Concert pour le Violon Op. 46
Rubinstein, Anton
21,00 €
Preface
Anton Rubinstein
Konzert für Violine und Orchester in G-Dur op. 46
(geb. Vychwatine, 28. November 1829 – Peterhof bei St. Petersburg, gest. 20. November 1894 in)
Moderato assai p.3
Andante p.26
Moderato assai p.35
Vorwort
Ähnlich der deutschen Musikgeschichte lässt sich auch in der russischen Kunstmusik des 19. Jahrhunderts eine Parteienbildung feststellen: Das sogenannte Mächtige Häuflein unter anderem um Modest Mussorgskij und Nikolai Rimskij-Korsakow, die sich in der Tradition Michail Glinkas um eine eigenständige russisch-nationale Musik bemühten, sowie die als Westler bezeichnete Gruppierung zu der die Brüder Anton und Nikolai Rubinstein, später auch Peter Tschaikowsky gehörten.1 Letztere orientierte sich stilistisch und gattungsbezogen an der westeuropäischen klassisch-romantischen Tradition.
Zu den wichtigsten Verdiensten Anton Rubinsteins gehörte die Professionalisierung des russischen Musiklebens, die den Anschluss an die westeuropäische Kunstmusik ermöglichte. Einen wichtigen Meilenstein bildete dabei die Gründung der Konservatorien in St. Petersburg und Moskau, woran die Brüder Rubinstein als Initiatoren und Impulsgeber bedeutend mitwirkten.2 Beide Institutionen entwickelten sich zu musikalischen Ausbildungsstätten von Weltrang, deren exzellenter Ruf bis heute ungebrochen ist.
Nicht nur in Russland hatte sich Anton Rubinstein bereits zu Lebzeiten ein beachtliches Ansehen erarbeitet. Als Komponist, Pianist und Dirigent wirkte er auch in Westeuropa und den USA.3 Neben Konzertreisen bekleidete er 1871/72 das wichtige Amt des Künstlerischen Direktors der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien,4 das schon damals als Welthauptstadt der Musik galt. Zeitlebens unterhielt er freundschaftliche Beziehungen zu berühmten Zeitgenossen des Musiklebens, darunter zu Franz Liszt und dem Violinvirtuosen Henryk Wieniawski5 ‑ Widmungsträger von Rubinsteins um 1857 entstandenem Violinkonzert in G-Dur op. 46, welches Gegenstand der vorliegenden Partiturausgabe ist.
Wie beim Großteil seiner Werke spiegelt sich im Violinkonzert op. 46 die Orientierung an der westeuropäischen Kunstmusik wider. So offenbart die formale Anlage, aber auch die Ausgestaltung der einzelnen Sätze, eindeutige Merkmale der Solokonzerttradition des 19. Jahrhunderts. Hierbei handelt es sich um eine Traditionslinie, die maßgeblich auf die Werke Ludwig van Beethovens zurückgeht und für die nachfolgenden Komponistengenerationen zum Vorbild und Maßstab wurde. Von der äußeren Form weist das Werk die für Solokonzerte im 19. Jahrhundert typische Satzfolge schnell – langsam – schnell auf. Ferner beruhen Kopf- und Finalsatz in wesentlichen Zügen auf Elementen der für die Klassik und Romantik charakteristischen Sonatenhauptsatzform.
Obwohl das Werk für einen Virtuosen – wie oben erwähnt für Henryk Wieniawski – geschrieben ist, kann es nicht dem Typus der sogenannten Virtuosenkonzerte zugeordnet werden. Bei dieser Konzertkategorie liegt der Fokus auf der Darbietung von Virtuosität, die sich in einer ausgeprägten Dominanz des Solisten äußert, während das Orchester eine lediglich begleitende und damit nachrangige Funktion einnimmt. Dabei treten Elemente, die sich weniger für virtuose Darbietungen eignen, in den Hintergrund; darunter der langsame Mittelsatz, der gerne kurz gehalten und als Einleitung für den Finalsatz genutzt wird, wo dem Solisten wiederum die Rolle zugedacht ist, mit hochvirtuosen Darbietungen zu brillieren.6
Rubinsteins Konzert weist hingegen vielfältige Merkmale des sinfonischen Konzerttypus auf, in dem sich Solist und Orchester als gleichrangige Partner gegenüberstehen und zum Teil miteinander verwoben sind. Dies wird bereits zu Beginn deutlich: Schon nach 24 Takten greift die Solovioline in die Orchesterexposition ein und es entwickelt sich ein Dialog zwischen Solist und Orchester, der im Vortrag des Hauptthemas durch die Solovioline mündet. Dass die Orchesterexposition um das Seitenthema verkürzt ist und dieses somit der Soloexposition vorbehalten bleibt, gibt dem Soloinstrument zwar einen größeren Raum zur Entfaltung, allerdings ohne das Orchester zu verdrängen. Vielmehr ergänzen sich mitunter Solovioline und Orchester bei der Melodieführung gegenseitig. Zugleich gelingt es dem Komponisten durch geschickte Formabweichungen dem Werk seine individuelle Handschrift zu verleihen. Mit dem Hervortreten der Klarinette mit solistischen Passagen kommen auch im Finalsatz die Merkmale des sinfonischen Konzerttypus zum Ausdruck.
Im gesamten Werk ist der Charakter der Solovioline weniger durch spielerische Akrobatik als durch lyrische Anmut und Kantabilität geprägt, was besonders für den traditionell langsamen Mittelsatz gilt. Dessen zeitliche Länge ist nur unwesentlich kürzer als die der Ecksätze, sodass dem langsamen Satz ein ernstzunehmendes Gewicht innerhalb des Werkgefüges zukommt.
Die Erstveröffentlichung des Konzerts erfolgte im November 1859 bei C.F. Peters in Leipzig.7 Im Konzertleben konnte sich das Werk jedoch nicht dauerhaft etablieren und wurde schon im 19. Jahrhundert ‑ und damit zeitnah zu seiner Entstehung – nur wenig beachtet. Ein augenscheinliches Beispiel bildet insoweit eine im Jahre 1888 erschienene Monographie von Bernhard Vogel. Darin heißt es zu Rubinsteins Solokonzertschaffen: „Auch mehreren Soloinstrumenten des Orchesters hat Rubinstein lebhaftes Interesse zugewendet. Die Litteratur [sic] verzeichnet von ihm ein Konzert für Violine und zwei für Violoncello; aus welchen Gründen es weder dem einen noch dem andern Werke gelungen, nachhaltiger die Beachtung der Violinisten oder Violoncellisten auf sich zu lenken und Bürgerrecht im Konzertsaale zu erwerben, braucht des näheren nicht erörtert zu werden.“8
Zu dem Schattendasein des Violinkonzerts dürfte der zurückhaltende Umgang mit der Virtuosität zu einem großen Teil beigetragen haben, während man die anderen Qualitäten des Werkes offensichtlich nicht zu schätzen wusste. So äußert beispielsweise der bekannte Musikwissenschaftler Arnold Schering in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, dass das Werk „unter dem Mangel dankbarer virtuoser Violineffekte“ leide.9
Die Berechtigung oder Nichtberechtigung dieser Kritikpunkte soll hier allerdings offen bleiben. Denn unabhängig davon verdient es Anton Rubinsteins Violinkonzert schon allein wegen seiner anmutigen Schönheit und lyrischen Eleganz wiederentdeckt zu werden. Die vorliegende Notenausgabe – ein Nachdruck der bei C.F. Peters erschienenen Dirigierpartitur ‑ soll hierzu Gelegenheit bieten.
Bernd Wladika, 2016
1 Vgl. Wolfram Steinbeck: Die Symphonie im 19. und 20. Jahrhundert. Teil 1: Romantische und nationale Symphonik. Laaber: Laaber 2000, S. 257.
2 Vgl. Kadja Grönke: Art. Rubinštejn. In: Finscher, Ludwig (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Personenteil Band 14. Kassel u.a.: Bärenreiter/Metzler 2005, Sp. 595 und 599.
3 Vgl. ebd, Sp. 595.
4 Vgl. ebd., Sp. 594 – 595.
5 Vgl. ebd., Sp. 594.
6 Vgl. Michael Thomas Roeder: Das Konzert. Laaber: Laaber 2000, S. 187.
7 Vgl. Friedrich Hofmeister: Musikalisch-literarischer Monatsbericht neuer Musikalien, musikalischer Schriften und Abbildungen für das Jahr 1859. Band 1859, S. 174.
8 Bernhard Vogel: Anton Rubinstein. Biographischer Abriß nebst Charakteristik seiner Werke. Leipzig: Hesse 1888, S. 78.
9 Arnold Schering: Geschichte des Instrumentalkonzerts bis auf die Gegenwart. Leipzig: 2. Auflage 1927, S. 211 (Nachdruck, Hildesheim/Wiesbaden: Olms/Breitkopf & Härtel 1988).
Aufführungsmaterial ist von Peters, Leipzig, zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtischen Bibliotheken, Leipzig.
Score Data
Edition | Repertoire Explorer |
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Genre | Violine & Orchester |
Format | 210 x 297 mm |
Druck | Reprint |
Seiten | 66 |