Doppel-Konzert für Klarinette oder Violine und Bratsche mit Orchester, op. 88
Bruch, Max
25,00 €
Preface
Max Christian Friedrich Bruch – Doppel-Konzert für Klarinette oder Violine und Bratsche mit Orchester, op. 88
(geb. Köln, 6. Januar 1838 – gest. Friedenau, 20. Oktober 1920)
I. Andante con moto p.1
II. Allegro moderato p.18
III. Allegro molto p.38
Komposition
1911
Erstveröffentlichung
Berlin: Rudolf Eichmann [Nachfolger von Simrock], 1942
Gewidmet dem Klarinettisten Max Felix Bruch, dem Sohn des Komponisten
Erstaufführungen
5. März 1912 in der Hafenstadt Wilhelmshaven, Deutschland und
3. Dezember 1913 an der Hochschule für Musik, Berlin
mit Max Felix Bruch (Klarinette) und Prof. Willy Hess (Bratsche)
Vorwort
Max Bruch war ein deutscher Komponist, der über 200 Werke schuf, insbesondere das bewegende Kol nidrei für Cello und Orchester, op. 47 und das erste seiner drei Violinkonzerte (Violinkonzert Nr.1 in g – Moll, op. 26, 1866), ein Grundstein des Repertoires für die Violine. Obwohl er rheinisch – katholisch erzogen war, verboten die Nazis von 1933-45 seine Musik als „entartet“ wegen seines Namens, seiner berühmten Vertonung einer Melodie aus dem jüdischen Yom Kippur und seinen unveröffentlichten Drei Hebräische Gesänge für gemischten Chor und Orchester (1888). Als Erwachsener konvertierte Bruch zum Protestantismus, und er war der Enkel des berühmten evangelischen Geistlichen Dr. Phil. Christian Gottlieb Bruch (1771-1836).
Ebenso war Bruch ein erfahrener Kompositionslehrer, der von 1892 bis 1911 an der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin lehrte. Ralph Vaughan Williams, der britische Komponist, war einer seiner Studenten; er schilderte seinen Lehrer als einen stolzen und einfühlsamen Mann. Bruch widersetzte sich aktiv den musikalischen Trends seiner Zeit, die durch Liszt und Wagner geprägt waren, und entwickelte sein eigenes musikalisches Konzept in Anlehnung an Mendelssohn und Schumann. Seine Konzerte haben strukturelle Eigenschaften mit Mendelssohns Violinkonzert in e – Moll gemein, sie verzichten auf die Exposition des ersten Satzes und verbinden zahlreiche Sätze. Unter seinen bleibenden Beiträgen zur Kammermusik zählen die Werke, die er für seinen Sohn Max Felix schrieb, einen Klarinettisten.
Kind seiner Zeit
Bruch wurde gemeinsam mit Johannes Brahms, Georges Bizet und vier der fünf Komponisten der Russischen Fünf oder des „Mächtigen Häufleins“ (Могучая кучка) im gleichen Jahrzehnt geboren. Mit 14 Jahren (1852) erhielt der den Mozart-Preis der in Frankfurt ansässigen Mozartstiftung, der ihm ein Studium beim Virtuosen Ferdinand Hiller erlaubte.1858 zog er nach Leipzig und arbeitete später u.a. in Mannheim (1862-1864), Koblenz (1865-1867) und Sondershausen (1867-1870).
Seit seinen frühen zwanziger Jahren wurde Bruch mit Kompositionsaufträgen für Chor, Orchester und Sopran – Solo betraut, wie z.B. das Jubilate Amen, op. 3 (1858) und Die Birken und die Erlen, op. 8 (Waldlieder für Männer – und Frauenchor mit Solisten, 1859). Er folgte dem Rat seines Lehrers Hiller und plante für das frühe Jahr 1858 eine Reise nach Leipzig. Mit seinem Konservatorium, dem Gewandhaus-Orchester, den international respektierten Verlegern Senf, Kistner und Breitkopf & Härtel war die Stadt ein kulturelles Zentrum von beachtlicher Strahlkraft. Obwohl das Gewandhaus zu jener Zeit von Julius Rietz geleitet wurde, beherrschte der Einfluss Mendelssohns und Schumann nach wie vor das musikalische Leben der Stadt.
Nach seiner Ankunft in Leipzig befreundete sich der junge Komponist mit Ferdinand David, dem Leiter des Gewandhausorchesters, Solist von Mendelssohns Violinkonzert und Lehrer von Joachim. Diese Freundschaft führte dazu, dass David und sein Kollege Friedrich Grützmacher, der erste Cellist des Hauses, die Erstaufführung von Bruchs Klaviertrio op.5 bestritten. Breitkopf und Härtel nahmen Bruch unter Vertrag und veröffentlichten in den nächsten fünf Jahren sein Opp. 3-5, 7-15 und 17. Sein Violinkonzert in g – Moll entstand 1866 und wurde von Joachim grundlegend überarbeitet und schuf damit die Grundlage des Erfolgs der Komposition.
Hauptwerke
Während seines gesamten Lebens schätzte man Bruch als den Schöpfer grossformatiger Oratorien, die hauptsächlich von den politischen Ereignissen in Preussen inspiriert waren, die zur Vereinigung von Deutschland (1871) führten, für die Bruch vehement eintrat. Die Themen seiner Oratorien konzentrierten sich auf nationale Führerpersönlichkeiten als Rollenmodelle (der griechische Odysseus, die Deutschen Arminius und Gustav Adolf und den biblischen Moses).
Der Höhepunkt seiner Laufbahn fällt zusammen mit der Annahme seiner Anstellung in Bremen im Jahr 1870. Hier schuf er zwei Kantaten für Frauenstimmen op. 31 (1870, Die Flucht nach Egypten und Morgenstunde), Normannenzug, op. 32 (nach einer Ballade von J. V. von Scheffel, für Unisono Männerstimmen und einen Bariton – Solisten, 1870), drei Sätze für Messen op. 35 (Kyrie, Sanctus, Agnus Dei, 1870) für zwei Sopran – Solisten und gemischten Chor mit Orchester, die Vertonung des gesamten Das Lied von der Glocke, op. 45 (nach Schiller, 1872) und seinen grössten Berliner Erfolg Odysseus: Szenen aus der Odyssee, op. 41 (für Solisten und gemischten Chor nach einem Text von W.P.Graff, 1872).
Bruch hatte zahlreiche prestigeträchtige Stellen inne, dirigierte die Liverpool Philharmonic (1880-1883, die ihn zu seinem Oratorium Achilleus anregten) und leitete bedeutende Konzertaufführungen in Berlin und anderen norddeutschen Städten. Er unternahm eine Konzertreise nach Amerika (während der er an der Partitur von Achilleus arbeitete) und dirigierte Gesangsvereine. Auch schuf er weiterhin Werke für Männerchöre (Kriegsgesang, op. 63 and Leonidas, op. 66, 1894-1896) und gemischte Chöre (über 20 weitere Werke in Deutschland ab den 1870er Jahren bis zu seinem letzten Chorwerk Trau- erfeier für Mignon, op. 93, vollendet 1819 nach Goethe).
Bruch und die Klarinette
Wie Brahms kam auch Bruch erst spät in seinem Leben zur Klarinette. Er war bereits in seinen Siebzigern, und seine Entlassung in den Ruhestand von seinem Posten an der Fakultät der berühmten Berliner Hochschule für Musik stand kurz bevor, als er seine Acht Stücke für Klarinette, Bratsche und Piano op. 83* schrieb, kurz darauf gefolgt vom Doppelkonzert für Klarinette und Bratsche, op.88. Bruch wie auch Brahms schrieben für die Klarinette in A (statt in B) wegen deren reicherem Ton. Und wie Brahms – und vor ihm schon Mozart – entsprang auch Bruchs Inspiration, für die Klarinette zu schreiben, dem Kontakt mit einem einzigen aussergewöhnlich begabten Klarinettisten: Brahms und seine Zeitgenossen arbeiteten mit Richard Mühlfeld (1856–1907) vom Meininger Hoforchester zusammen, Bruch mit seinem nur 25 Jahre alten Sohn Max Felix Bruch (1884-1943), der gerade am Anfang seiner Karriere als Berufsmusiker und Dirigent in Hamburg stand. Ausgebildet von seinem Vater an der Berliner Hochschule, wurde Max Felix später der Repräsentant der internationalen Grammophon Gesellschaft.
Doppelkonzert
Im Opus 88 kann man einem vertrauten Gespräch zwischen den beiden Altinstrumenten lauschen. Die melodienselige und opulente romantische Komposition zitiert Bruchs frühere Melodienschöpfungen und volksliedhafte Strukturen aus seinen frühen Suiten. Der Komponist war bereits 73 Jahre alt, als die Erstaufführung vor einem Publikum stattfand, dass eher dem modernistischen Experiment zugeneigt war: Die Erstaufführung von Le Sacre du Printemps explodierte in der Pariser Konzertszene nur zwei Monate nach der Premiere des Doppelkonzerts. Die Allgemeine Musikzeitung beschrieb das Werk als (No. 50, 1913) harmlos, schwach, wenig aufregend, vor allem aber zu zurückhaltend, in seiner Wirkung unoriginell und ohne jeden meisterlichen Wurf. Für einen selbsternannten „traditionalistischen“ Komponisten und Kompositionsprofessor, der die Kammermusik Mendelssohns und die Eleganz der deutschen Romantik auf seine Fahnen geschrieben hatte, musste diese Kritik ihr Thema verfehlt haben.
Bruch hoffte, dass seine späten Werke für Klarinette in einer Linie mit dem Stil seiner wohlbekannten und oft gespielten Violinkonzert Nr.1 in g – Moll gehört würden, dass mehr als 50 Jahre zuvor entstand. Bis zum Ende seiner Karriere verteidigte Bruch kompromisslos seine romantische Kunstauffassung, und sein Verhalten führte zu heftigen Auseinandersetzungen mit den bedeutendsten Komponisten seiner Zeit, Wagner, Liszt, Reger und insbesondere Richard Strauss, der es zuliess, dass Bruchs Musik während der frühen 1940er Jahre verboten wurde.
Bruchs geniale, aber subtile Orchestrierung schreitet von 14 zu 21 begleitenden Stimmen innerhalb von drei Sätzen voran, bis sie schließlich mit der vollen Besetzung der Holzbläser, vier Hörner, zwei Trompeten, Streicher und Schlagwerk auftrumpft. Der Komponist schuf ebenso eine alternative Fassung für Violine (statt der Klarinette) und einen Klavierauszug und setzte auch seine Praxis fort, seine grossformatigen Werke für Kammermusik zu adaptieren.
Die Form des Konzerts ist ungewöhnlich, es beginnt mit einem recht langsamen Satz mit kaskadierenden Arpeggios, schreitet zu einem etwas schnelleren Satz fort und endet mit einem kraftvollen, troisch verstärkten Allegro molto. Die dramatischsten Passagen scheinen sich am Anfang des Stücks abzuspielen, als zuerst die Bratsche, dann die Klarinetten sich selbst vorstellen: Bruch meinte dies als strukturelles Echo auf den ersten Auftritt von Cello und Violine in Brahms Doppelkonzert. Das zweite Thema im zweiten Satz zitiert den ersten Satz aus Bruchs Suite Nr.2 für Orchester (Nordland Suite, 1906, WoO).
Gemeinsam mit Prof. Willy Hess, einem deutschen Violinvirtuosen und Professor für Violine und Bratsche an der Berliner Hochschule für Musik war Bruchs Sohn der Solist der Erstaufführung. Hess war als Meisterschüler bei Joseph Joachim, einem herausragenden Virtuosen und frühen Kollegen des Komponisten, in die Lehre gegangen. Von 1904 bis 1910 war Hess Konzertmeister des Boston Symphony Orchestra, aber er kehrte auf Bruchs Bitte im Jahre 1910 nach Berlin zurück, um der Hauptlehrer für Violine an der Hochschule für Musik zu werden. Er beriet Bruch bei seinen Vertonungen für Streicher in dessen späten Partituren und spielte auch die Premiere des Konzertstück für Geige und Orchester, op. 84. Während der Weimarer Republik arbeitete er mit vielen Koryphäen der modernen Musik zusammen, und die Berliner Hochschule wurde zum Zentrum für die Internationale Musikszene.
Veröffentlichungen und Quellen
In der Universitäts-und Stadtbibliothek Köln befindet sich die autographe Partitur des vorliegenden Werkes auf Microfiche. Vom originalen Manuskript dachte man, dass es verloren sei, aber es tauchte auf einer Auktion in London wieder auf und ist heute Bestandteil des Max-Bruch-Archivs an der Musikwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Die Autographe von Bruchs Klavierauszug und die Solostimmen gelten nach wie vor als verschollen. Viele von Bruchs handschriftlichen Partituren, Briefe und Fotografien sind Teil des Familienarchivs der Familie Zanders in der Villa Anders in Bergisch Gladbach. Diese Materialen waren ein Geschenk an Maria Anders und deren Familie als Zeichen des Danks für den wiederholten Gebrauch ihrer Sommerresidenz Igeler Hof als Feriendomizil.
Der Herausgeber der ersten Orchesterpartitur Otto Lindemann nahm mit einem grünen Stift bedeutende Änderungen in Bruchs Manuskript vor: Die Änderungen überlebten und finden sich in den gedruckten Fassungen für Orchester wie auch in der Klavierpartitur wieder. Da es seit vielen Jahren nicht möglich war, Aufführungsmaterial für dieses Werk zu leihen oder zu kaufen, schuf der Klarinettist Nicolai Pfeffer eine revidierte Fassung der Orchesterstimmen, eine neue Urtext Edition der Partitur (2010) und eine neue Klavierpartitur ( 2008), basierend auf dem Vergleich des Autographs mit dem Originaldruck von 1942: diese sind bei der Edition Peters zu erhalten. Oliver Seele veröffentlichte ebenfalls eine neue Version der Orchesterpartitur im Jahre 2011.
Christopher Fifields Max Bruch: His Life and Works (Boydell, 1988, wiederveröffentlicht 2005) ist die einzige umfassende dokumentarische Biographie von Bruch. Hier finden sich in englischer Sprache musikalische Analysen aller seiner veröffentlichten Werke, darunter alle Konzerte, drei deutsche Opern und zahlreiche Oratorien. Dies ist die beste Quelle für eine Diskussion von Bruchs Briefen und anderen zeitgenössischen Quellen, die seinen Rang innerhalb der lebendigen Musikkultur seiner Zeit belegen.
Die detaillierte Biographie Richard Mühlfeld: der Brahmsklarinettist (Balve: Artivo Music Publishing, 2007) von Maren Goltz, Herta Müller, und Christian Mühlfeld liefert zahlreiche Details über die Rolle der Klarinette in der romantischen Musik.
©2016 Laura Stanfield Prichard, San Francisco Symphony
*Acht Stücke für Klarinette, Bratsche und Klavier oder Violine, Violoncelle und Klavier, Badin/Leipzig: N. Simrock, 1910. Erstveröffentlichung in acht getrennten Bänden.
Aufführungsmaterial ist von Simrock, Berlin, zu beziehen.
Score Data
Edition | Repertoire Explorer |
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Genre | Solo Instrument(e) & Orchester |
Format | 210 x 297 mm |
Druck | Reprint |
Seiten | 86 |