Leoncavallo, Ruggero

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Leoncavallo, Ruggero

Tarantella pour Orchestre

Art.-Nr.: 1902 Kategorie:

16,00 

Ruggero Leoncavallo
(geb. Neapel, 23. April 1857 – gest. Montecatini Terme, 9. August 1919)

Tarantella pour Orchestre

Vorwort
Ruggiero Leoncavallo wurde am 23. April 1857 in Neapel geboren. Sein Vater, ein Richter, zog mit der Familie nach Montalto Uffugo in Kalabrien, als Ruggiero ein Kind war. Dort verbrachte er seine Jugend, bevor er zurück nach Neapel ging, wo er am Konservatorium San Pietro a Majella Musik studierte. Mit achtzehn Jahren schloss er dort sein Studium mit einem Diplom ab, wobei er sowohl als Pianist als auch als Musiktheoretiker bemerkenswerte Fähigkeiten erworben hatte. Statt seine musikalischen Studien fortzuführen, besuchte er die Universität von Bologna, um dort gemeinsam mit dem berühmten italienischen Poeten Giosuè Carducci Literatur zu studieren. Im Alter von zwanzig Jahren wurde ihm das Abschlusszeugnis als Doktor der Literaturwissenschaften verliehen, und nachdem er seine Studien beendet hatte, setzte Leoncavallo nach Ägypten über. In einem Artikel für die November-Ausgabe 1902 der North American Review berichtet er: „Ich wurde nicht zum Militärdienst verpflichtet, da mein Bruder zum Zeitpunkt der Einberufung bereits in der Armee war. So begann ich meine Wanderschaft als Konzertpianist in Ägypten, wo ich zu jener Zeit einen Onkel hatte, Leoncavallo Bey, der Leiter der Pressestelle des Auswärtigen Amtes war. Dort spielte ich am Hof, und Mahmoud Hamdy, der Bruder von Viceroy Tewfik, stellte mich als seinen privaten Musiker an.“

Im Jahre 1882 endete Leoncavallos Laufbahn in Ägypten abrupt wegen anti-europäischer Aufstände in Alexandria und Kairo. Ihm gelang die Flucht, indem er in Ismailia ein englisches Schiff bestieg, auf welchem er auf seinem Weg nach Paris, wo er sich niederzulassen plante, nach Marseilles segelte.

Anfangs musste Leoncavallo um Arbeit kämpfen; er verdiente nur wenig als Begleiter bei sonntäglichen Gelegenheitskonzerten in Cafés. Erneut für die North American Review schrieb er: „Ich werde mich immer an den einen Abend erinnern, an dem ich von einer großen Weinhandlung in Creil für acht Francs engagiert wurde zuzüglich der Fahrtkosten hin und zurück sowie Abendessen. Als ich in den Konzertraum geführt wurde, fand ich zu meiner Überraschung kein Klavier vor, sondern ein kleines Harmonium, und die singenden Künstler hatten keine Partitur, sondern nur diese kleinen Broschüren, die auf den Straßen für einen Sou verkauft wurden und lediglich die Melodie ohne Begleitung enthalten: Dies hielt die Sänger jedoch nicht davon ab, mich aufzufordern: ‚Anderthalb Töne tiefer bitte, Maître!‘ Es scheint, als hätte ich Wunder vollbracht in meiner Art des Begleitens, denn am nächsten Tag fragten alle kleinen Agenturen für vorstädtische Café-Konzerte nach dem kleinen Italiener, der den Empfehlungen der Künstler nach, die ich begleitet habe, so geschickt war.“
Zu dieser Zeit begegnete er seiner zukünftigen Frau, Berthe Rambaud, die eine der Sängerinnen war, die er begleitet hatte.

Zunehmend inspiriert von den französischen Romantikern begann Leoncavallo, an einem symphonischen Poem zu arbeiten, La Nuit de Mais, das auf dem gleichnamigen Gedicht von Alfred de Mussett basierte, seines damals größten literarischen Einflusses. Das Stück wurde 1886 in Paris vollendet, seine Premiere 1887 wurde von der Kritik gelobt und brachte genug Geld ein, um Leoncavallo zu erlauben, nach Mailand zurückzukehren und seine Karriere als Opernkomponist zu beginnen.

Unter denjenigen, deren Bekanntschaft Leoncavallo in Frankreich machte, war Victor Manuel. In Mailand taten sich die beiden erneut zusammen. Leoncavallo erzählte Manuel von seiner Idee für eine Renaissance-Trilogie namens Crepusculum, für welche er bereits das Libretto der ersten Sektion, I Medici, geschrieben hat. Manuel war ausreichend beeindruckt, um das Werk dem Musikverleger Ricordi zu empfehlen, welcher sich einverstanden erklärte, das Werk alleine aufgrund der Qualität des Librettos zu veröffentlichen. Leoncavallo vollendete die Oper innerhalb eines Jahres, aber Ricordi zögerte nun, das Werk zu publizieren und zu produzieren.

Nach drei Jahren des Wartens war Leoncavallo so frustriert, dass er sein nächstes Werk dem konkurrierenden Produzenten Sonzogno anbot. Diese Oper sollte sein bislang bekanntestes Werk werden, Pagliacci. Die Wahl des Themas wurde durch den enormen Erfolg von Pietro Mascagnis Cavalleria rusticana und der damit verbundenen Schule des italienischen Verismo beeinflusst. Leoncavallo berichtete, dass er „die Handlung einem realen Ereignis entnahm, welches in Kalabrien geschah und vor meinen Vater gebracht wurde, der den Gerichtshof in Cosenza leitete.“ Der Kritikererfolg von Pagliacci brachte Ricordi dazu, I Medici schließlich doch zu publizieren, aber zu diesem Zeitpunkt hatte Leoncavallo bereits aufgegeben, seine Trilogie zu vollenden. Der Erfolg der Premiere seiner La bohème 1897 in Venedig bestätigte seinen öffentlichen Rang, wurde aber schnell von Puccinis gleichnamiger Oper überschattet, die nur Monate zuvor uraufgeführt wurde.

Weitere Opern Leoncavallos – Zazà, Der Roland von Berlin, Maïa und Zingari – waren ebenso wie eine Reihe von Operetten seinerzeit erfolgreich, verschwanden allerdings danach aus dem Repertoire. Leoncavallo starb am 9. August 1919 im toskanischen Montecatini Terme, seine letzte Oper Edipo re blieb unvollendet (obwohl es seitdem einige Kontroversen gab, ob dieses Werk überhaupt von Leoncavallo stamme). Die Beerdigung des Komponisten fand zwei Tage später statt, unter den hunderten von Anwesenden waren auch Pietro Mascagni und Giacomo Puccini.

Auf der Suche nach Realismus führte Leoncavallo in Pagliacci Elemente der italienischen Gesellschaft ein. Die Handlung dreht sich um das Leben in einer reisenden commedia dell’arte-Truppe. Die Charaktere dürften den Hörern bekannt sein, ebenso das Umfeld, das ihnen hilft, sich mit dem angestrebten Realismus des Verismo-Stils verbunden zu fühlen. Auch Leoncavallo werden diese Dinge durchaus vertraut gewesen sein, ist er schließlich im Süden Italiens aufgewachsen, was ihm erlaubt haben mag, von einem wohlbekannten und authentischen Ort zu schreiben. Zweifelsohne war diese Vertrautheit, die Leoncavallo mit seinen Hörern teilte, verantwortlich für den frühen Erfolg der Oper.

Die Komposition der Tarantella kann vor dem gleichen Hintergrund gesehen werden. Dieser Volkstanz ist nach der italienischen Provinz Tarent benannt, die ihren Namen einer einheimischen Art der Wolfspinne, der Tarantel, leiht. Einer Legende nach sei der Biss dieser Spinne hochgiftig und führe zu einem hysterischen Zustand, der als „Tarantismo“ (Tarantismus, Tanzwut) bekannt ist. Einige sagen, dass die Tarantella diesen Zustand nachahme. Andere vermuten, der Tanz sei die einzige Therapie gegen den Biss der Spinne gewesen. Der Autor Anthony Parente berichtete, dass die Leute um das Bissopfer standen, während Musiker Mandolinen, Gitarren und Tamburins spielten, auf der Suche nach dem korrekten Rhythmus. Jeder Schlag hatte einen unterschiedlichen Effekt auf das Opfer – oder die Tarantata (die Opfer waren fast immer weiblich) -, und hatte verschiedenartige Bewegungen und Gesten zur Folge. Sobald der richtige Rhythmus gefunden war, war es so gut wie sicher, dass die Tarantata geheilt wurde. Als gebürtiger Italiener war Leoncavallo vertraut sowohl mit der Legende als auch dem damit assoziierten musikalischen Material. Wie auch in Pagliacci hilft die allgemeine Vertrautheit mit dem Phänomen, eine Brücke zum Zuhörer zu schlagen.

Ursprünglich war Leoncavallos Tarantella eine musikalische Skizze für Klavier, später wurde das Stück für Orchester adaptiert. Es steht im typischen 6/8-Takt, der mit dem Stil assoziiert wird, und bietet Läufe in Achtelnoten als Ausdruck der Wildheit des Tanzes, wie auch Harfe, Streicher im Pizzicato und Perkussion, um den Klang der originalen Volksinstrumente anzudeuten, die ursprünglich gespielt wurden. Das Stück ist durch Abschnitte strukturiert, die man als den Versuch deuten kann, die Anstrengungen der Musiker beim Finden des richtigen Rhythmus zu symbolisieren, der die Taranta heilen soll. Die Orchestrierung und und dynamische Struktur des Stückes zielen auf eine fliessende Bewegung und erinnern uns daran, dass Leoncavallo vor allem ein Dramatiker war, der selbst in den einfachen Werken wie dem vorliegenden eine Geschichte erzählen wollte.

Übersetzung: Oliver Fraenzke

Aufführungsmaterial ist von Ricordi, Mailand, zu beziehen.

 

 

 

Partitur Nr.

1902

Edition

Repertoire Explorer

Genre

Orchester

Format

Druck

Reprint

Seiten

40

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