Grétry, André

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Grétry, André

Lucile (with French libretto)

Art.-Nr.: 2105 Kategorie:

37,00 

André-Ernest-Modeste Grétry – Lucile

(b. Lüttich, 11. Februar 1741 – d. Montmorency, 24. September 1813)

Vorwort
Lucile (1769) ist die sechste Oper von André Ernest Modeste Grétry, sein viertes Bühnenwerk, das nach einem Libretto von Jean-François Marmontel (1723-1799) entstand, und die zweite Oper der beiden Partner, die von der Comédie-Italienne in Paris uraufgeführt wurde. Lucile wurde im selben Jahr auch separat am Théâtre de la Monnaie in Brüssel inszeniert, wo sie zu einem vielgespielten Publikumsliebling wurde, ebenso in Maestricht (1774), Toulouse (1786, 1788) und Moskau (1787).

Obwohl heute weniger bekannt, war Lucile der erste von Grétrys Dauerbrennern auf der Opernbühne und seine meistgespielte Oper in den 1770er Jahren. Erst im folgenden Jahrzehnt wurde sie durch die Erfolge neuerer Werke wie Richard Coeur-de-lion (1784) und L‘épreuve villageoise (1784) in den Schatten gestellt. Doch schon damals gelang es Lucile, wieder ins Rampenlicht zurückzukehren. Nach langer Abwesenheit von den Pariser Bühnen wurde das Werk 1789 wieder in das Repertoire der Comédie-Italienne aufgenommen und war in den ersten Jahren der Französischen Revolution weiterhin gelegentlich zu erleben. Dass Grétry seine zweite Tochter (die drei Jahre nach der Uraufführung der gleichnamigen Oper geboren wurde) Lucile nannte, mag ein Licht auf die Bedeutung der Oper für den Komponisten werfen.

Ein Beweis für Grétry‘s melodische Begabung findet sich im Nachleben von Lucile‘s berühmtestem Lied „Où peut-on être mieux qu‘au sein de sa famille? („Wo kann es besser sein als in der Familie?“). Nachdem die Oper endgültig aus dem Repertoire verschwunden war, wurde die Melodie als populärer Marsch in Napoleons Grande Armée wiederbelebt, der bis zur französischen Invasion in Russland 1812 gespielt wurde. Während des Rückzugs der Franzosen schmetterte die Militärkapelle von Napoleons Grenadiergarde die Melodie bei einem russischen Angriffs. Napoleon hörte dies und unterbrach die Kapelle mitten im Kampf, um auf einer anderen Musikwahl zu bestehen: “Non, non, plutôt“, rief er, „Veillons au salut de l‘Empire!‘“ („Nein, nein, genug: spielt ‚Lasst uns die Rettung des Imperiums sichern‘!“).

Seltsamerweise erlebte „Où peut-on être mieux qu‘au sein de sa famille?“ trotz der Assoziationen mit der Grande Armée eine dritte Geburt während der Zeit der Restauration (1815-1830), als das Lied wieder mit den Royalisten in Verbindung gebracht wurde und bei Veranstaltungen erklang, um die Anwesenheit der Königsfamilie anzukündigen. In diesem Zusammenhang hatte der Geiger Henri Vieuxtemps (1820-1881), der 1828 als Wunderkind nach Paris kam, höchstwahrscheinlich die Melodie kennengelernt. Viel später sollte der Komponist das Lied in den zweiten (Adagio-)Satz seines Violinkonzerts Nr. 5 (Op. 37, 1858-1859) aufnehmen.

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Lucile ist geschrieben in Form einer comédie mêlée d‘ariettes – ein Sprechstück mit kurzen Liedern. Die Handlung ist ein Originalszenario von Marmontel, dessen Charaktere nach Personen aus seinen beliebten Contes moraux (Moralgeschichten) benannt sind, das ansonsten aber neu ist.
Lucile, die Verlobte des wohlhabenden Dorval jr., kleidet sich am Morgen ihres Hochzeitstages an. Die frohlockenden Vorbereitungen auf den Freudentag (und ein großartiges Quartett, das bereits erwähnte „Où peut-on être mieux qu‘au sein de sa famille?“) werden durch die Nachricht von einem Geständnis am Sterbebett unterbrochen: Lucile wurde bei der Geburt mit einem anderen Kind vertauscht und ist in Wirklichkeit die Tochter des Bauern Blaise! Es folgt ein musikalisches Wehklagen, beginnend mit Lucile‘s Arietta „Au bien sûpreme, Hélas!“, dann ein Duett und ein Trio.

An diesem Punkt der Handlung würden die meisten Komponisten ein gesungenes Quartett einfügen. Teil der genialen Dramaturgie von Lucile – und eines der Dinge, die diese Oper beim Publikum so beliebt machten – ist, dass sich die nächste Szene als gesprochenes „Schnellfeuer“-Quartett entfaltet, das das Drama mit der ganzen Wucht der dramatischen Enthüllung im Stile einer Seifenoper durcheinander rüttelt. Als ein verwirrter Dorval jr. versucht, der Verzweiflung seiner Möchtegern-Braut auf den Grund zu gehen, wird er dafür beschimpft, dass er ohne Absicht den kürzlich entdeckten tatsächlichen Vater verleumdete. Überwältigt von den verwirrenden Enthüllungen verkündet Dorval jr. „Je suis perdu! („Ich bin verloren!“) – eine Zeile, die das Publikum unweigerlich mit Lachsalven quittierte.

Dorval sen. tritt auf und singt im Duett mit Timante, Lucile‘s Adoptivvater „N‘est-il pas vrai qu‘elle est charmante“ („Ist sie nicht charmant?“) – später ein beliebtes Konzertlied. Zur Überraschung aller hat der ältere Dorval keine Einwände gegen die soeben aufgedeckte bäuerliche Herkunft von Lucile. Obwohl Dorval jr. immer noch verwirrt ist, geben Dorval sen. und Timante ihren Segen, so dass die Hochzeit stattfinden kann. Ein Bauernchor tritt auf, um zu singen und zu tanzen, und die Oper endet mit der Hochzeit und einem großen Auftritt des Chors.

Basil Considine, 2020

Für Aufführungsmaterial wenden Sie sich bitte an Breitkopf und Härtel, Wiesbaden.

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