Roussel, Albert

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Roussel, Albert

Le Bardit des Francs für Chor & Orchester

Art.-Nr.: 1884 Kategorie:

10,00 

Preface

Albert Roussel
(geb. Tourcoing, 5. April 1869 – gest. Paris, 23. August 1937)
Le Bardit des Francs

Vorwort
Albert Charles Roussel wurde in einer französischen Familie von Gewerbetreibenden geboren. Nachdem er seine Eltern im Alter von zehn Jahren verloren hatte, wurde er von einer Tante aufgenommen. Seine erste musikalische Ausbildung erhielt er schon als Kind an der Orgel, und obwohl er Talent zeigte, erwog Roussel nicht die Möglichkeit einer beruflichen Karriere als Musiker. Im Alter von 15 Jahren studierte er am Collège Stanislas in Paris; im Jahre 1887 trat der französischen Marine bei. Roussels erste Arbeiten waren kleine Kammerstücke, die er während seiner militärischen Laufbahn komponiert. Seine Marine-Reisen führten ihn nach Indien und China, wo er eine breite Palette von östlichen Tonarten kennen lernte, die viele seiner Kompositionen beeinflussen sollten. 1894 verließ er die Marine, um sich dem Musikstudium zu widmen. Er trat schließlich in die Schola Cantorum in Paris ein, wo er Schüler von Vincent d‘Indy wurde. Roussel wurde an der Schola Lehrer des Kontrapunktes und bot später Privatunterricht in Komposition an. Zu seinen Schülern gehörten Edgar Varèse, Erik Satie und Bohuslav Martinù. Roussel hörte auf zu komponieren, um seinem Land während des Ersten Weltkrieges zu dienen, und nach dem Krieg ließen er und seine Frau sich in Varengeville-sur-Mer in der Normandie nieder. Von dieser Zeit an widmete er sich bis zu seinem Tode im Jahr 1937 der musikalischen Komposition.

Roussel komponierte sowohl grossformatige Werke für Orchester und für die Bühne als auch Kammermusik. Während einige Kritiker Roussels Musik unter dem Einfluss des Impressionismus und später des Neoklassizismus sehen, entziehen sich viele seiner Werke einer Kategorisierung. Einige folgen her­kömmlichen musikalischen Formen und Strukturen, andere zeigen Roussels individuellen Geschmack an Harmonisierung und an lebendigen Klangpaletten. Roussels erstes großes Stück, das Opernballett Padmâvatî, wurde 1923 an der Pariser Oper uraufgeführt und brachte die Arbeit des Komponisten sogleich an die Spitze der französischen Musikszene. Weitere wichtige Bühnenkompositionen sind die Ballette Bacchus et Ariane (1930), Aeneas (1935) und seine Ballett-Pantomime Le Festin de l‘araignée (1913). Roussels Orchesterwerk umfasst vier Sinfonien, ein Klavierkonzert, ein Cellokonzert und eine Reihe von Tondichtungen, die als Zeugnisse seiner Fähigkeiten als Komponist von expressiven musikalischen Porträts dienen können. Im Laufe seiner Karriere komponierte Roussel auch Kunstlieder und Chorstücke, sowohl in traditioneller Form (z.B. seine Madrigalsätze) als auch in zeitgenössischerer Textur. Sein berühmtestes Chorwerk, Psalm 80 für Tenor, Chor und Orchester (1928), hat einen Text in Englisch, arrangiert für gemischten Chor. Roussel wurde auch durch die in Europa wachsende Popularität der amerikanischen Jazz-Musik beeinflusst; und einige seiner Werke, wie das Kammerstück Jazz dans la nuit (1928), zeigen Spuren dieser Gattung.
Im Jahr 1926 entstanden, war Le Bardit des Francs der Erinnerung an Christian Preisach gewidmet, einen Verwandten von Roussels Frau. Das Werk wurde am 28. April 1928 durch den „Chorale Strasbourgeoise“ in Straßburg unter der Leitung von Ernest-Geoffroy Munch uraufgeführt. Die Partitur wurde 1934 von Durand veröffentlicht. Sehr wenig ist über die Herkunft des Stückes bekannt; nur wenige Hinweise finden sich in der Literatur über den Komponisten, und es wird nicht häufig aufgeführt oder aufgezeichnet. Innerhalb des Gesamtwerks des Komponisten ist Le Bardit des Francs ein Werk ohne Opuszahl. Die Verse basieren auf dem klassischen Text Les Martyrs des französischen Schriftstellers François-René de Chateaubriand, geschrieben im Jahre 1809. Von diesem langen Text nahm Roussel einen Auszug aus dem sechsten Buch, das von den Franken handelt, die sich in der Vorbereitung auf einen Kampf um ihren König Pharamond scharen.

Le Bardit des Francs ist ein Chorwerk in einem Satz für vier Männerstimmen und optionalem Schlagwerk. Ein Bardit oder Kriegsgesang soll Truppen einigen und aufrütteln, indem er ihren Mut erhöht, wenn sie in den Kampf ziehen. Hier konzentriert sich der Text auf die kriegerischen Qualitäten der Franken und ihre Fähigkeit, ihre Feinde zu überwinden; die Bilder sind unverblümt und gewalttätig. Der wiederholte Schrei „Pharamond! Pharamond! Wir haben mit dem Schwert gekämpft“ wird zuerst durch Beschreibungen des Gemetzels fortgesetzt, das die Franken in ihrem Kielwasser hinterlassen haben; sodann mit dem Versprechen, ihre kriegerische Tapferkeit an ihre Nachkommen weiterzugeben. Gesanglich sind die Tenöre und Bässe um einer üppigen Harmonisierung willen geteilt. Der Vokalsatz ist hauptsächlich homophon und die daraus resultierende dichte, volle Textur vermittelt die Kraft und Macht der versammelten kämpfenden Männer. Wenn sie verwendet wird, enthält die Instrumentalbegleitung zwei Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen, Tuba, Pauken, Becken und große Trommel. Die Wahl von ausschließlich Blechbläsern und Schlaginstrumenten in der optionalen Begleitung unterstreicht ebenfalls den kriegerischen Ton und erinnert an die Instru­mentierung in der Militärmusik. Die allgemeine Stimmung des Werkes ist sehr dramatisch; sie ruft Bilder von der Brutalität des Krieges hervor, und Roussel, der im Ersten Weltkrieg gedient hatte, war sicher auch damit vertraut. Während Bardit relativ kurz ist, erzählt Roussel eine turbulente musikalische Geschichte voller Dissonanzen und rhythmischer und dynamischer Kontraste.

Das Stück ist dreiteilig und steht in c-Moll. Die Blechbläser-Begleitung beginnt mit einer Folge von Akkorden in einem doppelten Sechzehntel-Viertelnoten-Muster, das den Schrei eines Heroldes nachbildet und das sofort die Aufmerksamkeit des Zuhörers erfasst. Mit einer Forte-Dynamik und mit harmonischen Disso­nanzen im Blech vermittelt die Einleitung ein Gefühl wachsender Spannungen. Die Stimmen sind geteilt und erscheinen in rhythmisch versetzter Weise. Die Tonhöhe steigt mit jedem Aufruf von Pharamonds Namen. Der Rest des Textes in diesem Abschnitt ist homophon gesetzt; die Soldaten beschreiben ihren Sieg und fordern wieder ihren König auf, ihre Leistungen anzuerkennen. Eine zweite Wiederholung der Pharamond-Sequenz fügt emotionale Wirkung hinzu, wenn jede Wiederholung von forte auf fortississimo steigt, aber die Gesangslinien chromatisch absinken.

Abschnitt B bringt eine Änderung der Taktart von 4/4 nach 3/4 sowie eine dynamische Verschiebung zum piano. Wenn der Text das Ausmaß der Schlacht beschreibt („das ganze Meer war aber eine Wunde“), steigen die Tenor-Stimmen chromatisch nach oben, während die Bässe ohne Worte harmonisieren; ihre untere Melodie bewegt sich in einer disjunkten Art und Weise, die zusammen mit zunehmender Dynamik ein Gefühl der Angst erzeugt. Roussel zeigt hier eine sehr effektive Nutzung des Rhythmus, wenn die Pauken eine Klage anschlagen, um den ernsten Text zu unterstreichen. Die Becken krachen in die Begleitung hinein und bewegen sich von piano zu fortissimo, was die Spannung noch erhöht.

Der jetzt wiederkehrende A-Teil beginnt mit versetzten Gesangslinien, aber die Blechbläser-Begleitung ist dynamischer. Die Posaunen spielen manchmal in Gegenbewegung und manchmal in Spiegelung der Tenor-Melodien. Roussel verwendet musikalische Malerei, um die Zeile „unsere Väter starben in der Schlacht“ zu betonen, wenn die Bässe wortlose Silben in einer absteigenden 4-Ton-Kette singen, die in der Begleitung echoartig widerklingt. Wenn der Text den Mut der zukünftigen Generationen beschreibt („lasst uns Ehegattinnen wählen, deren Milch Blut ist, und die die Herzen unserer Söhne mit Tapferkeit füllen“), verschwindet die Begleitung ganz und fokusiert den Hörer allein auf die Schwere des konzentrierten Wortes. Die Coda zeigt einen starken Kontrast zum Rest des Stückes, weil die Dynamik fällt, als die Krieger ihre Entschlossenheit bekräftigen, dem Schicksal in jedem Falle zu trotzen („die Stunden des Lebens vergehen, wir werden lächeln, wenn wir sterben“). Die dynamische Ebene beginnt bei mezzopiano, verblasst aber zu einem geisterhaften Flüstern, wenn das Tempo sich allmählich verlangsamt. Die Beglei­tung beginnt zunächst einen wiederholten Rhythmus in den Pauken, ähnlich einem Grabgesang, bis die letzten angehaltenen Akkorde der Posaunen im allerletzten Takt zu einem pianissimo ersterben. Der Gesamteffekt ist jenseitig, wenn der Zuhörer in der Stille über die vielen Generationen von Menschen nachdenkt, die gekämpft haben und die im Laufe der Geschichte auf dem Schlachtfeld gestorben sind.
Die Aufführungsdauer beträgt etwa 6 Minuten.

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Helmut Jäger

Aufführungsmaterial ist von Durand, Paris, zu beziehen.

Score Data

Edition

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Genre

Chor/Stimme & Orchestra

Format

210 x 297 mm

Druck

Reprint

Seiten

20

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