Eugen d´Albert
(geb. Glasgow, 10. April 1864 - gest. Riga, 3. März 1932)

Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur op.20
(1899)

 

Vorwort
Bekannt geworden ist der Kosmopolit d´Albert durch seine 21 Opern. Seine Werke für den Konzertsaal sind hingegen überschaubar, zwei Symphonien, zwei Klavierkonzerte, ein Cellokonzert sowie wenige kleinere Orchesterwerke.
D’Albert entstammte einer ursprünglich italienischen Familie. Sein Großvater war Adjutant Napoleons I; er verwandelte den Namen Alberti in d´Albert. Zu seinen Vorfahren gehörte auch der Komponist Domenico Alberti, nach dem die „Albertibässe“ benannt wurden. Obwohl er in England aufwuchs - sein Vater war Ballettkorrepetitor und Tanzmeister am Londoner Covent Garden - wurde im Haushalt deutsch gesprochen. Da sich der Komponist Deutschland verbunden fühlte, verwendete er die deutsche Schreibart seines Vornamens, auch wenn er bis zum Ende des Ersten Weltkriegs seinen englischen Pass behielt. Er wurde danach Schweizer Staatsbürger.
Seine Karriere begann Eugen d´Albert zunächst als Pianist, der sich das Klavierspielen autodidaktisch beigebracht hatte. Mit 10 Jahren wurde er bereits als Stipendiat an der von Arthur Sullivan geleiteten „National Training-School for Music“ aufgenommen. Neben seinen Klavierstudien begann er hier bereits mit dem Komponieren. Unterricht in Harmonie-lehre und Kontrapunkt erhielt er von Sullivan selbst, der ein gefeierter Komponist von Operetten war.
D´Alberts Fähigkeiten als Pianist waren eminent. So nahm sich Franz Liszt seiner an und gab ihm den letzten pianistischen Schliff. Liszt bezeichnete ihn als seinen bedeutendsten Schüler und nannte ihn spaßhaft Albertus Magnus. D’Albert begann eine triumphale Karriere als Klaviervirtuose, doch daneben ging er eifrig seinen Ambitionen als Komponist nach. Zunächst schuf er vor allem die bereits oben erwähnten Werke für den Konzertsaal, bevor er sich fast ausschließlich der Oper zuwandte. Seine Bühnenwerke orientierten sich wie viele Opern von Zeitgenossen zunächst stark an Richard Wagner. Mit dem heiteren Einakter „Die Abreise“ (1898) konnte er seinen ersten großen Erfolg feiern, mit seiner Verismo-Oper „Tiefland“ (1903) gelang ihm ein Welterfolg, an den er mit keinem seiner weiteren Werke anknüpfen konnte. 1907 wurde er Direktor der Hochschule für Musik in Berlin.
D´Albert war sechsmal verheiratet. Zu seinen Frauen zählten die Sängerin Hermine Finck (die musikalisch den größten Einfluss auf ihn hatte) und die Pianistin und Komponistin Teresa Carreño. Aus rechtlichen Gründen reiste er nach Riga, um sich von seiner sechsten Frau scheiden zu lassen. Dort starb er 1932.

Das Cellokonzert entstand für den in Straßburg geborenen Cellisten Hugo Becker. Dieser war ein sehr gefragter Lehrer und unterrichtete am Hochschen Konservatorium in Frankfurt und später an der Hochschule für Musik in Berlin. Ihm ist das im Mai 1899 fertiggestellte Cellokonzert auch gewidmet. Es war bei der Uraufführung ein durchschlagender Erfolg, weshalb d´Albert anschließend eine Fassung für Bratsche und Klavier anfertigte.
Das Konzert für Cioline und Orchester ist einsätzig und steht somit in der Tradition der Neudeutschen-Schule. Liszts Klavierkonzerte könnten hier als Vorbild gedient haben, daneben aber auch die Cellokonzerte von Schumann und Svendsen, bei denen die Sätze ebenfalls nahtlos ineinander übergehen. D’Alberts Cellokonzert jedoch ist formal etwas freier angelegt ist.

Das Werk beginnt überraschend: Es gibt keine längere Einleitung wie beispielsweise bei Dvořáks oder Svendsens Cellokonzerten. Der Cellist ist vom ersten Takt an dabei. Die zweite Überraschung: das Hauptthema, das in Takt drei erklingt, wird nicht vom Solisten vorgestellt, sondern von der Oboe. Das Cello spielt dazu Arpeggien. Ab Buchstabe A schließt sich die Klarinette mit dem Thema an, nun bereits in E-Dur. Das Cello übernimmt es drei Takte nach Buchstabe B, diesmal über Arpeggien der Violinen und Bratschen. Das Seitenthema, acht Takte vor Buchstabe G, wird vom Solisten vorgestellt. Ab Buchstabe Q leiten die Hörner über Trillern des Cellos in den zweiten Teil (Andante con moto) ein. Er steht in fis-Moll (Tritonus zu der zentralen Tonart C-Dur des Werks!). Der Abschnitt wird eröffnet von einem gesanglichen Thema in den ersten Geigen, das ab Buchstabe R von dem Cello aufgegriffen wird. Der dritte Abschnitt (Allegro vivace, 6/8 Takt) beginnt wiederum ohne Pause. Mit seinen vielen durchgehenden Achteln und Tonrepetitionen ist er im Stil einer Tarantella geschrieben. Er tritt quasi an die Stelle eines Scherzos. In einem Durchführungsteil, der ab „Lo stesso tempo“ (S.45) beginnt, werden die beiden Hauptthemen des ersten Abschnitts verarbeitet. Dieser Durchführungsteil leitet über zu dem „Più tranquillo (come prima)“, hier greift d´Albert wieder den Beginn des Konzertes auf und schafft damit eine formale Klammer.
Die Orchesterbesetzung ist sehr klassisch gehalten und besteht aus zweifach besetzten Holzbläsern, vier Hörnern, zwei Trompeten, Pauken und Streichern. Einem häufigen Problem bei der Aufführung von Werken für Cello und Orchester, nämlich der Balance zwischen Orchester und Solocello und der damit verbundenen Gefahr, den Solisten zuzudecken, ist mit dieser Besetzung bereits ein wenig entgegengewirkt. Weiterhin auffällig an der Instrumentierung ist die prominente Stellung der Holzbläser, die nicht nur thematisches Material vorstellen, sondern außerdem häufig mit dem Solisten korrespondieren (besonders deutlich ab acht Takten vor Buchstabe U, das Cello im Dialog mit den beiden Flöten). Dem Solisten wird aber dennoch viel Raum zur Entfaltung gegeben.

Spieldauer: ca. 23 Minuten

Marcus Prieser, 2008

 

Aufführungsmaterial ist von Peters, Frankfurt zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.

Eugen d’Albert
(b. Glasgow, 10 April 1864 – d. Riga, 3 March 1932)

Concerto for Cello and Orchestra C major, op.20
(1899)

Vorwort

The cosmopolitan d’Albert became known through his 21 operas. His works for the concert hall, on the other hand, are less numerous; two symphonies, two piano concertos, a cello concerto as well as a few works for orchestra.
He was born into a family of Italian descent. His grandfather was Aide-de-Camp to Napoleon I; it was he, who changed the name Alberti to d’Albert. Amongst his ancestors was also the composer Domenico Alberti, who gave his name to the “Albertibässe”. Although he grew up in England, his father was a ballet coach and dancing-master at the London Covent Garden, German was spoken at home. As he felt bound to Germany he used the German spelling of his Christian name, although he kept his English passport until the end of the First World War. Thereafter he became a Swiss citizen.
Eugen d’Albert began his carrier as a pianist, who had taught himself to play the piano. At the age of ten, he was already accepted as a scholar to the “National Training School for Music” set up by Arthur Sullivan. In addition to studying the piano, he already began to compose. He received lessons in harmony and counterpoint from Sullivan himself, who was a celebrated operetta composer.
D’Albert’s capabilities as a pianist were eminent. And so Franz Liszt took him on and gave him the final polish as a pianist. Liszt referred to him as his most important pupil and jokingly called him Albertus Magnus. He began a triumphant carrier as a piano virtuosi, at the same time, however, he busily pursued his ambitions as a composer. To begin with he mainly composed the works referred to above for the concert hall, before he almost exclusively turned to the opera.
His operas initially were strongly influenced, as was the case with so many other composer of this period, by Richard Wagner. His first great success came with the cheerful one-act “Die Abreise” (1898). The verismo-opera “Tiefland” (1903) brought him world success. None of his subsequent works could achieve such success.
In 1907 he became director of the Hochschule für Musik in Berlin. D’Albert was married six times. Amongst his wives were the singer Hermine Finck (who had the greatest musical influence on him) and the pianist and composer Teresa Carreño. For legal reasons he travelled to Riga in order to divorce his sixth wife there, where he died in 1932.

The cello concerto was composed for the cellist Hugo Becker, who was born in Strasbourg. He was very much in demand as a teacher and taught at the Hochschen Konservatorium in Frankfurt and later at the Hochschule für Musik in Berlin. The cello concerto, which was completed in may 1899, is also dedicated to him. At the first performance it was an overwhelming success. D’Albert therefore subsequently arranged a version for viola and piano.
It consists of one movement and thus follows the tradition of the New German School. Liszt’s piano concertos could have served as a model here, or the cello concertos from Schumann and Svendsen, where the movements also seamlessly follow each other. However, d’Albert’s cello concerto is structurally more freely formed.

The work has a surprising start. There is no long introduct-ion, as for example in the cello concertos from Dvořák or Svendsen. The cellist is present from the first bar. The second surprise: the main theme, that sounds in bar three, is not introduced by the soloist, but by the oboe. The cello accompanies with arpeggios. From letter A the clarinet enters with the theme, already now in E major. The cello takes over the theme three bars after letter B; this time above arpeggios from the violins and violas. The second theme, eight bars before letter G, is introduced by the soloist. From letter Q the horns lead into the second section (andante con moto) above trills from the cello. This section is in F sharp minor (tritone to the central C major key of the work!). The sect-ion is opened by a lyrical theme in the first violins that is taken up by the cello at letter R. The third section (allegro vivace, 6/8 measure) also starts without a brake. With many continuous quavers and repeated notes it is written in the style of a tarantella. It takes the place, as it were, of a scherzo. In a development section, which starts at “lo stesso tempo” (p.45), the two main themes of the first section are elaborated. This development section leads on to the “piú tranquillo (come prima)”, in which d’Albert takes up the start of the concerto and thus creates a formal parentheses.
The instrumentation is very classical and consists of double wood wind, four horns, two trumpets, timpani and strings. A common problem during the performance of works for cello and orchestra, the balance between orchestra and solo cello and the associated danger of submerging the soloist, is with this instrumentation already somewhat alleviated. This instrumentation is also remarkable for the significant role of the wood wind, which not only introduces thematic material, but also often corresponds with the soloist (parti-cularly clearly from eight bars before letter U, the cello in dialogue with the two flutes). The soloist is however given considerable expanse to develop.

Duration: about 23 minutes

Translation: John Conrad 

 

For performance material please contact the publisher Peters, Frankfurt. Reprint of a copy from the Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.