Juon, Paul

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Juon, Paul

Anmut und Würde Op. 94, Suite for orchestra

Art.-Nr.: 4229 Kategorie:

19,00 

Paul Juon – Anmut und Würde Suite für Orchester op. 94

(geb. Moskau, 6. März [22. Februar] 1872 – gest. Vevey, 21. August 1940)

Sonne auf grüner Flur / Pastorale (Comodo) p.1
Flüchtige Schatten / Valse-Intermezzo (Tempo di Valse) p.12
Nachteinsamkeit / Notturno (Larghetto) p.23
Neckisches Spiel / Capriccietto (Quasi Polka) p.26
Tanz der Pfauen / Menuetto (Tempo die Menuetto) p.43

Meinem Freunde Robert Lienau gewidmet

Besetzung
3 Flöten (auch Picc.), 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 1 Kontrafagott, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, 1 Tuba
Pauken , Große Trommel, Kleine Trommel, Triangel, Becken. Xylophon
Streicher

Spieldauer
18-20’

Vorwort
Paul Juon, der Musik-Liebhabern als Bearbeiter von Brahms‘ Ungarischem Tanz Nr. 4 für Orchester noch bekannt sein dürfte, hinterließ ein umfangreiches kompositorisches Oevre. In einem handgeschriebenen Verzeichnis hat er Werke von op. 1 bis op. 99 angegeben und für gültig erklärt. Auch gerne der „russische Brahms“ genannt, setzte er mit seinen Kompositionen die Tradition der Spätromantik fort und hielt sich weitgehend von neueren Strömungen seiner Zeit fern. Seine Kammermusikwerke wurden Anfang des 20. Jahrhundert nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und Amerika gespielt.

Paul Juon wurde am 8. März 1872 in Moskau geboren. Seine Vorfahren waren aus Graubünden in der Schweiz nach Russland ausgewandert. Zuerst studierte er am Moskauer Konservatorium Geige, später dann, ab 1889, Komposition bei Sergej Tanejew und Anton Arenski – zur selben Zeit wie der fast gleichaltrige Alexander Skrjabin. Danach ging Juon nach Berlin wo er von 1894-1896 seine Studien an der Hochschule für Musik bei Woldemar Bargiel fortführte. Anschließend lehrte er für kurze Zeit am Konservatorium von Baku, kehrte dann aber wieder zurück nach Berlin, wo er auf Anraten von Joseph Joachim zuerst als Hilfslehrer tätig war und ab 1906 eine Professur für Komposition an der Hochschule für Musik erhielt. Zu seinen Schülern gehörten neben Hans Chemin-Petit und Nikos Skalkottas, auch Philipp Jarnach und Stefan Wolpe. In Berlin entstanden Juons musiktheoretische Schriften, 1901 und 1919 zwei Handbücher für Harmonielehre, 1905 ein Aufgabenbuch für den einfachen Kontrapunkt und 1929 eine Anleitung zum Modulieren. Die preußische Hauptstadt wurde für insgesamt fast 40 Jahre Juons Wahlheimat. Hier komponierte er den größten Teil seiner Werke, die von Schlesinger, später Robert Lienau, herausgegeben wurden. Mit dem Verleger Robert Lienau, der seine Werke sehr schätzte, verband ihn eine lebenslange Freundschaft.

1934, als sich die politische Lage in Deutschland weiter zuspitzte, übersiedelte Paul Juon mit seiner zweiten Ehefrau, einer Schweizerin, nach Vevey am Genfersee. Damit schloss sich ein Lebenskreis, denn Juons Vorfahren stammten ebenfalls aus der Schweiz. Dort verstarb der 68 jährige Komponist im Sommer 1940.

Der Schwerpunkt von Juons Schaffen liegt auf dem Gebiet der Kammermusik für Streicher und Klavier, darunter finden sich zahlreiche Charakterstücke mit suggestiven Titeln. Doch er schuf auch Orchesterwerke und Konzerte für große Besetzung, vor allem während seiner letzten Jahre in der Schweiz. Inspirieren ließ er sich zeitlebens von der russischen und nordischen Folklore. Juon 1923 in einem Brief an Ernst Schweri, Musikdirektor in Chur: „Bekanntlich sind die Eindrücke, die man in der Jugend empfängt, die stärksten, darum sind hauptsächlich Einflüsse der russischen Volksmusik (die ich, übrigens, sehr liebe) in meinen Werken vertreten.“ (Badrutt, Thomas: Paul Juon, seine Musik und sein Leben, 1998, w.w.w.juon.org.) Das hat vor allem in seiner Kammermusik häufige Taktwechsel zur Folge und stellenweise emanzipiert sich das Metrum vom Rhythmus, so dass sich Themen taktunabhängig entwickeln.

Anmut und Würde gehört zu Juons Spätwerken. Komponiert 1937 nach seiner Übersiedlung in die Schweiz, besteht die Suite aus 5 Tanzsätzen bzw. Charakterstücken, die jeweils mit einem programmatischen Titel versehen wurden. Diese außermusikalischen Hinweise sind allerdings nur als Zugeständnis an den Hörer gedacht, wie ein Brief vom 3. April 1939 an Hans Chemin-Petit belegt: „Auch ich bin kein Freund von dergl. Programm-Angaben. Andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass die meisten Zuhörer sehr dankbar zu sein pflegen für solche Hinweise. Sie haben ja alle keine Phantasie und müssen eben etwas „gekitzelt“ werden. Ich werde oft gefragt: „Was haben Sie sich eigentlich gedacht? Was soll die Musik vorstellen?“ Es ist zum Lachen!!!“ (Badrutt, Thomas: Paul Juon, ein unbekannter romantischer Komponist, 1999, w.w.w.juon.org)

Paul Juon war ein akribisch genau arbeitender Komponist. Ein Zitat aus einem Brief von 1939 an seine Tochter Irsa, gibt einen Einblick in seine Arbeitsweise: „Ich bastle immer noch an meinen Tanz Capricen herum. Es gibt immer noch etwas zu verbessern. Es ist immer gut, die Handschrift nicht zu voreilig aus der Hand zu geben. Man kann nicht streng genug sein in künstlerischen Dingen. Man soll von jeder einzelnen Note genau wissen, warum man sie geschrieben hat. Es darf keine stehen bleiben, die nicht unbedingt notwendig ist. Darum kratze und radiere ich „auf Deibel komm raus“ und muss jeden Augenblick meinen Schreibtisch putzen… (Badrutt, 1998) Eine Vorgehensweise die Juon mit Sicherheit auch bei der Komposition von Anmut und Würde angewandt hat. Nach einer Pastorale Sonne auf grüner Flur im 6/8 Takt mit typischem Bordunbass und Hirteninstrumenten wie Flöte und Oboe, folgt ein Walzer Flüchtige Schatten, danach ein intimes Notturno Nachteinsamkeit für Klarinette und Streicher, eine Polka Neckisches Spiel und am Schluss ein Menuett Tanz der Pfauen. Die Satztitel der Suite evozieren Naturstimmungen und lassen an Naturtableaus denken.

Die Frage, ob es einen Zusammenhang zu Nietzsches philosophischer Abhandlung Über Anmut und Würde (1793) gibt, muss offen bleiben – auch wenn Georg Günther Juons Suite in Friedrich Schillers musikalische Wirkungsgeschichte. Ein Kompendium, 2018, erwähnt.

Im Herbst 1939, nach dem Angriff der Wehrmacht auf Polen, ein knappes Jahr vor seinem Tod, schreibt Juon: „Ja, das Böse auf Erden triumphiert wieder einmal! Wenn man sieht, wie alles Gute und Schöne (nicht zum wenigsten auch Kunst und Musik) brutal an die Wand gedrückt wird, während Lüge, Heuchelei, Gemeinheit und jegliche Niedertracht Orgien feiern und die Seelen der Menschen vergiften, dann wird einem ganz weh ums Herz! Auch ich bin herausgerissen aus meiner gewohnten Tätigkeit. Vorbei ist‘s mit den glückseligen Stunden des freien Schaffens: die Lust dazu und die Fähigkeit der Konzentration sind wie weggeblasen … (Badrutt,1998.)

Renate Hellwig-Unruh, 2019

Aufführungsmaterial ist von Bote und Bock, Berlin, zu beziehen.

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