Bargiel, Woldemar

Alle

Bargiel, Woldemar

Overture for a Tragedy, Op. 18 for orchestra

Art.-Nr.: 1769 Kategorien: ,

23,00 

Woldemar Bargiel
(geb. Berlin, 3. Oktober 1828 – gest. Berlin, 23. Februar 1897)

Ouvertüre zu einem Trauerspiel op. 18

Vorwort
Als Halbbruder von Wieck-Schumann und Schwager von Robert Schumann war Woldemar Bargiel schon immer Teil von Schumanns künstlerischem Kosmos. Zu jener Zeit, als man noch über ihn schrieb, bezeichneten manche den Komponisten als einen Epigonen – vergass darüber jedoch, dass sein früher Stil nicht nur vom „verehrten Schwager“ inspiriert war, wie er Schumann in seinen Briefen nannte, sondern auch von Beethoven, Bach, Mendelssohn und Schubert. In späteren Jahren bewegte sich seine musikalische Sprache in Richtung von Brahms und wurde klassischer. Als konservativer Tonschöpfer überschritt er die selbst auferlegten stilistischen Grenzen nicht, aber was musikalische Form und Idee betrifft, war er immer erfindungsreich, und es stellen seine Kompositionen beachtliche künstlerische Leistungen dar. Tatsächlich ist es angemessen, in ihm einen der besten deutschen Komponisten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zu sehen. Als Bühnenmusiker galt seine Widmung der Musik von Johann Sebastian Bach und anderen früheren Meisterwerken, was ihn dem Neoklassizismus annäherte und gegen Einflüsse der Spätromatik immun machte.

Woldemar Bargiel wurde in Berlin am 3. Oktober 1828 geboren. Seine Mutter Mariane (geborene Tromlitz) war mit Friedrich Weck verheiratet, liess sich jedoch von ihm scheiden und heiratete Adolph Bargiel, einen Lehrer für Klavier und Gesang. Als Wiecks Tochter Clara Robert Schumann am 12. September 1840 heiratete, wurde Woldemar der Schwager des Komponisten. Clara war neun Jahre älter als ihr Bruder, aber die Geschwister sollte eine lebenslange enge Beziehungen verbinden, ebenso wie Claras Mann Robert Schumann Bargiels musikalische Entwicklung förderte.

1846 begab sich Bargiel auf Empfehlung Mendelssohns zum Studium an das Leipziger Konservatorium; dort waren seine Lehrer Moritz Hauptmann, Ferdinand David, Ignaz Moscheles, Julius Rietz und Niels Gade. Der für sein Abschlusskonzert am 20. Dezember 1849 geschreibene erste Satz eines Oktetts, aufgeführt von Joseph Joachim, erregte grosse Aufmerksamkeit. Dieses Ereignis war der Auftakt einer lange währenden Freundschaft zwischen dem Komponisten und dem Geiger und markierte gleichzeitig die Aufnahme Bargiels in den Kreis junger Komponisten, der sich um Robert Schumann gebildet hatte. Schumann erwähnte Bargiel in „Neue Bahnen“ in der Neue Zeitschrift für Musik im Oktober 1853, einem Artikel, der berühmt wurde, weil er der Startschuss für Brahms war: „Viele neue, bemerkenswerte Talente waren aufgetaucht, eine neue musikalische Kraft schien sich anzukündigen … ( Vor allem habe ich hier im Sinn: Joseph Joachim, Ernst Naumann, Ludwig Norman, Woldemar Bargiel )“.

Bargiel kehrte 1850 nach Berlin zurück, wo er als Lehrer arbeitete, während sein Ruf als Komponist wuchs. In dieser Periode veröffentlichte er mehr als die Hälfte seiner 49 Werke mit Opuszahlen, darunter zahlreiche Orchesterwerke, Kammermusik und Klavierstücke. 1859 berief ihn Friedrich Hiller in das Kollegium des Kölner Konservatoriums. Im Jahr 1865 kündigte Bargiel diese Anstellung, um Direktor und Chefdirigent der Rotterdamer Musikschule zu werden. Dieser Schritt war möglich geworden durch eine Empfehlung von Hermann Levi nach einer erfolgreichen Aufführung der Ouvertüre zu Medea. In den Niederlanden leitete Bargiel zahlreiche Erstaufführungen, darunter 1870 die von Bachs Johannespassion. 1874 akzeptierte er einen Posten an der renommierten Hochschule für Musik in Berlin, damals unter ihrem Gründer Joseph Joachim eine eine Institution von grosser Ausstrahlungskraft.

In Berlin leitete er eine Meisterklasse mit zahlreichen Studenten, die später zu bekannten Komponisten heranreifen sollten, darunter Waldemar von Baussnern, Leo Blech, Leopold Godowsky, Alexander Ilyinsky, Paul Juon und Peter Raabe. Bargiel wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt: so war er Ehrenmitglied des Maatschappij tot Bevordering der Toonkunst in Amsterdam und der Società del quartetto coralo in Mailand. Er schrieb Musik zum Geburtstag von Kaiser Wilhelm I und wurde 1883 und 1886 mit dem Roten Adlerorden dritter und vierter Klasse dekoriert.

Bargiels Orchesterwerke sind von durchweg hoher Qualität. Bei den Zeitgenossen waren seine Kompositionen beliebt, und die Musikenzyklopädien um 1870 zählen ihn zu einem der prominentesten Komponisten seiner Tage.

Die Konzertouvertüre nach Beethoven und Mendelssohn blieb ein autonomes, oftmals programmatisches Genre, das schon auf das symphonisches Gedicht vorausweist. Bargiels Ouvertüren waren zu seinen Lebzeiten die am meisten aufgeführten Stücke aus seinem Werkkatalog. Geschrieben ausschliesslich für die Konzertbühnen handelt es sich um Symphonien en miniature in Sonatenform und kreisen um tragische, heroische und epische Themen – und nur im Falle der Medea-Ouvertüre stand der Titel schon vorher fest.

Das wichtigste Konzert in Bargiels früher Karriere war die Aufführung der Ouvertüre zu einem Trauerspiel op. 18. Julius Rietz dirigierte das Werk im Leipziger Gewandhaus am 2. Dezember 1858. Der ursprüngliche Titel lautete Ouvertüre zu Romeo und Julia, er wurde jedoch vor der Veröffentlichung im Jahr 1859 revidiert: die leidenschaftliche Liebesgeschichte Shakespeares passt nicht zum emotionalen Inhalt der Musik.

1859 schrieb Hans von Bülow:„Mit seinen jüngsten Werken (wir erinnern uns an die edle „Ouvertüre zu einer Tragödie“, obwohl gewisse Ähnlichkeiten zu Schumanns Manfred nicht geleugnet werden können), kann Bargiel den höchsten Rang unter Schumanns Anhängern nach Joseph Joachim für sich beanspruchen.“2

Verglichen mit Schumanns Manfred kann man erkennen, dass es Bargiels Ouvertüre gelingt, eine beeindruckende thematische und motivische Entwicklung mit weit einfacheren Mitteln zu kreieren. In der langsamen Einleitung benutzt er gleichermassen den Halbtonschritt als seufzendes Motiv zwischen rastlosem Verlangen und Resignation. Die Motive sind farbenprächtig orchestriert, und die melodischen Phrasen sind voller. Das Hauptthema des Allegro beginnt in dunklen Regionen, erhebt sich aber in beachtliche Höhen. Das zweite Thema hat seinen ganz eigenen Reiz, und der musikalische Fortschritt wird trotz Chromatik vorangetragen durch energische, fast tanzartige Impulse und geradlinige Harmonien. In der Durchführungssektion gleiten die Motive, die dem Hauptthema entliehen sind, hinein und hinaus wie Wellen, unterbrochen durch kurze, nervöse Nebenbemerkungen, bis eine vorgetäuschte Reprise sich über unsicherem Gebiet in c – Moll entfaltet. Dieser Moment führt zur tatsächlichen Reprise in e – Moll, der Haupttonart der Ouvertüre. Schliesslich artikuliert sich der Tod des Helden kraftvoll durch abfallende Skalen, die in einem Echo verklingen.

Als Orchesterkomponist konnte Bargiel mit klaren und originellen Sonatatenform-Strukturen die Lücke schliessen, die Schumann nach seinem Tod hinterliess. Seine drei gedruckten Ouvertüren zeigen eine Vielzahl von Einflüssen, und seine Symphonie nähert sich an Haydn an. Da zwei Drittel seiner Werke zwischen 1848 und 1864 entstanden, kann man ihn zu Recht als einen Repräsentanten der Mitte des 19. Jahrhunderts sehen, das zwischen zwei Epochen vermittelte. Sein pluralistischer Stil ist weder abgeleitet noch eklektisch, sondern eine raffinierte und vielgesichtige Kombination musikalischer Stile in einer Übergangszeit.
Dean Cáceres, 2016

Tonaufnahme: Woldemar Bargiel, Complete Orchestral Music, Vol.1, Toccata Classic

1 (Allgemeine musikalische Zeitung, Neue Folgen, No. 1, 4. Januar 1865)
2 Hans von Bülow, Briefe und Schriften, Vol. 3: Ausgewählte Schriften, 1850–1892, Breitkopf & Härtel, Leipzig, 1896; 2nd edn. 1911, p. 342.

Aufführungsmaterial ist von Boosey und Hawkes, Berlin, zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtischen Bibliotheken, Leipzig.

Partitur Nr.

Edition

Genre

Seiten

Format

Druck

Nach oben