Friedrich Witt
(geb. Niederstetten, 8. November 1770 - gest. Würzburg, 3. Januar 1836)

Symphonie C-Dur
(„Jenaer Symphonie“, vormals Beethoven zugesprochen)

„Da wir unter den Gefolgsleuten Haydns und Mozarts zu Ende des 19. Jahrhunderts bis jetzt keinen kennen, dem ein solches, den Meister ankündigendes Werk zugeschrieben werden könnte...“ so Fritz Stein in seinem Vorwort zur Erstausgabe der „Jenaer Symphonie“ 1911.

Fritz Stein entdeckte 1910 in Jena die Orchesterstimmen zu einer Symphonie in C-Dur. Er fand auf der Stimme der zweiten Violine die Anmerkung „Par Louis van Beethoven“ und auf der Cellostimme „Symphonie von Bethoven“. Auch Beethovens Äußerung, sich bereits vor seiner 1. Symphonie mit Plänen zu Symphonien beschäftigt zu haben, ließ Stein zu seinem Urteil kommen. Nicht zuletzt bemerkte er typische beethovensche Aspekte des Komponierens. Auch weitere Musikerpersönlichkeiten schlossen sich der Meinung Steins an. Hugo Riemann hielt es für möglich, dass die Symphonie in Beethovens Bonner Zeit entstand, und Max Reger schrieb sogar eine Fassung der Jenaer Symphonie für Klavier. Dies führte dazu, dass diese Symphonie beinahe fünfzig Jahre lang als „Jenaer Symphonie“ von Beethoven aufgeführt wurde. Es gab aber auch kritische Stimmen, die den Stil eher einem Komponisten der Frühklassik zuordnen würden, zumal sich in Beethovens Quellen keine genaueren Hinweise auf die Existenz der Symphonie finden lassen. Der amerikanische Musikwissenschaftler H.C. Robbins Landon, der vor allem durch seine Forschungen zu Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart bekannt wurde, fand 1957 im Landesarchiv von Rudolstadt handschriftliche Stimmen mit dem Vermerk „di Witt“. Auch in einem Katalog des Klosters Göttweig fand er den Themenanfang des Werkes mit dem Hinweis „Symphonia Authore Witt, Capellmagister Würzburg“.

Friedrich Witt wurde am 8. November 1770 in Niederstetten in der Nähe von Bad Mergentheim geboren. Im Alter von nur sechs Jahren verlor er seinen Vater, einen Schulmeister. Dieser gab ihm bereits seinen ersten Musikunterricht, der von seinem Stiefvater, dem Amtsnachfolger seines Vaters, weitergeführt wurde. Er kam im Alter von 17 Jahren als „Kammermusikus“ an den Hof des Fürsten von Oettingen-Wallerstein. Im Wallersteiner Archiv findet sich der Arbeitsvertrag Witts als Cellist im Hoforchester. Wahrscheinlich war Witt Schüler des Komponisten Antonio Rosetti. 1793 und 1794 ging Witt mit der Erlaubnis seines Fürsten auf Konzertreisen. Zusammen mit dem Klarinettisten Joseph Beer (1770-1819) führten ihn diese nach Coburg, Weimar, Potsdam, Ludwigslust und anderen Städten. Beide begaben sich 1796 für Konzerte nach Wien, wo Witt auch eine seiner Symphonien aufführte. Die Wege der beiden Musiker trennten sich dann, Witt reiste nun allein weiter. 1802 beruft ihn dann der Würzburger Bischof zum Hofkapellmeister. Zusätzlich wirkte er in dem 1804 gegründeten Stadttheater als Musikdirektor. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten in der Hofkapelle, welche Witt vorgeworfen wurden, kam es 1824 zu seiner Entlassung. Er starb 1836 an Lungenlähmung. Mittlerweile war er aus dem Konzertleben fast vollständig verschwunden, und so erschien nach seinem Tode in keiner Musikzeitschrift ein Nachruf.
Im Mittelpunkt seines Schaffens stehen seine 23 Symphonien. Sie entstanden überwiegend in den 1790er Jahren. Acht dieser Symphonien erschienen bei dem zu der Zeit bekannten Musikverleger André in Offenbach. Daneben komponierte er vor allem Kirchenmusik, aber auch Bühnenwerke. Sein musikalischer Stil ist gekennzeichnet von gefälliger Melodik, einer eher konventionellen Harmonik und geschickter Instrumentation.
Heute sind die Werke Witts nur äußerst selten im Konzertsaal zu hören. Das liegt vor allem daran, dass sein Zeitgenosse Beethoven durch seine Fortschrittlichkeit die nachfolgende Musikergeneration so sehr beeinflusste, dass dadurch die eher konservativen Komponisten der Zeit um 1800 schnell in Vergessenheit gerieten. Außerdem schuf Witt bereits in seinen mittleren Jahren, wohl aus gesundheitlichen Gründen, keine neuen Werke mehr.

Die Symphonie weist viele Ähnlichkeiten zu Haydns Symphonie Nr.97 in C-Dur auf. Stein vermutet sogar, dass diese Symphonie als Muster gedient haben könnte. Auch Landon findet die strukturellen, melodischen und harmonischen Ähnlichkeiten bemerkenswert.

Der erste Satz wird geprägt von dynamischen Kontrasten, diese f-p Effekte durchziehen das ganze Werk und sind ebenfalls für Beethovens Musik typisch. Die langsame Einleitung durchläuft in den ersten acht Takten eine Kadenz in C-Dur, die folgenden Takte bringen dann eine Erweiterung nach c-Moll. Die Einleitung endet traditionell auf der Dominante. Die Exposition bringt den Vordersatz des Hauptthemas im Unisono und forte, der Nachsatz antwortet im piano. In den Takten 13 bis 27 der Exposition ist die Nachahmung zwischen der 1. und 2. Violine auffällig, ein Kompositionsmittel, das Stein als einen Beweis für eine Komposition Beethovens anführte. Das Seitenthema wird in Takt 62 eingeführt. Die Schlußgruppe wird durch Triolenachtel begonnen, die zu einer Steigerung führen. Die Durchführung ist sehr kurz, sie beginnt in Takt 120 und ist bereits in T.152 zu Ende und wäre für eine Symphonie Beethovens daher eher ungewöhnlich knapp. Die Reprise verläuft regelgerecht. Auffällig ist der Übergang in die Coda, nach den Achteltriolen in Takt 240 weicht Witt nach Des-Dur aus, um jedoch nach wenigen Takten zur Tonika zurückzuführen und den Satz kurz darauf zu beschließen.

Der dreiteilige zweite Satz wird von einem viertaktigen liedhaften Thema gekennzeichnet. Durch die allmählich hinzutretenden Bläser wird eine Steigerung erreicht, sie kulminiert im kurzen zweiten Abschnitt, einem Minore. Der dritte Abschnitt wird dominiert durch eine Figurierung mit Sechzehnteltriolen. Zunächst haben nur die 1. Violinen diese Figurierung, sie geht dann im weiteren Verlauf auf immer mehr Instrumente über. Nach einer länger angelegten Steigerung beschließen diese Triolen leise verklingend den Satz. Der Satz ist ein Variationssatz und ähnelt hierin Haydns Symphonie Nr.97.
Selten ist die Bezeichnung „Maestoso“ für ein Menuett, dem dritten Satz. Ungewöhnlich ist auch das Trio, in dem der Bläsersatz von zwei im Oktavabstand spielenden Soloviolinen begleitet wird.

Der rondoartige letzte Satz erinnert ebenfalls in seinem Charakter und in seiner Art an Haydn. Er wird sofort mit dem Hauptthema eröffnet. Ab Takt 49 führt eine stürmische Überleitung zum Seitenthema in Takt 78, das durch Seufzermotive gekennzeichnet ist.

Die Werke Witts sind durch Tonträger in den letzten Jahren wieder ein wenig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Die „Jenaer Symphonie“ bietet sich aufgrund ihres relativ geringen Schwierigkeitsgrades als ein dankbares Werk für die Aufführung insbesondere durch Laienorchester an.

Aufführungsdauer ca. 9/6/3/6 Minuten.

Marcus Prieser, 2009

 

Aufführungsmaterial ist von Breitkopf und Härtel, Wiesbaden zu beziehen.

Friedrich Witt
(b. Niederstetten, 8. November 1770 – d.Würzburg, 3. January 1836)

Symphony in C-major
(“Jena Symphony”, previously attributed to Beethoven)

“As we do not as yet know of anyone, amongst the followers of Haydn and Mozart towards the end of the 19th century, to whom we could attribute such a composition, which heralds the Master...” thus wrote Fritz Stein in his introduction to the first edition of the “Jena Symphony” in 1911.

Fritz Stein discovered the orchestral parts for a symphony in C-major in Jena in 1910. On the part for the second violin he found the comment “Par Louis van Beethoven” and on the cello part “Symphonie von Bethoven”. Beethoven’s comment, that he had already been engaged with plans for a symphony before his 1st symphony, also supported Stein’s assessment. In addition, he noted aspects of the style of composition typical for Beethoven. Other musical personalities also shared Stein’s opinion. Hugo Riemann considered it possible that the symphony was written during Beethoven’s time in Bonn, and Max Reger even wrote a version of the Jena symphony for piano. As a result, for almost fifty years the symphony was performed as the “Jena Symphony” from Beethoven. There were, however, critical voices that would rather have attributed the style to that of a composer of the early classic period, particularly as no exact references to the existence of the symphony can be found in Beethoven’s sources. The American scholar of music H.C. Robbins Landon, who was principally known for his research on Joseph Haydn and Wolfgang Amadeus Mozart, discovered in 1957 in the Landesarchiv in Rudolstadt hand written parts with the entry “di Witt”. In a catalogue from the Abbey of Göttweig he also found the initial theme of the work with the reference “Symphonia Authore Witt, Capellmagister Würzburg”.

Friedrich Witt was born on the 8th of November 1770 in Niederstetten in the vicinity of Bad Mergentheim. At the age of only six years he lost his father, a teacher. His father had already given him his first music lessons, which were continued by his stepfather, who had taken over his father’s post. At the age of 17, he went as a “Kammermusikus” to the court of the Fürst von Oettingen-Wallerstein. Witt’s contract as a cellist in the court orchestra can be found in the Wallerstein archive. Witt was probably a pupil of the composer Antonio Rosetti. With the permission of his Fürst, Witt went on concert tours in 1793 and 1794. Together with the clarinettist Joseph Beer (1770-1819) he went to Coburg, Weimar, Potsdam, Ludwigslust and other cities. In 1796, both went to Vienna for concerts, where Witt also performed his symphonies. The musicians then went separate ways, Witt now travelled on alone. In 1802, the bishop of Würzburg appointed him Hofkapellmeister. In addition, he was musical director of the city theatre which was founded in 1804. As a result of irregularities in the Hofkapelle, which were blamed on Witt, he was dismissed in 1824. He died in 1836 of pulmonary paralysis. In the mean time he had almost completely disappeared from the concert scene and thus no obituary appeared in any musical periodical after his death.
At the centre of his work are the 23 symphonies. They were mainly written in the 1790’s. Eight of these symphonies were published by the then well known André in Offenbach. In addition, he composed mainly church music, but also stage works. His musical style is defined by pleasant melodies, a rather conventional harmony and deft instrumentation.
Today Witt’s works are very seldom heard in the concert hall. This is mainly due to his contempory Beethoven, who so influenced subsequent generations of musicians with his progressive style, that the rather conservative composers of the periode around 1800 were quickly forgotten. In addition, Witt, probably due to health problems, wrote no more new works after his middle age.

The symphony has many similarities with Haydn’s symphony no.97 in C-major. Stein even assumes that this symphony could have served as a model. Landon also finds the structural, melodic and harmonic similarities remarkable.

The first movement is characterised by dynamics contrasts, the f-p effects occur throughout the whole work and are also typical for Beethoven’s music. The slow introduction during the first eight bars passes through a cadence in C-major, the following bars then bring an extension to c-minor. The introduction concludes in a traditional manner in the dominant. The exposition introduces the first part of the main theme in unison and forte, the last part answers in piano. In bar 13 to 27 of the exposition the imitation between the 1st and 2nd violins is striking, a technique of composition which Stein used as proof for the composition by Beethoven. The second theme is introduced in bar 62. The final part begins with quaver triplets, which lead to an intensification. The development is very short, it starts in bar 120 and is already finished at bar 152, which would be unusually short for a symphony by Beethoven. The repetition occurs in the usual manner. The transition to the coda after the quaver triplets in bar 240 is remarkable, as Witt modulates into D-flat-major in order to return after a few bars, however, to the tonic, and shortly afterwards to complete the movement.

The second movement in three parts is characterised by a melodious theme in four bars. An enhancement is achieved by the gradual addition of the wind, which culminates in the short second section in the minor key. The third section is dominated by a figuration with semi quaver triplets. Initially only the first violins have this figuration, it is then extented to increasingly more instruments. After a longer enhancement, these triplets quietly conclude the movement. The movement is a movement with variations and is thus similar to Haydn’s symphony no.97.

The title “Maestoso” for a minuet, the third movement, is rare. The trio is also unusual, in which the wind section is accompanied by two solo violins, playing an octave apart.

The rondo like final movement also recalls Haydn in its character and nature. It opens at once with the main theme. At bar 49 there is a tempestuous transition to the second theme in bar 78, that is characterised by sighing motives.

Witt’s works have become a little more accessible for the public in recent years through recordings. The “Jena Symphony”, due to its relatively low level of difficulty, presents a gratifying work for performance, particularly by amateur orchestras.

Duration of performance about 9/6/3/6 minutes.

Translation: John Conrad

 

For performance material please contact Breitkopf und Härtel, Wiesbaden.