Eugen d´Albert
(geb. Glasgow, 10. April 1864 - gest. Riga, 3. März 1932)

Klavierkonzert Nr.2 E-Dur op.12
(1893)

Ursprünglich stammte die Familie d´Alberts aus Italien, wo sie den Namen Alberti trug. Bekannt ist der Name vor allem durch Domenico Alberti, den Erfinder der sogenannten Alberti-Bässe. François Benoit d´Albert, der als Adjutant von General Frére auf dem Schlachtfeld für Napoleon fiel, war Eugen d´Alberts Großvater. Sein Vater, Charles Louis Napoléon, verließ Frankreich und zog mit der Familie nach Großbritannien, wo sie sich in Newcastle upon Tyne niederließ. Er gründete hier eine eigene Kapelle und heiratete 1863 Annie Rowell. Er war Schüler von Friedrich Kalk-brenner und arbeitete später als Tanzkorrepetitor und Balletmeister am Londoner Covent Garden. Am 10. April 1864 wurde in Glasgow Eugen Francis Charles d´Albert geboren. Obwohl er in Großbritannien aufwuchs, wurde im Haushalt deutsch gesprochen.
Im Mai 1876 wurde in London die National Training School for Music, das heutige Royal College of Music, gegründet. Als Leiter wurde der berühmte Komponist Arthur Sullivan berufen, der vor allem mit seinen Operetten in England sehr erfolgreich war. Der zehnjährige Eugen errang seinen Studienplatz durch einen Wettbewerb und gehörte dadurch zu den allerersten Studenten des Instituts. Neben seiner pianistischen Ausbildung bei Ernst Pauer besuchte er auch die Kompositionsklasse von Sullivan. In beiden Fächern zeigte er eine außergewöhnliche Begabung und erstaunliche Frühreife. Schon bald trat er in Konzerten als Pianist auf, und auch erste Kompositionen wurden 1879 bereits in der St. James Hall in London öffentlich aufgeführt. Der bedeutende Dirigent Hans Richter lud ihn 1881 nach Wien ein. Dort erhielt er das Mendelssohn-Stipendium für Komposition. Zu dieser Zeit richtete d´Albert jedoch sein Hauptaugenmerk auf seine Karriere als Pianist, und da er in der Folgezeit keine Kompositionen vorweisen konnte, wurde ihm dieses Stipendium wieder entzogen. Er zog 1882 nach Weimar, um sich bei Franz Liszt den letzten pianistischen Schliff zu holen. Liszt war von seinem neuen Schützling begeistert und hielt ihn für seinen bedeutendsten Schüler. D´Albert wurde noch im selben Jahr zum Weimarer Hofpianisten ernannt. Er begann eine triumphale Karriere als Klaviervirtuose, die fünfzig Jahre andauern sollte und d´Albert zu einem der wichtigsten Pianisten des 20. Jahrhunderts machte. Doch daneben betrieb er eifrig seine Ambitionen als Komponist. Ab Mitte der 1890er Jahre verschob sich sein Wirken weg von der Karriere als Pianist hin zu einer vermehrten Kompositionstätigkeit. Zunächst schuf er vor allem Werke für den Konzertsaal (Symphonie F-Dur (1886), zwei Klavierkonzerte (1884 und 1893), ein Cellokonzert (1899), eine Ouvertüre zu Grillparzers „Esther“ (1888), bevor er sich fast ausschließlich der Komposition von Opern zuwandte. Diese orientierten sich zuerst, wie die vieler weiterer Komponisten seiner Generation, stark an Richard Wagner. Mit dem heiteren Einakter „Die Abreise“ (1898) konnte er seinen ersten großen Erfolg feiern. Mit seiner Verismo-Oper „Tiefland“ (1903) gelang ihm ein Welterfolg. Mit keinem seiner weiteren Werke konnte er daran anknüpfen.
Er verstand sich kulturell als Deutscher, das zeigt sich auch darin, dass seine Opernlibretti in Deutsch sind. Daher verwendete er die deutsche Schreibart seines Vornamens. Doch trotz seiner Affinität zur deutschen Musik wurde der Kosmopolit d´Albert in Deutschland nicht richtig heimisch und behielt bis zum Ende des Ersten Weltkriegs seinen britischen Pass.
1907 wurde er Direktor der Hochschule für Musik in Berlin, allerdings unterrichtete er nicht gern und hatte nur wenige Schüler. Nach dem Ersten Weltkrieg lebte er überwiegend in Italien, Österreich und der Schweiz, in der er auch die Staatsbürgerschaft annahm. D´Albert war sechsmal verheiratet. Zu seinen Frauen zählten die Sängerin Hermine Finck (die musikalisch den größten Einfluss auf ihn hatte) und die Pianistin und Komponistin Teresa Carreño. Aus rechtlichen Gründen reiste er 1932 nach Riga, um sich dort von seiner sechsten Frau scheiden zu lassen, da dort die Gesetze dies erleichterten, und Riga deshalb zu jener Zeit viele Prominente anzog. Dort starb er am 3. März 1932.

Bereits 1881 trat d´Albert unter der Leitung Hans Richters in London mit einem eigenen Klavierkonzert in A auf. Das Werk ist jedoch verschollen. Sein nächstes Klavierkonzert schrieb er 1884, dieses wurde auch als Klavierkonzert Nr.1 op.2 veröffentlicht. Das Konzert ist von großer Virtuosität im Klavierpart geprägt, zudem ist es mit einer Spieldauer von 45 Minuten sehr ambitioniert. Sein zweites und letztes Klavierkonzert, das 1893 entstand, steht hierzu in großem Kontrast. So ist es nicht einmal halb so umfangreich wie sein Vorgänger. Das Konzert ist in einem durchgehenden Satz kom-poniert und zeigt hierin das Klavierkonzert in Es-Dur von Liszt als Vorbild. Auch sein 1899 entstandenes Cellokonzert greift auf eine einsätzige Anlage zurück. Das zweite Klavierkonzert lässt sich in vier Abschnitte gliedern. Die wenigen Themen werden ausführlich verarbeitet.
Die Uraufführung spielte d`Alberts damalige Frau, die venezolanische Pianistin Teresa Carreño in Wien. Der Aufführung wohnte auch Johannes Brahms bei, dieser zeigte sich aber wenig angetan von dem Werk.

Den Symphonischen Dichtungen Listzs ist der Gedanke eines eröffnenden Kopfmotivs nachempfunden. Dieses Kopfmotiv wird in den ersten drei Takten vorgestellt und besteht lediglich aus einem zerlegten E-Dur Dreiklang. Es wird im ersten Abschnitt immer wieder verwendet (Buchstabe A, acht Takte vor Buchstabe C (Dis-Dur!), Buchstabe C, vier Takte vor Buchstabe D). Der vierte Takt leitet bereits in den Hauptgedanken des ersten Abschnitts ein, dieser wird vom Klavier allein eingeführt. Ab T.11 erklingt bereits durch Violinen und Horn vorgetragen der Seitengedanke. Die Verwendung eines Solocellos (16 Takte vor Buchstabe D) erinnert ebenfalls an Liszt und dessen Klavierkonzert Nr.2.
Der zweite Abschnitt („Langsam“) beginnt 20 Takte vor Buchstabe E. Er ist geprägt durch einen Dialog zwischen Klavier und Streichern, später auch Holzbläsern. Der Charakter ändert sich durch die Einführung eines majestätischen D-Dur Themas in den Streichern unisono vorgetragen, es wird begleitet durch vollgriffige Akkorde des Klaviers.
Der dritte Abschnitt im 6/8 Takt erfüllt die Funktion des Scherzos. Die eigentliche Tonart des Abschnitts, C-Dur, wird nach einem kurzen Überleitungsteil bei Buchstabe I erreicht.
Der letzte Abschnitt beginnt 10 Takte nach Buchstabe M. Er wird eröffnet durch ein Motiv aus dem Hauptthema des ersten Abschnitts, dieses wird dann kombiniert mit dem Kopfmotiv des Beginns. Der weitere Verlauf greift die wichtigsten musikalischen Gedanken der ersten beiden Abschnitte wieder auf. Das Kopfmotiv des Anfangs beschließt das Klavierkonzert und schafft damit eine thematische Klammer.
Die melodischen Einfälle und sein frischer, kraftvoller Charakter machen dieses Konzert zu einer lohnenden Alternative zu den virtuosen Klavierkonzerten von Liszt, Rachmaninow und anderen.

Spieldauer: ca. 20 Minuten

Marcus Prieser 2009

Aufführungsmaterial ist von Galliard, London zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.

Eugen d’Albert
(b. Glasgow, 10 April 1864 – d. Riga, 3 March 1932)

Piano Concert No.2 in E major op.12
(1893)

D’Albert’s family originally came from Italy, where they were called Alberti. The name is principally known because of Domenico Alberti, who invented the so called “Alberti-Basses”. Francois Benoit d’Albert, who died on the battle field for Napoleon as the Aide-de-Camp of General Frére, was Eugen d’Albert’s grandfather. His father, Charles Louis Napoléon, left France and went to live with the family in Britain, where they settled in Newcastle upon Tyne. Here he founded his own orchestra and in 1863 married Annie Rowell. He was a pupil of Friedrich Kalkbrenner and later worked as a ballet co-repetitor and dancing master at the London Covent Garden. On the 10th of April 1864 Eugen Francis Charles d’Albert was born in Glasgow. Although he grew up in England, German was spoken at home.
In May 1876, the National Training School for Music was founded in London, today the Royal College of Music. The famous composer Arthur Sullivan was appointed as director. He was above all very successful in England with his operettas. The ten year old Eugen won his place at the school in a competition and thus became one of the first pupils of the institute. In addition to studying the piano with Ernst Pauer, he also attended Sullivan’s composition classes. In both subjects he showed an unusual talent and surprising maturity. He soon began to give concerts as a pianist and the first compositions were publicly performed at the St. James Hall in London as early as 1879. The eminent director Hans Richter invited him to Vienna in 1881. There he received the Mendelssohn scholarship for composition. In this period d’Albert concentrated on his career as a pianist and as thereafter he was not able to present any compositions, the scholarship was withdrawn. In 1882, he moved to Weimar, to obtain the final polish as a pianist from Franz Liszt. Liszt was enthusiastic about his new protégé and considered him to be his most significant pupil. D’Albert was appointed court pianist at Weimar in the same year. He began a triumphant career as piano virtuoso, which was to last for fifty years and make d’Albert one of the most important pianists of the 20th century. But in addition he eagerly pursued his ambition as a composer. From the middle of the 1890s his activities shifted from the career as a pianist to more composition. To start with, he mainly composed works for the concert hall (symphony F major (1886), two piano concertos (1884 and 1893), a cello concerto (1899), an overture for Grillparzer’s “Esther” (1888)), before he almost exclusively turned to the composition of operas. These were initially strongly influenced, as those of many other composers of his generation, by Richard Wagner. His first great success came with the cheerful one-act “Die Abreise”. The verismo-opera “Tiefland” (1903) brought him world success. None of his subsequent works could achieve such success.
Culturally he saw himself as a German, this can also be seen in the fact, that his opera libretti are in German. He therefore also wrote his christian name in the German manner. However, in spite of his affinity to German music, the cosmopolitan d’Albert never felt really at home in Germany and retained his English passport until the end of the First World War. In 1907 he became director of the Hochschule für Musik in Berlin, although he did not enjoy teaching and had only a few pupils. After the First World War he mainly lived in Italy, Austria and Switzerland where he adopted the nationality. D’Albert was married six times. Amongst his wives was the singer Hermine Finck (who had the greatest musical influence on him) and the pianist and composer Teresa Carreño. For legal reasons he travelled to Riga in order to divorce his sixth wife, as the laws there made this easier and Riga at that period attracted many celebrities. He died there on the 3rd of March 1932.

As early as 1881, d’Albert performed his own piano concerto in A in London, directed by Hans Richter. The work has however been lost. His next piano concerto was written in 1884 and was also published as the piano concerto no.1 op.2. This concerto is characterized by a very virtuoso piano part, and with a duration of 45 minutes is very ambitious. His second and last piano concerto, that was written in 1893, provides a striking contrast. It is not even half as long as its predecessor. The concerto is composed in one continuous movement, and shows the influence of the piano concerto in E flat major from Liszt. His cello concerto from 1899 also employs a single movement structure. The second piano concerto can be divided into four sections. The few themes are extensively explored. The first performance was played by d’Albert‘s then wife, the Venezuelan pianist Teresa Carreño in Vienna. Johannes Brahms was also present at this performance, but was not very impressed by the composition.

The idea of an opening motif reflects Liszt’s symphonic poems. This theme is introduced in the first three bars and consists of only a broken E major cord. It is repeatedly used in the first section (letter A, eight bars before letter C (D sharp major!), letter C, four bars before letter D). The fourth bar already leads into the main idea of the first section, which is introduced by the piano alone. From bar eleven, the secondary subject is already introduced by the violins and the horn. The use of a solo cello (16 bars before letter D) also refers to Liszt and his piano concerto no.2.
The second section (“Langsam”) begins 20 bars before letter E. It is characterized by a dialogue between piano and strings, later also wood wind. The character is changed by the introduction of a majestic D major theme from the strings in unison and is accompanied by substantial chords from the piano.
The third section in 6/8 measure provides the function of the scherzo. The real key of the section, C major, is achieved after a short transition at letter I.
The last section starts 10 bars after letter M. It is opened by a motif from the main theme of the first section, which is then combined with the opening motif of the beginning. The subsequent progress uses the most important musical thoughts of the first two sections. The opening motif from the beginning closes the piano concerto and thus provides a thematic parenthesis.
The melodic ideas and its fresh and powerful character render this concerto a rewarding alternative to the virtuoso piano concertos of Liszt, Rachmaninov and others.

Duration: about 20 minutes

Translation: John Conrad

For performance material please contact the publisher Galliard, London. Reprint of a copy from the Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.