Reger, Max

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Reger, Max

Der 100. Psalm Op. 106, Original version for chorus, orchestra and organ (Vocal Score / German & English text)

Art.-Nr.: 1506b Kategorien: ,

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Reger, Max

Der 100. Psalm Op. 106, Original version for chorus, orchestra and organ (Vocal Score / German & English text)

 

Vorwort zur Partitur

Erst relativ spät in seiner kompositorischen Karriere hatte sich Max Reger vorgenommen, chorsymphonisch einen religiösen Text zu vertonen. Am 24. Januar 1902 schrieb er dem Kritiker und Musikschriftsteller Theodor Kroyer: „Es interessiert Sie wohl, daß ich jetzt am 149. Psalm für 8stimmigen Chor mit großem Orchester u. Orgel arbeite“. Das bedeutete jedoch nicht, dass Reger schon mit der musikalischen Ausarbeitung befasst war – erst einmal befasste er sich intensiv mit der Textvorlage Halleluja! Singet dem Herrn ein neues Lied. Schon mehr als zehn Jahre zuvor hatte sich Reger mit Gedanken an eine Psalmvertonung getragen (den 6. Psalm Ach, Herr, strafe mich nicht), damals noch für die bescheidene Besetzung Mezzosopran, Violine und Orgel (später vertonte er den Psalm um einige Verse gekürzt in der gleichnamigen a-cappella-Motette op. 110 Nr. 2). Auch aus der Vertonung des 149. Psalmes wurde nichts – zunächst musste Reger das Projekt des Gesangs der Verklärten op. 71 wegen zurückstellen. Für mehrere Jahre blieb die Vertonung des 149. Psalms aber Thema für ihn – die letzte Bezugnahme auf den Text stammt vom Juni 1907. Erst Ende des Jahres 1907 verwarf Reger die Vertonung des Textes und bat seinen Freund Karl Straube um einen neuen geeigneten Text.

Der 100. Psalm wurde unmittelbar akzeptiert, und nun schritt die Komposition auch mit Blick auf eine mögliche Aufführung schneller voran – auf eine Aufführung im Rahmen der Feierlichkeiten zum 350-jährigen Jubiläum der Universität Jena. Mit dem Universitätsmusikdirektor Fritz Stein (1879–1961) war Reger seit 1904 bekannt und mittlerweile eng befreundet (Ende 1907 wurde er Taufpate von dessen erstem Kind Max Martin), so dass einer fruchtbaren und inspirierenden Ausarbeitungsphase nichts im Wege stand. Für Jena war nur der erste Teil des Psalmes geplant – die Ausarbeitung desselben dauerte von 24. April bis Anfang Juni 1908: „Leicht ist der Psalm nicht; aber er geht in Tempo maestoso, sodaß alle Koloraturen (nicht Choleraturen) alle zu machen sind – außerdem ist der Chor immer von Orgel oder Orchester gestützt! […] Bitte, sag Du den Herren Geheimräthen unbedingt Folgendes: Ein Gelegenheitswerk hab’ ich den Herren nicht geliefert, sondern einen ganz echten Reger!“ (Brief, 6. Mai 1908.)

In den folgenden sechs Wochen musste Stein mit den beteiligten Klangkörpern – neben dem Akademischen Chor Jena, der Sängerschaft zu St. Pauli und dem Organisten Kurt Gorn der Kapelle des 71. Infanterieregiments Erfurt verstärkt durch Mitglieder der Weimarer Hofkapelle – intensiv proben, aus adhoc von Breitkopf & Härtel erstelltem Aufführungsmaterial. „Extraproben bis zur Bewußtlosigkeit“ (13. Juni) oder gar „100000000000000000 Proben“ (24. Juni) forderte Reger von Stein, denn „der Psalm muß glänzend gehen, so, daß Alles einfach ‚umgeschmissen‘ wird! […] Die Hörer des Psalms müssen nachher als ‚Relief‘ an der Wand kleben; ich will, daß der Psalm eine niederschmetternde Wirkung bekommt! Also sei gut u. besorge das!“ Mit der Festaufführung in der Stadtkirche am 31. Juli war Reger sehr zufrieden. Regers Reputation wurde angelegentlich des Universitätsjubiläums durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Philosophie beim Festakt im Volkshaus unterstrichen. Neben dem ersten Teil des 100. Psalms erlebte außerdem ein weiteres Werk Regers seine Uraufführung, der Weihegesang WoO V/6 für Altsolo, gemischten Chor und Blasorchester im Rahmen der Einweihungsfeier des neuen Universitätsgebäudes.

Zur Komplettierung der Vertonung des 100. Psalms kam der Komponist erst nach der Konzertsaison 1908/9 und mehreren anderen Großprojekten (dem Symphonischen Prolog zu einer Tragödie op. 108, der Klarinettensonate B-Dur op. 107, den zwei kleinen Violinsonaten op. 103b und dem Streichquartett Es-Dur op. 109). Rund sechs Wochen, von Mitte Mai bis Anfang Juli 1909 brauchte er für die Ausarbeitung der Partitur; den Klavierauszug erstellte er unmittelbar danach, während er sich aber gleichzeitig schon mit anderen Werken befasste (vor allem der Motette Mein Odem ist schwach op. 110 Nr. 1 sowie dem nächsten chorsymphonischen Werk Die Nonnen op. 112). Der Korrekturprozess des kompletten Aufführungsmaterials dauerte bis Ende September. Während der Klavierauszug schon im September 1909 erschien, lag die Partitur erst am 8. Dezember vor. Die Uraufführung des kompletten Werks erfolgte gleichzeitig an zwei Orten am 23. Februar 1910: in der St. Lukaskirche Chemnitz mit dem Kirchenchor, der städtischen Kapelle und dem Organisten Georg Stolz unter der Leitung Regers sowie mit der Breslauer Sing-Akademie, dem Orchester-Verein und dem Organisten Max Ansorge unter der Leitung von Georg Dohrn. Die Kritik äußerte sich zumeist äußerst positiv, nicht zuletzt weil beide Konzerte ausschließlich Novitäten brachten. Schon 1909 erschien eine Erläuterungsschrift von Benno Fleischmann; Regers satirischer Werkkommentar für das 46. Tonkünstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in Zürich Ende Mai 1910 (neben vielen anderen Werkkommentaren zum Tonkünstlerfest erschienen in der Zeitschrift Die Musik) liest sich folgendermaßen:

„Der 100. Psalm für Chor, Orchester und Orgel, op. 106 von Max Reger

Die Worte des Psalms werden jedem, der nicht Haremsbesitzer ist, geläufig sein. Ob meine Komposition dieses Psalms Themen enthält, weiß ich nicht; darüber werde ich durch die Kritik belehrt werden. Tonart D-dur absolut streng festgehalten. Man sagt, der Psalm gliedere sich in drei Teile; vor einigen ganz bösartigen Orgelpunkten wird entsprechend gewarnt. Das vielleicht gelegentlich hörbare Hauptthema des ganzen Werkes heißt: Max Reger

Zahlreiche Autoren und Interpreten haben sich seither mit dem 100. Psalm auseinandergesetzt. Nach einer durch das Dritte Reich bedingten Pause initiierte der Komponist Paul Hindemith 1955 eine neue intensivierte Auseinandersetzung mit dem Werk, in Form einer „aufführungspraktischen Einrichtung“, die Regers „kaum zu durchdringende Dichte der Faktur“ (Michael Kube) zu lichten bestrebt war. Doch sagt Hindemiths Einrichtung mehr über die Ästhetik der Zeit und die Sichtweise des Bearbeiters aus denn über Regers eigentliche Intentionen. Der große Aufwand an Proben gerade für die Originalfassung war für Aufführungen allerdings oft ein Hemmschuh, weswegen seither mehrere Bearbeitungen entstandenen, zwei für Chor und Orgel (von François Callebout und Hanns-Friedrich Kaiser) und eine für Orgel allein (von Hanns-Friedrich Kaiser). Doch um Regers Intentionen zu verstehen, um nach der Aufführung tief beeindruckt als „‚Relief‘ an der Wand“ zu kleben – dazu braucht es die Originalfassung und einen nicht zu kleinen Chor.

Jürgen Schaarwächter, Max-Reger-Institut, 2014

 

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