Niels Wilhelm Gade
(geb. Kopenhagen, 22.2.1817 - gest. Kopenhagen, 21.12.1890)

Die Kreuzfahrer
(„Korsfarerne“)
Dramatisches Gedicht für Soli, Chor und Orchester op. 50 (1865)
Text: Carl Andersen

Besetzung
Soli: Sopran (Armida), Tenor (Rinaldo), Bass (Peter der Eremit)
Chor (SSAATTBB)
2 Fl. – 2 Ob. – 2 Kl. – 2 Fg. – 4 Hr. – 2 Trp. – 3 Pos. – 1 Tb.
Pauke, Schlagwerk – Harfe – Streicher

Spieldauer
ca. 60 Minuten

Inhalt
Der erste Teil („In der Wüste“) schildert die Reise der Kreuzfahrer und Pilger nach Jerusalem. In der Wüste scheinen unter der Hitze der Sonne die Kräfte zu erlahmen. Erst Peter der Eremit kann die Schar zum Durchhalten in Gottes Namen ermuntern. Im „Kreuzritter“-Gesang fallen Peter, der Held der Kreuzritter Rinaldo und der Chor der Kreuzfahrer in einen Jubel über die gemeinsame Mission ein („Strahl‘ hehre Sonn‘ “). Die Zauberin Armida steht im zweiten Teil („Armida“) im Mittelpunkt des Geschehens. Sie versucht den Kreuzzug zu sabotieren, indem sie zusammen mit den Sirenen ein paradiesisches Phantasiereich vortäuscht und versucht, Rinaldo zu verführen („Ich tauch‘ meine Brust“). Kurz bevor Armida jedoch ihr Ziel erreicht („O Rinaldo, auf, erwache“), erklingt der Kreuzrittergesang. Rinaldo erwacht aus dem bösen Zauber und besinnt sich wieder auf seine eigentliche Aufgabe. Im dritten Teil („Gen Jerusalem“) schließlich gelingt es den Kreuzfahrern, ihre Bestimmung zu erfüllen und glücklich zu Ende zu bringen.

Vorwort
In den 1860er Jahren hatte Gade einen ersten Höhepunkt seiner Karriere in Dänemark erreicht. Mit der Leitung des führenden Kopenhagener Musikvereins, Musikforeningen, und als Mitbegründer und Direktor des 1867 eröffneten Konservatoriums übernahm er die Vorherrschaft im dänischen Musikleben. Auch mit seinen Kompositionen hatte er sich längst etabliert, was jedoch vorrangig auf den großen Erfolg seiner Orchesterwerke zurückzuführen ist. Außer mit der 1846 vollendeten Chorballade Comala und seinem wenig erfolgreichen Singspiel Mariotta (1850) war Gade bisher kaum auf dem dramatischen Feld in Erscheinung getreten. Erst ab Mitte der 1850er Jahre begann der Däne verstärkt mit der Arbeit an sinfonischen Chorkompositionen und konnte sich mit Erlkönigs-tochter (Elverskud) op. 30 (Uraufführung 1854 in Kopenhagen) einen Namen machen. In seinem Gesamtwerk findet sich neben dem Hauptschaffen in den acht Sinfonien eine beachtliche Anzahl großdimensionierter Werke für die Besetzung Solo, Chor und Orchester. Thematisch stehen dort häufig nordische oder religiöse Sujets und Gestalten im Mittelpunkt, wie in Kalanus (1869), Gefion (1869), Zion (1874) oder Psyche (1882). Die Kreuzfahrer sind als erster Teil einer Trilogie zu verstehen, in deren Zentrum Fragen und Arten des Glaubens stehen sollten. Zur Betrachtung des Christentums in Die Kreuzfahrer traten das Heidentum in Kalanus (1868, Uraufführung 1869 in Kopenhagen) und das Judentum in Zion (1874, Uraufführung 1876 in Birmingham) hinzu.

Gade hatte den Dichter Carl Andersen (1828-1883) um den Entwurf eines Textes gebeten, der auf Motiven aus Torquato Tassos Versepos Gerusalemme liberata („Das befreite Jerusalem“) von 1525 basieren sollte. Darin wird die Eroberung Jerusalems während des ersten Kreuzzuges 1096 bis 1099 geschildert. Tassos Epos war bereits Gegen-stand zahlreicher Vertonungen gewesen. Insbesondere im 18. Jahrhundert entstanden entsprechende Opern, wie Armide von Jean-Baptiste Lully oder Rinaldo von Georg Friedrich Händel. Im Juli 1865 lag die Dichtung von Carl Andersen in dänischer Sprache vor. Während der Sommermonate komponierte Gade in seinem Sommerhaus in Skovshoved an den Kreuzfahrern, die er im Frühjahr des darauf folgenden Jahres abschloss. Kurze Zeit später fand am 24. April 1866 in einem Konzert von Musikforneningen in Kopenhagen die Uraufführung unter Gades Leitung statt.

Der Rezensent vom Kopenhagener Tagesblatt lobte das Werk nach der Aufführung als eines der phantasievollsten Gades und betonte, dass die Kreuzfahrer „einen eigentümlichen nordischen Zug“ enthielten.“ Mit „nordisch“ wurde eine Charakteristik der Gadeschen Musik angesprochen, die Zeit seines Lebens prägend für ihn war. Vorrangig in Dänemark wurde Gades Kompositionen gerne „Nordisches“ angedichtet, ob es im Werk wirklich wieder zu finden war oder nicht. Den Ruf als „Nordischer Komponist“ hatte Gade durch seine Frühwerke, wie die Ossian-Ouvertüre op. 1 oder die Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 5 erlangt, in denen er den Nordischen Ton, basierend auf skandinavischen Volksmusikmodellen, in die Kunstmusik einführte. In seinen späteren Werke wandte sich Gade von diesem Stil ab, dennoch interpretierten seine Zeitgenossen gerne weiterhin seine Werke als „nordisch“, um darin einen gewissen Patriotismus zum Ausdruck zu bringen und Gade zum Nationalkomponisten hoch zu stilisieren.

Der Erfolg der Kreuzfahrer erreichte schnell Leipzig, Gades alte Wirkungsstätte, wo er von 1843 bis 1848 am Konservatorium tätig gewesen und die Gewandhauskonzerte geleitet hatte. Die Partitur mit einer deutschen Übersetzung des Textes erschien bereits 1867 bei Breitkopf & Härtel in Leipzig. Damit brachte der Verlag die Kreuzfahrer auf den deutschen Markt, denn bereits im Dezember 1866 war als Erstausgabe der Klavierauszug der dänischen Fassung in Kopenhagen bei Horneman & Erslev erschienen.

Im Vergleich zu den beiden anderen Werken der Trilogie, die zu Gades Lebzeiten wenige Aufführungen erfuhren, gelang dem Dänen mit den Kreuzfahrern ein großer internationaler Erfolg. Sie wurden weltweit aufgeführt, beispielsweise in England, den Niederlanden oder in den USA. Dazu kamen zahlreiche Aufführungen in Deutschland (Berlin, Dresden, Düsseldorf, Hamburg Köln, Königsberg etc.). Auch zu besonderen Gelegenheiten und Anlässen erklangen die Kreuzfahrer. Dazu gehörte das 50jährige Jubiläum von Musikforeningen 1886. Der Erfolg des Werkes lässt sich nicht nur mit der musikalischen Qualität erklären. Das Motiv der Helden-Reise, das Abenteuer der Odyssee wird zur Faszination der Kreuzfahrer beigetragen haben.

Dennoch war die Rezeption zwiespältig. In Leipzig beispielsweise waren die Meinungen geteilt. Auf der einen Seite wurde Gade eine bisweilen wirre Tonsprache, die ins Nichts führe vorgeworfen. Ebenso unterstellte man ihm Epigonentum. Vermeintlich zu hören waren – laut Presseberichten – Stilzüge Mendelssohns und Wagners – was sich eigentlich ausschließen musste. Bisweilen wurde Gade seine Originalität abgesprochen. Auf der anderen Seite lobte der Leipziger Thomaskantor und Konservatoriumslehrer Moritz Hauptmann (1792-1868) in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung das Werk als eines der neben Elverskud bedeutendsten Chor-Kompositionen des Dänen. Besonders schwärmte er von derartig strahlenden Orchesterfarben und „süßen“ Melodien, dass seiner Meinung nach selbst Richard Wagner übertroffen worden sei. Angesichts der ewigen Missstimmung gegen die Neudeutsche Schule, die in Leipzig herrschte, überrascht diese Aussage allerdings wenig.

Gades Plan eines musikalischen Dreiergespanns zum Christen-, Juden- und Heidentum ging jedoch nicht auf. Wahrscheinlich bis heute kam es zu keiner zusammenhängenden Aufführung der Trilogie, obwohl die Aktualität der Gegenüberstellung von Fragen und Ansichten zu Glauben und Religion nicht von der Hand zu weisen ist.

Yvonne Wasserloos, Dezember 2008

 

Aufführungsmaterial ist von Breitkopf und Härtel, Wiesbaden zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München

Niels Wilhelm Gade
(b. Copenhagen, 22 February 1817 – d. Copenhagen, 21 December 1890)

The Crusaders
(“Korsfarerne”)
Dramatic poem after Carl Andersen
for solo voices, chorus and orchestra, op. 50 (1865)

Scoring
soprano (Armida), tenor (Rinaldo), bass (Peter the Hermit)
chorus (SSAATTBB),
2 fl, 2 ob, 2 cl, 2 bn, 4 hn, 2 tpt, 3 tbn, tuba
timp, perc, harp, str

Duration
ca. 60 min.

Synopsis
Part I (“In the Desert”) depicts the journey of the Crusaders and pilgrims to Jerusalem. Their strength seems to falter in the heat of the desert sun. Only Peter the Hermit is able to rouse the party to carry on in God’s name. In the “Song of the Crusaders,” Peter, Rinaldo (the Crusader’s hero), and the chorus of Crusaders sing in jubilation at their common mission (“Strahl’ hehre Sonn’”). In Part II (“Armida”), the focus of the action falls on the sorceress Armida, who tries to sabotage the Crusade by conjuring up, together with the Sirens, an imaginary paradise and attempting to seduce Rinaldo (“Ich tauch’ meine Brust”). But just before she reaches her goal the Song of the Crusaders is heard (“O Rinaldo, auf, erwache”). Rinaldo awakes from the evil spell and recalls his true mission. In Part III (“Toward Jerusalem”), the Crusaders finally succeed in accomplishing their objective and bringing the affair to a happy conclusion.

Preface
In the 1860s, Gade reached the first pinnacle of his career in Denmark. He assumed the leading role in Danish music as the head of Copenhagen’s foremost music society, Musikforeningen, and as co-founder and director of the Conservatory (founded in 1867). By that time he had long become established with his compositions, mainly owing to the great success of his orchestral works. Apart from the choral ballad Comala (completed in 1846) and his largely unsuccessful singspiel Mariotta (1850), he had hardly ventured into the field of dramatic music. It was not until the mid-1850s that he began increasingly to work on symphonic choral compositions, where he became famous for his Elverskud (“Erl-King’s Daughter,” op. 30), premièred in Copenhagen in 1854. Besides his principal body of music, the eight symphonies, his full oeuvre contains an impressive number of large-scale works for solo voices, chorus, and orchestra, often with an emphasis on Nordic or religious subjects, as in Kalanus (1869), Gefion (1869), Zion (1874), and Psyche (1882). The Crusaders formed the first part of a trilogy dealing with questions and types of religious faith. The views on Christianity in The Crusaders were joined by Paganism in Kalanus (1868, premièred in Copenhagen in 1869) and Judaism in Zion (1874, premièred in Birmingham in 1876).

Gade had asked the poet Carl Andersen (1828-1883) to draft a libretto based on motifs from Torquato Tasso’s verse epic of 1525, Gerusalemme liberata (“Jerusalem Liberated”), which depicts the conquest of Jerusalem during the First Crusade (1096-99). Tasso’s epic had already been the object of many musical settings, notably Jean-Baptiste Lully’s opera Armide and George Frideric Handel’s Rinaldo in the eighteenth century. Carl Andersen completed his libretto in Danish in July 1865. Gade worked on The Crusaders that same summer in his holiday retreat in Skovshoved and completed it the following spring. A short while later, on 24 April 1866, the première took place under Gade’s direction at a concert of the Musikforeningen in Copenhagen.

After the performance, the critic of Kopenhagener Tagesblatt praised the work as one of Gade’s most imaginative creations and stressed that it contained “a distinctive Nordic touch.” With the term “Nordic” he brought up a characteristic of Gade’s music that accompanied him throughout his career. Especially in Denmark, Gade’s compositions were frequently given a “Nordic” tag, whether or not it was truly evident in the music. He had earned his reputation as a “Nordic composer” through such early works as the Ossian Overture (op. 1) and the Symphony No. 1 in C minor (op. 5), which introduced the Nordic tone into art music, primarily drawing on models from Scandinavian folk music. Although Gade turned away from this style in his later works, his contemporaries fondly continued to refer to them as “Nordic” in order to lend them a patriotic flavor and to depict Gade as a national composer.

The success of The Crusaders quickly reached Leipzig, Gade’s former place of residence, where he had worked at the Conservatory (1843-8) and headed the Gewandhaus concerts. The score, with German translation, was published as early as 1867 by Breitkopf & Härtel in Leipzig, thereby introducing The Crusaders to the German market. The first edition of the Danish version had already been issued in vocal score by the Copenhagen firm of Horneman & Erslev in December 1866.

Unlike the other two works in the trilogy, which were seldom performed in Gade’s lifetime, The Crusaders became an international triumph. It was given all over the world, including England, the Netherlands, and the United States. It also witnessed a great many performances in Germany (inter alia in Berlin, Dresden, Düsseldorf, Hamburg, Cologne, and Königsberg) and was heard on special occasions, one being the fiftieth anniversary of the Musikforeningen in 1886. The work’s success was due not only to the quality of its music: the motif of the heroic journey, the adventures of Ulysses, undoubtedly formed part of its attraction.

Still, the work’s reception was ambivalent. Opinions in Leipzig, for example, were divided: Gade was sometimes accused of using a confusing tonal language that led nowhere. He was also said to be derivative: according to press reports, stylistic traits of Mendelssohn and Wagner were allegedly to be heard, although the two should by rights be mutually exclusive. Sometimes Gade was said to lack originality. On the other hand, the cantor at St. Thomas’s and head of the Conservatory, Moritz Hauptmann (1792-1868), claimed in the Allgemeine Musikalische Zeitung that the work ranked alongside Elverskud as Gade’s most significant choral composition. He especially singled out the radiant orchestral colors and “dulcet” melodies, which, he felt, even surpassed Richard Wagner. Given Leipzig’s unending animus toward the North German School, this statement is hardly surprising.

However, Gade’s hopes for a musical triptych on Christianity, Paganism, and Judaism failed to materialize. To the present day, there has probably never been a complete performance of the entire trilogy, even though its juxtaposition of questions and views on faith and religion is as timely as ever.

Translation: Bradford Robinson

 

 

For performance material please contact the publisher Breitkopf und Härtel, Wiesbaden. Reprint of a copy from the Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.