Overture in D Major, (rev. by Pierre Salzmann / score and parts)
Seixas, Carlos
25,00 €
Preface
Carlos Seixas – Ouvertüre in D-Dur
(geb. Coimbra, 11. Juni 1704 – gest. Lissabon, 25. August 1742 )
rev. Fassung von Pierre Salzmann
Vorwort
Nach Quellen aus dem 18. Jahrhundert war Jose Antonio Carlos Seixas einer der fruchtbarsten Komponisten Portugals. Wenn man den Aussagen der Zeitgenossen trauen kann, schrieb Seixas mehr als 700 Sonaten und Toccaten für Tasteninstrumente sowie zahllose Orchesterstücke und sakrale Vokalmusik. Leider gingen während der grossen Feuersbrunst in Lissabon im Jahre 1755 viele der authentischen Manuskripte des Komponisten sowie biographische Informationen verloren. Aus seinem vermuteten enormen Oeuvre sind nur 88 Sonaten für Tasteninstrumente, drei Orchesterouvertüren und fünf Chorwerke erhalten.
Obwohl Seixas, wenn überhaupt, nur sehr selten auf reisen war, reflektiert die vorliegende Ouvertüre seine Begegnung mit den zahlreichen musikalischen Stilen Europas. Durch seine Verarbeitung von Einflüssen aus Frankreich, Italien, Öster-reich, Spanien und seiner Heimat Portugal steht Seixas stellvertretend für den kulturellen Austausch innerhalb Europas. Komponisten, Musiker und Musikbegeisterte begaben sich damals auf die Grosse Reise durch die kosmopolitischen Zentren, um die musikalischen, künstlerischen und kulturellen Unterschiede zwischen den Ländern kennenzulernen. Obwohl diese Kavalliersreise – so nannte man diese damals übliche Sitte – nicht durch die iberische Halbinsel führte, versorgte die Musik von Seixas den königlichen Hof mit einem Geschmack dieser Reise.
Geboren 1704 im portugieschischen Coimbra als Sohn eines musikalischen Vaters, übte das reiche und übersprudelnde musikalische Leben um das Kloster von Santa Cruz seinen gewichtigen Einfluss auf den jungen Seixas aus. Schon in frühen Jahren wurde er als Wunderkind an den Tasteninsturmenten gehandelt. Bereits mit 14 Jahren trat er die Nachfolge seines Vaters als Organist an der Kathedrale von Coimbra an, nur wenige Tage nach dessen Tod. Im Jahr 1720 – Seixas war nun 17 Jahre alt – zog er nach Lissabon, um eine neue Stellung am Hofe von Johann V von Portugal als Hoforganist und Cembalist an der königlichen Kapelle anzutreten, der Basilika des Patriarchen. Seine Eleganz und die Vitalität an den Tasteninstrumenten machten ihn zum beliebten Lehrer vieler adligen Familien, darunter der Familie von Luís Xavier Furtado de Mendonça, dem Viscount von Barbacena. Seixas gab dessen Frau und den Töchtern musikalischen Unterricht im Austausch gegen künstlerische Protektion. In Lissabon traf der Komponisten den italienischen Tonschöpfer Domenico Scarlatti, der damals zwischen 1719 und 1728 als Direktor der Hofkathedrale angestellt war. In einem Bericht von José Mazza seinem Diccionario biographico de Musicos portugueses e noticia das suas composições von 1780 berichtet er, dass des Königs Bruder Dom António arrangierte, dass Scarlatti Seixas Unterricht am Cembalo gebe. Scarlatti, der das Talent seines Schülers sofort erkannte, erwiderte: „Er sollte mir Unterricht geben”. Seixas starb an rheumatischem Fieber im Jahre 1742 und wurde in der Santa Maria Basilica in Lissabon beigesetzt.
Eines der drei überlieferten Orchesterwerke des Komponisten ist die Ouvertüre in D-Dur, übersetzt aus dem Portugiesischen “Abertura em Re Major.” Im Frankreich des 17. Jahrhunderts hatte die Ouvertüre sich zu einer neuen, standardisierten Form innerhalb der Ballette und Opern von Jean-Baptiste Lully entwickelt. Die französische Ouvertüre bestand aus zwei Abteilungen, einer langsamen ersten Sektion, charakterisiert durch ihren punktierten Rhythmus, gefolgt von einem lebhaften Satz, gewöhnlich einer Fuge. An der Wende zum 18. Jahrhundert sollte dieser Standard durch die neuere italienische Ouvertüre ersetzt werden, ein dreisätziges Instrumentalstück, das Alessandro Scarlatti popularisierte.
Seixas Ouvertüre folgt dem italienischen Vorbild mit den drei Sätzen schnell – langsam – schnell -, jedoch verschmilzt er sie mit dem französischen Stil durch kontrastierende rhythmische Sektionen im ersten Satz. Die erste Hälfte des Satzes, bezeichnet als Staccato (Grave), ähnelt durch seine punktierte Rhythmik dem Vorbild Lullys. Es folgt eine schnellere, energischere Sektion, allerdings wird die Fuge ausgelassen. Die Ouvertüre verzichtet auf die aus dem 17. Jahrhundert tradierte kontrapunktische Komplexität. Stattdessen bleibt sie im Großen und Ganzen im Tonikaraum D-Dur und bei der Dominante A-Dur, mit kleineren Bewegungen ausserhalb der tonalen Zentren. Nach der rhythmischen und melodischen Rückkehr zum prächtigen Anfang des Werks scheint es, als solle das Stück auf der noblem D-Dur Tonika enden, bevor Seixas den Zuhörer mit einer Wende zur Dominante überrascht, um auf diese Weise den Satz mit einer Halbkadenz zu beschliessen. Diese Halbkadenz macht neugierig auf den Rest des Werks und hilft dem Zuhörer, seine Aufmerksamkeit nicht wandern zu lassen.
Harmonisch wagemutiger beginnt der zweite Satz Andante in der gleichnamigen Molltonart der Ouvertüre d- Moll mit einem Ensemble aus Streichern und Hörnern. Das Horn, ursprünglich ein Grundpfeiler der österreichischen Musik, wurde in die italienische Oper eingeführt nach der Besetzung der italienischen Gebiete durch die Österreicher nach dem Spanischen Erbfolgekrieg. Schnell verlässt Seixas die Tonart d-Moll während einer chromatischen Progression hin zur Dominate A-Dur. Statt jedoch in die Tonika zurückzukehren dient der Ton A dazu, sanft von A-Dur nach F-Dur zu schwenken. Die neue Tonart erlaubt, die Hornsektion in den Vordergrund zu stellen, denn Hörner konnten wegen des fehlenden Bogens und vor der Entwicklung der modernen Ventilvariante, die einen grösseren Tonumfang ermöglichte, nur in ein oder zwei Tonarten intonieren. Die zweite Hälfte des zweiten Satzes ist eine Siciliana—ein langsamer, rhythmischer Tanz im 6/8-Takt, locker verwandt mit Sizilien und angelegt in ländlicher Stimmung. Auch dieser Satz endet mit einer Halbkadenz.
Der dritte Satz, ebenfalls eine Tanzform, ist ein Menuett in binärer Form, wie die Wiederholungszeichen in der Partitur besagen. Der Tanz besteht aus den zwei Sektionen A und B. In binärer Form wird jeder Abschnitt einmal wiederholt und verleiht der Struktur eine Geschlossenheit und Stabilität, die man im mittleren 18. Jahrhundert ästhetisch als angenehm empfand. In harmonischer Hinsicht weicht dieser Satz nicht wesentlich von den vorhergehenden ab, indem er mit geringfügigen Modulationen zwischen D-Dur und A-Dur pendelt. Die eher archaischen rhythmischen und harmonischen Formen der Sätze insgesamt setzen das Werk oft in Kontrast zu den modernen melodischen und harmonischen Charakteristiken im frühen und mittleren 18. Jahrhundert. Mit dieser Ouvertüre beweist Seixas sein ausserordentlich gründliches Verständnis der Entwicklungstendenzen der Musik im Europa des 18. Jahrhunderts, indem er überlieferte Rhythmen und Strukturen mit der galanten Ästhetik und Form verschmilzt.
Seixas’ Ouvertüre in D-Dur erschien in Portugaliae Musica, einer Sammlung mit Musik von 1600 bis 1800, da keine Manuskripte vorhanden waren. Sie ist besetzt mit Violinen, Bratsche, Violoncello, Kontrabass, zwei Oboen, zwei Hörner in F-Dur, zwei Trompeten in C-Dur und Schlagwerk.
Alexandra Burkot, 2016
Aufführungsmaterial ist von Musikproduktion Höflich (www.musikmph.de),München, zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.
Score Data
Edition | Repertoire Explorer |
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Genre | Orchester |
Format | 225 x 320 mm |
Druck | Reprint |
Anmerkungen | Set Partitur & Stimmen |
Seiten | 90 |