Nielsen, Carl

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Nielsen, Carl

Violin Concerto Op. 33 (Piano Reduction/Solo)

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Nielsen, Carl

Violin Concerto Op. 33 (Piano Reduction/Solo)

(geb. Nørre Lyndelse, 9. Juni 1865 – gest. Kopenhagen, 2. Oktober 1931)

Im Juni 1911, gleich nach der Fertigstellung der Dritten Symphonie (“Sinfonia Espansiva”), wurde Carl Nielsen von Nina Grieg, der Witwe des großen norwegischen Komponisten Edvard Grieg, zu einem einmonatigen Aufenthalt im berühmten Landsitz Troldhaugen ihres verstorbenen Mannes eingeladen, um an seinen neuesten Kompositionsprojekten zu arbeiten. Seltsamerweise hatte der damals 46jährige Komponist noch nie ein Instrumentalkonzert zustande gebracht, obwohl er – wie er in einem Brief an seinen tschechischen Bewunderer Max Brod bekannte – seit 25 Jahren beinahe jedes Jahr daran dachte, ein Konzert zu schreiben. Nun faßte er den Entschluß, sich der Erschaffung eines Instrumentalkonzerts voll und ganz zu widmen. Sich der neuen Herausforderung zu stellen, bereitete ihm eine besondere Freude, die in einem Brief aus dieser Zeit deutlich zum Ausdruck kommt: “Ich selber arbeite an meinem Konzert, zwar langsam, aber sicher; die Aufgabe ist eigentlich recht schwierig und deshalb befriedigend. Tatsache ist, daß es aus guter Musik bestehen und dennoch die Zurschaustellung des Soloinstruments im besten Licht berücksichtigen muß, das heißt: inhaltsreich, populär und brillant, ohne oberflächlich zu sein. Das sind Widersprüche, die in einer höheren Einheit münden und aufgehen können und müssen.”
Das neue Werk wurde das Konzert für Violine und Orchester op 33, das nach einer schweren Geburt am 13. Dezember des gleichen Jahres in Kopenhagen das Licht der Welt erblicken sollte.

Diese offensichtliche Freude Nielsens an der Auseinandersetzung mit neuen Herausforderungen ist durchaus typisch für einen Komponisten, der fest daran glaubte, die größten Künstler der Geschichte hätten “ihrem Zeitalter immer ein blaues Auge verpaßt”. In der Tat werden im Violinkonzert viele Gesetzmäßigkeiten der Gattung Instrumentalkonzert mißachtet oder außer Kraft gesetzt. Statt die übliche dreisätzige formale Anlage zu übernehmen, die seit dem Zeitalter Mozarts die Gattung beherrscht hatte, griff Nielsen noch weiter in die musikalische Vergangenheit zurück, nämlich auf die Sonata da chiesa aus dem Zeitalter des Barock. Demnach teilt sich das neue Werk in drei großangelegte Teile, die jeweils aus einer überdimsionierten langsamen Einleitung und einem ebenfalls mächtigen schnellen Satz in einer umgeänderten Sonatenhauptsatzform besteht. (Die Verbindung mit der Barockzeit wird wohl auch bewußt durch das Zitat des Namens B-A-C-H am Anfang des II. Teils durch die Solovioline bekräftigt.) Das Endergebnis sieht aus etwa wie folgt:

I. Teil
Einleitung – Praeludium
A (T. 1-23) – B (T. 24-35) – A (T. 36-41) – Codetta (T. 42-46)
Allegretto cavalleresco
Exposition:
1. thematisches Feld (T. 47-98)
2. thematisches Feld (T. 99-130)
Schlußmaterial (T. 131-58)
Durchführungsteil (T. 159-227)
Solokadenz (T. 228-256)
Reprise:
1. thematisches Feld (T. 257-94)
2. thematisches Feld (T. 295-340)
Coda (T. 341 – Schluß)
II. Teil
Einleitung: A (T. 1-39) – B (T. 40-73)
Sonata rondo – Allegretto scherzando
A – 1. thematisches Feld (T. 74-116)
B – 2. thematisches Feld (T. 117-164)
Durchführungsteil: A (T. 165-82) – C (T. 183-350)
– Überleitung (T. 351-77) –
Solokadenz (T. 378-445)
A – 1. thematisches Feld (T. 446-68)
B – 2. thematisches Feld (T. 469-484)
Coda (T. 485 – Schluß)

Ebenfalls ungewöhnlich ist die Behandlung des Soloinstruments in einem Konzert, das ganz auf die sonst üblichen Orchesterritornelli verzichtet. Vom Solisten werden nicht weniger als fünf Solokadenzen bzw. kadenzartige Abschnitte verlangt, von denen eine – damals wohl ein Unikum in der Musikgeschichte – gleich am Anfang des ersten Teils mit Untermalung durch einen Orgelpunkt von Hörnern und Fagotten steht. Die beiden Durchführungsteile münden in riesigen Solokadenzen, die sicherlich dem Solisten die “Zurschaustellung seines Instruments im besten Licht” erlauben.

Die Uraufführung des Violinkonzerts fand am 28. Februar1912 im Kopenhagener Odd-Fellows-Palais statt, wobei Nielsen selber das Orchester leitete und der dänische Ausnahmegeiger Peder Møller (1877-1940), für den das Werk wohl auch komponiert wurde, den Solopart bestritt. Dieser Konzertabend, an dem auch die Uraufführung der Dritten Symphonie zu hören war, war der Durchbruch des Komponisten in der Gunst des Publikums wie auch im Urteil der Kritiker, von denen einer Nielsen als “den einzig Bachbrechenden in der dänischen Musik” bezeichnete. Auch das Violinkonzert wurde enthusiastisch aufgenommen; Nielsen selbst bezeichntete den Erfolg als “überwältigend” und fügte scherzhaft-selbironisch hinzu: “Meine Nase hat sich um fast 17 Zentimeter nach oben gerichtet”. Nicht weniger vielversprechend war die Aufführung am 31. Oktober 1913 im Königlichen Theater Stockholm, wiederum mit Nielsen am Dirigentenpult und Møller in der Solistenrolle, als der Komponist zu seiner freudigen Überraschung feststellen mußte, daß er mittlerweile berühmt geworden war.

Bis 1918 wurde das Violinkonzert zwar verhältnismäßig oft gespielt, jedoch ausschließlich durch Møller, ausnahmslos in Skandinavien und immer aus dem Manuskript (das Werk erschien erst 1919 in Druck). Dann trat 1918 ein neuer Vorkämpfer auf den Plan, dessen Name mit der Musik Nielsens im allgemeinen und mit dem Violinkonzert insbesondere unzertrennlich verbunden werden sollte: der hervorragende ungarische Violinvirtuose Emil Telmányi (1892-1988), der unter anderem auch den sogenannten “Bach-Bogen” (einen Rundbogen, der es erlaubt, die Solosonaten und -partiten Bachs ohne Akkorbrechungen zu spielen) einführte und der auch im gleichen Jahr Schwiegersohn des Komponisten Nielsen wurde. In den 1920er Jahren brachte Telmányi das Violinkonzert insgesamt rund 20mal zur Aufführung, manchmal im Kontinentaleuropa und immer mit großem Erfolg, wohl am denkwürdigsten bei dem Londoner Komponistendebüt Nielsens im Jahre 1923. Bezeichnenderweise jedoch nahmen zu Lebzeiten des Komponisten keine weiteren Geiger außer Møller und Telmányi das Werk in ihr Repertoire auf. Ein Tag vor Nielsens Tod spielte Telmányi das Violinkonzert bei einer Liveübertragung anläßlich der Einweihung des neu errichteten Funkhauses des Dänischen Rundfunks, wobei der schwerkranke Nielsen die Aufführung auf Kopfhörern erlebte – wohl die letzte Musik, die er im Leben hörte.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich das Violinkonzert am Rande des internationalen Konzertrepertoires behaupten können. Eine Schallplattenaufname durch Telmányi wurde 1947 veröffentlicht, Yehudi Menuhin hat das Werk ab 1952 sogar zweimal auf Platten eingespielt. Unter den neueren hervorragenden Interpreten des Werks kommen einige aus Osteuropa (Maxim Vengerov mit dem Chicago Symphony Orchestra unter Daniel Barenboim, Nikolai Znaider mit den Londoner Philharmonikern unter Lawrence Foster) oder sogar aus Asien (Don-Suk Kang mit der Symphonieorchestra Gothenberg unter Myung-Whun Chung, Cho-Liang Lin mit des Schwedischen Rundfunksymphonieorchesters unter Esa-Pekka Salonen). Es zeichnet sich also unverkennbar ab, daß dieses zwar Respekt einflößend schwierige, jedoch weiträumig-joviale Werk ein ganzes Jahrhundert nach seiner Entstehung endlich ein internationales Publikum gefunden hat, das seine Vorzüge zu schätzen weiß.

Bradford Robinson, 2010


 

Carl Nielsen

(b. Nørre Lyndelse, 9 June 1865 – d. Copenhagen, 2 October 1931)

Concerto for Violin and Orchestra, op. 33 (1911)

In June 1911, having just completed his Third Symphony (the “Sinfonia Espansiva”), Nielsen accepted an invitation from Nina Grieg, the widow of the great Norwegian composer Edvard Grieg, to spend a month in her husband’s former country house in Troldhaugen and work on his latest compositions. At that time the forty-six-year-old composer had, surprisingly, never written a concerto, although, as he put in a letter to his admirer Max Brod, “almost every year for the last twenty-five years I have considered writing a concerto for the violin.” It was thus to a concerto that he now turned his attention. Nielsen enjoyed the pleasure of facing up to the new challenge. In one of his letters from this period we can read: “I myself am working on my concerto, slowly but quite steadily; the task is actually difficult and therefore satisfying. The fact of the matter is that it must be good music and still take into account the display of the solo instrument in the best light, that is, eventful, popular, and brilliant without being superficial. These are contradictions that can and must meet and fuse into a higher unity. It amuses me no end.”
The new work would become the Violin Concerto, op. 33, which, after a difficult gestation, he completed in Copenhagen on 13 December of that same year.

Nielsen’s obvious joy in facing up to challenges was typical of a man who could claim that the very best artists throughout history “always gave their age a black eye.” In fact, the Violin Concerto refuses to accept many generic conventions. Rather than following the three-movement form typical of the genre ever since the days of Mozart, Nielsen looked back even further for the formal design of his work – namely, to the age of the sonata da chiesa. The piece is thus laid out in two contrasting large-scale parts, each consisting of an enormous slow introduction followed by an equally large fast movement in heavily modified sonata-allegro form. (The connection with the Baroque sonata da chiesa is perhaps consciously reinforced by a quotation of the name B-A-C-H in the solo violin at the opening of Part II.) The final result looked somewhat as follows:

Part I
Introduction – Praeludium
A (mm. 1-23) – B (mm. 24-35) – A (mm. 36-41) – Codetta (mm. 42-46)
Allegretto cavalleresco
Exposition:
First thematic area (mm. 47-98)
Second thematic area (mm. 99-130)
Concluding material (mm. 131-58)
Development (mm. 159-227)
Cadenza (mm. 228-256)
Recapitulation:
First thematic area (mm. 257-94)
Second thematic aria (mm. 295-340)
Coda (mm. 341 – end)
Part II
Introduction: A (mm. 1-39) – B (mm. 40-73)
Sonata rondo – Allegretto scherzando
A – First thematic area (mm. 74-116)
B – Second thematic area (mm. 117-164)
Development: A (mm. 165-82) – C (mm. 183-350) – Retransition
(mm. 351-77) – Cadenza (mm. 378-445)
A – First thematic area (mm. 446-68)
B – Second thematic area (mm. 469-484)
Coda (mm. 485 – end)

Equally unusual was the handling of the solo instrument in a concerto that dispenses entirely with the customary orchestral ritornellos. The soloist is called upon to play no fewer than five cadenzas (or cadenza-like sections), one of which, uniquely, stands at the very opening of Part I above a pedal point in the horns and bassoons. Both development sections are followed by huge cadenzas that give the soloist ample opportunity to “display his instrument in the best light.”

The Violin Concerto received its première performance at the Odd Fellow Palace in Copenhagen on 28 February 1912. Nielsen himself conducted the Royal Orchestra, and the solo part was taken by the outstanding Danish violinist Peder Møller (1877-1940), for whom the work was probably written. The concert, which also featured the première of Nielsen’s Third Symphony, marked a breakthrough in the composer’s fortunes with the public and with the critics, one of whom pronounced him afterwards to be “the only pathfinder in Danish music.” The concerto itself was enthusiastically received; Nielsen himself called the success “overwhelming” and added, with whimsical self-deprecation, “my nose has turned almost 17 centimeters upward.” Equally auspicious was the concert in Stockholm’s Royal Theater on 31 October 1913, again with Nielsen at the conductor’s desk and Møller playing the solo part, where the composer discovered to his surprise that he had become famous.

Until 1918 the Violin Concerto was played many times, but only by Møller, only in Scandinavia, and always from manuscript (the work did not appear in print until 1919). Then, in 1918, a new champion entered the scene whose name would become indelibly linked with Nielsen’s music in general and with the Violin Concerto in particular: Emil Telmányi (1892-1988), the extraordinary Hungarian virtuoso who, among other things, was responsible for introducing the “Bach” or “Vega bow” (which allowed the chordal passages in Bach’s sonatas and partitas to be played without arpeggiation), and who became Nielsen’s son-in-law that same year. Telmányi played the concerto some twenty times during the 1920s, often on the Continent and always with great success, perhaps most notably at Nielsen’s London début in 1923. Still, it is telling that no other violinists apart from Møller and Telmányi saw fit to include the piece in their repertoires during the composer’s lifetime. One day before Nielsen’s death Telmányi played a broadcast performance of the Violin Concerto to inaugurate the new Danish Broadcasting Corporation building in Copenhagen. The weakened composer listened to the broadcast on headphones; it was the last music he was ever to hear.

Since the end of World War II the Violin Concerto has gradually found its way onto the periphery of the concert repertoire. A recording by Telmányi was issued in 1947, and Menuhin went so far as to record it twice, beginning in 1952. Recent outstanding interpreters of the concerto have come from Eastern Europe (Maxim Vengerov with Daniel Barenboim and the Chicago SO; Nikolai Znaider with Lawrence Foster and the London PO) or, most surprisingly of all, Asia (Don-Suk Kang with Myung-Whun Chung and the Gothenburg SO; Cho-Liang Lin with Esa-Pekka Salonen and the Swedish RSO). There is thus every indication that this formidably difficult, but spacious and jovial work has at last, a century after its creation, found an appreciative international audience.

Bradford Robinson, 2010

For performance material please contact the publisher Hansen, Copenhagen.

 

 

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