Johan Halvorsen
(b. Drammen, 15. März 1864 – d. Oslo, 4. Dezember 1933)

Bojarenes inntogsmarsj
(“Einzugsmarsch der Bojaren”)
für großes Orchester (1893)

Vorwort
Johan Halvorsen, der zu Recht als “der unbekannteste der bekanntesten Komponisten Norwegens” bezeichnet wird, gilt heute als der wahre Erbe seiner norwegischen Vorgänger Grieg und Svendsen. Wie letztgenannter ließ er sich in Stockholm, Leipzig, St. Petersburg und Lüttich zum Geigenvirtuosen ausbilden und wurde schließlich zu einem der grossen Bühnen- und Orchesterdirigenten seiner Zeit, zunächst in Bergen (1893-99), dann vor allem in Oslo (1899-1933). Heute kennt man ihn eher als Musikforscher, der die Melodien für die Hardanger-Fiedel transkribierte, die die Grundlage der Norwegi-schen Bauerntänze op. 72 (1902/03) von Edvard Grieg bilden, und als Schöpfer zweier Werke, die einen festen Platz im Repertoire behaupten konnten: das brillante Orchesterwerk Bojarenes inntogsmarsj (“Einzugsmarsch der Bojaren”, 1895), das zum Paradestück der Konzertblasorchester vor allem in den USA wurde, und das virtuosenhafte Duo Passacaglia über ein Thema von Händel (1897) für Violine und Bratsche (oder Violoncello), das bis heute immer wieder als aufregendes Glanzstück in Kammer-musikkonzerten auftaucht. Zu Lebzeiten jedoch war Halvorsen vorwiegend Theater-komponist, der die Bühnenmusiken zu nicht weniger als 32 Theaterinszenierungen schrieb. Obwohl ein Großteil dieser Musik rein funktioneller Natur ist – wie etwa die Filmmusik –, war Halvorsen scharfsinnig genug, die besten Teile daraus zu Konzertsuiten umzugestalten, wodurch er einen Reichtum an stimmungsvoller Musik schuf, die seit Anfang des Jahrtausends eine Renaissance erlebt.
Halvorsen hinterließ einen amüsanten persönlichen Bericht über die Genese des Einzugsmarsch der Bojaren, der am Anfang seiner Karriere kurz nach seiner Ankunft in Bergen entstand: “Im Hotel Holst, wo ich bei meiner Ankunft in Bergen zunächst wohnte, traf eines Tages ein Brief von Grünfeld ein mit dem Angebot einer Stelle als Lehrer am Konservatorium sowie als Primarius eines Streichquartetts in Bukarest. Gehalt: 7.000 Francs, Anfang: sofort. Da ich noch keinen Vertrag unterzeichnet hatte, fühlte ich mich stark versucht. Ich griff zu einer Enzyklopädie, um festzustellen, wo sich Bukarest überhaupt befindet. Dort las ich auch von der kunstsinnigen Königin Carmen Sylva sowie von den Nachfahren der reichen aristokratischen Bojaren, die vor einigen Jahren ihren Einzug in Bukarest machten. Dieses – so stellte ich es mir vor – würde in den Zeitungen bestens ankommen. Und dann diese Königin! Sie würde mich und mein Quartett sofort ins Schloß bestellen. Ich suchte nach einer Möglichkeit, all diese Bilder zum Ausdruck zu bringen. So entstand ein Marsch, dem ich dem Titel “Einzug der Bojaren” gab. Am gleichen Nachmittag, kurz nachdem ich den Marsch fertiggestellt hatte, traf Edvard Grieg bei mir ein. ‘Nun, wie geht’s! Ich sehe, Sie sind schon im vollem Schaffensrausch.’ – denn er erblickte das Manuskript auf dem Flügel. Nachdem er es sorgfältig durchgelesen hat, sagte er: ‘Das ist verdammt gut!’ ”

In der Tat war Grieg von der Komposition seines Freundes so stark beeindruckt, daß er höchstpersönlich einen Klavierauszug der brillanten Orchesterpartitur anfertigte. Bald darauf wurde das Werk 1895 als Partitur vom Musikverlag Wilhelm Hansen in Kopenhagen/Leipzig veröffentlicht, wobei die Klavierbearbeitung Griegs um die gleiche Zeit ebenfalls bei Hansen erschien. Bereits 1912 wurde das Werk in einer wirkungsvollen Bearbeitung des Komponisten und Dirigenten Frank Winterbottom (1861-1930) von den Militärkapellen entdeckt, bei denen es sich seitdem einer uneingeschränkten Beliebtheit erfreut. Auch funktionierte der Einzugsmarsch der Bojaren lange Zeit als Erkennungsmelodie der norwegischen klassischen Sendereihe Ønske-konserten („Das Wunschkonzert“, 1950-91).

Bradford Robinson, 2009

 

Aufführungsmaterial ist von Hansen, Kopenhagen zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München

Johan Halvorsen
(b. Drammen, 15 March 1864 – d. Oslo, 4 December 1933)

Bojarenes inntogsmarsj
“Entry March of the Boyars”
for full orchestra (1893)

Preface
Johan Halvorsen, generally regarded as the true heir to the musical tradition of Grieg and Svendsen, has been aptly called the “least-known of Norway’s best-known composers.” Like Svendsen, he originally trained to be a concert violinist (in Stockholm, Leipzig, St. Petersburg, and Liège), and like Svendsen he rose to become one of the supreme theater and symphonic conductors of his day, first in Bergen (1893-9) and especially in Oslo (1899-1933). Today he is remembered mainly as the man who transcribed the hardanger fiddle tunes that found their way into Grieg’s Norwegian Peasant Dances, or Slåtter, op. 72 (1902-3), and as the composer of two works that have become permanently ensconced in the repertoire: Bojarenes inntogsmarsj (“Entry March of the Boyars,” 1895), a brilliant staple of modern concert bands (especially in the United States), and Passacaglia on a Theme by Handel (1897), a virtuoso duo for violin and viola (or cello) that continues to function as a crowd-pleasing tour de force in chamber music recitals. In his day, however, Halvorsen was primarily a theater composer, and he contributed incidental music to no fewer than thirty-two stage productions. Though much of this music is purely functional in intent, much like film scores today, Halvorsen was astute enough to rework the best items into concert suites, producing a mine of evocative music that has been undergoing a renaissance since the beginning of the new millennium.

Halvorsen left behind an amusing personal account of his Entrance of the Boyars, which he composed early in his career shortly after arriving in Bergen: “At Holst’s hotel, where I lived when I first came to Bergen ..., a letter came from Grünfeld with an offer of a position as a teacher at the conservatory and first violinist in a quartet in Bucharest. Salary 7,000 francs, start immediately. I was tempted, because I had not yet signed a contract. I got hold of an encyclopedia to find out where in the world Bucharest was. There I read about Queen Carmen Sylva, patroness of the arts, and about the descendants of the rich and aristocratic Boyars who a certain number of years ago made their entry into Bucharest. This would go over in the newspapers, I thought. And that queen! She would call me and my quartet up to the palace immediately. I had to find some way to express all these images, so I wrote a march that I called ‘Entrance of the Boyars.’ That same afternoon, just as I had finished writing the march, in walked Edvard Grieg: ‘Well, how goes it! I see you’re already in full swing’ – he saw the manuscript on the piano. He read through it quite carefully, and then he said, ‘That’s darn good!’ ”

Grieg was sufficiently impressed by his friend’s piece that he personally prepared a piano reduction of the brilliant orchestral score. The full score was soon published in Copenhagen and Leipzig by Wilhelm Hansen (1895), with Grieg’s arrangement appearing a short while later from the same publisher. By 1912 it had already been discovered by military bands in an effective arrangement by the conductor-composer Frank Winterbottom (1861-1930), since which time it has become a staple of the band repertoire. Entrance of the Boyars long served as a signature tune for Norway’s radio broadcast series of classical music, the Ønskekonserten (1950-91).

Bradford Robinson, 2009

For performance material please contact the publisher Hansen, Kopenhagen. Reprint of a copy from the Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München