Peter Iljitsch Tschaikowsky
(geb. Votkinsk, 7. Mai 1840 – gest. St. Petersburg, 6. November 1893)

Orleanskaja dewa („Die Jungfrau von Orleans“) (1878-82)
Oper in vier Akten
Libretto vom Komponisten
nach dem gleichnamigen Schauspielstück von Friedrich Schiller

Vorwort
Im zarten Alter von sieben Jahren setzte sich der junge Peter Tschaikowsky an den Schreibtisch und verfaßte ein 13zeiliges Gedicht über die Heilige Johanna, gefolgt von einer Einleitung zu einem bestehenden Gedicht über ihren Märtyrertod am Scheiterhaufen. (Darauf nannte ihn seine französische Gouvernante “le petit Pouchkine”). Kaum hätte er es sich damals vorstellen können, daß er 30 Jahre später eine Oper zum gleichen Sujet schreiben sollte, und daß der Tod Johannas eine wichtige Rolle in seinen diesbezüglichen Gedanken spielen würde.

Im Jahre 1878, kurz nach Fertigstellung seines Opernmeisterwerks Eugen Onegin, dachte Tschaikowsky erneut die Möglichkeit eines neuen Opernprojekts nach. Diesmal jedoch verfolgte er zwei Ziele: einen festen Platz in der europäischen Musikwelt zu gewinnen und zugleich seinen Kritikern zu beweisen, daß zu etwas mehr als einem reinen Symphoniker taugte. Nachdem er einige Opernsujets in Erwägung gezogen hatte, entschied er sich schließlich für den Themenkreis der Heiligen Johanna, der es ihm erlauben würde, eine Grand opéra nach französischem Muster hervorzubringen, und zwar nach dem bewährten Meyerbeer’schen Prinzip eines privaten Liebesschicksals contra Ereignisse von weltgeschichtlicher Bedeutung. Seltsamerweise wurde dieses Thema auf der Opernbühne bisher kaum eingesetzt. Tschaikowsky blätterte durch die frühe Verdi-Opera Giovanni d’Arco (1845), die er schließlich als unbrauchbar abtat (obwohl er Verdis Einsatz der Soloflöte als Symbol für die jugendliche Unschuld Johannas wohl doch übernahm). Als noch hilfreicher erwies sich eine neuere Opernvertonung des gleichen Sujets durch den kaum bekannten französischen Komponisten Auguste Mermet (1810-1889), dessen Jeanne d’Arc 1876 an der Pariser Opéra scheiterte. Musikalisch konnte ihn nicht viel an dieser Partitur fesseln, da jedoch Mermet auch sein eigenes Libretto verfaßte – und Tschaikowsky selbst Ähnliches vorhatte –, entdeckte der Komponist manch nützliche dramaturgische Anregung. Als Grundlage für seine eigene Oper wandte er sich jedoch an das berühmte Historiendrama Die Jungfrau von Orleans (1801) von Friedrich Schiller in der maßgebenden russischen Übersetzung durch Wassili Schukowsky. Das als „romantische Tragödie“ bezeichnete Bühnenstück Schillers besitzt viele Vorzüge (laut Thomas Mann kommt die Sprache alleine dem Wesen der Opernkunst nahe), zu denen jedoch der Vorzug der Wirklichkeitsnähe nicht zählt. Um mit dem Dramatiker George Bernard Shaw im Vorwort zu seiner eigenen Dramatisierung des Johanna-Stoffs zu reden: Es handelt sich bei Schiller „um einen Hexenkessel ungezügelter Romantik. Die Johanna Schillers hat keinen einzigen Berührungspunkt mir der wirklichen Johanna, noch mit irgendeiner anderen Sterblichen, die je auf der Erde umherwandelte.” Nach der Schillerschen Fassung stirbt Johanna nicht auf dem Scheiterhaufen, sondern auf dem Schlachtfeld; auch muß sie in einem kurzen romantischen Zwischenspiel die eigene Weiblichkeit entdecken und mit ihr zurechtkommen; und ihre Widersacher sind weder die Kirche noch die Engländer, sondern ihr eigener strenggläubiger Vater, der sie für eine Hexe hält. Zunächst wollte sich Tschaikowsky nur ungern vom historisch Nachweisbaren derart radikal fernhalten, schließlich jedoch gab er nach: Wie er es in einem Brief vom 20. Januar 1879 an seinem Bruder Modest zum Ausdruck brachte: „Am besten wäre es, wenn ich mich so eng wie möglich an der Vorlage Schillers halten würde, trotz seiner Mißachtung der historischen Wahrheit.“ Dennoch verwarf er die Schlußwendung Schillers und ließ Johanna doch auf dem Scheiterhaufen sterben; auch strich er die meisten Szenen im englischen Lager, so daß schließlich in seiner Fassung die Engländer überhaupt nicht vorkommen; und dem Libretto Mermets entnahm er eine Dorfszene in Domrémy, mit dem seine Oper auch anfängt. Vor allem aber, statt auf das Liebesmotiv der Schillerschen Fassung zu verzichten, hat er dieses erheblich ausgebaut, wodurch er die neue Oper in ein romantisches Vehikel verwandelt, in dem sich Johanna zwischen den Geboten der göttlichen Stimmen und denen der Liebe entscheiden muß und an ihrer eigenen Unschlüssigkeit letztendlich zugrunde geht.

Auf der Suche nach musikalischen Vorbildern sah sich Tschaikowsky gezwungen, sein Blickfeld weit über Verdi und Mermet hinaus auszudehnen. In Meyerbeer fand er natürlich bewährte Beispiele für die Behandlung von Massenszenen; weitere Impulse stammen von Gounod, der kurz zuvor eine Bühnenmusik zum Schauspielstück Jeanne d’Arc (1874) des französischen Dramatikers und Librettisten Jules Barbier geliefert hatte. Um neue Einsichten in die Kunst des Orchestrierens zu gewinnen, wandte sich Tschaikowsky sogar der Partitur von Lohengrin zu, die er für Wagners beste Oper hielt. Im allgemeinen aber zielte er auf eine gründliche Vereinfachung seines sonst geläufigen symphonischen Schreibstils, um eine bühnenfähig schlichte Musiksprache zu schaffen. Diese neue stilistische Einfachheit kommt in der allerersten Nummer, die er für seine neue Opern komponierte, deutlich zum Vorschein: die „Erkennungsszene“ am Ende des II. Akts, in der Johanna den wahren Dauphin aus der Menge erkennt und sich selbst und ihr bisheriges Leben beschreibt. Es handelt sich hierbei um eine der überzeugendsten und zugleich ergreifendsten Stellen der gesamten Partitur.

Diese Szene wurde bereits am 17. Dezember 1878 zu Papier gebracht, bevor die Umrisse oder gar Wortlaut des Librettos überhaupt bestanden. Am 12. Januar, nachdem er nach Clarens am Genfer See umgesiedelt war, fing er an, den Rest der Oper zu vertonen, wobei er den Kompositionsentwurf des I. Akts innerhalb von nur zehn Tagen, den gesamten Entwurf am 8. März vollendete. Die Arbeiten am Libretto erwiesen sich jedoch als weitaus schwieriger, als er sich vorgestellt hatte: „Wie oft“ – so sein Brief vom 20. Januar an Bruder Modest – „muß ich in meiner Verzweiflung aufspringen, da ich einen bestimmten Reim oder ein bestimmtes Versmaß nicht finde oder da ich nicht weiß, welches Wort diese oder jene Person benützen soll.“ Zwei Tage später fügte er hinzu: „Meine Dichtkunst wird eher mit der Axt gehauen” – eine Ansicht, der sich der moderne Leser wohl anschließen möchte. Dennoch: Die Worte für die Szenen zwischen Lionel und Johanna sowie für die meisten Chorsätze stammen alle aus seiner Feder.

Nachdem Tschaikowsky im Frühjahr nach Rußland zurückgekehrt war, machte er sich gleich an die Arbeit des Orchestrierens, die sich jedoch weitaus mehr (vom 8. Mai bis zum 2. September) als die eigentlichen Kompositionsarbeiten in die Länge zog. Teilweise wurde diese Verzögerung durch verschiedene Unterbrechungen bedingt, vor allem aber spiegelt sie die Bedeutung wider, die er den differenzierten Orchesterfärbungen und dem klanglichen Gleichgewicht beimaß. Zu seiner Überraschung stellte er fest, daß die Orchestrierungsarbeiten nicht nur erfrischend waren, sondern ihm auch eine Quelle der Freude darstellte. Den unzähligen Musikliebhabern, die seine späteren Meisterwerke Nußknacker, Pique Dame und die Symphonien Nr. 4 bis 6 kennen und lieben, werden in dieser Hinsicht auch hier auf ihre Kosten kommen.

Die Uraufführung fand am 25. Februar 1881 im Petersburger Marjinski-Theater unter der Leitung des Widmungsträgers Eduard Nápravník statt. Aus der Sicht des Publikums war die Aufführung ein überwältigender Erfolg: Bereits nach dem I. Akt bekam Tschaikowsky acht Vorhänge, am Ende der Aufführung weitere vierundzwanzig. Obwohl der Klavierauszug bereits seit 1880 in einer Ausgabe des Moskauer Musikverlags Jurgenson gedruckt vorlag, mußte der Komponist die ursprünglich für Sopranstimme konzipierte Rolle der Johanna teilweise umgestalten und neu instrumentieren, da die Titelrolle bei der Uraufführung einem Mezzosopran zugewiesen wurde. Diese Sängerin – Marija Kamenskaja – war jedoch überragend und trug wohl in keinem geringen Maße zum Gesamterfolg des Abends bei. Auch sprach Tschaikowsky einem Neuling im Petersburger Opernensemble sein Lob aus: Fjodor Strawinsky, der in der Rolle des Dunois glänzte und in die Musikgeschichte auch als Vater des Komponisten Igor Strawinsky eingehen sollte. Als sich Tschaikowsky einen Tag nach der Premiere auf die Reise nach Westeuropa machte, konnte er sicher sein, daß er sein Ziel, einen Platz in der größeren Musikwelt zu erringen, wohl erreicht hatte. Zugleich verspürte er jedoch bezüglich der Reaktion der Kritiker einige dumpfe Vorahnungen, die sich letztendlich als allzu wahr erwiesen: Kaum hatte er nämlich die Hoheitsgebiete der k. und k. Monarchie betreten, als er in der Neuen Freien Presse eine Meldung des Petersburger Korrespondenten las, die er für seinen Bruder Modest wortgemäß zusammenfaßte: „Gestern erklang zum erstenmal die Oper Die Jungfrau von Orleans von Tschaikowsky mit großem Erfolg; ganz offensichtlich werden jedoch die Kritiker weniger nachgiebig sein als das Publikum. Die Oper ist nämlich handlungsarm, eintönig und langweilig. Mit Ausnahme der Jungfrau selber mangelt es an Charakteristik. Die Chorsätze sind schlecht, die Bühnendekorationen miserabel.“

Am bittersten waren wohl die Worte des Kritikers Pawel Makarow: „In der Jungfrau von Orleans stellt Tschaikowsky erneut unter Beweis, daß er von Haus aus Symphoniker und keinesfalls Opernkomponist ist” – eine Ansicht, der die Nachwelt mit Blick auf Eugen Onegin und Pique Dame kaum teilen möchte.

Es sollte jedoch noch schlimmer kommen: Zwei Wochen nach der Uraufführung wurde der Zar Alexander II. am 13. März 1881 ermordet, worauf alle Theater Rußlands sofort geschlossen wurden. Als der Bühnenbetrieb wieder aufgenommen wurde, durfte nur gedämpfte Theaterkost angeboten werden, was für ein aufwendiges Kostümdrama wie der Jungfrau von Orleans gleichsam den Tod bedeutete. Als die Inszenierung in der Spielzeit 1882/83 doch wiederaufgenommen werden konnte, waren noch weitere Umänderung für die Kamenskaja notwendig, so daß am 1. Oktober 1882 Tschaikowsky mit Revisionsarbeiten an einer Partitur beschäftigt war, für die er wenig Hoffnungen auf einen dauerhaften Erfolg hegte. Diese nochmaligen sowie die bereits durchgeführten Revisionsarbeiten wurden in einen neuen Klavierauszug eingearbeitet, der 1884 ebenfalls bei Jurgenson erschien und heute als die „zweite Version“ der Jungfrau von Orleans gilt. Die Wiederaufnahme der Oper erlebte jedoch nur wenige Aufführungen, nach denen Die Jungfrau von Orleans zu Lebzeiten des Komponisten nie wieder ertönte.

Damit war jedoch die Geschichte der Jungfrau von Orleans noch nicht beendet. Noch vor der Petersburger Wiederaufnahme wurde die Oper am 28. Juli 1882 in tschechischer Sprache in Prag inszeniert, wodurch sie zum ersten Bühnenwerk Tschaikowskys wurde, das im Ausland je erklang. Im Jahre 1899 erhielt sie posthum eine Moskauer Erstaufführung; zu diesem Anlaß ist sie auch als Partitur bei Jurgenson erschienen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie durch ihre martialisch-patriotische Züge zum perfekten Siegesoper, und als solche ging sie 1945 in Leningrad und 1958 in Tiflis auch über die Bretter. Seitdem konnte sich die Oper auf der russischen Opernbühne behaupten sowie mit Inszenierungen etwa in Perugia (1956), Birmingham (1982) und Stockholm (1988) einen Platz im internationalen Opernrepertoire erobern. Drei dieser neuerlichen Inszenierungen sind besonders hervorzuheben: eine Kasseler Produktion mit neuer deutschen Übersetzung durch Fritz Oeser, die weitere Inszenierungen in Deutschland (Leipzig 1970, Mannheim 1975) nach sich zog, eine Inszenierung am Moskauer Bolschoj-Theater, die als mittelalterlichen Mysterienspiel konzipiert wurde und 1992 auch auf DVD aufgenommen wurde, sowie eine Produktion aus dem 1989 an der Bayerischen Staatsoper München, die von Harry Kupfer inszeniert, von Waltraud Meyer in der Titelrolle gesungen und vom Dirigenten Gerd Albrecht gekonnt gekürzt und neu übersetzt wurde.

1964 wurden beide Fassungen der Jungfrau von Orleans in die Tschaikowsky-Gesamt-ausgabe aufgenommen und vom russischen Staatsverlag Musyka in Moskau in zwei Bänden synoptisch abgedruckt. Bei der vorliegenden Studienausgabe handelt es sich um eine getreue Wiedergabe des Gesamtausgabentexts.

Handelnde Personen
König Karl VII. - Tenor
Erzbischof - Baß
Djunua, ein französischer Ritter - Bariton
Lionel, ein burgundischer Ritter - Bariton
Tibo d’Arc, Ioannas Vater - Baß
Raimond, Ioannas Bräutigam - Tenor
Bertran, Bauer - Baß
Ein Krieger - Baß
Lore - Baß
Ioanna d’Arc - Sopran od. Mezzosopran
Agnessa - Sopran
Solostimme im Chor der Engel - Sopran

Chor:
Volk, Bauern von Domrémy, Kavaliere, Hofdamen, französische und englische Krieger, Ritter, Mönche, Gaukler, Scharfrichter, Engel

Ballett:
Zigeuner, Zigeunerinnen, Pagen, Narren, Zwerge, Gaukler

Handlung:
In Frankreich, während des Hundertjährigen Kriegs, 1429-31

Zusammenfassung der Handlung
I. Akt, ländliche Gegend, auf der einen Seite eine Kapelle mit dem Bild der Heiligen Jungfrau, auf der andern eine Eiche am Flußufer: Während der Vorbereitungen für das Dorffest singen die Mädchen fröhliche Lieder. Der alte Hirte Tibo unterbricht das Treiben und verweist auf die unsichere Situation: Paris sei in den Händen der Engländer und der König auf der Flucht. Er drängt seine Tochter Ioanna zur Heirat mit dem Bauern Raimond, damit sie in kriegerischen Zeiten einen Beschützer habe. Zögernd erklärt Ioanna, daß sie die Bestimmung für ein anderes Schicksal fühle. Tibo ist erzürnt und glaubt, seine Tochter sei im Pakt mit dem Teufel. Plötzlich scheint Feuer im Hintergrund auf; eine Gruppe von Bauern stürzt herbei, unter ihnen Bertran, der von verlorenen Schlachten und der Belagerung von Orléans berichtet sowie vom Übertritt des Herzogs von Burgund und der Mutter des Königs ins feindliche Lager. Ioanna prophezeit, daß eine bewaffnete Jungfrau dem Feind eine Niederlage bereiten werde und daß der englische Feldherr Salisbury bereits tot sei. Man schenkt ihr jedoch keinen Glauben. Als ein Soldat herbeieilt und den Tod von Salisbury meldet, ändert sich die Haltung der Menge, und selbst Tibo ist verunsichert. Ioanna ermahnt die Versammelten zum Gebet; sie stimmt eine Hymne an, um für Sieg und Frieden zu bitten. Allein zurückgeblieben, nimmt sie Abschied von ihrer Heimat. In einer Vision erfährt sie ihren göttlichen Auftrag, der irdischen Liebe zu entsagen und das Schwert zu ergreifen, um Frankreich zu befreien.

II. Akt, das Schloß Chinon: König Karl und seine Mätresse Agnessa Sorel lassen sich von Gauklern erheitern. Von Djunua verlangt der König, daß die Schauspieler reichlich entlohnt würden; dieser jedoch beklagt die leeren Staatskassen und ermahnt Karl, in den Kampf gegen den Feind zu ziehen. Agnessa macht sich auf, Geld für Karl herbeizuschaffen. Der tödlich verwundete Lore hat sich ins Schloß geschleppt, um von weiteren Niederlage zu berichten und Karl zur Flucht zu überreden. Verzweifelt trifft dieser die Entscheidung, sich hinter die Loire zurückzuziehen. Djunua macht ihm Vorwürfe und verabschiedet sich, um im belagerten Orléans den Tod zu suchen. Karl ist ratlos und sucht Trost bei der zurückgekehrten Agnessa, die ihm all ihren Besitz vermacht, um seine Unternehmungen zu finanzieren. Von Ferne ertönt der Gesang zu Ehren Ioannas, von deren rettender Tat der hereinstürzende Djunua Karl berichtet. Kurz darauf erscheint der Erzbischof und bestätigt die wunderbare Wendung des kriegerischen Geschehens. In der Absicht, Ioanna zu prüfen, weist Karl Djunua an, er solle seinen Platz einnehmen. Als Ioanna mit ihrem Gefolge erscheint, geht sie auf Karl zu, den sie noch nie gesehen hat; sie enthüllt ihm seine Gebete und schildert ihre Vision. Überzeugt von ihrer göttlichen Sendung, überträgt Karl ihr den Befehl über sein Heer. Der Erzbischof erteilt Ioanna seinen Segen.

III. Akt, 1. Bild, Schlachtfeld bei Reims, auf den Höhen das brennende Lager der Engländer: Lionel wird von Ioanna verfolgt und als Anhänger des Herzogs von Burgund gestellt. In dem Augenblick, in dem sie ihm den Todesstoß versetzen will, fällt ein Lichtstrahl auf Lionels Gesicht. Ioanna vermag ihn nicht zu töten und will ihn zur Flucht überreden. Sie fordert ihn auf, ihr selbst den Tod zu geben. Beider Gefühle erwachen füreinander. Als Djunua mit der Nachricht von der Rückeroberung von Reims erscheint, ergibt sich Lionel und kehrt in die Dienste Frankreichs zurück. Ioanna sinkt wie verwundet zusammen. 2. Bild, vor der Kathedrale von Reims: Karl und Ioanna ziehen mit großem Gefolge in die Kathedrale ein. Raimond und Tibo, der glaubt, die Stunde sei gekommen, in der er die Tochter aus den Händen des Bösen zu retten vermag, bleiben zurück. Als die Prozession nach der Krönung die Kathedrale verläßt, tritt Tibo hervor und beschuldigt Ioanna, Frankreich mit Hilfe des Teufels gerettet zu haben. Die Menge erklärt ihn für verrückt. Er wendet sich an Ioanna und fragt sie, ob sie sich selbst für rein und heilig halte. Geplagt von ihrer schuldhaften Liebe zu Lionel, schweigt Ioanna; die Menge erstarrt in Schrecken. Man ruft Gott an, die Wahrheit zu offenbaren. Als Djunua hervortritt und jeden herausfordert, der es wagt, Ioanna anzuklagen, ertönt ein Donnern; auch Tibos Forderung gegenüber seiner Tochter nach einer Erklärung und die Fragen des Erzbischofs werden mit einem dumpfen Donnern beantwortet, so daß das Volk glaubt, Ioanna sei schuldig. Karl und die Menge ziehen sich zurück. Ioanna verflucht Lionel, daß er ihre Seele zerstört habe.

IV. Akt, 1. Bild, Wald: Hin und her gerissen zwischen der von Gott ihr auferlegten Mission und ihrer Liebe zu Lionel, sucht Joanna Ruhe. Sie entscheidet sich für Lionel, worauf Engelsstimmen sie als Verräterin verurteilen. Man hört englische Soldaten nahen; Lionel fällt im Kampf, während Ioanna sich dem Feind ergibt. 2. Bild, öffentlicher Platz in Rouen: Die Menge erwartet die Ankunft Ioannas, die zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt wurde. Mit dem Erklingen der Engelsstimmen findet ihr Leiden ein Ende.

Bradford Robinson, 2009

 

Aufführungsmaterial ist von Kalmus, Boca Raton zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.

Peter Ilych Tchaikovsky
(b. Votkinsk, 7 May 1840 – d. St. Petersburg, 6 November 1893)

Orleanskaya deva
(“The Maid of Orléans”) (1878-82)
Opera in four acts on a libretto by Tchaikovsky
after Friedrich Schiller’s play Die Jungfrau von Orleans

Preface
At the tender age of seven young Peter Tchaikovsky sat down at his writing desk and penned a thirteen-line poem, in French, on the subject of Joan of Arc, followed by a prose introduction to an existing poem on her death at the stake (his French governess, impressed, pronounced him to be “le petit Pouchkine”). Little could he have realized that thirty years later he would be writing an opera on the same subject, and that Joan’s death in particular would bulk large in his thoughts.

In 1878, having just completed his operatic masterpiece Eugen Onegin, Tchaikovsky again essayed the prospect of a new opera. This time, however, he had two larger aims in mind: to create a name for himself in the European musical arena and to prove to the critics that he was more than just a composer of symphonies. After considering several subjects he lit on the theme of Joan of Arc, which would allow him to write a grand opéra in the French manner using the time-honored Meyerbeerian formula of a private drama set against a public backdrop of historical events. Oddly, the theme had hardly been used on the opera stage before. He looked through Verdi’s early Giovanni d’Arco (1845) and pronounced it unusable (although he did appropriate its device of symbolizing Joan’s youthful innocence with a solo flute). More helpful was a recent operatic setting of the same subject by the obscure French composer Auguste Mermet (1810-1889), Jeanne d’Arc, which failed at the Paris Opéra in 1876. Musically there was not much in it to interest him, but Mermet had written his own libretto, and as Tchaikovsky was set on doing the same thing, he found that it contained many useful dramaturgical tips. As the basis of his own opera he took Friedrich Schiller’s celebrated historical drama Die Jungfrau von Orleans (1801) in the standard Russian translation by Vasily Zhukovsky. Schiller’s play, which the author called a “romantic tragedy,” has many virtues (Thomas Mann once pronounced its very language to be the essence of opera), but not that of historical verisimilitude. To quote George Bernard Shaw, from the preface to his own dramatization (Saint Joan), it is “a witch’s caldron of raging romance. Schiller’s Joan has not a single point of contact with the real Joan, nor indeed with any mortal woman that ever walked this earth.” Schiller’s Joan dies on the battlefield rather than at the stake, she is made to confront her own femininity in a brief romantic interlude, and her main adversary is not the Church or the English but her own ultra-pietistic father, who considers her a witch. Tchaikovsky was at first loath to depart to this extent from documented history, but eventually relented: as he wrote to his brother Modest on 20 January 1879, “it will be best to keep as near to Schiller as possib-le despite his disregard for the historical truth.” That said, he scrapped Schiller’s ending and has Joan perish at the stake; he also cut most of Schiller’s material in the English camp, so that the English, in his opera, never appear at all; and he added a village scene from Mermet to open the opera. But most importantly, rather than removing the love interest in Schiller’s play, he expanded it enormously, thereby turning the opera into romantic vehicle in which Joan must decide between the imperatives of her celestial voices and the yearnings of her heart. It is her indecision on this point that brings about her ruin.

For his musical models Tchaikovsky had to look further afield than Verdi and Mermet. Meyerbeer of course provided tested examples for the handling of the crowd scenes; further inspiration came from Gounod, who had written incidental music for Jules Barbier’s play Jeanne d’Arc (1874). He even perused the score of Lohengrin, which he considered Wagner’s best opera and which gave him many new insights into orchestration. But in general he sought a marked simplification of his normal symphonic style to create a language suitable for the musical stage. This new simplicity is impressively demonstrated in the very first music he wrote for the opera: the “recognition scene” at the end of Act 2, when Joan recognizes the true Dauphin and describes herself and her background to him. It is one of the most convincing and moving moments of the score.

This scene was already finished by 17 December 1878, before Tchaikovsky had even decided on the firm outlines of his libretto. Beginning on 12 January, now situated in the town of Clarens on Lake Geneva, he set about composing the rest of the opera, writing the text at the same time. The work of composition proceeded swiftly: Act 1 was completed within the space of ten days, and the entire work in short score by 8 March. But the business of writing the text proved more arduous than he had imagin-ed: “How many times I jump up in despair at not being able to find a rhyme or a rhythm,” he wrote to Modest on 20 January, “or not knowing what word this or that person should use.” Two days later he added, “My poetry is rather hewn with an axe” - an opinion with which the modern reader will most likely concur. Among other things, he wrote the words to the scenes between Lionel and Joan and almost all the choral numbers.

Having returned to Russia, Tchaikovsky set about the business of orchestration. It lasted far longer, from 8 May to 2 September, than the act of composition itself. In part this was due to several interruptions, but more importantly it reflects the importance he now attached to orchestral color and balance. To his surprise, he found the task of orchestration not only refreshing but a source of delight. To the myriad music lovers who know and love his later works – The Nutcracker, The Queen of Spades, Symphonies Nos. 4 to 6 – this will come as no surprise.

The première, given at St. Petersburg’s Mariinsky Theatre on 25 February 1881 with Eduard Nápravník conducting, was a stunning success with the audience: Tchaikovsky was given eight curtain calls after the first act and another twenty-four at the end of the performance. Although the vocal score had already been issued in print (by Jurgenson of Moscow in 1880), he had had to revise the score and orchestration for the part of Joan, who, though originally conceived for a dramatic soprano, was taken by a mezzo at the première. This title role, sung by Mariya Kamenskaya, was outstanding and probably carried the performance, and Tchaikovsky also bestowed special praise on a newcomer to the ensemble who sang the part of Dunois: Fyodor Stravinsky (the father of Igor). When he left for Western Europe the day after the première, he could be certain that he had made his mark in the world of music at large. But he had forebodings as to the response of the critics. These forebodings proved only too warranted: hardly had he arrived in the Austrian territories than he read a report from the St. Petersburg correspondent to the Neue Freie Presse, which he summarized for the bene-fit of his brother Modest: “Yesterday the opera, The Maid of Orléans, by Tchaikovsky, was performed for the first time with great success; but it is quite obvious that the critics will not be as lenient as the public. The opera is very poor in respect of action, monotonous, and boring. Except for the ‘Maid’ herself it is lacking in characterization. The choruses are bad, and the sets miserable.”

Especially galling were the words of the critic Pavel Makarov: “In The Maid of Orléans Tchaikovsky has again shown that he is by nature a symphonist and in no way an opera composer.” It is an opinion which posterity, in view of Eugen Onegin and The Queen of Spades, is not predisposed to share.

Worse, however, was yet to come: two weeks after the première, on 13 March 1881, Tsar Alexander II was assassinated. All theatres in Russia were immediately shut down, and when they reopened they were only allowed to present subdued fare, spelling the end of the run for a lavish grand opera such as The Maid of Orléans. When the production was revived for the 1882-3 season, more revisions were required for Kamenskaya, and on 1 October 1882 Tchaikovsky found himself reworking a score for which he now held out few hopes of lasting success. These revisions, and the earlier ones, were incorporated into a new vocal score, the “second version” of The Maid of Orléans (likewise published by Jurgenson of Moscow in 1884). But the revival, too, was granted only a short run, after which the opera was never heard again during the composer’s lifetime.

The story of The Maid of Orléans does not stop there, however. On 28 July 1882, even before the St. Petersburg revival, it was given in Czech in Prague, making it the first Tchaikovsky opera to be heard outside of Russia. In 1899 it received its first (posthumous) performance in Moscow, for which occasion the work was issued in full score by Jurgenson. After World War II the opera’s martial and patriotic virtues made it a perfect victory opera, and as such it was staged in Leningrad (1945) and later in Tiflis (1958). Since then it has held its own on the Russian stage and also established itself in the international repertoire, with stagings in Perugia (1956), Birmingham (1982), and Stockholm (1988). But three productions in particular deserve to be singled out: a Kassel performance with a new German translation (by Fritz Oeser) that spawned further German productions in Leipzig (1970) and Mannheim (1975); a Bolshoy performance conceived as a medieval mystery play and recorded on DVD (1992); and a production at the Munich Opera, staged by Harry Kupfer with Waltraud Meyer in the title role and a new, tastefully abridged translation by the conductor, Gerd Albrecht (1989).

In 1964 both versions of The Maid of Orléans were incorporated synoptically into the complete edition of Tchaikovsky’s works and published in two volumes by Muzyka in Moscow. The present miniature score is a faithful reproduction of that edition.

Cast of Characters
King Charles VII - Tenor
Archbishop - Bass
Dunois, a French knight - Baritone
Lionel, a Burgundian knight - Baritone
Thibaut of Arc, Joan’s father - Bass
Raymond, Joan’s betrothed - Tenor
Bertrand, a peasant - Bass
A Soldier - Bass
Lauret - Bass
Joan of Arc - Soprano or mezzo-soprano
Agnès Sorel - Soprano
Voice from the angelic choir - Soprano

Chorus:
crowd, peasants of Domrémy, courtiers, ladies, French and English soldiers, knights, monks, minstrels, executioners, angels

Ballet:
gypsies, pages, clowns, dwarfs, minstrels

Setting:
France during the Hundred Years’ War, 1429-31

Synopsis of the Plot
Act I, a rural landscape, on one side a chapel with a picture of the Virgin Mary, on the other an oak tree on a riverbank: Girls sing cheerful songs during preparations for the village festival. The aged shepherd Thibaut interrupts the goings-on and points out the uncertainty of the situation: Paris is in English hands, the King is in flight. He urges his daughter Joan to marry the peasant Raymond so that she will have a protector in times of war. Hesitantly, Joan declares that she feels a different calling. Thibaut, infuriated, believes that his daughter is in league with the Devil. Suddenly fire appears in the background and a group of peasants rush in. Among them is Bertrand, who tells of lost battles and the siege of Orléans. He also reports that the Duke of Burgundy and the King’s mother have gone over to the enemy camp. Joan prophesies that an armed maid will deal the enemy a devastating blow, and that the English commander Salisbury is already dead. No one believes her. But when a soldier rushes in to report the death Salisbury, the attitude of the crowd changes, and even Thibaut begins to waver. Joan admonishes the assembled villagers to pray, and sings a hymn in a plea for victory and peace. Left alone, she says farewell to her native country. In a vision, she learns of her divine mission to foreswear earthly love, take up the sword, and liberate France.

Act II, Chinon Castle: King Charles and his mistress Agnès Sorel are being entertained by minstrels. The King orders Dunois to pay the players handsomely, but Dunois laments the state’s empty coffers and urges Charles to join the fray against the enemy. Agnès sets out to raise money for Charles. Lauret, mortally wounded, has dragged himself to the castle to report of more defeats and to persuade Charles to flee. In desperation the King decides to withdraw beyond the River Loire. Dunois upbraids him and takes his leave, hoping to find death in besieged Orléans. Charles, helpless, seeks comfort in Agnès, who has returned and now hands him all her possessions in order to finance his undertakings. A hymn in Joan’s honor is heard from afar, and Dunois rushes in to tell Charles that she has heroically rescued the city. Shortly thereafter the Archbishop appears and verifies the miraculous turn of events. Intending to put Joan to the test, Charles orders Dunois to exchange places with him. When Joan enters with her followers, she steps up directly to Charles although she has never seen him before. She reveals his prayers to him and describes her vision. Convinced of her divine mission, Charles places all his forces under her command. The Archbishop gives Joan his blessing.

Act III, Scene 1, a battlefield hear Rheims, the burning English camp visible on high: Lionel is pursued by Joan and brought to bay as a follower of the Duke of Burgundy. As she is about to slay him, a ray of light falls on his face. Joan is unable to complete the deed and tries to convince him to flee. She asks him to kill her instead. The two young people feel a tender affection for each other. As Dunois arrives with the news of the recovery of Rheims, Lionel surrenders and returns to the service of France. Joan sinks to the ground as if wounded. Scene 2, before Rheims Cathedral: Charles and Joan enter the cathedral with a large procession. Raymond and Thibaut, who feels the hour has arrived to free his daughter from the clutches of Evil, remain behind. When the procession leaves the cathedral following the coronation, Thibaut steps forward and accuses Joan of saving France with the Devil’s assistance. The crowd declares him to be mad. He turns to Joan and asks her whether she considers herself pure and sacred. Plagued by her guilty love for Lionel, Joan remains silent, and the crowd freezes in horror. An appeal is made to God to reveal the truth. When Dunois steps forward and challenges anyone who dares to accuse Joan, a peal of thunder is heard; and a simi-lar dull thunderclap resounds as Thibaut orders his daughter to explain herself and the Archbishop questions her. The crowd now feel that Joan is guilty. Charles and the crowd withdraw. Joan curses Lionel for having destroyed her soul.
Act IV, Scene 1, a forest: Torn hither and thither between her divine mission and her love for Lionel, Joan seeks peace and calm. She decides in favor of Lionel, at which she is proclaimed a traitor by angelic voices. English soldiers are heard to approach; Lionel falls in battle while Joan surrenders to the enemy. Scene 2, a public square in Rouen: The crowd awaits the arrival of Joan, who is condemned to be burned at the stake. Her sufferings find an end – to the accompanying sound of angelic voices.

Bradford Robinson, 2009

For performance material please contact the publisher Kalmus, Boca Raton. Reprint of a copy from the Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.