Debussy, Claude

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Debussy, Claude

Les Chansons de Bilitis for recitation, 2 flutes, 2 harps & celesta (Vocal Score, 2 copies)

Art.-Nr.: 952b Kategorien: ,

13,00 

Claude Debussy
(geb. Saint-Germain-en-Laye, 22. August 1862 – gest. Paris, 25. März 1918)

Les Chansons de Bilitis

Vorwort
Claude Debussy (1862-1918) war ein revolutionärer Kom-ponist, der die ihm am Pariser Musikkonservatorium beigebrachten Regeln oft ignorierte. Wegen seiner auffälligen Begabung wurde er schon im Alter von zehn Jahren zum Musikstudium zugelassen, aber selbst berühmte Lehrer wie Ernest Guiraud fanden ihn stur und schwierig im Umgang. Seine Begabung jedoch war unbestritten. Er wollte frische, neuartige Musik für sein eigenes Zeitalter schreiben.
Als er im Jahre 1880 Klavierlehrer bei der Familie von Tschai-kowskys Gönnerin Nadezhda von Meck wurde, erweiterte dies seinen Horizont. Sie nahm ihn mit nach Italien, Österreich und Russland, wo er Musik mit unterschiedlichster Harmonik und Struktur hörte, die allesamt seine späteren Kompositionen beeinflussen sollten.
Zurück in Paris verliebte er sich in Blanche Vasnier, Ehefrau eines wohlhabenden Pariser Anwalts. Dies war die erste von vielen Affären des manchmal recht eigenwilligen Kompo-nisten. Mit seiner Kantate L’enfant prodigue errang er im Jahre 1884 den Prix de Rome, den zahlreiche namhafte Kolle-gen bereits vor ihm gewannen: Hector Berlioz 1830, Charles Gounod 1839, Georges Bizet 1857 und Jules Massenet 1863. Dieser Preis verlangte von Debussy , dass nach Rom reiste, um dort zu komponieren; dies hatte zur Folge, dass er Madame Vasnier viel seltener sah. Obwohl er eher schüchtern und zurückhaltend war, befreundete er sich mit vielen namhaften Schriftstellern und Musikern seiner Zeit und war selten ohne weibliche Begleitung. Einer jener frühen Freunde war der Komponist Ernest Chausson.
Die Werke Richard Wagners übten einen starken Einfluß auf seine frühen Kompositionen aus. Nachdem er den ersten Akt der Tristan und Isolde konzertant gehört hatte, meinte er, dies sei die feinste Sache, die ihm bisher untergekommen sei. In den Jahren 1888 und 1889 reiste er zum Wagnerfest nach Bayreuth, wo er Parsifal, Die Meistersinger und die vollständige Aufführung des Tristan erlebte. Viele Jahre später bezeichnete er die Musik Wagners als einen irrtümlich als Sonnenaufgang verstandenen Sonnenuntergang, aber in den 1880er Jahren war er vernarrt in das, was der deutsche Komponist der zeitgenössischen Klangsprache hinzugefügt hatte.
1889 besuchte Debussy die Weltausstellung in Paris, zu deren Anlass der Eiffelturm gebaut wurde. Vermutlich hörte er dort zum ersten Mal die Gongs und das Glockengeläut der Game-lan-Musik aus Java. Der Geiger Robert Godet schrieb, dass der Komponist dort viele angenehme Stunden beim Anhören der javanesischen Klängen und Rhythmen verbrachte.
Wagners Musik und die Gamelanklänge waren nur zwei der vielen Einflüsse, die Debussy bei seinem Versuch inspirierten, die westlichen Musik lebendiger und mit leuchtenderen Klangfarben zu gestalten. Als sein Ziel gab er die Befreiung der Musik von jenen uralten Traditionen an, die sie seiner Meinung nach erstickte. Er hatte das Gefühl, dass noch vielzu erforschen sei und manches abgelegt werden müsse, bevor man das “nackte Fleisch des Gefühls“ erreiche.
Ebenfalls im Jahre 1889 fing Debussy eine stürmische Beziehung mit Gabrielle Dupont an, der Tochter eines Schneiders aus Lisieux. Als das Liebesverhältnis mit Dupont nicht zu seiner Zufriedenheit lief, buhlte der Komponist um die Sängerin Thérèse Roger, die einige Jahre vorher mit ihm bei einem höchst erfolgreichen Brüsseler Konzert aufgetreten war. Eine Zeit lang war er mit Thérèse verlobt, aber eine Reihe anonym verfasster Briefe verursachten einen Skandal, bei dem die zunehmenden Schulden des potenziellen Bräu-tigams und seine Affäre mit Dupont öffentlich angeprangert wurden. Als Folge davon kamen ihm sowohl seine Verlobte und auch die Freundschaft zum sittenstrengen Chausson abhanden.
Kurz danach allerdings begann Debussy eine wichtige Freundschaft mit dem aufgeschlossenen Dichter Pierre Louÿs (1870-1925), der die Chansons de Bilitis schreiben sollte. Im Jahre 1891 half Louÿs eine Zeitschrift namens La Conque (Die Muschel) zu gründen, in der er neben Gedichten anderer seine eigenen Texte veröffentlichen konnte.
Allerdings erkannte Louÿs die Chansons nicht als seine eigenen an. Er behauptete, sie stammten von Bilitis, einer Grie-chin aus dem sechsten Jahrhunderts vor Christus, und er habe sie lediglich übersetzt. Aus diesem Grunde schrieb er sie im Stil altertümlicher griechischer Dichtung, so wie man sie sich damals vorstellte.
Den Gedichten fügte er eine Biographie von Bilitis bei. Er sagte, sie sei in Pamphylia geboren, wo sie sich in den Zie-genhirten Lykas verliebte und im Alter von etwa fünfzehn Jahren sein Kind zur Welt brachte. Später sei sie nach Mytilène auf die Insel Lesbos gezogen, daraufhin weiter nach Zypern, wo sie als Kurtisane arbeitete und im hohen Alter von ihren Abenteuern berichtete.
Louÿs behauptete, er habe ihre Memoiren auf dem Gemäuer eines alten zypriotischen Grabs entdeckt. In mehr als hundert Prosagedichten drückte er eine elegante Sinnlichkeit in einem höchst raffinierten und zugänglichen Stil aus. Diese mutmaßlichen Grabinschriften haben die Gelehrten eine Zeit lang in die Irre geführt, aber sie engagierten sich nicht viel für den Autoren. Sein Roman Aphrodite aus dem Jahr 1896, der vom Leben der Kurtisanen im alten Alexandria berichtete, brachte ihn Ruhm. Durch jenes Werk wurden die Leser auf seine früheren Werke aufmerksam, aber obwohl der Bilitis-Schabernack aufgedeckt wurde, schadete es seinem Ruf nicht.
Obwohl Louÿs nicht schwul war, war er mit Andre Gide und Oscar Wilde befreundet, deren sexuelle Orientierung bekannt war. Indem er Texte schrieb, die vorgaben, alt zu sein, wußte Louys, dass ihm erheblich mehr Freiheit im Erotizismus erlaubt war, als normalerweise in den 1890er Jahren gebilligt wurde. Debussy, inzwischen ein enger Freund von Louÿs, muss dem zugestimmt haben, aber als er die Gedichte für seine Vertonung auswählte, tendierte er dazu, für die Öffentlichkeit akzeptable Texte auszuwählen. 1897 begann er die Arbeit an den Chansons de Bilitis; er komponierte Musik zu dreien von ihnen, die er zu einem Gesangszyklus formte.
Im Jahre 1899 heiratete Debussy das Mannequin Marie Rosalie “Lily” Texier, die bis über beide Ohren in ihn verliebt war. Unter den anwesenden Künstlern waren Louÿs und der Komponistenkollege Erik Satie. Fünf Jahre später verließ sie den Komponisten und unternahm einen Selbst-mordversuch, genauso wie Gabrielle Dupont bereits vor ihr getan hatte.
Zu jener Zeit arbeitete Debussy sowohl an der Begleitmusik für die Chansons als auch an seiner neuen Oper, Pélleas et Mélisande. Maurice Maeterlinck, der die Ausgangsgeschichte schrieb und am Opernlibretto arbeitete, wünschte, dass seine Mätresse Georgette Leblanc Mélisande singen sollte, aber Debussy wollte, dass die Rolle an Mary Garden ging, die auf der Bühne atemberaubend war. Maeterlinck schrieb in der Zeitung Le Figaro, dass er die Hoffnung habe, dass die Oper ein alles übertreffender Misserfolg werden sollte. Möglicherweise jedoch motivierte gerade diese Veröffent-lichung weit mehr Leute, das Werk zu preisen. Im Jahre 1902 wie auch in der nächsten Saison war die Oper ein großer Erfolg.
Ein Gesangszyklus aus drei Chansons de Bilitis wurde zunächst am 17. März 1900 aufgeführt. Louÿs schrieb einen Dankesbrief an Debussy, in dem sagte, dass das, was er mit den Gedichten angestellt habe, ihm grosse Freude bereitet habe. Später im selben Jahr sprach Fernand Samuel, Leiter des Théâter des Variétés, mit Louÿs über einen Vortrag weiterer seiner Gedichte, die auch eine Pantomime beeinhalten sollte. Debussy schlug vor, zum Zwecke jener Aufführung die Partitur zu erweitern. Ein Jahr später hatte er die Be-gleitmusik zur Untermalung zwölf weiterer Gedichte komponiert und orchestriert.
Die Aufführung der Chansons de Bilitis im Jahre 1901 setzte lebende Bilder und Begleitmusik von Debussy ein. In dieser Partitur nutzte er Gedichte aus allen drei Teilen der Chansons. Von Bucoliques en Pamphylie setzte er das Chant pastorale (Hirtenlied), Les comparaisons (Vergleiche), Les contes (Erzählungen), ein weiteres Gedicht namens Chanson, La partie d’osselets (Das Astragalenspiel) und Bilitis.
Aus dem zweiten Teil Elegies Mytilènes verwendete er nur Le tombeau sans nom (Der namlose Grab), aber aus dem letzten Teil, Epigrammes dans l’île de Chypre, nutzte er Les courtisanes égyptiennes, L’eau pure du bassin (Das reine Wasser des Beckens), La danseuse aux crotales (Die Tänzerin mit Kastagnetten), Le souvenir de Mnasidica und La pluie au matin (Regen am Morgen).
Die Aufführung wurde gut aufgenommen, aber von nur einer Zeitung rezensiert. Leider erlitt dieses reizende Werk das Schicksal so vieler neuer Werken: Eine weitere Aufführung gab es so schnell nicht, und es wurde auch nicht Bestandteil des Kernrepertoires.
1903 Debussy wurde zum Chevalier de Legion d’Honneur ernannt, und es hatte den Anschein, als sei er endlich ein anständiger Bürger geworden war, nachdem er einige Jahre vorher Lily Texier geheiratet hatte. Dieser Eindruck hielt allerdings nicht an. 1904 verließ er Lily wegen Emma Bardac, Ehefrau eines Bankiers, die ihm eine Tochter gebar. Sie flohen nach England, wo sie so lange blieben, bis ihre rechtlichen Probleme gelöst waren und sie nach Frankreich zurückkehren durften. 1908 heirateten sie und blieben für den Rest von Debussys Lebens zusammen. Bis zu jener Zeit aber fiel sein Kompositionsstil in Ungnade, und viele seiner Werke wurden von den enorm einflussreichen Werken Igor Stravinskis überschattet.
Obwohl er oft als Impressionist bezeichnet wird, wäre der Begriff des musikalischen Symbolisten genauer. Debussy nutzte Klänge, um Gefühle und emotionale Empfindungen bei seinen Zuhörern zu erwecken. Er verbrachte viel Zeit auf der Suche nach einer neuen musikalischen Sprache, die aüßerste Aufmerksamkeit auf Klangfarbe und Rhythmus richtete. So schichtete er Klang auf Klang, nutzte dabei originelle Harmonien und das breitestmögliche Spektrum an Dynamik in der Erwartung, dass die daraus entstehenden Stücke direkt die Vorstellungskraft ansprechen. In Wirklichkeit bildet seine Musik die Brücke zwischen dem Romantizismus des späten neunzehnten und dem Modernismus des frühen zwanzigsten Jahrhunderts.
Debussy schuf die Musik zu Louÿs Chansons in seiner produktivsten Zeit. Sie wurde zeitgleich mit der Musik der Oper Pélleas et Mélisande komponiert. Beide Werke zeigen Debussy auf absoluter Höhe. Es wäre zu wünschen, dass die Chansons von einem weit grösseren Publikum gehört werden, so dass sie ihren eigenen Weg ins Pantheon großer französischer Kunst finden.
Übersetzung: Nancy Chapple

Aufführungsmaterial ist von Jobert, Paris zu beziehen.

Partitur Nr.

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