden zurückgelassen. Später hat er sich mit Käthe (Käthchen), der Tochter des Dorfrichters vermählt. Am Anfang der Oper freuen sich Duval und Käthe ihrer ehelichen Seligkeit. Bald aber wird ihr Glück durch die Rückkehr der französischen Armee bedroht. Duval nimmt seinen Wachdienst wieder auf und täuscht vor, ihn nie verlassen zu haben, um nicht als Deserteur verurteilt zu werden. Seine Kameraden und ihr Hauptmann verlangen trotzdem seine Hinrichtung, während die Dorfbewohner um Mitleid und Pardon bitten. Die Rettung kommt in der Person eines Generals, der Duval nicht nur verzeiht, sondern ihn vom weiteren Militärdienst entbindet.

Inhalt und Form der Oper sind der in Deutschland hauptsächlich durch Beethovens Leonore bzw. Fidelio eingeführten französischen Befreiungsoper verpflichtet. Die Erscheinung eines Deus ex Machina am Ende ist nur die frappierendste der Ähnlichkeiten zwischen den Werken. Der Triumph der Liebe über den Krieg, das Erlangen der persönlichen Freiheit und die Macht der ehelichen Liebe sind jedoch nur einige der Hauptthemen, die den ideologischen Kontext der Befreiungsoper bestimmen und Schuberts Jugendwerk – wenn auch auf recht unterentwickelte Weise – kennzeichen. Die Struktur der Oper wird auch auf diese Tradition und die des Singspiels aufgebaut. Der vierjährige Posten besteht aus einer unverhältnismäßig extensiven und recht symphonischen Ouvertüre in zwei Teilen (367 Takte) und acht autonomen Nummern, die unmittelbar aufeinanderfolgen (Nr. 3-5 und 6-7) oder durch den Einschub von gesprochenem Dialog getrennt werden. Bemerkenswert ist, dass jede Nummer einen anderen, jedoch in jedem Fall für die Oper charakteristischen Nummerntyp vertritt – angefangen mit der Arie (Nr. 5), Duett (Nr. 2), Trio (Nr. 3), Quartett (Nr. 4), und Chor (Nr. 6) bis hin zu größeren Formen wie Introduktion (Nr. 1), Szene mit Chor (Nr. 7) und Finale (Nr. 8). Andere für die Oper typische Techniken wie z.B. Recitativo (in Nr. 4) und Melodrama (in Nr. 6) kommen auch vor. Manch ein Interpret hat diese ausbalancierte, fast systematische Verteilung verschiedener Formtypen als einen Beweis dafür gehalten, Schubert habe das Werk nicht etwa als einen frühen Versuch gemeint, die Wiener Opernwelt zu erobern, sondern eher als eine kompositorische Probe. Die merkwürdige Vielfalt in der Ausarbeitung der verschiedenen Nummern mag diese Annahme wohl bekräftigen, obwohl kein dokumentarisches Beweismaterial vorhanden ist.

Die Oper als Ganze zeichnet sich freilich nicht durch ihre dramatische Kraft aus, aber man entdeckt in mehreren Nummern Schuberts unverkennbare Gabe als Opernkomponisten. Am interessantesten ist der Zentralteil, in dem drei Nummern in einer sich steigernden dramatischen Spannung aneinander gereiht sind. Dieser Nummernkomplex fängt mit einem Trio (Nr. 3) an, in dem die Protagonisten durch ein kurzes, vorzügliches a cappella-Fragment in G-dur ihrer Angst vor der Rückkehr der französischen Armee Ausdruck geben. In Nr. 4 wird die Unsicherheit über Duvals Schicksal durch einen schönen Kanon in g-moll («Wie soll er den Gefahr entspringen?») ausgearbeitet. Auf diese Stelle tiefen Nachdenkens folgen die lebhaftesten Rezitative der Oper, in denen Duvals Rettung geplant wird. Danach setzt Schubert ein unprätentiöses und anmutiges homophones Quartett in B-dur ein, um die Einigkeit der «Verschwörer» darzustellen. Dieses Quartett führt zu Käthes ausgedehnter, zweiteiliger Arie «Gott! Höre meine Stimme». In der Arioso-Einleitung zur Arie (Adagio con moto) beschränkt Schubert die Instrumentation auf zwei Klarinetten, zwei Fagotte und zwei Hörner. Dabei schafft er einen recht ausgeprägten Klang, der Käthes Entwicklung vom einfachen Dorfmädchen («Käthchen») zur erwachsenen, Leonore-ähnlichen Frau («Käthe») artikuliert. Die zwei Teile der Arie, Allegretto und Allegro affectuoso, steigern sich allmählich in Lebendigkeit und Begeisterung bis zur Koda. Auch hier sind die Bezüge zu Beethovens Oper spürbar, wenn auch keineswegs exakt.

Wie fast alle von Schuberts Opern wurde Der vierjährige Posten erst nach dem Tod des Komponisten auf die Bühne gebracht. Die recht erfolgreiche Uraufführung fand 1896 am Dresdner Hofoper statt. Ein Jahr später (übrigens im 100. Geburtsjahr des Komponisten) wurde die Oper am Wiener Hofoper sowie auf anderen europäischen Bühnen in einer Bearbeitung von Robert Hirschfeld aufgeführt. Hirschfeld hat die Dialogstellen durch Rezitative ersetzt; den musikalischen Inhalt der Rezitative hat er aus der Ouvertüre entnommen. Außerdem hat er einige Stellen überarbeitet und zwei Nummern aus zwei anderen Bühnenwerken Schuberts bearbeitet (das Quintett aus Dem Spiegelritter und eine Arie Olivias aus Den Freunden von Salamanca), um sie in Den vierjährigen Posten einzufügen. Eine weitere erfolgreiche Bearbeitung der Oper erschien 1922 und wurde als Der treue Soldat in Stuttgart aufgeführt. Rolf Lauckner hat den Text, Donald Tovey und Fritz Busch die Musik neu bearbeitet. Heutzutage ist Schuberts ursprüngliches Werk nahezu völlig in Vergessenheit geraten, abgesehen von einer CD-Aufnahme aus 1998 von der Firma CPO (Münchner Rundfunkorchester, Dirigent: Heinz Wallberg; Solisten: Willi Brokmeier, Helen Donath, Sunhild Rauschkolb, Dietrich Fischer-Dieskau, Peter Schreier und Fritz Strassner).

Übersetzung: Stephen Luttmann, 2006

Aufführungsmaterial ist von Peters, Frankfurt zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.

Partitur Nr.

49

Edition

Opera Explorer

Format

Druck

Reprint

Genre

Oper

Seiten

116

Nach oben