Gabriel (Urbain) Fauré
(geb. Pamiers, Ariège, 12. Mai 1845 — gest. Paris, 4. November 1924)
Ballade op. 19
Gabriel Fauré, geboren 1845 in der Region Ariège im Südwesten von
Frankreich, wuchs als jüngstes von sechs Kindern in einem wohlsituierten
Haushald der oberen Mittelklasse auf. Er war der einzige in seiner
Familie, der der Musik mehr als nur bei-läufiges Interesse gegenüber
aufbrachte. Dies erkennend, gab sein Vater den neunjährigen Gabriel
an die Niedermeyer-Schule für Kirchenmusik in Paris. Fauré bemerkte
dazu später: »Man stelle sich vor! Mich nach Paris zu schicken, um
Musik zu studieren – welche Verrücktheit!« Man hatte seinem Vater versichert,
daß die Niedermeyer-Schule eine gute Rundum-Ausbildung anbot, die es
dem Sohn ermöglichen würde, eine respektable Stellung als Kantor oder
Organist zu erhalten. Zunächst entwickelte sich Fauré zu einem Pianisten,
der zwei Jahre in Folge einen ersten Preis seiner Schule gewann; hinzu
kamen erste Preise in Fuge und Kontrapunkt, bevor er 1865 seinen Abschluß
machte. Er bekam in der Tat sofort einen Organisten-Posten in einer
Kleinstadt. Als 1870 der Französisch-Preussische Krieg ausbrach, wurde
er Soldat, kämpfte in verschiedenen Schlachten und erhielt sogar das
Verdienstkreuz. Nach dem Krieg wurde er Organist an der Madeleine-Kirche
in Paris. Seine freundliche Natur verschaffte ihm viele Freunde. Er
entwickelte sich als Komponist, genährt auch durch einflußreiche Freunde,
Persönlichkeiten, und die Salons der Stadt. Als sein Ruhm als Komponist
und Solist sich mehrte, arbeitete er sich schrittweise zu besseren
Positionen hoch. 1896 wurde er Kompositionsprofessor am Conservatoire.
Dort unterrichtete er Schüler, die später zu den Größten ihrer Zeit
zählen sollten, darunter Ravel, Koechlin, Roger-Ducasse, Florent Schmitt,
Georges Enescu und Nadia Boulanger. Zu dieser Zeit begann er auch,
allmählich sein Gehör zu verlieren. Wie Beethoven 100 Jahre früher
versuchte er dies zu verbergen, doch später mußte er seine Lehrer-Position
aufgeben. 1905 wurde er allerdings Direktor des Conservatoire, hatte
mithin die angesehenste Stellung in der Musik seines Landes inne. 1920
ging er in den Ruhestand und starb 1924 im Alter von 79 Jahren. Man
gewährte ihm ein Staatsbegräbnis in der Madeleine; dabei wurde sein
berühmtestes Werk, das Requiem, aufgeführt. Abgesehen von wenigen Ausnahmen
schrieb Fauré für die Pariser Salons: Lieder, Sonaten, Werke für kleine
Ensembles, vor allem jedoch für sein Lieblings-Instrument, das Klavier.
Sein von Chopin beeinflußtes Klavierwerk enthält unter anderem 13 Nocturnes,
13 Barkarolen, sechs Impromptus, neun Prèludes, drei Lieder ohne Worte,
vier Walzer-Capriccios, acht kurze Stücke und schließlich die Ballade
op. 19, eines seiner bedeutendsten Werke, ursprünglich 1879 für Klavier
solo komponiert und seinem Freund und Lehrer Camille Saint-Sæns gewidmet.
1881 fügte Fauré eine leichte, raffinierte Orchesterbegleitung hinzu.
Unwiderstehlich im Zusammenhang mit diesem Stück ist Faurés Bericht
darüber, wie er einem seiner musikalischen Helden begegnete – Franz
Liszt: »Zunächst sah ich Liszt nur – ein echter Gefühlsmoment! Saint-Sæns
meinte, ich wäre ganz grün geworden, als er mich dem Meister vorstellte,
und Worte können nicht beschreiben, wie Liszt mich willkommen hieß.«
Liszt spielte erst eins seiner eigenen Stücke und bat dann um eines
von Fauré. Er begann, die Ballade zu spielen, doch »nach fünf oder
sechs Seiten meinte Liszt, seine Finger kämen nicht mehr mit, und fragte
mich zu meinem Schrecken, ob ich selbst fortfahren könnte.« Liszt war
jedoch offenbar höchst beeindruckt von dem Werk, denn er schenkte Fauré
mit der eigenhändigen Widmung: »Als Zeichen meiner hohen Wertschätzung
und mitfühlendem Verständnis.«
Karl Hinterbichler, University of New Mexico, April 2009
»Fauré brachte das Beste traditioneller und progressiver Musik zusammen
und schuf dabei einige der besten Werke des französischen Repertoires.
Die Ballade ist sanfte Musik, die in sehr gallischer Weise schmeichelt
überzeugt. Auch wenn sie kein ausgesprochenes Virtuosenstück ist, stellt
sie doch erhebliche Anforderungen an den Solisten, darunter völlige
Kontrolle von Anschlag und Pedalen.« (Leslie Orrey)
»Die Ballade op. 19 ist eins von Faurés bedeutendsten Werken, beispielhaft
für die Figuren- und Passagen-Arbeit, die das Rückgrat seines Stils
bildet. Es ist gerade diese Harmonik, die Faurés Musik bestimmt und
zur Analyse herausfordert. Auf Wirkung bedachte Komponisten erzeugen
im Hörer erst Erwartungen und weichen dann davon ab, doch durch einige
Wunder an chromatischen Alterationen, Stimmführung oder reiner Vorstellungskraft
liefert Fauré immer Ergebnisse, die besser sind als erwartet. Wiederholtes
Anhören scheint die Wirkung dieser ohne Vorbild bleibenden Freuden
nie zu schmälern.« (Jeffrey Chappell)
»Er enwickelte einen Personalstil, der auf viele Komponisten des 20.
Jahrhunderts beachtlichen Einlfuß hatte. Seine Innovationen in der
Harmonik und Melodik beeinflußten außerdem den Tonsatzunterricht für
spätere Generationen. (…) Er war vor allem ein vollendeter Meister
in der Kunst, eine Melodie zu entfalten: aus einer harmonischen und
rhythmischen Zelle konstruierte er mitteilsame Sequenzketten mit dem
Eindruck von Unausweichlichkeit, ungeachtet ihrer beständigen Varietät,
Erfindung und unerwarteter Wendungen.« (Jean-Michel Nectoux)
»Faures Klaviermusik ist ein direkter Nachfahre derer von Chopin (…)
zufüglich lyrischer Arpeggierungen und elliptischer Harmonien, durchsetzt
von einer gemäßigten Version der Brillanz und Virtuosität von Saint-Sæns
und Liszt, und das Ganze gefiltert durch eine äußerst persönliche,
französische Empfindsamkeit raffinierten Ausdrucks, Schönheit, Eleganz,
Ordnung, und instinktives Verständnis für die Resonanzen des Klaviers.«
(Richard Dowling)
Literatur
Copland, Aaron: Gabriel Fauré, a Neglected Master, Musical Quarterly,
X (1924), S. 573–86
Dowling, Richard: Ballade for Solo Piano: Critical Performing Edition.
Masters Music Publications, BocaRaton (Florida), 2007
Duchen, Jessica: Gabriel Fauré. Phaidon Press, London, 2000
Long, Marguerite: At the Piano with Fauré, translated by Olive Senior-Ellis.
Taplinger Publishing Company, New York, 1981
Orledge, Robert: Gabriel Fauré. Eulenburg Books, London, 1979
Orrey, Leslie: Gabriel Fauré: 1845–1924, Musical Times, lxxxvi (1945),
S. 137–9.
Aufführungsmaterial ist von Hammelle, Paris zu beziehen.
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Gabriel (Urbain) Fauré
(b. Pamiers, Ariège, 12 May 1845 — d. Paris, 4 November 1924)
Ballade
op. 19
Preface
Gabriel Fauré was born in 1845 in the Ariege region of southwest France.
The youngest of six children, he grew up in a comfortable upper middle
class household. Gabriel was the only one of his family to display
more than a passing interest in music. Recognizing this, his father
sent the nine-year-old Gabriel to the new Niedermeyer School of religious
music in Paris. Gabriel later remarked: »Imagine! Sending me to Paris
to learn music – what madness!« His father was assured that the Niedermeyer
School offered an all around good education that would lead to a
respectable position as a choirmaster or organist for his son. Gabriel
distinguished himself as a pianist, winn-ing a first prize two years
in a row. He was also to add first prizes in fugue and counterpoint
before graduating in 1865. He immediately got a position as an organist
in a small town. When the Franco-Prussian War broke out in 1870 he
enlisted in the army and took part in several battles, even winning
the Croix de Guerre. After the war he took a position as an organist
in Paris. His amiable personality won him many friends. His growth
as a composer was also nurtured by involvement with influential friends,
celebrities, and the salons of Paris. As his fame both as a composer
and performer grew, he gradually worked his way up to more prestigious
positions. In 1896 he was appointed Professor of Composition at the
Paris Conservatoire. In that role he taught some of the greatest
composers of the age, including Ravel, Koechlin, Roger-Ducasse, Florent
Schmitt, Georges Enescu, and Nadia Boulanger. It was also during
this time that Fauré gradually started to loose his hearing. Like
Beethoven before him, he tried to conceal this, but eventually had
to quit his teaching position. In 1905 he became director of the
Paris Conservatoire, the most prestigious musical post in France.
He retired in 1920 and passed away at the age of 79 in 1924. He was
honored with a state funeral at the Église de la Madeleine; his most
famous work, the Requiem, was performed. With few exceptions, Fauré
preferred to compose pieces for the Parisian salon: songs, sonatas,
music for small ensembles and above all, music for his favorite instrument,
the piano. Influenced by Chopin, the works for piano include thirteen
nocturnes, thirteen barcarolles, six impromptus, nine preludes, three
songs without words, four valse-caprices, eight short pieces, and
the Ballade, op. 19. Considered one of his greatest works, the Ballade
was originally composed for solo piano in 1879 and dedicated to his
teacher and friend, Camille Saint-Sæns. In 1881 Fauré added a light
and refined orchestral accompaniment to the original piano part.
An irresistible tale associated with this work is Fauré‘s meeting
with one of his musical heroes, Franz Liszt. As Fauré remembered
later in life: »First of all, I saw Liszt – an emotional occasion!
Saint-Sæns claims, I went green when he presented me to the master,
and words cannot describe the welcome Liszt extended to me.« Liszt
then played one of his own works and subsequently asked Fauré for
one of his works. The Ballade was offered and Liszt began to play
it. Fauré then stated: »After five or six pages Liszt announced that
he ran out of fingers and to my terror asked me to continue.« It
appears that Liszt was most impressed with the Ballade, giving Fauré
an autographed photo with the inscription: »As a mark of my high
esteem and sympathetic understanding.«
Karl Hinterbichler, University of New Mexico, April 2009
»Fauré strove to bring together the best of traditional and progressive
music and, in the process, created some of the most exquisite works
in the French repertoire. The Ballade is gentle music that persuades
and cajoles in a very Gallic way. Though not an overtly virtuoso utterance,
it makes its own exacting technical demands on the soloist, among them
being complete control of touch and pedaling.« (Leslie Orrey)
»One of Fauré’s greatest works is the Ballade, opus 19, which exemplifies
the trademark arpeggiations and passagework that form a pillar of Fauré’s
style. It is especially this harmonic language which identifies Fauré’s
music, and which eludes analysis. An effective composer creates expectations
in the listener and then deviates from them; through some miracle of
chromatic alterations, voice leading, or imagination, Fauré always
delivers something better than could be expected. Repeated hearings
don’t seem to diminish the effect of these unanticipated delights.«
(Jeffrey Chappell)
»He developed a personal style that had considerable influence on
many early 20th Century composers. His harmonic and melodic innovations
also affected the teaching of harmony for later generations (…) He
was a consummate master of the art of unfolding a melody: from a harmonic
and rhythmic cell he constructed chains of sequences that convey –
despite their constant variety, inventiveness and unexpected turns
– an impression of inevitability.« (Jean-Michel Nectoux)
»Faure’s piano music is a direct descendant of Chopin’s (…) with the
addition of lyric arpeggiations and elliptical harmonies infused with
a tempered version of the brilliance and virtuosity of Saint-Sæns and
Liszt– all of it filtered through a highly personal sensibility francaise
of refined expression, beauty, elegance, order, and instinctive understanding
of the piano’s resonances.« (Richard Dowling)
Literature
Orledge, Robert: Gabriel Fauré. London: Eulenburg Books, 1979
Duchen, Jessica: Gabriel Fauré. London: Phaidon Press, 2000
Long, Marguerite: At the Piano with Fauré, translated by Olive Senior-Ellis.
New York: Taplinger Publishing Company, 1981
Dowling, Richard: Ballade for Solo Piano: Critical Performing Edition.
Boca Raton, FL: Masters Music Publications, 2007
Copland, Aaron: Gabriel Fauré, a Neglected Master, Musical Quarterly,
X (1924), pp. 573–86
Orrey, Leslie: Gabriel Fauré: 1845–1924, Musical Times, lxxxvi (1945),
pp. 137–9.
For performance material please contact the publisher Hammelle, Paris.
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