Sergej Ivanovič Taneev
(geb. Vladimir-na-Klyaz’me, 13. [Gregorianischer Kalender: 25.] November 1856 — gest. Dyud’kovo b. Moskau, 7. [19.] Juni 1915)

Oresteya
Oper in drei Akten (1887–1894)

Sergej I. Taneev war einer der interessantesten und einflussreichsten russischen Musiker, und doch bleibt sein Leben für weite Teile von Publikum und Musik-wissenschaft ein Rätsel. Um seinen Namen einem breiteren Publikum, in den Konzerthallen und auf den Opernbühnen bekannt zu machen, bleibt noch viel zu tun. Als versierter Pianist, Theoretiker, Komponist und Pädagoge gilt Taneev andererseits bis heute als eine Säule russischer Musik-Ausbildung. Er war ein enger Freund von Petr Čajkovskij, Nikolaj Rubinštejn, Antonin Arenskij und German A. Laroš (= Hermann Laroche); er kannte Antonin Rubinštein, Ivan Turgenev, Émile Zola, César Franck, Gabriel Fauré, Henri Duparc, Vincent d’Indy und die Viardot-Familie; außerdem stand er den Familien von Nikolaj Rimskij-Korsakov und Lev Tolstoj nahe, und er wurde von Aleksandr Glazunov und der folgenden Generation russischer Musiker ungemein respektiert. Igor Stravinsky schätzte sein Lehrbuch über Kontrapunkt, respektierte ihn als Komponisten der Oresteya und bewunderte ihn als Pianist. Taneev studierte am Moskauer Konservatorium bei Petr Čajkovskij und Nikolaj Rubinštejn; nach sei-nem Abschluß im Jahr 1875 bat man ihn, sogleich als Lehrer dort zu bleiben. Zwi-schen 1885 und 1889 war er sogar Direktor des Instituts, und auch anschließend unterrichtete er dort weiter, bis er 1905 seinen Dienst beendete. Taneevs Einfluß auf russische Komponisten reicht weit: Er erkannte die musikalische Begabung des jungen Prokofiev und empfahl dessen Eltern, Reinhold Glière (damals ein Student Taneevs) als Lehrer für Musiktheorie und Komposition einzustellen. Andere seiner Schüler, darunter Nikolaj Zhilaev und Aleksandr Goldenweiser, wurden respektierte Lehrer des Moskauer Konservatoriums und unterrichten ihrerseits Komponisten wie Vissarion Shebalin, Aram Khachaturian und Dmitri Kabalevskij. Taneevs berühmteste Studenten schließen Sergej Rakhmaninov, Nikolaj Medtner und Aleksandr Scriabin ein. Man hört seinen Einfluß in der harmonischen Sprache von Scriabins frühen Klavierstücken ebenso wie in der Kontrapunktik von Glazunovs und Medtners Klavierkonzerten, in den handwerklich guten Kammermusikwerken von Shebalin und sogar noch in den weltberühmten Streichquartetten von Dmitri Shostakovič.

Aus den vielen Werken von Taneev ragt eines besonders heraus: Die ›musikalische Trilogie‹ Oresteya nach der Dramen-Trilogie Orestie von Aischylos (komponiert zwischen 1882 und 1894, revidiert 1900). Zu einer Zeit, inder russische Komponisten Opern vor allem nach russischen Quellen schrieben – Literatur, Folklore, Geschichte –, stellte allein die Wahl eines antiken Stoffes Taneev sofort außerhalb des von seinen Kollegen erkundeten Areals. Nur Modest Musorgskij hatte sich einmal an der Bühnenmusik zu einer griechischen Tragödie versucht, namentlich Sophokles’ Oedipus, doch bekam er sie nicht zuende und verwendete die Musik daraus später für seine ebenfalls unvollendete Oper Salammbô. Am Libretto arbeitete Taneev mit Aleksej Alekse’evič Venkstern (?–1909), einem Autor, Dichter, Übersetzer, Literaturhistoriker und Absolvent der Moskauer Universität. Um ein möglichst gutes Libretto zu produzieren, hatte Taneev verschiedene Interpretationen der Tragödie studiert und gelesen, um sein Verständnis der Mythologiezu vertiefen und einen Text zu schaffen, der Menschen, die die Tragödie zuvor nicht gelesen hatten, den Stoff so verständlich wie möglich machen sollte. Er belieferte Venkstern mit einem Szenen-Plan und präzisen Instruktionen, wo Bühnenhandlung benötigt wurde, und Venkstern lieferte daraufhin einen Text, der dieser Struktur entsprach. Taneev war zwar bemüht,so nah wie möglich am Originaltext zu bleiben, doch waren für ein russisches Publikum, die Aischylos’ Orestie nicht kannte, einige Änderungen notwendig. Taneev und Venstern wollten jedoch sicher gehen, daß jede wichtige Nuance vom Publikum verstanden wurde. Daher entschieden sie sich, Aegist viel eher auf die Bühne zu bringen als im Original; der Wächter hat weitergehende wichtige Informationen zu liefern, und Klytemnästra selbst informiert das Publikum über Iphigenies Opfer. Andere Änderungen waren den Konventionen des 19. Jahrhunderts bei der Abfassung von Opernlibretti geschuldet. Dies schloß eine neue Szene zu Beginn des zweiten Teils (Choephoroe) ein, wo Klytemnästra moralische Qualen erleiden muß, nachdem sie ihren Gatten ermordet hat. Psychlogische Enthüllungen waren unabdingbarer Bestandteil dramatischer Bühnenwerke sowohl in Taneevs Russland wie auch im zeitgenössischen Europa, und Klytemnästras Qualen sind auch das Ergebnis eines anderen ideologischen Elements im 19. Jahrhundert – Freiheit des Einzelnen. Taneev und Venkstern wollten zeigen, daß damit auch persönliche Verantwortung einhergeht. Orest tötet seine Mutter, weil Apollo ihm befahl, seinen Vater zu rächen; Agamemnon tötet Iphigenie der Göttin Artemis zu Gefallen, und selbst Kassandra findet den Tod durch Apollo. Taneevs Klytemnästra scheint deshalb von allen männlichen wie auch weiblichen Protagonisten der Oper die größte Freiheit zu haben. Kein Gott befahl ihr, Agamemnon zu töten, und wenn sie beklagt, das Schicksal hätte ihre Hand geführt, dann nur, um Orest dazu zu bewegen, ihr zu vergeben. Doch Agamemnons Hinrichtung hat sie allein und aus freiem Willen geplant und ausgeführt. Deshalb konzentrierten sich Taneev und Venkstern auf die Folgen ihrer Tat und auf ihre Gewissensbisse nach dem Mord. Indem sie zeigten, daß Klytemnästra die Wahl hatte, Agamemnon zu vergeben oder ihn zu töten, konnten sie auch den moralischen Standpunkt der Verantwortung bei dieser Wahl aufzeigen.

Zwischen 1882 und 1889 kam die Oper nur langsam voran, denn Venkstern war ein kranker Mann, und in seinen langen Ausfallzeiten mußte auch Taneev die Arbeit ruhen lassen – zumal er auch sehr beschäftigt mit seinen Pflichten als Lehrer und Konservatoriums-Direktor war und im akademischen Jahr wenig Zeit zum Komponieren hatte. Doch nachdem er 1889 Wagners Ring des Nibelungen in Moskau gesehen hatte, trat er vom Posten des Direktors zurück und widmete sich ganz der Komposition seiner Oresteya. Dessen ungeachtet brauchte er noch vier Jahre, bis die Oper ihrer Vollendung nahe kam. Es ist schwer zu sagen, wie viel länger er noch gebraucht hätte, wenn nicht Čajkovskij eingegriffen und wegen der Oresteya persönlich mit dem Direktor des königlichen Theaters in St. Petersburg, Ivan Vsevolozhskij (1835–1909) gesprochen hätte, woraufhin Vsevolozhskij großes Interesse daran zeigte, endlich einmal eine Oper nach einem altgriechischen Stoff auf die Bühne bringen zu können. Čajkovskij ermutigte Taneev, nach St. Petersburg zu reisen und die Oper dem Direktor und seinem Dirigenten Eduard Nápravník (1839–1916) am Klavier vorzuspielen. Taneev brauchte aber noch vier Monate, um die Oper zu beenden und den für die Präsentation nötigen Klavierauszug anzufertigen. Schließlich schrieb er Čajkovskij über seinen ersten Besuch: »Gestern traf ich aus Moskau ein und […] spielte meine Oper dem Direktorium vor. Es war sehr anstrengend für mich gewesen, den Klavierauszug vorzubereiten. Ich brauchte dazu vier Kopisten, für die ich, unterworfen meinem Stundenplan, das Werk selbst vorbereiten mußte. In den letzten Tagen war einer davon ununterbrochen bei mir, ohne je das Haus zu verlassen, und er bekam von mir Blatt für Blatt. Rakhmaninov erübrigte für mich bis zu vier Stunden täglich, um das Geschriebene zu korrigieren, wofür ich selbst keine Zeit hatte. Ich kann mich nicht erinnern, jemals zuvor so hart gearbeitet zu haben. Ich ging spät zu Bett, stand auf um Sechs, am letzten Tag sogar schon um Vier Uhr früh. Bei meiner Abreise war der Klavierauszug fertig kopiert, abgesehen von wenigen Takten, die ich ausschrieb, als ich in Petersburg eingetroffen war.« (Brief von S. Taneev an P. Čajkovskij vom 20. März [1. April] 1892, in: P. I. Čajkovskij, S. I. Taneev: pis’ma [Briefe], hrsg. von Vladimir Zhdanov, Goskultprosvetizdat-Verlag, Moskau 1951, S. 191.)

Die harte Arbeit lohnte sich, und als Vsevolozhskij, Nápravník, dessen zwei Assistenten sowie Čajkovskijs Bruder Modest Il‘ič die Oper hörten, wurde sofort beschlossen, sie in der folgenden Saison 1894/95 herauszubrigen. Die Premiere von Oresteya im Mariinskij-Theater wurde von der Musikwelt in Moskau und St. Petersburg lebhaft erwartet. Am 17. [29.] Oktober 1895 waren viele Freunde und Bewunderer Taneevs im Publikum, von denen einige extra angereist waren. Darunter befanden sich Rakhmaninov, Arenskij, Nikolaij Kaškin, Julij Konjus, Goldenweiser, Sof’ja Tolstaja, Venkstern, Anatolij Brandukov and Aleksandr Blok, außerdem aus St. Petersburg selbst die Komponisten Rimskij-Korsakov, Liadov und Glazunov sowie der russische Musikkritiker German A. Laroš (= Hermann Laroche; 1845–1905). Laroche schrieb nach dem Hören der Oper, sie sei »nobel, delikat, voller schöner Melodien, kaum besser geeignet für den Charakter der gewählten Dichtung, und deren Nuancen mit wundervoller Wahrhaftigkeit und Wärme des Charakters reflektierend. Die exzellente Bildung im Kontrapunkt, in der, wie man wohl sagen kann, Taneev über allen lebenden russischen Komponisten von heute steht, manifestierte sich in seiner Oper durchsetzt mit einer wunderbaren Einheitlichkeit im Stil, und einem Stil, der sich als völlig eigenständig erwies. Ich habe selten ein Werk gehört, das mit so wenigen ›Remineszenzen‹ auskommt, wie man üblicherweise unbewußte Entlehnungen von anderen Komponisten nennt.« (German A. Laroš, ‘Oresteya Taneeva’, Novosti i birzhevaya gazeta, 20. Oktober [1. November] 1895, Nr. 288; zitiert in: German Laroš: izbrannïye stat’i. Vïpusk 3: opera i opernïy teatr [Ausgewählte Artikel, Vol. 3: Oper und Musiktheater], hrsg. von Abram Gozenpud, Muzïka-Verlag, Leningrad 1976, S. 345.) Rimskij-Korsakov schätzte wie auch viele von Taneevs Freunden und Kollegen Oresteya für ihre schöne, nachhaltige Musik und ihren melodischen Einfallsreichtum.

Doch auch wenn das Publikum die neue Oper begeistert willkommen hieß, blieb es bei nur acht Aufführungen, denn Taneev konnte sich mit Nápravník nicht über Streichungen einigen. Der Dirigent fand das Werk zu lang, auch nach einigen Strichen, die Taneev bereit war, ihm zuzugestehen. Als Taneev herausfand, daß seine Oper mit verschiedenen weiteren Strichen gegeben wurde, die er nicht selbst genehmigt hatte, forderte er selbst, daß sie abgesetzt und aus dem Repertoire des Mariinskij-Theaters herausgenommen wurde. Für die Premiere 1895 hatte Taneev die Oper selbst veröffentlicht, in einer teuren lithographierten Ausgabe, die er völlig aus eigener Tasche bezahlt hatte. (Sergej Taneev: Oresteya, Verlag I. N. Kušnerev, St. Petersburg 1894) Die Auflage umfaßte 100 Exemplare, von denen Taneev viele an Freunde und Kollegen verschenkte. Nach der Premiere bot ihm der Verleger, Musiker und Mäzen M. P. Belaiev (1836–1904) an, die Oper herauszubringen, und Taneev begann sofort mit Revisionen, kleinen Änderungen in der Orchestrierung, und er schrieb sogar die Szene von Aegist und Klytemnästra völlig um (erster Akt, IV. Szene).

1915, kurz nach Taneevs Tod, erschien Oresteya wiederum auf der Bühne des Mariinskij-Theaters, und zwei Jahre später auch in Moskau, im Theater der Deputierten der sowjetischen Arbeiterschaft (früher Zimins Oper). Diese Produktion erlebte 35 Vorstellungen und war besonders beliebt, weil sie in das politische und aesthetische Klima dieser Zeit bestens hineinpaßte: Im Rußland unmittelbar nach der Revolution gehörten die Freiheit des Einzelnen und neue politische Regeln noch zu den wichtigsten aesthetischen Prinzipien, und die Handlung von Oresteya spiegelte diese neue Weltordnung wider. Die letzten bekannten Inszenierungen der Oper erfolgten 1963 in Minsk und 1964 in Moskau durch das Belorussische Staatstheater für Oper und Ballett.

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Anmerkung des Übersetzers: Die Datierungen folgen dem damals in Russland geltenden Julianischen Kalender; die Entsprechungen zum heutigen gregorianischen Kalender (Differenz: 12 Tage) wurden vom Übersetzer jeweils in eckigen Klammern nachgestellt. Die deutsche Umschrift der russischen Namen entspricht den Vorgaben der International Organization for Standardization (ISO). Die griechischen Namen folgen in der Übersetzung der gebräuchlichen Eindeutschung. Von Taneevs Oper wird stets die russische Originalschreibweise ›Oresteya‹ verwendet; die Originalvorlage heißt im Englischen ›The Oristeia‹ und im Deutschen ›Orestie‹.

Charaktere

Athene - Sopran
Elektra - Sopran
Kassandra - Sopran
Klytemnästra - Alt
Orest - Tenor
Aegist - Bariton
Apollo - Bariton
Agamemnon - Bass
Areopagos - Bass
Coryphaeos - Bass
Sklave - Bass
Wächter - Bass
Krieger, Sklaven und Bürger von Argos und Athen
Verwandschaftliche Beziehungen im Hause der Atreiden

Atreus —— (Brüder) —— Thyestes
| | Klytemnästra (Gattin) —— Agamemnon — (Vettern) — Aegist
| |
Orestes, Elektra, Iphigenie Kassandra (Agamemnons Konkubine)


Synopsis

Akt I: Agamemnon. Der Wächter sieht die Feuer, die Agamemnons Rückkehr aus dem Trojanischen Krieg ankündigen, und unterrichtet davon Klytemnästra, die freudig den Gatten erwartet. Daraufhin verkündet sie dem Volk von Argos die siegreiche Rückkehr des Königs. Diese Neuigkeit bringt seinen Vetter Aegist in Nöte: Er hatte nämlich zwischenzeitlich eine Affäre mit Klytemnästra und fürchtet verständlicherweise, das Agamemnon ihn umbringen würde, wenn er davon erführe. Er erinnert sich an dies Geschichte des Hauses der Atreiden: Die beiden Brüder Atreus (Agamemnons Vater) und Thyestes (sein eigener Vater) stritten einst um den Thron. Thyestes floh schließlich mit seinen Kindern, kehrte aber später zurück, um sich mit seinem Bruder zu versöhnen, der Vergebung vorgab und ihn zu einem Festbankett aus gegebenem Anlaß lud. Tatsächlich brachte Agamemnon aber seine eigenen Neffen um und servierte ihr geröstetes Fleisch ihrem Vater Thyestes, der das Haus der Atreiden verfluchte und ein weiteres Mal floh, nun mit seinem einzig überlebenden Sohn Aegist. Der hat daher eigentlich eine Blutrache an Agamemnon zu üben, doch überkommt ihn die Furcht, und er beschließt die Flucht. Klytemnästra kann ihn gerade noch davon abhalten, denn sie hat ihre eigenen Gründe, Agamemnon zu erledigen – Rache für den Tod ihrer Tochter Iphigenie, die Agamemnon opferte, um die Göttin Artemis vor dem Feldzug nach Troja günstig zu stimmen. Nach Agamemnons Rückkehr führt sie ihren Plan durch, um Argos gemeinsam mit Aegyst zu beherrschen. Außerdem bringt sie Agamemnons Konkubine um, die trojanische Prinzessin Kassandra, die er mitgebracht hatte. Vor ihrem Tod prophezeit sie dem Volke von Argos, das Orest, Sohn von Agamemnon und Klytemnestra, heimkehren, Agamemnon rächen und die Schande des Hauses der Atreiden tilgen würde.

Akt II: Choephoroe. Nachts erwacht Klytemnästra aus einem Alptraum. Beim Versuch, wieder einzuschlafen, erscheint ihr Agamemnons Geist und kündigt ihren nahenden Tod von Hand des Orest an. Der kehrt auch wirklich endlich aus dem Krieg zurück, und am Grabe Agamemnons erzählt er seiner Schwester Elektra, Apollo hätte ihn gesandt, um den Tod ihres Vaters zu rächen. Orest schaudert zwar beim Gedanken, die eigene Mutter zu töten, doch da er an seine Rache gebunden ist, akzeptiert er die Konsequenzen. Er tötet Klytemnästra und Aegyst, doch die Furien seiner Mutter, die Geister der Rache, verfolgen ihn strafend.

Akt III: Eumenides. Die Furien treiben Orest fast in den Selbstmord, lassen ihn jedoch nicht sterben, um sein Leid zu verlängern. Er reist daher zum Tempel des Apollo in Delphi und bittet den Gott um Schutz. Apollo vertreibt die Furien und sendet Orest nach Athen, wo Athene und das Gericht des Areopagos über sein Schicksal entscheiden würden. Die Richter können sich nicht einigen; schließlich gibt die Göttin mit ihrer Stimme den Ausschlag: Athene entscheidet für Orest, weil er seine bösen Taten im vollen Bewußtsein verübte, daß er sich nur so ehrenhaft würde verhalten können. Durch seinen Willen, Leid und Buße zu akzeptieren, spricht sie Orest von seinen Sünden frei und bringt den Athenern ein neues Gesetz: Brüderliche Liebe und Mitgefühl.

Anastasia Belina, 2010

In Fragen des Aufführungsmaterials wenden Sie sich bitte an Belaieff, Mainz. Nachdruck eines Exemplars aus der Sammlung Anastasia Belina, Leeds.

Sergey Ivanovich Taneyev
(b. Vladimir-na-Klyaz’me, 13 [Gregorian Calendar: 25] November 1856 — d. Dyud’kovo nr. Moscow, 7 [19] June 1915)

Oresteya
(The Oresteia)
Opera in three acts (1887–1894)

Sergey Ivanovich Taneyev was one of the most interesting and influential of all Russian musicians, and yet his life remains an enigma for the majority of the public and music scholars alike. Much remains to be done to bring his name to a wider audience, and his works to concert halls and the operatic stage. An accomplished pianist, theorist, composer, and a pedagogue, Taneyev is still considered a pillar of Russian music-education. He was a close friend of Pyotr Tchaikovsky, Nikolay Rubinstein, Anton Arensky, and Hermann Laroche; he knew Anton Rubinstein, Ivan Turgenev, Émile Zola, César Franck, Gabriel Fauré, Henri Duparc, Vincent d’Indy, and the Viardot family; he was close to the families of Nikolay Rimsky-Korsakov and Lev Tolstoy, and immensely respected by Alexander Glazunov and the later generation of Russian musicians. Igor Stravinsky valued his treatise on counterpoint highly, respected him as a composer of Oresteya, much admired him as a pianist. Taneyev studied at the Moscow Conservatory with Pyotr Tchaikovsky and Nikolay Rubinstein, and was asked to remain there as a teacher after his graduation in 1875. He held the post of the Director between 1885 and 1889, and after stepping down continued to teach there until his resignation in 1905. Taneyev’s influence on Russian composers is far-reaching. He recognised musical talent in the young Prokofiev and recommended that his parents hire Reinhold Glière (then Taneyev’s student) as a teacher of music theory and composition. Other students, such as Nikolay Zhilyaev and Alexander Goldenweiser, became respected teachers at the Moscow Conservatoire and taught such composers as Vissarion Shebalin, Aram Khachaturian and Dmitry Kabalevsky. Taneyev’s most famous students include Sergey Rachmaninov, Nikolay Medtner and Alexander Scriabin. His influences can be heard in the harmonic language of Scriabin’s early piano pieces, in the complex contrapuntal textures of Glazunov’s and Medtner’s piano concertos, in the well-crafted chamber compositions of Shebalin, and in the world-famous string quartets of Dmitry Shostakovich.

Among the many works composed by Taneyev one stands out from the rest: his musical trilogy Oresteya (composed between 1882 and 1894, revised in 1900), written after the eponymous drama by Aeschylus. At a time when Russian composers based their operas predominantly on Russian sources – literary, folk, or historical –, Taneyev’s choice of antique tragedy immediately placed him outside the areas explored by his colleagues. Only Modest Musorgsky attempted to write incidental music to a Greek tragedy, choosing Sophocles’ King Oedipus, but he did not complete it, and reused the musical material for his later project Salammbô (also incomplete). Taneyev worked on the libretto of his opera with Aleksey Alekseyevich Venkstern (?–1909), a writer, poet, translator, literary historian and a graduate of Moscow University. In order to produce a good libretto, Taneyev read and studied various interpretations of the tragedy so as to improve his understanding of the myth and create a text that would narrate the tragedy in the clearest possible way for people who had not read it before. He provided Venkstern with a plan of the scenes, with the precise instruction of what stage action was necessary, and Venkstern then supplied a text that fitted that structure.

Although Taneyev attempted to keep as close as possible to the original text of Aeschylus’ tragedy, a number of alterations were necessary to allow for the unfamiliarity of the story of The Oresteia to Russian audiences. Taneyev and Venkstern wanted to be sure that every important nuance was noticed and understood by their listeners, which is why they decided to bring Aegisthus on the stage much earlier than he appears in the original tragedy, why their Watchman imparts extra information, and why their Clytemnestra informs the audience of Iphigenia’s sacrifice herself. Some changes made were necessary also because of the requirements of the nineteenth-century operatic libretto. They included the new scene created for the opening of Choephoroe, where Clytemnestra must undergo moral torment after murdering her husband. Psychological revelations were an integral part of every dramatic stage-work in Taneyev’s Russia and contemporary Europe alike, and Clytemnestra’s torments come as a result of another nineteenth-century ideological element – personal freedom. Taneyev and Venkstern wanted to show that with personal freedom comes responsibility. Orestes kills his mother because Apollo orders him to avenge his father; Agamemnon kills Iphigenia because he wishes to appease the goddess Artemis; and even Cassandra is led to her death by Apollo. Taneyev’s Clytemnestra, therefore, appears to have the most freedom out of all the characters in the opera, both male and female. She was not ordered by a god to kill Agamemnon, and although she claims that Fate was guiding her hand, it is only to make Orestes forgive her. Agamemnon’s execution was planned and carried out by her alone, guided only by her own free will. That is why Taneyev and Venkstern chose to concentrate on the consequences of her deed and to show her suffering after the murder: by making Clytemnestra free to choose whether to kill or forgive Agamemnon, they are able to make a moral statement about the responsibilities inherent in such a choice.

Between 1882 and 1889 work on the opera progressed slowly because Venkstern was a sickly man plagued by illness, and during his frequently long periods of in-activity Taneyev was forced to suspend his composition, too. Taneyev was also very busy with his teaching and directorial duties and had little time for composition during the academic year. But in 1889, as a result of the inspiration he derived from seeing Wagner’s Ring in Moscow, Taneyev resigned from the post of the Director of the Moscow Conservatory and devoted himself entirely to his Oresteya. Nonetheless, four years were to pass before the opera was near its completion. It is difficult to say how much longer it would have taken Taneyev to finish his opera had Tchaikovsky not intervened directly by speaking to the Director of the Imperial Theatres in St. Petersburg, Ivan Vsevolozhsky (1835–1909), about Oresteya, and if Vsevolozhsky, who was excited about having an opportunity to stage an opera that dealt with Greek antiquity, had not expressed interest. Tchaikovsky encouraged Taneyev to go to St. Petersburg to play the opera for the Directorate of the Imperial Theatres and their chief conductor Eduard Nápravník (1839–1916). But it took Taneyev four months to complete the score and to make a piano reduction, which was necessary to present the work to the Imperial Theatres. He wrote to Tchaikovsky about his first visit: “Yesterday I arrived from Moscow and […] played my opera to the Directorate. It was a huge effort for me to prepare a complete piano reduction. I used the services of four copyists, for whom I, by my own timetable, was preparing the work. In the last few days one of them stayed with me without going out, and to him I passed leaf after leaf. Rachmaninov spent up to four hours a day with me, correcting the written material, for which I did not have time. I do not remember that I ever had to work that hard. I went to bed late, got up at six, and in the last day even at four in the morning. For my departure, the piano reduction was copied, apart from a few bars, which I wrote out when I got to Petersburg.” (letter from S. Taneyev to P. Tchaikovsky dated 20 March [1 April] 1892, in: P. I. Chaykovsky, S. I. Taneyev: pis’ma [P. I. Tchaikovsky, S. I. Taneyev: Letters], ed. by Vladimir Zhdanov, Moscow: Goskultprosvetizdat, 1951, p. 191.)

The hard work paid off, and when Vsevolozhsky, Nápravník, his two assistants, and Tchaikovsky‘s brother Modest Il‘ich heard the opera, they immediately decided to produce it in the following season, 1894–95. The premiere of Oresteya was eagerly awaited by the musical world of Moscow and St. Petersburg. On 17 [29] October 1895 many of Taneyev‘s friends and admirers were present in the audience, some of them coming from Moscow for the occasion. Among them were Rachmaninov, Arensky, Nikolay Kashkin, Yuly Konyus, Golden-weiser, Sophia Tolstaya, Venkstern, Anatoly Brandukov and Alexander Blok; there were also the St. Petersburg composers Rimsky-Korsakov, Anatoly Lyadov, Glazunov, and the Russian critic Herman Laroche (1845–1905). Laroche wrote after hearing the opera that it was “Noble, delicate, and full of beautiful melodies, [which] could not be better suited to the character of the chosen poetry and reflects its nuances with wonderful truthfulness and warmth of character. An excellent contrapuntal education, in which Taneyev could be said to be superior to all living Russian composers today, manifested itself in his opera in the way that it is permeated with a wonderful unity of style and that this style is completely independent. Very seldom have I heard a new work with so few ‘reminiscences’, as it is customary to call unintentional borrowings from other composers.” (Herman Laroche [German Larosh], ‘Oresteya Taneyeva’, Novosti i birzhevaya gazeta, 20 October 1895, No. 288; cited in German Larosh: izbrannïye stat’i. Vïpusk 3: opera i opernïy teatr [Selected Articles. Volume 3: Opera and Opera Theatre], ed. by Abram Gozenpud, Leningrad: Muzïka, 1976, vol. 3, p. 345.) Rimsky-Korsakov, like many of Taneyev‘s friends and colleagues, also liked Oresteya for its beautiful and memorable music and melodic inventiveness.

Although the public enthusiastically greeted the new opera, it remained on stage for eight performances only due to Taneyev‘s disagreement with Nápravník about cuts. The chief conductor thought the work too long, and despite several cuts made by Taneyev to comply with his wishes, Nápravník still thought it necessary to make further excisions. When Taneyev found out that his opera was performed with cuts he did not authorise, he demanded its withdrawal from the repertory of the Mariinsky Theatre. For the premiere of Oresteya in 1895, Taneyev published the opera using a lithographic process, meeting all the expenses himself. (Sergey Taneyev: Oresteya, St. Petersburg: I. N. Kushnerev, 1894) Only a hundred copies were produced, many of which Taneyev presented to his friends and colleagues. After the première, the Russian music publisher, musician and music patron Mitrofan Belyaev (1836–1904) offered to publish the opera and Taneyev immediately began revisions, making some major changes in orchestration, and even completely re-writing the scene of Aegysthus and Clytemnestra (Agamemnon, scene 4).

In 1915, shortly after Taneyev‘s death, Oresteya was briefly revived on the stage of the Mariinsky Theatre, and two years later appeared on the stage of the Theatre of the Soviet Workers’ Deputies (former Zimin‘s Opera) in Moscow. This production was one of the most popular (35 performances were given) because it fitted into the political and aesthetical climate of the time. In the immediately post-revolutionary Russia personal freedom and new political orders were among some of the most important aesthetical principles, and the plot of Oresteya reflected that new world order. The last known stage performances of the opera took place in 1963 in Minsk and in 1964 in Moscow by the Belorussian State Theatre of Opera and Ballet.

Characters

Athena - Soprano
Cassandra - Soprano
Electra - Soprano
Clytemnestra - Alto
Orestes - Tenor
Aegisthus - Baritone
Apollo - Baritone
Agamemnon - Bass
Areopagus - Bass
Coryphaeus - Bass
The Slave - Bass
The Watchman - Bass
Warriors, Slaves, citizens of Argos and Athens.

Relationships in the House of Atreus

Atreus —— (brothers) —— Thyestes
| | Clytemnestra (wife) —— Agamemnon — (cousins) — Aegisthus
| |
Orestes, Electra, Iphigenia Cassandra (Agamemnon‘s concubine)

Synopsis
ACT I: Agamemnon. The Watchman sees the fires announcing Agamemnon’s return from the Trojan War and recounts that Clytemnestra is eagerly awaiting her husband. He informs Clytemnestra about the signal fires, and she tells the people of Argos that their king is returning victorious. The news of Agamemnon’s return put his cousin Aegisthus in turmoil, for he is afraid that Agamemnon will kill him when he finds out that he has been having an affair with Clytemnestra. Aegisthus recounts the story of the house of Atreus: two brothers, Agamemnon’s father Atreus and his own father Thyestes, were vying for the throne. Thyestes fled his home with his children, but came back to rekindle relationship with his brother, who pretended to forgive him and invited him to a banquet to celebrate the occasion. Instead, Agamemnon killed his own nephews and fed their roasted flesh to their father Thyestes, who cursed the house of Atreus and fled once again with his only surviving child Aegisthus. Thus Aegisthus is duty-bound to kill Agamemnon to avenge the deaths of his siblings. Clytemnestra enters when Aegisthus, overcome with fear, decides to flee, but she convinces him to stay, saying that she has a plan to kill Agamemnon to avenge the death of her daughter Iphigenia, whom Agamemnon sacrificed to propitiate the goddess Artemis before going to war in Troy. When Agamemnon returns, Clytemnestra executes her plan, and begins to rule Argos with Aegysthus. She also kills the Trojan princess Cassandra, Agamemnon’s concubine, whom he had brought back. Before her death, Cassandra prophesies the return of Agamemnon’s and Clytemnestra’s son Orestes and promises the people of Argos that he will avenge Agamemnon’s death and expiate the sins of the House of Atreus.

ACT II: Choephoroe. In her bedroom Clytemnestra awakens from a terrifying dream; when she tries to go back to sleep, Agamemnon’s phantom appears and prophesies her imminent death at the hands of Orestes. Orestes returns and meets his sister Electra at Agamemnon’s grave, telling her that Apollo sent him to avenge the death of their father. Orestes, though horrified at the thought of committing matricide, knows that he is bound to avenge his father’s murder and willingly accepts the curse of his actions: he kills both Clytemnestra and Aegysthus, but his mother’s Furies, the spirits of retribution, begin to pursue him in punishment.

ACT III: Eumenides . The Furies follow Orestes relentlessly, driving him almost to suicide, but they do not let him die, thus exacerbating his sufferings. He decides to go to Apollo’s temple in Delphi and ask the god for protection. Apollo drives the Furies away, sending Orestes to Athens, where Athena summons the court of the Areopagus to decide his fate. The votes of the court divide equally for and against Orestes, and the goddess casts her vote in his favour because he acted with the conscious knowledge of the evil that he was committing but in the only manner he considered honourable. Orestes is freed from his sin through his willing acceptance of suffering and repentance, and Athena bequeaths a new law to the Athenians: brotherly love and compassion.

Anastasia Belina, 2010

For performance material please contact the publisher Belaieff, Mainz. Reprint of a copy from the collection Anastasia Belina, Leeds.