Moniuszko, Stanislaw

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Moniuszko, Stanislaw

Halka Overture

Art.-Nr.: 1243 Kategorie:

19,00 

Stanisław Moniuszko

(geb. Ubiel bei Minsk, Weißrussland, 5. Mai 1819 – gest. Warschau, Polen, 4. Juni 1872)

Ouvertüre zur Oper Halka

Besetzung: 1. Fl./Picc. – 2 Ob. – 2 Kl. – 2 Fg. – 4 Hr. – 2 Tr., 3 Pos. – Tb. – Streicher –

Pauke – Schlagwerk

Aufführungsdauer: ca. 9 Minuten

Vilnius 1846: Der polnische Komponist Stanisław Moniuszko formuliert in seinem Brief an den damals einflussreichen Warschauer Musikschriftsteller Józef Sikorski (1813–1896) eine Bitte: Er solle ihm bei der Suche nach einem geeigneten Librettisten in Warschau behilflich sein, denn Moniuszko hat schon lange mit dem Gedanken gespielt, eine Oper zu komponieren. Jedoch hat er in Vilnius niemanden gefunden, der ein Libretto verfassen konnte, das seinen Vorstellungen entsprach. Bald darauf reist Moniuszko nach Warschau und trifft auf Włodzimierz Wolski (1824-1882), der diesen Auftrag gerne annimmt. Daraufhin verfasst er ein Libretto basierend auf seinem früheren Poem Halka.

Die Geschichte, die das Schicksal der jungen Halka erzählt, beginnt mit einer Verlobungsfeier. Das junge adelige Paar, Janusz und Zofia, ist hoch angesehen und wohlhabend. Doch plötzlich stört ein Bauernmädchen die fröhliche Gesellschaft. Dieses Mädchen ist Halka, die in Janusz verliebt ist. Er versprach ihr die ewige Liebe, doch in Wirklichkeit war es für ihn nur ein kurzes, unbedeutendes Vergnügen. Jontek, der in Halka verliebt ist, will ihr deutlich machen, dass Janusz nicht ehrlich zu ihr ist. Sie erkennt diese Tatsache jedoch erst auf Janusz‘ und Zofias Hochzeit. Daraufhin sieht sie keinen Ausweg mehr und nimmt sich vor lauter Verzweiflung das Leben.

Das Libretto zeigt die sozialen Gegensätze und Probleme der damaligen Gesellschaft deutlich auf und übte somit eine erhebliche Sozialkritik aus. Umso erstaunlicher ist es, dass sich dieses Werk später zu einer so erfolgreichen und identitätsstiftenden Oper entwickelte. Was ist es also, was Halka so besonders macht und sie zum Mythos und zur Nationaloper Polens werden ließ?

Um dieses Phänomen betrachten zu können, muss man sich der Entstehungsgeschichte der Oper zuwenden. Stanisław Moniuszko wollte seine erste Oper bereits 1848 in Warschau zur Uraufführung bringen. Doch obwohl die Proben bereits begonnen hatten, kam es nicht zur Aufführung. Vermutlich geschah dies aufgrund der kritischen Darstellung des Adels. Schließlich fand die Uraufführung in einem kleineren Rahmen in Vilnius statt. Die Oper bestand aus zwei Akten und wurde ohne Bühnenbild und Kostüme, also weitgehend konzertant aufgeführt. Die Musik fand damals schon großen Anklang, doch das Libretto traf fast nur auf schlechte Kritiken. Der Erfolg der Oper blieb zunächst hinter den Erwartungen Moniuszkos zurück. Das lag auch an der stark ausgeprägten Sozialkritik. Vor allem aber wurden aufgrund der Inszenierung nicht die Emotionen geweckt, die durch eine prachtvolle Ausstattung hervorgerufen worden wären. Ein polnisch-nationaler Charakter wurde dem Werk noch nicht zugeschrieben, da Vilnius als litauische Stadt nicht Teil der originären polnischen Kultur war und somit die Identifizierung mit einer ,nationalen‘ Musik nicht stattfinden konnte. Dieser Rückschlag für Moniuszko sollte außerdem dafür sorgen, dass er sich erst viele Jahre später wieder mit der Komposition einer weiteren Oper befasste.

Aufgrund politischer Liberalisierungsprozesse nach dem Thronwechsel 1855 wurde Halka am 1. Januar 1858 schließlich in Warschau aufgeführt. Das Libretto wurde zwar weiterhin stark kritisiert, doch rückte diese Kritik aufgrund der Begeisterung über die Musik in den Hintergrund. Der damals populäre polnische Feuilletonist, Józef Kenig (1821-1900), schrieb am 2. Januar 1858 in der Gazeta Warszawska: „Diese so dramatische, überall so kunstvolle, so durchdachte Musik schmeichelte sich […] sofort ins Herz; […].“ Die Aufführung in Warschau traf also auf weit mehr Begeisterung als jene in Vilnius.

Das lag vermutlich unter anderem daran, dass Moniuszko die Oper überarbeitet und erweitert hatte. Sie bestand nun aus vier Akten und beinhaltete mehr Nummern mit ,polnischem‘ Charakter. So wurde zum Beispiel im 1. Akt mit der Mazurka ein polnischer Volkstanz integriert. Abgesehen von den Góralentänzen, deren Ursprung in einem gleichnamigen westslawischen Volk liegt, spielt vor allem eine Szene am Anfang des 4. Aktes eine wichtige Rolle. In dieser Szene erscheint ein Musikant aus dem Volk mit einer Kobza, einem lautenartigen Volksmusikinstrument, und stimmt eine Arie an. Diese Arie hebt durch den Klang der Kobza den originär ‚polnischen‘ Charakter ganz besonders hervor. Józef Kenig schrieb: „Diese paar Takte […] haben auf so wundervolle Weise unseren Charakter, […] und sind so bestimmt von Originalität, dass wir ausführlicher auf sie eingehen müssen.“ Durch dieses Zitat wird deutlich, wie wichtig es für die Polen war, etwas Nationales in der Oper zu vernehmen. Die nationale Musik ermöglichte so etwas wie ein „Wir-Gefühl“. Die Bedeutung dieses Gefühls begründet sich aus der Tatsache heraus, dass Polen zu diesem Zeitpunkt als souveräner Staat nicht existierte.

Der Erfolg von Halka blieb bis heute in Polen beispiellos. Keine andere Oper weder von Moniuszko noch von anderen Komponisten erlangte eine solche Bedeutsamkeit. Die Oper wurde allein in Warschau im Laufe des ersten Jahres nach der Uraufführung vierzig Mal aufgeführt. Die Begeisterung für das Werk war für die Kritiker schon Legitimation genug, um die Genialität der Oper zu beweisen. Moniuszko wurde zum künstlerischen Leiter der Warschauer Oper ernannt. Das führte dazu, dass er in Zukunft mehr Möglichkeiten hatte, seine Werke aufzuführen. Halka blieb jedoch mit Abstand sein erfolgreichstes Werk. Zu den Aufführungsjubiläen wurde Halka am Ende des 19. Jahrhunderts mit viel Pomp gespielt. Moniuszko wurde in Osteuropa sogar in einem Atemzug mit einem ‚eingeborenen‘, international erfolgreichen Komponisten wie Frédéric Chopin genannt. Dennoch blieb Moniuszkos Bekanntheit lediglich auf Osteuropa beschränkt – in den westeuropäischen Nationen wurde er mehr als Geheimtipp unter Musikliebhabern gehandelt.

Aus diesem unglaublichen Erfolg erwuchs die Interpretation von Halka als die der polnischen Nationaloper schlechthin. Deshalb wurde sie idealisiert dargestellt. Die Handlung wurde entweder in der Kritik gar nicht erst bedacht oder einfach umgedeutet. Das unehrliche Verhalten von Janusz wurde als völlig legitim eingeordnet. Es wurde behauptet, dass er sich so verhalten müsse und gar keine andere Wahl habe, als Halka zu verlassen. Halka wurde als naives Bauernmädchen eingeschätzt, das einfach nicht verstehen könne, wie die Realität aussehe. Abgesehen von der Handlung gab es noch ein anderes Problem, denn die Tatsache, dass die Oper erst nach zehn Jahren auf diese Art und Weise anerkannt wurde, wirkte wie ein „Schandfleck“ in ihrer Rezeptionsgeschichte. Also wurde auch die Entstehungsgenese in gewisser Weise neu erfunden.

Die Ablehnung der Oper in Warschau im Jahre 1848 wurde nicht erwähnt und stattdessen die Rezeption in Vilnius als verfehlt kritisiert. Angeblich habe die Oper keinen Erfolg gehabt, da das Publikum in Vilnius sie nicht ausreichend zu würdigen wusste. Dafür stellte sich Warschau in ein besseres Licht: So wurde behauptet, dass der Warschauer Regisseur Leopold Matuszyński (1820-1893) hauptsächlich dafür verantwortlich gewesen sei, dass die Oper überhaupt dort aufgeführt werden konnte. Der Mythos um Halka entstand deshalb gewollt: Die anfänglich wenig schmeichelhafte Rezeptionsgeschichte wurde umgeschrieben, die Kritik am Adel abgemildert und so stand der Mythenbildung um die Oper nichts mehr im Wege. Dieses Phänomen wird durch die folgenden Worte von Claude Lévi-Strauss besonders deutlich: „Mythen haben keinen Autor: sobald sie als Mythen wahrgenommen werden was immer ihr Ursprung sein mag, gibt es sie nur in einer Tradition verkörpert.“…

 

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