Elgar, Edward

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Elgar, Edward

The Spirit of England / With Proud Thanksgiving. Cantatas

29,00 

Edward Elgar – The Spirit of England, Op. 80

(geb. 2. Juni 1857, Broadheath, Worcestershire – d. 23. Februar 1934, Worcester)

Für Sopran- oder Tenor solo, gemischten Chor und Orchester

1. The Fourth of August
2. To Women
3. For the Fallen

und
With Proud Thanksgiving

Vorwort
Elgar liebte Deutschland. Er machte oft Urlaub in Bayern, und viele seiner einflussreichsten Freunde waren Deutsche; außerdem war er dem deutschen Volk immer sehr dankbar für die Förderung seiner Musik, vor allem von The Dream of Gerontius. Elgar war einer von vielen, die fassungslos vor der Tatsache standen, dass sich Großbritannien im August 1914 im Krieg mit Deutschland befand. Und schlimmer noch, seine Musik verlor an Popularität, da sein Stil immer introvertierter wurde und die Blütezeit des edwardianischen Englands im Donner des Krieges verblasste. Sir Thomas Beecham besuchte während des Krieges ein Konzert, das ausschliesslich Elgars Musik gewidmet; als ein Freund das kleine Publikum kommentierte: „Wo sind Elgars Freunde?“, antwortete Beecham: „Sie sind alle interniert“.

Laurence Binyon war ein junger Dichter, der im Britischen Museum arbeitete. Ende 1914 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband, The Winnowing Fan, der die Stimmung der Zeit einfing. Binyons Vorgesetzter am Museum war Elgars Freund Sidney Colvin, der dem Komponisten vorschlug, ein Kriegsrequiem auf der Grundlage von dessen Gedichte zu komponieren. Elgar stimmte zu und wählte drei Texte aus, die für ihn ein komplettes Werk ergaben, das weder besonders chauvinistisch noch triumphal war.

Dann begannen die Schwierigkeiten.

Das erste Problem war ein psychologisches. Das erste Gedicht, das Elgar auswählte – The Fourth of August – handelt von Gedanken, die durch die Kriegserklärung Großbritanniens hervorgerufen wurden. Das meiste ist wenig überraschend und ziemlich harmlos, bis auf diese Zeilen, die sich direkt auf Großbritanniens Kampf beziehen, der sich aus Bismarcks „Blut und Eisen“ ergibt:

Es bekämpft den Betrug, der die Begierde
mit Lügen stillt, aus Lust zu versklaven oder zu töten,
Das öde Bekenntnis zu Blut und Eisen,
Vampir von Europas vergeudetem Willen…

Elgar fühlte einfach, dass er keine Zeilen vertonen konnte, die Deutschland als den Betrüger, „der die Begierde mit Lügen stillt“, oder als „Vampir“ bezeichneten. Also ließ er die Vertonung des ersten Gedichtes unvollendet, die beiden anderen beendete er 1915.

Dann begegnete er Cyril Rootham, einem Komponisten aus Cambridge, nur um zu festzustellen, dass dieser bereits eine Vertonung von For The Fallen fertiggestellt hatte, die bereits von Novello & Co. veröffentlicht war! Elgar war klar, was das bedeutete – in dem Moment, in dem er seine Vertonung veröffentlichte, würde Roothams Vertonung mit ziemlicher Sicherheit in seinem Schatten verschwinden. Also hielt er die Veröffentlichung und Aufführung seiner eigenen Fassung bis 1916 zurück. To Women und For the Fallen wurden am 3. Mai 1916 in Leeds uraufgeführt, unter der Leitung des Komponisten und mit Agnes Nicholls als Solistin. Cyril Rootham jedoch verzieh Elgar nie und stand in den 1920er und 1930er Jahren im Zentrum einer Anti-Elgar-Fraktion an der Universität Cambridge, zu der auch der Musikprofessor Edward Dent und dessen Nachfolger Patrick Hadley gehörten. Die Feindschaft war so groß, dass der sensible Elgar in den 1920er Jahren Schwierigkeiten hatte, sich mit seinem Komponistenkollegen Ralph Vaughan Williams – ebenfalls ein Cambridge-Absolvent, aber kein Mitglied der Anti-Elgar-Fraktion – zu verständigen.

Der erste Satz war noch unvollständig. Erst im Jahr 1917 entschloss sich Elgar, ihn zu vollenden. Er wählte ein Selbstzitat aus dem The Dream of Gerontius – entnommen dem Chor der Dämonen – und beschrieb in einem Brief seine Ansichten über die Deutschen als einen „gefallenen Intellekt“: „Ein Irrenhaus ist, nach dem ersten Schock, nicht völlig traurig: so wenige der Patienten sind sich der Fremdartigkeit ihrer Situation bewusst; die meisten von ihnen sind friedlich & töricht ruhig; aber das Grauen des gefallenen Intellekts – wissend, was er einmal war & wissend, was er geworden ist – ist jenseits der unterschiedlichen Welten furchtbar.“

Die erste Aufführung von The Fourth of August fand am 4. Oktober 1917 unter der Leitung von Appleby Matthews in der Birmingham Town Hall statt, mit Rosina Buckman als Solistin. Dies scheint auch die erste Aufführung des gesamten Werkes gewesen zu sein.

Viele Jahre lang hatte The Spirit of England einen schlechten Ruf als chauvinistischer Rohrkrepierer, und das Werk wurde fast nie aufgeführt. Dann gab es eine Tonaufzeichnung in den 1970er Jahren, und man erkannte die Komposition als ein Meisterwerk Elgars mit kaum einem Anflug von Hurrapatriotismus. Die vielleicht einzige Passage, die als solche angesehen werden könnte, beginnt bei Ziffer 9 in The Fourth of August, wenn die deutschen Dämonen (aus Gerontius) erscheinen, aber das ist der Abschnitt, der Elgar ohnehin die meisten psychologischen Schwierigkeiten bereitet hatte – und wir könnten vermuten, dass sein Herz wenig mit der Gefühlswelt dieses Abschnitts übereinstimmte. Der Satz ist gut konstruiert, zusammengehalten von seiner denkwürdig aufsteigenden Eröffnungsphrase.

To Women beginnt und endet mit zarten impressionistischen Akkorden, enthält aber einen schaurigen Mittelteil, der wundervoll instrumentiert ist und beginnt:

Schneller, schneller als die Falken des Krieges,
Jene bedrohlichen Schwingen, die die Luft pulsieren…

Die Musik scheint verwandt mit Elgars 1914 komponiertem mehrstimmigem Lied Death On The Hills.

Der Erste Weltkrieg war der Katalysator, der zur Sicherung des Wahlrechts für Frauen in vielen Ländern führte – wenn auch nicht in Deutschland, da dort dieses Recht schon länger bestand – und Elgar scheint deren Anliegen zu würdigen.

For the Fallen ist das Kernstück des Werkes. Ein paar potentielle Fallen gibt es in dem Gedicht, die gefährlichste ist die Passage, die mit „They went with songs to the battle“ beginnt. Die Versuchung muss groß gewesen sein, populäre Lieder der Zeit wie It‘s a Long Way to Tipperary zu verarbeiten – tatsächlich hat Cyril Rootham genau das in seiner eigenen Vertonung getan. Aber Elgar vermeidet dies, indem er Originalmusik komponierte – eine geisterhafte Erinnerung an eine Melodie, die nicht identifiziert werden kann, die aber „richtig“ klingt.

Das Gedicht selbst (oder eine Strophe davon) hat ein von The Spirit Of England unabhängiges Leben, denn es wird regelmäßig am 11. November jeden Jahres bei den Gottesdiensten zum Remembrance Day rezitiert:

Sie werden nicht alt werden, wie wir, die wir übrig sind, alt werden:
Das Alter wird sie nicht ermüden, noch werden die Jahre sie verdammen.
Beim Untergang der Sonne und am Morgen
werden wir uns an sie erinnern.

Statt „They shall grow not old“ vertonte Elgar „They shall not grow old“, da er es für die natürlichere Sprache hielt. Laurence Binyon hatte nichts dagegen.

Der Höhepunkt ist beeindruckend, die Musik erinnert an den ersten Satz, die Worte erzählen von den Sternen, die sich „in Märschen über die himmlische Ebene bewegen“ – bis in typischer Elgarscher Manier zum Schluss alles in sich zusammenbricht:

Bis zum Ende, bis zum Ende bleiben sie.

The Spirit of England ist ein Hauptwerk wahrhaftiger „Gelegenheits“musik, das die stilistische Entwicklung des Komponisten hin zur Kammermusik und zum Cellokonzert von 1917-1919 fortsetzt.

With Proud Thanksgiving

Ein wichtiges Ereignis des Jahres 1920 war die Enthüllung des Ehrenmals in Whitehall – Edwin Lutyens‘ Denkmal für die Gefallenen. Elgar wurde gebeten, For The Fallen für die Aufführung im Freien durch einen gemischten Chor und eine Militärkapelle zu bearbeiten, damit die Musik bei der Zeremonie verwendet werden konnte. Bezeichnenderweise fertigte Elgar keine direkte Transkription an, sondern schrieb große Teile des Stücks um, insbesondere den Abschnitt „They shall not grow old“. Im folgenden Jahr komponierte er es für Chor und Orchester und dirigierte es am 7. Mai in der Royal Albert Hall zur Feier des Jubiläums der Royal Choral Society. Es ist die Orchesterfassung, die hier veröffentlicht ist.

Phillip Brookes, 2021

Aufführungsmaterial ist von Novello, London, zu beziehen.

Partitur Nr.

4518

Sonderedition

Genre

Chor/Stimme & Orchestra

Format

Druck

Reprint

Seiten

106

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