Edward William Elgar
(geb. Lower Broadheath, Worcester, 2. Juni 1857 – gest. Worcester, 23. Februar 1934)

Symphonie G-Dur
Orchesterbearbeitung der Orgelsonate op.28 von Anthony Addison

Die Orchestertranskription
Edward Elgar schrieb sein Opus 28 für die Orgel, und es wurde von mir fürs Orchester transkribiert. Habe ich mir dabei zu viele Freiheiten erlaubt? Ich glaube nicht, hat doch Elgar selbst mit Bach weitaus Schlimmeres verübt. Ich schätze Elgars Genie voll und ganz, und so entschloss ich mich zur Transkription, um seine Kunst einem größeren Publikum bekanntzumachen. Die Orgelsonate ist auf ihre ganz eigene Art ein ebenso herausragendes Werk wie die vorangegangene Serenade für Streicher und die nachfolgenden Enigma-Variationen. Mein Ziel war es, das Werk einem grösseren Publikum und ausübenden Musikern – und vor allem besseren Amateurgruppen – zugänglich zu machen. Ich persönlich leitete zum damaligen Zeit-punkt eine solche Amateurgruppe in Columbia, Missouri, die die erste Fassung für Kammerorchester auch uraufführte. Durch die freundliche Vermittlung meines Freundes Tristram Pye beschloß das Siemens-Orchester Erlangen unter seinem musikalischen Leiter Lukas Meuli, diese Fassung zur europäischen Erstaufführung zu bringen, mit der Bitte, daß die Partitur um ein großes Blech- und Schlagzeugkontingent ergänzt wird. Diesem Wunsch habe ich auch gerne entsprochen, und die vorliegende Veröffentlichung stellt das Ergebnis dar.
In gewisser Weise führt die Musik ganz abgesehen von ihrer endgültigen Instrumentierung ein eigenes Leben. Wie viele andere Komponisten schrieb auch Elgar seine Kompositionen stets am Klavier und arbeitete sie dann für andere Instrumente um. Zwar wurde das Opus 28 ursprünglich für Hugh Blair und die große Orgel der Kathedrale zu Worcester geschrieben, die musikalische Faktur jedoch fordert eine Orchesterbesetzung geradezu heraus. Wie dem auch sei, das Orgelstück selbst erwies sich als besonders schwierig, und die Urauffühung durch Blair hatte dem Werk kaum Genüge getan - möglicherweise war er überfordert. Nach einer Aussage aus dem Publikum hatte dieser „entweder das Werk nicht einstudiert oder die Veranstaltung unklug zelebriert, denn er machte aus dem Werk des armen Elgar ein fürchterliches Schlamassel“.
Durch eine Bearbeitung für Orchester kann ein Werk einen völlig neuen Charakter erhalten, wie die Orchesterfassungen der Bilder einer Ausstellung oder des Präludium und Fuge c-Moll von Bach-Elgar zeigen. Ohne kompositionstechnisch irgend etwas ändern zu wollen, habe ich versucht, von den Orchestertechniken der beiden Symphonien Elgars Gebrauch zu machen und zugleich meine Absicht berücksichtigt, diese Musik besseren Amateurmusikern zugänglich zu machen. Tatsächlich mußte ich letztendlich doch einige Änderungen vornehmen, denn bei jeder Orchesterbearbeitung fühlt man sich verpflichtet, ein echtes „Orchesterwerk“ hervorzubringen. Indem man bloß die von den zehn Fingern und den beiden Füßen des Organisten zu bewältigenden Stimmen jeweils einem Instrument zuweist, wird die Gesamtwirkung tatsächlich geschmälert. Die letzten Takte des ersten Satzes, die in einem halligen Kirchenraum durchaus wirkungsvoll sein können, würden in einem schlichten Orchestersatz äußerst dürftig klingen. Durch die Ergänzung von ausgezogenen Blechakkorden und einer chromatischen Tonleiter im Holz wird der Satz mit wahrhaft orchestermäßigem Schwung abgeschlossen.
Die Orgelsonate besteht aus vier Sätzen, wobei der zweite Satz mit der Vortragsanweisung „attacca“ endet und der dritte mit einer kurzen Überleitung anfängt und in ein großartiges, immer breiter werdendes Andante espressivo mündet, das an den „Nimrod“-Abschnitt aus den Enigma-Variationen erinnert. Aus diesem Grunde betrachte ich den zweiten und dritten Satz als einen einzigen Satz, dem ich den Titel „Intermezzo“ gab. Um das Notenbild von unzähligen 32stelnoten zu befreien, habe ich die Taktangabe von 4/8 in 4/4 geändert. Die Bedeutung der Angabe “Quasi doppio movimento”, die Elgar im T. 22 eintrug, ist unklar. Ganz abgesehen davon, ob der Anfang im 4/8- oder 4/4-Takt notiert wird, kann dieser Abschnitt sicherlich nur etwas schneller als der Vorgängerabschnitt und keineswegs zweimal so schnell ausgeführt werden.
Einem Orchester steht ein weitaus reichhaltigeres Spektrum an Tonhöhen und Klangfarben zur Verfügung als einer Orgel. Tatsächlich verfügt der Organist über ein Schwellwerk und über verschiedene „Kombinationen“ und „Kopplungen“, jedoch ist er an die Anzahl seiner Finger und Füße gebunden, wohingegen die Instrumente des Orchesters siebzig bis achtzig eigene Wege gehen können, um eine enorme Vielfalt des Klangs zu erzeugen. Fürs Orchester müssen manchmal sogar die Tempoangaben modifiziert werden, teils um der trockeneren Raumakustik des Konzertsaals entgegenzuwirken, teils um die satztechnischen Details durch die größere Auswahl an Klangfarben deutlicher zu differenzieren. Als gutes Beispiel dient der letzte Satz des Opus 28: Obwohl er das Vortragszeichen “Comodo” (gemütlich) trägt, scheint die kompositorische Faktur in der Umsetzung für Orchester ein weitaus schnelleres Tempo zu verlangen, weswegen ich die ursprünglichen Vortragsanweisungen um ein “Furioso” ergänzt habe. Durch meine Vertrautheit mit den beiden Symphonien Elgars fühle ich mich in meiner Überzeugung bestätigt, daß – hätte er das Werk selber für Orchester umgesetzt – er es sicherlich für angebracht gehalten hätte, dieses glänzende Werk mit mehr Intensität und Feuer abzuschließen.
Für meine Transkription wählte ich den Titel Symphonie G-Dur aus der Orgelsonate Op. 28. Als ich mit der Arbeit anfing, war mir noch nicht bewußt, daß bereits eine Orchester-fassung durch Gordon Jacob vorliegt. In der Zwischenzeit habe ich erfahren, daß diese Fassung auch in zwei Tonaufnahmen vorliegt, von denen mir aber keine bei der Ausar-beitung meiner eigenen Orchesterfassung bekannt war. Dennoch: Die Existenz dieser Aufnahmen bestätigt meines Erachtens die Richtigkeit meines Ansatzes und läßt vermuten, daß die „Freiheit“, die ich mir dabei erlaubt habe, nicht gänzlich unangebracht war.
Anthony Addison, Lyndhurst, Ohio, 2009

Die Orgelsonate
Elgar schrieb seine Orgelsonate G-Dur, um dem Wunsch seines Freundes Hugh Blair, des Domorganisten zu Worcester, nachzukommen, der ein Orgelsolo anläßlich des Besuches einer Gruppe amerikanischer Kirchenmusiker im Jahre 1895 vortragen wollte. Bei den Kompositionsarbeiten verbrachte Elgar Ende Juli und Anfang Juli ungefähr eine Woche, wobei er von Blair beinahe täglich aufgesucht wurde. Wie bei Elgar üblich, hatte er einen Teil des Andante espressivo bereits früher komponiert; er befindet sich in einem Skizzenbuch aus dem Jahr 1887 unter dem Titel „Träumerei“. Auch das Allegretto wurde als „Intermezzo“ im April 1895 früher skizziert. Die Urauführung durch Blair fand am 8. Juli auf der Domorgel zu Worcester statt, die sich damals gerade im Umbau befand. Die Aufführung verlief nicht glücklich, denn Blair hatte nur wenig Zeit, um das neue Werk einzustudieren (es wurde erst am 3. Juli abgeschlossen!). Dennoch: Die Orgelsonate stellt das längste Stück absoluter Musik dar, das Elgar bis dato hervorgebracht hatte. Da der Londoner Musikverlag Novello & Co. eine vollständige Drucklegung ablehnte, bot Elgar das Werk statt dessen dem Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel an.
Phillip Brookes, Market Drayton, 2009
Übersetzung: Bradford Robinson

 

Aufführungsmaterial ist von Musikproduktion Höflich, Munich (www.musikmph.de) zu beziehen.

Edward William Elgar
(b. Lower Broadheath, Worcester, 2 June 1857, d. Worcester, 23 February 1934)

Symphony in G major
from the Organ Sonata, op.28 arranged by Anthony Addison

The transcription for orchestra
Elgar’s Opus 28 was written for the organ; I have transcribed it for orchestra. Have I taken an inappropriate liberty? I think not, for Elgar himself did worse things with Bach. I took the step because I truly appreciate Elgar’s genius and wanted to bring his music to a larger audience.  The Sonata is, in its own way, as fine a piece of work as its predecessor, the Serenade for Strings, and the work that followed it, the Enigma Variations. I wanted to make it available to a larger audience and to a greater number of musicians, particularly amateur groups of some quality. I conducted such a group in Columbia, Missouri, and the first version, for chamber orchestra, was performed by them. Through the good offices of my friend, Tristram Pye, the Siemens Orchestra in Erlangen, Music Director Lukas Meuli, decided to give it its first European performance, but asked that I revise it to include the heavy brass and percussion. This I gladly did, and it is this version herewith published.
In a way, music has a life of its own, regardless of the instrument that finally plays it. Like many composers, Elgar wrote at the piano and then transcribed it for other instruments. Opus 28 was written for Hugh Blair to be played on the great organ in Worcester Cathedral, but on first sight it seemed to me to cry out for orchestral treatment. It is, in any case, extremely difficult and, for reasons probably beyond his control, Blair’s first performance was less than adequate. A listener said later that Blair “had either not learned it or else had celebrated the event unwisely for he made a terrible mess of poor Elgar’s work.”
Orchestration can quite change the character of a piece, witness the orchestral versions of Pictures from an Exhibition and, indeed, the Bach-Elgar Prelude and Fugue in C minor. I did not set out to change anything, but tried to use the orchestral devices found in Elgar’s own two symphonies, tempered by my desire to make it available to good amateur players. I did, in fact make changes, because, when transcribing for orchestra, one is duty bound to produce an ‘orchestral’ work. Merely assigning instruments to the lines that can be played by ten fingers and two feet at an organ would, in fact, belittle the effect. The final measures of the first movement, for example, are most probably effective in a resonant church, but would sound very thin if assigned unadorned to the orchestra. My addition of held brass chords and a chromatic scale in the winds closes the movement with a truly orchestral flourish.
The Sonata has four movements, but the second ends with the instruction “attacca,” and the third begins with a brief transition before arriving at a magnificently expanding Andante espressivo reminiscent of ‘Nimrod’ in the Enigma Variations. I therefore think of them as one movement, which I have entitled “Intermezzo.” To avoid the use of hundreds of 32nd notes, I have changed the pulse indication from 4/8 to 4/4. It is unclear what Elgar meant when, in measure 22, he wrote “Quasi doppio movimento.” Whether the opening is notated as 4/8 or 4/4, this section can surely only go a little faster than the previous one, and certainly not twice as fast.
An orchestra has available a far greater range of pitches and nuances than the organ. Granted the organist has a Swell box and a number of ‘combinations’ and ‘couplings,’ but they are all tied to his limited supply of fingers and feet, whereas the instruments in the orchestra can go their seventy or eighty different ways to provide enormous tonal variety. For the orchestra, even tempi sometimes have to be modified, partly to compensate for the drier acoustics of the concert hall, and partly because their greater variety of timbres can better differentiate the contrapuntal details. The last movement of Opus 28 is a case in point. It is marked “Comodo” (comfortably), but the writing, when transferred to the orchestra, seems to demand much greater speed, which is why I have added “Furioso” to the opening instructions. A knowledge of his two symphonies also encourages me to believe that, were he orchestrating it himself, Elgar would have wanted more intensity and excitement to conclude this fine work.
I prefer that this transcription be known as “Symphony in G major, from the Organ Sonata, Op.28.” When I started working on it, I did not know that it had been orchestrated by Gordon Jacob.  I have since learned that two recordings of that version have been made, neither of which I had heard before making my own. But their existence, at least, supports my efforts and suggests that the “liberty” I took was not entirely inappropriate.
Anthony Addison, Lyndhurst, Ohio, 2009

The Organ Sonata
Elgar wrote his Organ Sonata in G in response to a request from his friend Hugh Blair, the organist of Worcester Cathedral, who wanted a voluntary for the visit of a group of American church musicians to Worcester in 1895. Elgar spent about one week in late June and early July writing the work, and Blair visited almost every day. As was common with Elgar, part of the Andante espressivo had been written earlier, and exists in a sketchbook from 1887, where it is called Traümerei; the Allegretto too had been sketched as an Intermezzo in April 1895. Blair performed the Sonata on the cathedral organ (which was under reconstruction at the time) on 8th July. It was not a particularly good performance (Blair had very little time to prepare it – Elgar completed it on 3rd July!) but it did represent the largest piece of abstract music the composer had written to date. Novello & Co. refused to print it complete – they considered it too difficult – so Elgar offered it to Breitkopf & Härtel instead.
Phillip Brookes, Market Drayton, 2009

Concerning questions of performance material please contact the publisher Musikproduktion Höflich, Munich (www.musikmph.de).