Rameau, Jean-Philippe / arr. Ysaÿe, Eugène

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Rameau, Jean-Philippe / arr. Ysaÿe, Eugène

Quatre Pièces de Clavecin for violin and piano (piano score and violin part)

16,00 

Jean-Philippe Rameau

Quatre Pièces de Clavecin

für Violine und Klavier transkribiert von

Eugène Ysaÿe

(geb. Lüttich

[Liège], 16. Juli 1858 – gest. Brüssel, 12. Mai 1931)

Quatre Pièces de Clavecin

Revues et Adaptées pour le Violon

Avec accompagnement de piano (ed. 1927)

I Allemande. Poco lento (p. 2)

II Le Rappel des Oiseaux (p. 4)

III Menuet. Allegretto poco lento (p. 8)

IV Tambourin. Leggiero – Poco meno – Tempo I (p. 14)

Vorwort

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die ‚Pièces de clavecin’ von Jean-Philippe Rameau, dem überragenden Meister seiner Generation im französischen Barock und zusammen mit seinem großen Vorläufer François Couperin Le Grand (1668-1733) bedeutendsten Komponisten von Cembalomusik im französischen Stil, längst wieder sehr beliebt geworden, und dies nunmehr natürlich bei den Pianisten, von den Liebhabern gehobener Hausmusik bis zu den berühmten Reisevirtuosen. Ganz besonders ‚Le rappel des oiseaux’ aus dem zweiten Band von Rameaus ‚Pièces de clavecin’ war und ist bis heute ein in Recitalprogrammen sehr beliebtes Miniaturstück.

Eugène Ysaÿe, der führende Geiger der traditionsreichen belgischen Schule und einstige Schüler Henryk Wieniawskis (1835-80), war ab den 1880er Jahren zu einem der bekanntesten internationalen Virtuosen aufgestiegen und bildete einige der besten Geiger der nächsten Generation aus. Auch als Dirigent war er eine große Persönlichkeit, was dazu führte, dass er von 1918 bis 1922 Chefdirigent des Cincinnati Symphony Orchestra war. Über all diesem charismatischen Wirken trat seinerzeit doch ein wenig in den Hintergrund, dass Ysaÿe auch ein großartiger Komponist mit einer unverwechselbar eigenen, facettenreich schillernden und sowohl höchst raffinierten als auch unmittelbar fesselnden Tonsprache war. Hört man seine Kompositionen, darunter natürlich ganz besonders die 6 Sonaten für Violine solo op. 27 (entstanden Mitte der 1920er Jahre), die heute zum Repertoire jedes anspruchsvollen Violinvirtuosen gehören, so fällt sofort ins Auge, wie er die unterschiedlichsten Stilaspekte von Bach über die Romantik bis zum Impressionismus in unerhört freier Weise kon-trastierte und fusionierte und in sowohl technisch als auch bezüglich der Gestaltung der großen Form höchste Herausforderungen bildenden Werken manifestierte. Neben der Kammermusik ist auch seine Orchestermusik, die unter anderem acht Violinkonzerte umfasst, von großem Reiz, darunter die herrlichen Streicherstücke ‚Exil!’ und ‚Extase’. Und die Komplexität seiner Streichtrios etwa, die zwischen 1914 und 1927 Gestalt annahmen, beschreibt ganz eigene Wege und stellt die Aufführenden vor vertrackte Aufgaben – aus dem Geist der späten Romantik geboren, weisen sie kühn und in völlig eigener Art in die Zukunft und werden erst heute allmählich wiederentdeckt. Als Siebzigjähriger begann er mit der Arbeit an seiner ersten Oper, ‚Pier il Houïeu’ (Peter, der Bergmann), die zwei Monate vor seinem Tode am 4. März 1931 in Lüttich uraufgeführt wurde. Seine zweite Oper ‚L’Avierge de Pier’ konnte er nicht mehr vollenden.

Wann Ysaÿe die schmucken Arrangements von vier ‚Pièces de clavecin’ Rameaus für Violine mit Klavierbegleitung ausgeführt hat, wissen wir nicht. Wir dürfen davon ausgehen, dass er, der sehr begeistert von älterer Musik war und sich in der Barockmusik nicht nur mit Johann Sebastian Bachs Schaffen intensiv auseinandergesetzt hat, diese Bearbeitungen für den eigenen Gebrauch vornahm. An der Art der Bearbeitung kann man auch viel über den Komponisten und über den Geiger Ysaÿe ersehen, über seinen fantasievollen und freien Umgang mit den historischen Vorlagen, der bei aller mitreißenden Leidenschaft des vom Impressionismus changierender Farben faszinierten Vollblutromantikers stets von sehr feinem Geschmack zeugt.

Die vier Stücke gehören zu den populärsten aus der Feder Rameaus. Drei von ihnen sind der Ersten Suite aus dem 1724 im Druck erschienenen ‚Deuxième Livre’ der ‚Pièces de clavecin’ entnommen: die eröffnende Allemande, mit welcher auch die Rameau’sche Suite beginnt; der an zweiter Stelle stehende ‚Rappel des oiseaux’ (bei Rameau Nr. 5); und der abschließende, lebenssprühende Tambourin (bei Rameau Nr. 9). Als dritten Satz seiner Zusammenstellung hat Ysaÿe das erste Menuett aus dem 1731 erschienenen dritten Buch der ‚Pièces de clavecin’, den ‚Nouvelles Suites’, ausgewählt. Der Vergleich mit den originalen Cembalostücken Rameaus ist für die Ausführenden überaus lohnend und lässt sie teilhaben an der Raffinesse und Kunstfertigkeit Ysaÿes.

1927 veröffentlichte Antoine Ysaÿe (1894-1979), der Sohn des Komponisten, die vier ‚Pièces de clavecin’ in der Serie ‚Répertoire Classique et Moderne du Violon’ in seinem Brüsseler Eigenverlag, den ‚Editions Ysaÿe’. Das Arrangement ist seither nie wieder aufgelegt worden und liegt hiermit erstmals wieder als unveränderter Nachdruck des Erstdrucks vor.

Es ist Ysaÿe hier gelungen, aus genuiner Musik für ein Tasteninstrument konzertante Duostücke zu zaubern, die für beide Ausführenden von außergewöhnlichem Reiz sind. Und in einer Zeit, in welcher die Scheuklappen des Purismus einer vermeintlich maßgeblichen ‚historisch informierten Aufführungspraxis’ – die jahrzehntelang zum Dogma erhoben wurde, bevor sie sich selbst in Widersprüchen ad absurdum zu führen begann – Schritt für Schritt abgeworfen werden und jede Art von stilistischer Fusion und Kreuzung wieder größere Chancen bekommt, unvoreingenommen und allein in Bezug auf ihre künstlerische Qualität erfahren werden zu dürfen, sind die Rameau/Ysaÿe-Piècen eine wahrhaft willkommene Bereicherung des Repertoires für die traditionell meistvertretene Duokombination der Kammermusik.

Christoph Schlüren, Juli 2013


Jean-Philippe Rameau

(b. Dijon, 25 September 1683 – d. Paris, 12 September 1764)

transcribed for violin and piano by

Eugène Ysaÿe

(b. Liège, 16 July 1858 – d. Brussels, 12 May 1931)

Quatre Pièces de Clavecin

Revues et Adaptées pour le Violon

Avec accompagnement de piano (ed. 1927)

I Allemande. Poco lento (p. 2)

II Le Rappel des Oiseaux (p. 4)

III Menuet. Allegretto poco lento (p. 8)

IV Tambourin. Leggiero – Poco meno – Tempo I (p. 14)

Preface

Jean-Philippe Rameau was the outstanding master of his generation in the French Baroque era and, together with his great predecessor François Couperin Le Grand (1668-1733), the leading composer of harpsichord music in the French style. By the early twentieth century his Pièces de clavecin had long regained their popularity, now of course among pianists, from lovers of better parlor music to famous traveling virtuosos. In particular his Le rappel des oiseaux from Book II of the Pièces de clavecin was a highly popular miniature on recital programs, and it remains so to the present day.

Eugène Ysaÿe, a former pupil of Henryk Wieniawski (1835-1880), was the leading violinist of the fabled Belgian School. Beginning in the 1880s he advanced to become one of the most renowned of international virtuosos and the teacher of some of the best violinists of the next generation. He also cut a grand figure as a conductor, which led to his serving as principal conductor of the Cincinnati Symphony Orchestra from 1918 to 1922. Given all these charismatic activities, it was somewhat overlooked that Ysaÿe was also a splendid composer with a scintillating, highly sophisticated, and grippingly accessible idiom all his own. Listening to his compositions – especially the Six Sonatas for Unaccompanied Violin, op. 27 (composed in the mid-1920s), which belong to the repertoire of all discerning virtuoso violinists today – we immediately notice how he contrasts and merges the most contradictory stylistic features from Bach via Romanticism to Impressionism with unparalled freedom and displays them in works that pose huge challenges, not only in technique but also in the handling of large-scale form. Besides his chamber music, his orchestral music, which features no fewer than eight violin concertos, has great appeal, especially the magnificent string pieces Exil! and Extase. The complexity of his string trios, which took shape between 1914 and 1927, travels a highly personal path and confronts performers with vexing problems. Born in the spirit of late Romanticism, they point boldly and idiosyncratically toward the future and are only now being gradually rediscovered. At the age of seventy he embarked on his first opera Pier il Houïeu (Peter the Miner), premièred in Liège on 4 March 1931, two months before his death. His second opera, L’Avierge de Pier (La Vierge de Pierre) was left unfinished.

When Ysaÿe produced his four dapper arrangements from Rameau’s Pièces de clavecin for violin with piano accompaniment is unknown. It is safe to assume that, being an ardent enthusiast of early music with a deep knowledge of the Baroque (not only J. S. Bach), he prepared these arrangements for his own use. Their style reveals much about Ysaÿe the composer-violinist and his imaginative and uninhibited approach to the historical originals, an approach which, despite the exhilarating passion of a purebred romantic fascinated by the iridescent colors of Impressionism, invariably bears witness to a highly refined taste.

The four pieces are among the most popular from Rameau’s pen. Three of them are taken from the First Suite of Book II of his Pièces de clavecin (published in 1724): the opening Allemande, which also opens the Rameau suite; the second piece, Le rappel des oiseaux (piece no. 5 in Rameau); and the vivacious concluding Tambourin (no. 9 in Rameau). As the third piece in his collection Ysaÿe chose the first minuet from Book III of Pièces de clavecin, published in 1731 as Nouvelles Suites. A comparison with Rameau’s original harpsichord pieces is well worth the performers’ effort, allowing them to partake of Ysaÿe’s refinement and skill.

In 1927 the composer’s son, Antoine Ysaÿe (1894-1979), published the four Pièces de clavecin in the series Répertoire Classique et Moderne du Violon, issued by his own publishing house, Editions Ysaÿe. Since then the arrangements have never been reissued, and they appear here for the first time in a faithful reproduction of the original print.

Here Ysaÿe has succeeded in transmuting genuine keyboard music into duo concert pieces of extraordinary charm for both players. Today the blinkers of purism imposed by an allegedly definitive “historically informed performance practice” (it was elevated to a dogma for decades only to devolve into contradictions ad absurdum) are gradually being cast aside, allowing all kinds of stylistic fusions and crossovers to be experienced without bias solely for their artistic quality. In such an age, the Rameau-Ysaÿe pièces are truly welcome additions to the repertoire of the most widespread duo combination in the history of chamber music.

Translation: Bradford Robinson

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Specifics

Piano score & Violin part

Size

225 x 320 mm

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