Milhaud, Darius

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Milhaud, Darius

Concerto pour batterie et petit orchestra, op. 109

Art.-Nr.: 4031 Kategorie:

18,00 

Preface

Darius Milhaud
(geb. Aix-en-Provence, 4. September 1892 – gest. Genf, 22. Juni 1974)

Concerto pour batterie et petit orchestra, op. 109
[Konzert für Schlagwerk und kleines Orchester)

 

Vorwort
Darius Milhaud war ein französischer Komponist, den man mit einer Reihe von einflussreichen musikalischen Bewegungen und ästhetischen Paradigmen des frühen 20. Jahrhunderts verbindet. Wahrscheinlich erinnert man sich an ihn am deutlichsten als Mitglied von “Les Six“, einer etwas willkürlich zusammengewürfelten Gruppe französischer Komponisten, deren Herangehensweise an kompositorische Fragen sich unterschied, deren Musik aber – ab der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg – kollektiv auf den Spuren Eric Saties wandelte, indem sie die damals verbreitete Lehrmeinungen des französischen Impressionismus und der Spät-Wagnerianer verwarf und Elemente des Jazz und der Avantgarde übernahm.

Insbesondere zehrt Milhauds Musik vom Jazz, dem er erstmals in den 1920er Jahren begegnete, und ebenso von seinen Entdeckungsreisen in Polytonalität, Polymodalität und Aleatorik. Eine besondere Vorliebe für die Perkussion ist unverkennbar, ähnlich wie bei einigen wichtigen Vertretern der musikalischen Avantgarde wie Edgar Varèse und Henry Cowell. Milhaud war ein äusserst fruchtbarer Komponist, der Musik in fast jedem denkbaren Genre schuf, insbesondere eine beachtliche Menge an solistischen Gesangswerken, Chorwerken und dramatischer Musik, neben einer grossen Anzahl an kammermusikalischen Kompositionen. Im Reich der Orchestermusik schrieb Milhaud bemerkenswerte 21 Concerti, darunter das wohlbekannte und häufig aufgeführte Concerto pour batterie et petit orchestra, op. 109.

Milhaud komponierte das Concerto pour batterie et petit orchestre in Paris in den Jahren 1929 und 1930. Seine Premiere erlebte das Stück 1930 im Palais des Beaux-Arts in Brüssel – es entstand als Prüfungsstück für eine belgische Musikschule. Wie Milhaud selbst ausdrücklich betonte, war er immer „sehr interessiert an Fragen der Perkussion“, und er setzte das Schlagwerk als gewichtige Stimme in zahlreichen seiner Werke ein. Sein op. 109 jedoch ist für einen einzigen Percussionisten geschrieben, der eine gewaltige Menge an Instrumenten bedient und von einem bescheidener besetzten Orchester begleitet wird. Milhaud fügte der Partitur eine Art Landkarte bei, auf der die einzelnen Komponenten der Perkussion sowie ihre Anordnung verzeichnet ist: das Stück verlangt, dass der Schlagwerker vollständig von seinem Instrumentarium eingekreist ist, darunter Pauken, Tom-toms, Becken und aufgehängte Becken, eine Basstrommel zur Bedienung eines Beckens per Fusspedal, Kastagnetten, Ratschen, Klapphölzern, Kuhglocken, Tambourin und Holzblock. Neben der Perkussion werden vier Violinen, zwei Bratschen, zwei Celli, ein Kontrabass, zwei Flöten, zwei Klarinetten, eine Trompete und eine Posaune benötigt.

Bemerkenswert ist das Konzert weniger wegen der rhythmischen Virtuosität des solistischen Parts, sondern eher für die Anforderungen, die es an den Solisten stellt, wenn er alle Instrumente bedient. Man könnte erwarten, dass die Virtuosität eines in Frankreich entstandenen Perkussionswerks aus den späten 1920er Jahren auf den Einfluss des Jazz zurückzuführen ist – angesichts der Popularität dieser Gattung im zeitgenössischen Paris – aber das ist nicht der Fall. Tatsächlich mied Milhaud zu jenem Zeitpunkt den Jazz als Quelle für seine Kunstmusik, und gerade in diesem Werk legte er grossen Wert darauf, Anspielungen auf den Jazz zu unterlassen. Stattdessen liegt der Fokus auf dem Zusammenspiel von Solist und Tutti und ganz besonders auf den athletischen Anforderungen an den Solisten, der ständig zwischen den Instrumenten wechselt.

Das Concerto pour batterie et petit orchestre ist in einer recht geradlinigen zweiteiligen Form angelegt. Ein aggressiver und ziemlich dissonanter Eröffnungsteil, bezeichnet als “Rude et dramatique”, gefolgt von einer kontrastierend sanfteren, lyrischeren Sektion, gekennzeichnet mit “Modéré“. Frech erklingt das fanfaren-artige Motiv des Tutti zu Beginn, mit einem Echo des Solisten auf den Pauken. Dann eine sanftere, von den Holzbläsern dominierte Passage. Hier beginnt der Solist, die gesamte Bandbreite seines Instrumentariums und Klangspektrums zu erforschen, indem er Triangel, Holzblock, Metallblock und aufgehängte Becken vorstellt. Verschlungene Figurationen der Bläser und Streicher werden durchsetzt mit Ritornello- Passagen, die das eröffnende Fanfarenmotiv wiederbringen, während die Perkussionsinstrumente aktiver werden und weitere Instrumente vorstellen, darunter Tambourin und Kastagnetten. Dichte Ostinati à la Strawinsky bauen zu einer rauen Steigerung auf, angekündigt von Pauken und Ratschen. Darauf eine kurze Pause.

Diese Unterbrechung markiert den Anfang des zweiten Teils des Konzerts. Die Streicher setzen aus und überlassen es Flöten, Klarinetten und Blechbläsern, einige neue Texturen und Ideen beizusteuern, die wogende Arabesken der Bläser und einfache Trillermotive des Blechs verbinden, mit dem gleichen rhythmischen Kopfmotiv, das die Eröffnungsfanfare kennzeichnete. Der Solist nimmt das rhythmische Motiv auf, reicht es zwischen seinen Instrumenten herum, als gedämpfte Streicher mit einer zarten ripieno- Begleitung hinzukommen,

Dann eine Obbligato der gestopften Trompete gemeinsam mit dem Solisten, vielleicht der einzige versteckte Hinweis auf den Jazz innerhalb dieses Werks (ausser der Verwendung der Basstrommel) – die Melodie der Trompete versendet die ferne, unvergessliche Qualität einer melodischen Schöpfung von Gershwin, obwohl der offensichtliche Jazzsound fehlt. Die Klarinette kommt, die Trompete geht, mit sanften chromatischen Melodiebögen im Kontrapunkt, bis das Orchester zu einer unerwartet süssen tonalen Kadenz verschmilzt. Das kräftige Trillermotiv kehrt zurück als geheimnisvolles Raunen der tiefen Streicher, bevor die schwungvolle Fanfare ein weiteres Mal erklingt. Kurz wird das Orchester nochmals leise, nur um ein weiteres Mal von einer Eruption der Fanfare des Tutti unterbrochen zu werden, die ein letztes Echo durch die Pauken erfährt, während die Musik endet.

Auch heute noch wird Milhauds Concerto pour batterie et petit orchestre regelmässig aufgeführt, oft als Stück für Musikschulen. Wie sich der Komponist selbst erinnert, war er immer „angenehm überrascht war, dass sein Werk so oft an Highschools in den USA von jungen Studenten aufgeführt wird, brilliant und auswendig“.

Alexander Carpenter, 2018

Aufführungsmaterial ist vom Originalverlag Universal Edition, Wien (www.universaledition.com) zu beziehen. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Universal Edition AG, Wien, 2018.

Score Data

Edition

Repertoire Explorer

Genre

Solo Instrument(e) & Orchester

Format

210 x 297 mm

Druck

Reprint

Seiten

44

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