Gustav Holst
(geb. Cheltenham, 21. September 1874 - gest. London, 25. Mai 1934)

Egdon Heath op. 47

Dauer: 12 Minuten

Egdon Heath wurde als Auftragswerk für das New York Symphony Orchestra geschrieben und erlebte 1928 seine Uraufführung unter Walter Damrosch. Es ist mit “Hommage an Thomas Hardy” untertitelt, und die Partitur enthält eine Grabinschrift, ein Zitat aus Hardys Roman The Return of the Native: “A place perfectly accordant with man’s nature—neither ghastly, hateful, nor ugly; neither commonplace, unmeaning, nor tame; but, like man, slighted and enduring; and withal singularly colossal and mysterious in its swarthy monotony!”

Holst selbst hielt Egdon Heath für sein bestes Werk, aber Liebhabern von The Planets und The Perfect Fool bleibt es rätselhaft. Er selbst schrieb einen Text zur englischen Erstaufführung und behauptete, dass das Stück das Ergebnis der Erinnerungen an die Heidelandschaft Egdon sei, wie sie in der Natur existiere und auch in Hardys Schriften, insbesondere im ersten Kapitel von The Return of the Native. Er war ein grosser Bewunderer Hardys, und es ist bekannt, dass er für einige Zeit beabsichtigte, ein Werk basierend auf dessen Wessex zu komponieren. Während der Arbeit an dieser Komposition besuchte Holst Hardy, der unglücklicherweise starb, bevor das vollendete Werk unter dem Titel Egdon Heath aufgeführt wurde.

Die Komposition weist einige Ähnlichkeiten mit den strengen Tongedichten von Sibelius (Pohjola’s Daughter, En Saga) auf, ebenso mit Rachmaninoffs Die Toteninsel. Die Eröffnung und der Schluss dieser Werke atmen den Geist der unveränderlichen, unbeweglichen Kraft der Natur. In Sibelius Stücken ist es der eisige, frostige Norden, bei Rachmaninoff das unablässige Schlagen der Wellen gegen das Boot. Die Heidelandschaft in Hardys Wessex ist komplexer und vielgesichtiger, wie es Holsts Musik zur Gehör bringt, obwohl der Komponist nichts Genaueres über deren mögliche Bedeutung äusserte. Die Musik ist in klar erkennbare Abschnitte gegliedert, mit verbindendem thematischen Material, aber auch mit Material, das im Verlauf der Musik neu auftaucht.

Das eröffnende Adagio, zu dem das Stück am Ende zurückkehrt, beginnt nüchtern und streng mit ausgedehnten Soli für die Kontrabässe, gelegentlich unterstützt durch divisi- Streicher. Es leitet über zu Poco animato (Ziffer 2), das eines der immer wiederkehrenden Hauptthemen einführt, aber bereits nach 7 Takten in Poco Allegro mündet. Es folgt in einem Klima ekstatischer Aktivität mit einer dramatischen Geste das gleiche Thema bei Ziffer 4. Nach einer weiteren dramatischen Steigerung kommt die Musik bei Ziffer 5 zur Ruhe und wird fortgeführt durch das erste Erscheinen eines “stattlichen” Themas in den tiefen Blechbläsern, begleitet von von einer laufenden Linie im Bass. Tatsächlich ist dies eine Variante der Melodie bei Ziffer 2. Weitere Abschnitte folgen, und obwohl das Tempo hin - und herfluktuiert, findet eine beträchtliche Entwicklung der Ideen statt bis zum Largamente, 7 Takte vor Ziffer 8.

Das “stattliche Thema” ist ein charakteristisches Beispiel für Holsts ungewöhnliche Behandlung des Materials. Beide Male, in denen es auftaucht, wird es von den tiefen Blechbläsern in einer unbestimmten, fast grollenden Lage gespielt. Und auch das Taktmass - wie im ganzen Stück - ist durchgängig uneinheitlich, 5er - und 7er - Takte herrschen vor. Die Stimmung ist pompös und zeremoniell, aber der Klang ist irgendwie falsch. Fast als habe er eine Parodie auf die implizierten Inhalte beabsichtigt. Dies wird immer klarer bis zum Ende: kurz bevor das Adagio wiederkehrt (Ziffer 9), taucht plötzlich ein anderes Adagio auf und präsentiert ein Motiv in reinen Quarten, gespielt über ein dissonantes, nicht-akkordisches Pedal. Dies geschieht zweimal, erst in den Flöten, dann in den Streichern, worauf es nahtlos in einen gleichzeitig sanften und tobenden Sechsachtel-Takt überleitet, der wie ein dunkles und makabres Kinderlied daherkommt. Von hier bis zum Ende besteht die Musik aus Unterbrechungen; Zu diesem Zeitpunkt (Ziffer )) übernimmt das Adagio die Führung, das 17 Takte später unterbrochen wird von dem “stattlichen” Thema Andante maestoso, gespielt von den Posaunen und begleitet durch einen laufenden Bass. Auch dies wird unterbrochen von weiterem Material, diesmal als Molto Adagio bezeichnet. Die letzten 13 Takte enthalten Fragmente einiger der vorhergehenden Themen, aber nichts scheint sich zu ereignen. Eine ernsthafte Konfrontation in der Harmonik taucht auf, als einige Instrumente, wie zum Beispiel die Trompeten, in etwas wie “falsche” Tonarten eintreten. Die tiefen Streicher etablieren und halten einen Pedalton auf G (mit D darüber), obwohl G in diesem Zusammenhang nicht sinnhaft ist, weder in Dur noch Moll. Die Geigen haben das letzte Sagen mit einer Oktave in B. Alles bleibt unaufgelöst, aber wird eindeutig beendet.

Dies ist eine befremdliche und geheimnisvolle Musik, aber ebenso eine Musik von grosser Schönheit und Kraft. Es ist leicht nachvollziehbar, warum Holst sie als sein bestes Werk ansah, selbst ohne dies in irgendeiner Form zu erklären.

Egdon Heath wird zum ersten Mal 1928 bei Novellos veröffentlicht. Eine Anmerkung des Komponisten erklärt, dass einige Instrumente (Blech- und - Holzbläser) bei entsprechenden Hinweisen wegfallen können, aber ein grosser Korpus an Streicher erwünscht sei. Das Werk wurde mit geringfügigen Änderung 1985 von Faber Music wiederveröffentlicht.

M.J. Sunny Zank, Professor of Music, Ohio Northern University, 2010

Aufführungsmaterial ist von Chester Novello, London zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars aus der Sammlung Philipp Brookes, Market Drayton.

Gustav Holst
(b. Cheltenham, 21 September 1874 - d. London, 25 May 1934)

Egdon Heath
op. 47

Duration: 12 minutes

Egdon Heath was composed as a commission for the New York Symphony Orchestra and given its first performance in 1928 under Walter Damrosch. It is subtitled “Homage to Thomas Hardy” and the score contains an epitaph which is a quote from Hardy’s novel The Return of the Native:

A place perfectly accordant with man’s nature—neither ghastly, hateful, nor ugly; neither commonplace, unmeaning, nor tame; but, like man, slighted and enduring; and withal singularly colossal and mysterious in its swarthy monotony!

Holst considered Egdon Heath the best of all his works, but for lovers of The Planets and The Perfect Fool, it remains enigmatic. Holst wrote his own program note for the first English performance and stated that the piece is ‘the result of memories of “Egdon” as it exists in nature and in Hardy’s writing, particularly in the first chapter of The Return of the Native.’ He was a great admirer of Hardy and it is known that he had wanted for some time to write a work based on Hardy’s Wessex. When the work was in progress he made a visit to Hardy, who unfortunately died shortly before the completed work was performed as Egdon Heath .

The piece has some similarities to the austere tone poems of Sibelius (Pohjola’s Daughter, En Saga), and also to Die Toteninsel of Rachmaninoff. The opening and conclusion of these works establish an immutable, immovable force of nature. In the Sibelius works it is the icy, frozen North; in the Rachmaninoff the never-ending waves of the sea lapping against the boat. The heath of Hardy’s Wessex is more complex and multi-faceted than these, as the music reveals, although Holst himself did not reveal anything specific about the meaning.
The piece is written in a number of clearly delineated sections, with much overlapping thematic material, but also with new material appearing throughout.

The opening Adagio, to which the piece ultimately returns, begins in a bare and austere fashion with extended solos for the double bass section, and eventually expands to include divisi strings. This leads to Poco animato (rehearsal 2) which presents one of the primary recurring themes but after only seven measures it leads into Poco Allegro. A frenzy of activity ensues, with a dramatic statement of this same theme at rehearsal 4. Following a dramatic climax at rehearsal 5 the music comes to a halt and is followed by the first occurrence of a “stately” theme in the low brass accompanied by a walking bass line. This is actually a variant of the same theme from rehearsal 2. Several more sect-ions follow, and in spite of the tempo fluctuating back and forth, there is considerable development of the ideas up to the Largamente, seven measures before rehearsal 8.

The “stately” theme is one example of his strange treatment of materials. Both times it occurs, it is played by the low brass in an indistinct, almost growling range. And the meter—like the entire work—is entirely uneven; measures of five and seven beats predominate. The mood is pompous and ceremonial, but the sound is somehow wrong. It is almost as if he is writing a parody of the implied forms. This becomes even more clear towards the end: just before the opening Adagio reappears (rehearsal 9), a different Adagio suddenly looms, and presents a motive in perfect fourths, played over a dissonant and non-chordal pedal. It is done twice, first by flutes, then strings, after which it slides seamlessly into a gently rollicking six-eight meter which sounds like a sinister and macabre nursery song. The music from here to the end consists of a series of interruptions; at this point (rehearsal 9) the original Adagio takes over. It is interrupted 17 measures later by the “stately” theme Andante maestoso, played again by the trombones and accompanied by a walking bass line. It too is interrupted by the preceding material, this time marked Molto Adagio. The last thirteen measures contain fragments of some of the previous themes, but nothing appears to happen, and severe clashing of harmonies occurs when certain instruments, such as trumpet, enter in what sounds like “wrong” keys. The lower strings establish and hold a pedal tone of G (with D above it) but there is no sense of G, either major or minor. The violins have the final say, in an octave B flat. It is unresolved, but very final.

This is strange and mysterious music. But it is also music of great beauty and power. It is easy to understand why Holst considered this his best work, even without explaining it in words.

Egdon Heath was first published by Novello in 1928. A composer’s note explains that several instruments (brass and wind) can be dispensed with by following cues, but that a large body of strings is desirable. It was reprinted (with minor alterations) by Faber Music in 1985.

M.J. Sunny Zank, Professor of Music, Ohio Northern University, 2010

For performance material please contact the publishers Chester Novello London. Reprint of a copy from the collection Philipp Brookes, Market Drayton.