Anton Fils
(b. Eichstätt, September 1733 - d. Mannheim, March 1760)
Sei Sinfonie per orchestra op. 2
Vorwort
Da sehr viele Musiker der Mannheimer Hofkapelle – und somit Komponisten
der Mannheimer Schule – böhmischer Herkunft waren, ging man lange
Zeit davon aus, Anton Fils ein böhmischer Musiker gewesen, natürlich
geboren mit dem korrekten Vornamen Antonín. Tschechische Musikwissenschaftler
gingen gar so weit, ein typisch böhmisches Idiom aus seinem Schaffen
herauszuhören. Doch hat die Entdeckung seiner Taufurkunde vom 22.
September 1733 im bayerischen Eichstätt die Sachlage geklärt. Anton
Fils (dessen Name auch in den Schreibweisen Fiels, Fieltz, Filtz,
Filz und Fitz überliefert ist) war der Sohn eines Cellisten und Cammer
Portiers am fürstbischöflichen Hofe. Über seine Biographie ist kaum
etwas bekannt. 1753 war er an der Universität Ingolstadt als Student
der Theologie und Jurisprudenz immatrikuliert, im Jahr darauf nur
noch der Jurisprudenz. Doch da kam schon der entscheidende Wechsel
hin zur eigentlichen Bestimmung: Am 15. Mai 1754 wurde er mit einem
Gehalt von 300 Gulden als Cellist der Mannheimer Hofkapelle verpflichtet.
Der weit überwiegende Teil seiner Kompositionen – in jedem Fall seiner
Symphonien – dürfte in den nun folgenden Mannheimer Jahren entstanden
sein. Und das war ein weitgespanntes Œuvre in nur sechs Jahren: 30-40
Symphonien (vielleicht auch mehr, doch sind 40 ihm zugeschriebene erhalten,
von denen ungefähr 30 in der Zuschreibung als gesichert gelten), 2
Flötenkonzerte, 2 Cellokonzerte, Konzerte für Oboe und Klarinette,
eine größere Zahl Orchestertrios, ein Divertimento für Flöte, Bratsche,
Cello und Basso continuo, eine Vielzahl von Streichquartetten, Triosonaten,
Klavier- und Streichtrios, außerdem Klaviersonaten und Messen und andere
geistliche Werke mit Orgelbegleitung.
Am 7. Februar 1757 heiratete Fils Elisabeth Range, und im Mai 1759
erwarb er ein Haus im Quadrat 74 Nr. 12 (heute F4), doch starb er gänzlich
unerwartet weniger als ein Jahr später. Sein Tod ist im Sterberegister
des Jesuitenklosters Mannheim dokumentiert, er wurde am 14 März 1760
auf dem Mannheimer Ortsfriedhof beerdigt. Christian Friedrich Daniel
Schubart (1739-91) schreibt dazu in seinen ‚Ideen zu einer Ästhetik
der Tonkunst’: „Schade dass dieser vortreffliche Kopf wegen seines
bizarren Einfalls Spinnen zu essen vor der Zeit verblüht ist. […] Überhaupt
besass Filz einen ganz besonderen musikalischen und physikalischen
Charakter. Er hatte viel Brittisches in seiner Physiognomie, und in
seinem ganzen Seelenzuschnitt.“ An anderer Stelle (überliefert in ‚Schubart’s
des Patrioten gesammelte Schriften und Schicksale’, 5. Band, S. 149,
postume Ausgabe, Stuttgart 1839) schwärmt Schubart:
„Ich halte ihn für den besten Symphonienschreiber, der jemals gelebt
hat. Pracht, Volltönigkeit, mächtiges, allerschütterndes Rauschen und
Toben der Harmoniefluth, Neuheit in den Einfällen und Wendungen, sein
unnachahmliches Pomposo, seine überraschenden Andantes, seine einschmeichelnden
Menuetts und Trios und endlich seine geflügelten, laut aufjauchzenden
Prestos – haben ihm bis dieser Stunde die allgemeine Bewunderung nicht
rauben können.“
Johann Adam Hiller war da – wie auch Friedrich Marpurg – kritischer
und bemerkte 1768 in seinen ‚Wöchentlichen Nachrichten die Musik betreffend’:
“Herr Fils, ein Mann, der sich in seinen Arbeiten nicht gleich ist,
hat einige Concerte für die Flöte gesetzt, an denen Kenner vieles loben
und vieles tadeln; er war, wie Pergolesi, ein Genie, das der Tod nicht
zur Reife kommen ließ.“
Über Anton Fils’ musikalische Ausbildung als Cellist und Komponist
wissen wir rein gar nichts. Nachdem die Spekulationen böhmischer Provenienz
sich als aus der Luft gegriffen erwiesen hatten, gab es Vermutungen,
er könne in Italien gelernt haben. Hier wissen wir nur über die ‚späten’
Mannheimer Jahre.1753 war Ignaz Holzbauer zweiter Kapellmeister in
Mannheim geworden, wo seit den 1740er Jahren Johann Stamitz die neue
Ära orchestraler Qualität eingeleitet hatte. Besonderes Merkmal der
Mannheimer Hofkapelle seit Stamitz’ Regentschaft war, dass die orchestralen
Positionen nicht nur mit vorzüglichen Virtuosen besetzt wurden, sondern
darauf geachtet wurde, dass diese gleichzeitig versierte Komponisten
waren. So berichtete Charles Burney 1772: „Es sind wirklich mehr Solospieler
und gute Komponisten in diesem als vielleicht in irgendeinem Orchester
in Europa. Es ist eine Armee von Generälen, gleich geschickt, einen
Plan für eine Schlacht zu entwerfen, als darin zu fechten.“ Fils Kompositionen,
insbesondere seine damals als echte Sensationen empfundenen Symphonien,
dürften für die fürstlichen Orchesterkonzerte der Hofkapelle im Rittersaal
des Mannheimer Schlosses entstanden sein.
Fils schätzte sein eigenes Schaffen gering ein, sodass Schubart kommentierte:
„denn er dachte von seinen eigenen Arbeiten so bescheiden, dass er
aus vielen seiner trefflichsten Werke, wann sie einmahl aufgeführt
waren, Fidibus machte“ (letzteres bedeutet: sie zum Feuermachen verwendete).
Wir wissen dementsprechend von keiner einzigen Druckausgabe und nur
sehr wenigen Abschriften Fils’scher Werke zu seinen Lebzeiten. Nach
seinem Tod änderte sich das schlagartig. Am 12. Juli 1760 erhielt der
Pariser Verleger Louis-Balthazard de La Chevardière den Zuschlag für
den exklusiven Druck der Instrumentalkompositionen, gleich darauf erschienen
die ersten Drucke, und 1765 lag das zur Veröffentlichung vorgesehene
Œuvre komplett vor. Freilich ließ man, wo der Komponist die Ausgaben
nicht mehr überwachen konnte und er zudem nicht eine allererste Berühmtheit
war, in der Herausgabe einige Willkür walten. So ist die in diesem
Band vorgelegte Symphonie g-moll (Fils’ einzige Moll-Symphonie und
gewiss eine seiner beeindruckendsten) in vorliegender Ausgabe von der
Jahresmitte 1760 dreisätzig, in einer zwei Monate später vorgelegten
alternativen Veröffentlichung jedoch viersätzig mit einem Menuett an
dritter Stelle, außerdem in der Besetzung um zwei Flöten aufgestockt.
Ob der Komponist beide Fassungen autorisiert hat oder eine der beiden,
lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Die Opusnummer entsprach
der Reihenfolge der postumen Veröffentlichung und hat keinen Bezug
zum Zeitraum der Entstehung. Auch wissen wir nicht, ob die sechs Symphonien
op. 2 von Fils als Werkgruppe gedacht waren oder vom Verleger aus nicht
zusammengehörenden Werken zusammengestellt wurden.
Anton Fils’ sechs Symphonien op. 2 erschienen 1760 bei Huberty in
Paris unter dem Titel: SIX SYMPHONIES à quatre Parties obligées avec
Cors de Chasse ad libitum. Composées par Mr. FILTZ. Mises au jour par
Mr. Huberty, Ordinaire de l’Académie Royale de Musique. Œuvre II.me,
Gravée par Chambon. Prix 9.tt On vend les Parties de Cors de Chasse
séparement. À Paris chez M. de La Chevardière Md de Musique du Roi
rue du Roule à la Croix d’Or l’Éditeur rue des deux Ecus au Pigeon
blanc où l’on trouve un grand Magasin de Musique moderne avec Privilège
du Roy.
Der Neudruck erschien, der hier unverändert übernommen wurde und erstmals
im Studienformat zugänglich gemacht wird, erschien 1960 bei der Editio
Artia in Prag, herausgegeben von Jaroslav Pohanka unter der Redaktion
von Dr. Jan Racek in der Reihe Musica Antiqua Bohemica. Die Metronombezeichnungen
sind Vorschläge des Herausgebers und besitzen keine Authentizität.
Christoph Schlüren, Mai 2009
Aufführungsmaterial ist von Editio Artia, Prag zu beziehen.
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Anton Fils
(b. Eichstätt, September 1733 - d. Mannheim, March 1760)
Sei Sinfonie per orchestra, op. 2
Preface
Because so many musicians in the Mannheim court orchestra – and thus
composers of the Mannheim School – came from Bohemia, it was long
assumed that Anton Fils was a Bohemian musician whose Christian name
should correctly read Antonín. Czech musicologists even went so far
as to descry a distinctively Bohemian tinge in his music. But the
situation was clarified by the discovery of his certificate of baptism,
dated 22 September 1733 in the Bavarian town of Eichstätt. Anton
Fils (his name is also handed down in the forms Fiels, Fieltz, Filtz,
Filz, and Fitz) was the son of a cellist and liveried porter at the
court of the prince-bishop. Practically nothing is known about his
life. In 1753 he enrolled at Ingolstadt University as a student of
theology and law, dropping theology one year later. Then came the
decisive switch to his true vocation: on 15 May 1754 he was retained
as a cellist in the Mannheim court orchestra at a salary of 300 gulden.
The bulk of Fils’s compositions – and in any event his symphonies –
probably originated during his tenure in Mannheim. It is a wide-ranging
oeuvre produced within the space of only six years: thirty to forty
symphonies (perhaps even more, but there are forty attributed to him,
and thirty of the attributions are considered secure), two flute concertos,
two cello concertos, concertos for oboe and clarinet, a fairly large
number of orchestral trios, a divertimento for flute, viola, cello,
and basso continuo, a large number of string quartets, trio sonatas,
piano trios, and string trios, not to mention piano sonatas, Masses,
and other sacred works with organ accompaniment.
On 7 February 1757 Fils married Elisabeth Range, and in May 1759 he
purchased a house in cadastral district 74 no. 12 (now F4). But he
died unexpectedly less than a year later. His death is registered at
the Jesuit Monastery in Mannheim, and he was buried in Mannheim’s local
cemetery on 14 March 1760. Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-91)
recalled the event in his Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst: “A
pity that this excellent brain should perish ahead of its time owing
to his bizarre notion of eating spiders. […] Indeed, Filz possessed
a quite special musical and physical character. There was something
British to much of his physiognomy and to his entire cast of mind.”
Schubart also waxed ecstatic elsewhere, as we know from the posthumous
edition of his Gesammelte Schriften und Schicksale, vol. 5 (Stuttgart,
1839), p. 149: “I consider him to be the best symphonist who ever lived.
Majesty, richness of sonority, powerful, earth-shattering explosions
and uproar in his surging harmonies, novelty in every invention and
turn of phrase, his inimitable pomposo, his surprising andantes, his
ingratiating minuets and trios, and finally his inspired, jubilant
prestos: none of these have failed to attract general admiration to
the present hour.”
Johann Adam Hiller, like Friedrich Marpurg, took a more critical view
in his Wöchentliche Nachrichten die Musik betreffend in 1768: “Herr
Fils, a man uneven in his output, produced several concertos for the
flute in which connoisseurs find much to praise and much to deplore;
he was, like Pergolesi, a genius prevented by death from reaching maturity.”
Nothing whatever is known about Fils’s musical training as a cellist
and composer. Once the speculations about his Bohemian ancestry were
exploded, conjectures arose that he may have studied in Italy. All
we know for certain is limited to his “late” Mannheim years. In 1753
Ignaz Holzbauer was appointed deputy chapel-master in Mannheim, where
Johann Stamitz had introduced a new era of high-quality orchestral
playing beginning in the 1740s. Ever since Stamitz’s directorship,
the special feature of the Mannheim court orchestra was not only that
its desks were taken by first-rate virtuosos, but that these musicians
were also accomplished composers. As Charles Burney reported in 1772,
“there are more solo players, and good composers in this [orchestra],
than perhaps in any other ... in Europe; it is an army of generals,
equally fit to plan a battle, as to fight it.” Fils’s compositions,
especially the symphonies, which were considered sensational at the
time, were probably composed for the concerts of the prince-bishop’s
court orchestra, held in the Hall of Knights in Mannheim Palace.
Fils did not have a high opinion of his own music. As Schubart tells
us, “he was so modest about his own compositions that he used many
of his most admirable works to stoke a fire once they had been performed.”
Accordingly, not one of his works is known to have appeared in print
during his lifetime, and very little in manuscript copies. This changed
instantaneously after his death. On 12 July 1760 the Parisian publisher
Louis-Balthazard de La Chevardière was awarded exclusive rights to
publish Fils’s instrumental music. Shortly thereafter the first printed
editions appeared, and by 1765 all his works intended for publication
had appeared in print. To be sure, as the composer could no longer
supervise the publications and was not a celebrity of the first order,
a certain laxity entered the editorial process. Thus the Symphony in
G minor presented in our volume (Fils’s only symphony in the minor
mode, and surely one of his most impressive efforts) appeared in three
movements in the present edition from mid-1760, but in an alternative
four-movement version (with minuet and two additional flutes) in a
print issued two months later. Whether the composer authorized both
versions or only one of them is anybody’s guess today. The opus number
represents the order of posthumous publication and has no bearing on
the work’s date of origin. Nor do we know whether Fils intended the
six symphonies of op. 2 to constitute a unified set or whether they
were assembled from unrelated works by the publisher.
Fils’s Six Symphonies, op. 2, were published by Huberty of Paris in
1760 with the following title: SIX SYMPHONIES à quatre Parties obligées
avec Cors de Chasse ad libitum. Composées par Mr. FILTZ. Mises au jour
par Mr. Huberty, Ordinaire de l’Académie Royale de Musique. Œuvre II.me,
Gravée par Chambon. Prix 9.tt On vend les Parties de Cors de Chasse
séparement. À Paris chez M. de La Chevardière Md de Musique du Roi
rue du Roule à la Croix d’Or l’Éditeur rue des deux Ecus au Pigeon
blanc où l’on trouve un grand Magasin de Musique moderne avec Privilège
du Roy. A modern reprint, edited by Jaroslav Pohanka under the aegis
of Dr. Jan Racek, was published in 1960 by Editio Artia, Prague, in
its series Musica Antiqua Bohemica. We reproduce this edition without
alteration and make it available for the first time in miniature score.
The metronome markings are editorial suggestions and lack authorial
sanction.
Translation: J. Bradford Robinson
Performing material available on hire from Editio Artia, Prag.
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