Krenek, Ernst

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Krenek, Ernst

Das geheime Königreich Op. 50

Art.-Nr.: 45 Kategorie:

39,00 

Ernst Krenek

Das geheime Königreich op. 50 (1926-27)

(geb. Wien, 23. August 1900 – gest. Palm Springs, 2. Dezember 1991)

Märchenoper in einem Akt (zwei Bildern) nach einem Libretto vom Komponisten

Vorwort
Während seiner langen, abwechslungsreichen und außerordentlich produktiven Karriere durchlief Ernst Krenek viele Kompositionsstile und ästhetische Haltungen – vom ungezügelten atonalen Expressionismus seiner Jugend bis zum energischen Eintritt der Aleatorik in der Spätzeit, wobei er sich nicht einmal davon abhalten ließ, sich an Tin Pan Alley-Songs zu versuchen. Mit ungewöhnlicher Leichtigkeit begabt, schuf er ein musikalisches Oeuvre, das allein dem Umfang nach keinen Vergleich mit den fruchtbarsten Komponisten des 20. Jahrhunderts – wie etwa Darius Milhaud oder Bohuslav Martinu – zu scheuen braucht, diese jedoch an Vielfalt und Vielfalt weit übertrifft. Seine Schriften über Musik und Literatur, aber auch über Psychologie und Soziologie, zeigen ihn als einen der scharfsinnigsten musikalischen Köpfe des 20. Jahrhunderts und führten zu literarischen Freundschaften mit so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Rilke, Adorno oder Thomas Mann. Schon vor dem Hochschulabschluß sicherten ihm seine I. und II. Symphonie (1921-22) sowie das I. Streichquartett (1921) schnell einen Platz an vorderster Front unter den deutschen Nachkriegskomponisten. Ausgestattet mit einem Exklusivvertrag mit der Wiener Universal Edition kehrte er umgehend dem akademischen Studium den Rücken und schlug die Laufbahn eines freischaffenden Komponisten ein, wobei er bald neben Hindemith und – etwas später – Kurt Weill zu den drei führenden deutschen Komponisten seiner Generation gehörte.

Kurz nach Fertigstellung seiner beispiellosen Erfolgsoper Jonny spielt auf (1926) nahm Krenek ein «Triptychon» von Operneinaktern in Angriff, die jeweils eine andere Stilrichtung sowie ein besonderes Merkmal seiner künstlerischen Persönlichkeit vermitteln sollten. Das Vorbild – ob bewußt oder nicht – war offensichtlich das berühmte Triptychon von Giacomo Puccini (Il Tabarro – Suor Angelica – Gianni Schicchi) aus dem Jahre 1918, denn Krenek hielt sich an eine ähnliche Reihenfolge von blutrünstigem Melodrama (Der Diktator), weltentrückter Romantik (Das geheime Königreich) und leichtfüßiger Komödie (Schwergewicht), wobei er wie in der Vergangenheit alle drei Libretti selbst verfaßte.

Mit Hilfe einer komplizierten Märchenhandlung erzählt Krenek im Geheimen Königreich von einem Königreich in Aufruhr, einem Monarchen mit einer an Hamlet gemahnenden Schwermut, der sich nichts Schöneres wünscht als das Abdanken – oder andernfalls Selbstmord –, und einer Königin, die nach dem Thron ihres Gatten trachtet und gemeinsam mit dem Rebellenführer ein neues Königreich zu errichten sucht. Am Ende aber scheitern alle diese Pläne, während gleichzeitig wie durch Zauberhand ein neues, auf Naturliebe und Gottesverehrung aufgebautes Königreich in einem entlegenen Waldstück entsteht. Zu diesem unzeitgemäßen, der damaligen «Zeitoper» schroff entgegengesetzten Sujet wurde Krenek durch eine Lektüre von King Lear (das Treffen des Königs mit den beiden betrunkenen Rebellen erinnert bewußt an Lear und die «dürre Heide») und Goethes Triumph der Empfindsamkeit (1787) inspiriert, für dessen Kasseler Inszenierung er gerade die Bühnenmusik (1926) komponiert hatte und bei dem es sich ebenfalls um ein gestörtes Verhältnis zur Natur handelt. Die Opernhandlung läßt sich als ernsthaftes Gegenstück zu Kreneks leichtfüßiger Operette Der Sprung über den Schatten (1923) verstehen. Auch hier kommen ein unwilliger Herrscher und eine brodelnde Revolution vor. Daß der Komponist Das geheime Königreich gewissermaßen als ideologisches Testament beabsichtigte, geht eindeutig aus der Beschreibung der Märchenoper in seiner Autobiographie hervor: «Die zweite der drei Opern war ein Märchen, welches das einfache Leben verherrlicht, die Hingabe an die Natur, die Freude an den kleinen Dingen und den Verzicht auf Ehrgeiz, Ruhm und Glanz. Es ist interessant, daß ich diese Philosophie in dem Augenblick entwickelte, in dem ich selbst Ruhm und Ehre [durch Jonny spielt auf] erlangte, freilich ohne sie mir gewünscht zu haben. So wie ich es jetzt sehe, war diese Einstellung eine Art Synthese aus meiner ‘Pariser’ Philosophie und dem Karl Krausschen Ekel vor ‘dieser Welt’. Wenn ich dafür plädierte, Ja zum Leben zu sagen, wie das eine Pariser Prostituierte oder ein Marseiller Fischer in meiner gefühlsseligen Phantasie vermutlich taten, wollte ich zugleich Nein zur modernen Zivilisation sagen, die meiner Meinung nach in entmenschlichter Hast, erniedrigender Kommerzialisierung und allgemeiner hoffnungsloser Korruption bestand.»

Die Alternative zur modernen Zivilisation – so der Komponist – besteht in einer Rückkehr zu einer jungfräulich-unverdorbenen Natur, dem «legendären, paradiesischen Zustand der Menschheit [, der] vom einzelnen wieder in Besitz genommen werden kann und soll, wie das himmlische Königreich des Evangeliums, das in uns selbst liegt.»

Mit der restlichen Trilogie zusammen erlebte Das geheime Königreich am 6. Mai 1928 am Hessischen Staatstheater Wiesbaden ihre Uraufführung, wobei Kreneks ehemaliger Chef Paul Bekker Regie führte und Joseph Rosenstock dirigierte. Sofort wurde das Triptychon von Otto Klemperer für die Berliner Krolloper unter Vertrag genommen, wo es am 2. Dezember 1928 eine glänzende Inszenierung erlebte. Unter den drei Einaktern wurde die Märchenoper jedoch am unfreundlichsten aufgenommen; bald wurde sie in Aufführungen mit dem beliebteren Schwergewicht durch andere Operneinakter ersetzt. Diese Situation änderte sich jedoch während der «Krenek-Resaissance» der neunziger Jahre, als das Triptychon u.a. in Stuttgart (1990) und Linz (1993) wiederbelebt und durch Marek Janowski und das Berliner Symphonieorchester eingespielt wurde. Ob wegen des neu aufkeimenden Interesses am spätromantischen Repertoire, ob wegen der Aktualität des umweltbewußten Sujets, wird Dem geheimen Königreich heute oft eine freundlichere Aufnahme zuteil als die beiden Schwesterwerke. Zusätzlich zur Erstveröffentlichung in Partitur und Klavierauszug durch die Universal-Edition (1928) ist das Werk demgemäß neuerdings beim gleichen Verlag auch in einer durch Rainer Schottstädt erstellten Fassung für Kammerorchester (2002) erschienen.

Handelnde Personen
Der König – Bariton
Die Königin – Koloratursopran
Der Narr – Bariton
Der Rebell – Tenor
Die drei singenden Damen – Sopran, Mezzosopran, Alt
1. Revolutionär – Tenor buffo
2. Revolutionär – Basso buffo
Ein Wächter – Tenor
Chor der Rebellen, Tanzende, Damen der Königin

Ort: Im Märchenland.

Handlung
1. Bild, ein Raum im Palast des Königs: Während hinter der Szene der Ruf des revoltierenden Volks erschallt, meditiert der Narr über den König, das Volk und sich selbst. Der König übergibt ihm seine Krone; er will auf der Straße um sein wahres Königtum kämpfen. Als ein gefangener Rebell hereingeführt wird, interessiert sich die Königin für den schönen Mann. Doch der sinnt nur auf die Krone, um sie seinem Volk zu übergeben. Aber auch die Königin verlangt nach der Krone. Mit Hilfe ihrer drei Damen, des Weins und der Spielkarten gelingt es ihr, dem Narren Kleider und Kronreif abzulisten. Der von der Königin aus dem Gefängnis befreite Rebell fordert das Volk auf, den Palast zu stürmen. Narr, Königin und König, dem man die Narrenkleider angezogen hat, fliehen.
2. Bild, Wald Mondnacht: Der Rebell will die mit dem Kronreif fliehende Königin töten. In höchster Not enthüllt sie ihren Leib. Der Rebell wird schwach und stürzt sich auf sie. Da verwandelt sie ein höhere Macht in einen Baum. Der Rebell eilt entsetzt aus dem Zauberwald. Zwei betrunkene Rebellen, die sich die auf den Kopf des Königs ausgesetzte Belohnung verdienen wollen, erkennen den in Narrenkleidern erscheinenden König nicht; vergeblich bittet dieser sie, ihn zu töten. Als der König sich erhängen will, beginnt der Wald zauberhaft zu leuchten, die Stimme der zu einem reinen Geschöpf geläuterten Königin erklingt. Nun erkennt der König die Schönheit seines Reichs, die Größe der Natur, die Blume als Wunder Gottes und geht schlafend in sein wahres Königreich ein. Der Narr beschließt das Spiel mit einem an das Publikum gerichteten Epilog.

Bradford Robinson, 2006

 

Aufführungsmaterial ist von der Universal Edition, Wien zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Universal Edition, Wien.

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