String Quartet No. 3 in D-flat Op. 96 (parts)
Indy, Vincent d’
20,00 €
Preface
Indy, Vincent d’
String Quartet No. 3 in D-flat Op. 96 (Set of parts)
Mit Vincent d’Indy hat es die Musikgeschichte nicht sonderlich gut gemeint. Selbst zu Lebzeiten konnten sich die Kritiker und Zeitgenossen nicht einigen, ob seine Musik und Lehren den Gipfel der französischen Musik darstellten oder ob sie ihn als Epigonen des eigenen Zeitalters abstempeln sollten, als hartnäckigen Anhänger überholter Praktiken und als geistlosen Akademiker, der die neue Experimentierfreudigkeit seiner Kollegen rundweg ablehnte. Zugegeben: Einen Teil der Schuld an den Anfeindunugen, mit denen sich seine musikalischen und kulturellen Ideen oft konfrontiert sahen, trug d’Indy selber. Seine Enttäuschung über Lehrinhalte und Arbeitsweise des Pariser Conservatoires führte ihn dazu, 1894 die konkurriende Schola Cantorum zu gründen, die einem von ihm persönlich ausgedachten, in der alten Musik fußenden und mit einem Studium der Gregorianik beginnenden Lehrplan folgte. Seine Stellungnahme zur berühmt-berüchtigten Dreyfus-Affäre führte zur Mitgliedschaft in der patriotisch gesinnten, antisemitischen Ligue de la Patrie Française. Seine stark katholische Religiosität, seine reaktionäre politische Haltung sowie seine Abneigung gegenüber den rasanten Änderungen in Wissenschaft, Technik und Gesellschaft drückten sich auf der Opernbühne in der Inszenierung seines sakralen Dramas La légende de Saint-Christoph (1908-15) aus, das Zuhörer wie Kritiker gleichermaßen verwirrte und verärgerte. Gegenüber den Ideen von Les Six, Schönberg und sogar seinem eigenen Schülers Edgard Varèse legte er offene Feindseligkeit an den Tag. Den wohl verheerendsten Vorstoß gegen seine Reputation lieferte eine umfangreiche Schrift mit dem Titel Les Idées de M. Vincent d’Indy, die sein Landsmann Camille Saint-Saëns verfaßte und 1919 veröffentlichte.
Mit seinen unerschütterlichen Überzeugungen und intensivem Engagement für die Förderung französischer Komponisten – vor allem von seinem Platz am Dirigentenpult aus – blieb d’Indy bis zum Ende seines langen, bemerkenswerten Künstlerlebens eine eindrucksvolle Instanz in der europäischen Musikwelt. In der Tat übten die Lehren, die er in dem umfassenden Cours de Composition Musicale (1903-50) zusammengefasste, einen bedeutenden Einfluß auf Komponisten wie Heitor Villa-Lobos und Olivier Messiaen aus. Als in der Zeitschrift La Liberté die Frage nach dem größten lebenden Komponisten Frankreichs gestellt wurde, wurde d’Indy von seinem ehemaligen Schüler Eric Satie genannt: „… sein Alter, seine musikalische ‘Oberfläche’, seine Autorität als Lehrer und die umfassende Breite seiner Ideen kennzeichnen ihn als das eigentliche Oberhaupt der zeitgenössischen Schule in der französischen Musik. Für mich ist er schon seit vielen Jahren dieses Oberhaupt.“ (Nichols, S. 215)
Als Saties Würdigung Silvester 1921 in Druck erschien, war der bereits 70jährige d’Indy gerade in das letzte Jahrzehnt seines Lebens eingetreten. Frischvermählt mit einer um 36 Jahre jüngeren Frau ließ er die Entbehrungen des Paris der Nachkriegszeit hinter sich, aber auch den hochherrschaftlichen Glanz seines Familiensitzes in Les Faugs und begab sich in das warme und geruhsame Klima der südfranzösischen Côte d’Azur. Die Änderung seiner Umgebung wirkte sich in grundsätzlicher Weise auf seine Schöpferkraft aus, was in den stimmungsvollen, lyrisch geprägten, klangschönen Orchesterwerken Poème des rivages (1919-21) und Diptyque méditerranéen (1925-26) am deutlichsten zum Vorschein kam. In diesen Kompositionen entdeckte d’Indy die gleichen genialen tonmalerischen und nationalistischen Züge, die auch seine frühere, wohl bekannteste Orchesterkomposition Symphonie sur un chant montagnard français (1886) kennzeichnen.
Es war also während dieser Spätblüte, daß sich d’Indy erneut der Komposition von Kammermusik zuwandte, nachdem er seit seinen ersten beiden Streichquartetten (1890 bzw. 1897) nur wenig in diesem Bereich hervorgebracht hatte. Zu diesen späten kammermusikalischen Werken, die alle in nur fünf Jahren (1924-29) entstanden, gehören das Klavierquintett Op. 81, eine Cellosonate Op. 84, die Suite für Flöte, Streichtrio und Harfe Op. 91, das Streichsextett Op. 92, ein Klaviertrio Op. 98 sowie das vorliegende Dritte Streichquartett Des-Dur Op. 96. Wenn sich diese Werke von seiner früheren Kammermusik überhaupt unterscheiden, dann nur in der gediegenen Melodik, in der sinnlichen, breiter angelegten lyrischen Emphase und der gelegentlichen Aufnahme von Volksliedern als musikalische Themen.
Das Streichquartett Nr. 3 Des-Dur bekräftigt nicht nur d’Indys Vorliebe für die „klassische“ formale Anlage, sondern auch sein Interesse an der Schöpfung handwerklich grundsolider Werke auf der Grundlage von zyklisch wiederkehrenden Themen, ständiger thematischer Verwandlung und der Erzeugung von Themen aus motivischen cellules. In vielerlei Hinsicht scheinen im Dritten Streichquartett – trotz einer mehr als drei Jahrzehnte umspannenden Entfernung von seinem Vorgänger – die Hauptprinzipien von d’Indys „Neoklassizismus“ zu voller Entfaltung zu gelangen, und so bleibt er auch in dem vorliegenden Werk seinen eigenen Lehren an der Schola Cantorum treu.
Die cellule, aus der das thematische Material des Quartetts erwachsen soll, erscheint zunächst am Anfang des Partiturdrucks als Rätsel wie etwa bei einem Bach’schen Kanon. Auf die ersten drei Tonhöhen B-As-F folgen unmittelbar die gleichen Töne im Krebsgang F-As-B, womit die cellule als Palindrom erscheint. Durch die Position des Baßschlüssels wird überdies eine Deutung der Tonmenge in der Krebsumkehrung F-Ges-B B-Ges-F suggeriert. Als Vorrede zur Druckausgabe fügte d’Indy auch eine Notice Explicative hinzu, in der die jeweilige formale Anlage der vier Sätze und die verschiedenen Verwandlungen der cellule im Laufe des Werks kurz umrissen werden.
Der als Entrée en Sonate betitelte Kopfsatz beginnt langsam und zögerlich, während die cellule Gestalt annimmt, und breitet sich erst später im Hauptthema aus, bei dem die cellule von Ostinato-Sextuolen in der Bratsche begleitet wird. Im Laufe der Exposition, des Durchführungsteils und der Reprise wird die cellule ununterbrochen einem Prozeß der Verwandlung unterzogen, bis sie in der Coda mit großem Nachdruck wieder erscheint, worauf der Satz in einem gedämpften Schluß verhallt.
Der zweite Satz (Intermède), der laut d’Indy „im Ton eines Volkslieds“ (dans la sentiment d’un chanson populaire) vorgetragen werden soll, schlägt einen beschwingten 6/8-Takt an, der dem Zwischenspiel der vier Instumentalstimmen breiten Raum überläßt. Der darauffolgende dritte Satz gestaltet sich als Thema mit sieben Variationen, die vor einfallsreichen Ideen und Farbeffekten nur so strotzen. Schließlich wird das Werk mit einem Rondo beendet, das mit der ursprünglichen cellule in der Krebsumkehrung angekündigt wird und mit einem Ausbruch von blitzendem Passagenwerk aller vier Spieler abhebt.
Das Dritte Streichquartett d’Indys erlebte am 12. April 1930 seine Uraufführung im Rahmen der Société Nationale de Musique, der d’Indy selber angehörte – zunächst als frühes Mitglied, später als Schriftführer und Vorsitzender. Es liegt wohl ein Anflug von Ironie in der Tatsache, daß die Société ursprünglich ausgerechnet von Saint-Saëns gegründet wurde, der später zum Erzfeind d’Indys wurde.
Übersetzung: Bradford Robinson
Weiterführende Literatur
– Demuth, Norman. Vincent d’Indy (1851-1931). Champion of Classicism. London 1951.
– d’Indy, Vincent. Cours de Composition Musicale., 2 Bde., hrsg. von Auguste Sérieyx.
Paris 1903-50.
– Nichols, Roger. The Harlequin Years. Music in Paris 1917-1929. Berkeley 2002.
– Saint-Saëns, Camille. Les idées de M. Vincent d’Indy. Paris 1919.
– Thomson, Andrew. Vincent d’Indy and His World. Oxford 1996.
In Fragen des Aufführungsmaterials wenden Sie sich bitte an den Verlege Kalmus, Boca Raton.
Vincent d’Indy
(b. Paris, 27 Mach 1851 – d. Paris, 2 December 1931
String Quartet No. 3 in D-flat Major, Op. 96
Preface
Music history has not been particularly kind to Vincent d’Indy. Even during his own lifetime, critics and contemporaries seemed unable to agree as to whether his music and teachings represented the highest level of French musical artistry and thought, or rather served to label him an epigone in his own age, an inflexible adherent to past practices, and a spiritless academic, intolerant of the new experimentation that marked the musical world around him. To be sure, d’Indy was himself partly responsible for the conflict and resistance with which many of his musical and cultural ideas were met. His disenchantment with the curriculum and internal workings of the Paris Conservatoire caused him to found the rival Schola Cantorum in 1894, which would follow a curriculum of his own design, grounded in early music history beginning with the study of Gregorian chant. His position regarding the notorious ‘Dreyfus Affair’ led him to become a member of the patriotic yet anti-Semitic Ligue de la Patrie Français. D’Indy’s strong Catholic leanings, reactionary political stance and general distaste for the rapid changes in science, technology and society were vented on the operatic stage with the release of his sacred drama La légende de Saint-Christoph (1908-1915), my-stifying and offending its audience and critics alike. He was openly hostile in his rejection of the ideas of Les Six, Schoenberg and his own pupil, Edgard Varèse. Yet, perhaps the most damaging affront to d’Indy’s reputation came in the form of an extended essay entitled Les Idées de M. Vincent d’Indy, published in 1919, and written by d’Indy’s own compatriot Camille Saint-Saëns.
Stalwart in his own convictions and intensely dedicated to fostering the music of contemporary French composers, especially from his place at the conductor’s podium, d’Indy remained an imposing force in the European musical arena to the end of his long and remarkable career. Indeed, his teachings as compiled in the vast Cours de Composition Musicale (1903-50) would have a significant influence on such composers as Heitor Villa-Lobos and Olivier Messaien. And, in speaking to the question “Who is the greatest French composer?” posed by the journal La Liberté, Erik Satie, himself a former student of the Schola Cantorum, nominated Vincent d’Indy: “…his age, his musical ‘surface,’ his authority as a teacher and the comprehensive sweep of his ideas mark him as being the true leader of the contemporary school of French music. For me, he has been its leader for many years.” (Nichols, p. 215)
By the time of the appearance of Satie’s complimentary tribute on New Year’s Eve of 1921, Vincent d’Indy, already seventy, was entering upon the last decade of his personal and professional life. Having recently remarried, to a woman thirty-six years his junior, d’Indy quitted the hardships of post-war Paris and even the baronial grandeur of his ancestral home at Les Faugs for the warmth and restful climate of France’s Côte d’Azur. The change in his environs had a profound effect on d’Indy’s artistic creati-vity – most apparent in the atmospheric, lyrical, pleasingly sonorous symphonic works Poème des rivages (1919-21) and the Diptyque méditerranéen (1925-26). In these he recaptured the same masterstrokes of tone-painting and nationalism as characterized in his earlier and best known orchestral composition, the Symphonie sur un chant montagnard français (1886).
It was also during this late flowering of d’Indy’s creativity that he turned again to the composition of chamber music, having written little of substance in this area since the first two of his string quartets, completed respectively in 1890 and 1897. These late chamber works were composed in the short span of only five years, 1924-29, and included the Piano Quintet (Op. 81), a Cello Sonata (Op. 84), Suite for flute, string trio and harp (Op. 91), the String Sextet (Op. 92), a Piano Trio (Op. 98), and d’Indy’s Third String Quartet in D-flat Major (Op. 96). If these differ in any real stylistic sense from the composer’s earlier chamber pieces, it is perhaps only in their suave melodiousness, their sensual, longer-breathed lyricism, and the occasional inclusion of folksongs as musical themes.
The String Quartet No. 3 in D-flat Major most certainly confirms d’Indy’s affinity for “classical” forms and structures, renewing his interests in the creation of solid works based upon the cyclic treatment of musical themes, the process of continuous thematic transformation, and the generation of themes from motivic cellules. In many ways, the third quartet, though separated from its predecessor by more than three decades, seems to bring to full fruition the very principles of d’Indy’s “neoclassicism,” remaining true to the composer’s own teachings at the Schola Cantorum.
The cellule from which the thematic material of the quartet will be formed is first given at the head of the score as something of a puzzle, not unlike that of a Bach canon. The initial three pitches B-flat A-flat F are immediately followed by their retrograde: F A-flat B-flat, making the cellule a palindrome. The placement of the bass clef further suggests the reading of the pitch set in retrograde inversion: F G-flat B-flat B-flat G-flat F. As a preface to the publication of the quartet, d’Indy supplied a Notice Explicative that briefly outlines the form of each of the four movements, together with various transformations of the cellule as found throughout the work.
The first movement is labeled an Entrée en Sonate, beginning slowly and haltingly as the cellule takes shape, and broadening only later into the principal theme where it is stated over a sextuplet ostinato in the viola. The cellule is continually transformed throughout the course of the exposition, development and recapitulation, and is stated very emphatically in the coda just before the movement fades to a hushed closing.
The second movement, titled Intermède, is to be played “in the sentiment of a popular song” (dans la sentiment d’un chanson populaire) in a lilting 6/8 meter that delights in the interplay between the four instrumental parts. The ensuing third movement takes the form of a theme with seven variations filled with inventive ideas and colorful effects. Finally, the quartet concludes with a rondo, heralded first by the retrograde-inversion of the original cellule before taking off in a blaze of rapid passagework for each of the players.
D’Indy’s String Quartet No. 3 had its debut performance on 12 April, 1930 for the Société Nationale de Musique to which d’Indy himself belonged, first as one of its earliest members, and later as both secretary and president. There is perhaps some irony in the fact that the society was initially founded by Saint-Saëns, who would become d’Indy’s nemesis.
Michael A. Nealon
Lansing Community College
Lansing, Michigan, 2009
Selected Resources
– Demuth, Norman. Vincent d’Indy (1851-1931): Champion of Classicism. London, 1951.
– d’Indy, Vincent. Cours de Composition Musicale. 2 Volumes. Edited by Auguste
Sérieyx. Paris, 1903-1950.
– Nichols, Roger. The Harlequin Years: Music in Paris 1917-1929. Berkeley, 2002.
– Saint-Saëns, Camille. Les idées de M. Vincent d’Indy. Paris, 1919.
– Thomson, Andrew. Vincent d’Indy and His World. Oxford, 1996.
For performance material please contact the publisher Kalmus, Boca Raton.
Score Data
Edition | Repertoire Explorer |
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Genre | Chamber Music |
Size | 225 x 320 mm |
Printing | Reprint |
Specifics | Set of Parts |
Specifics | Set of Parts |
Size | 225 x 320 mm |