Carl Goldmark
(geb. Keszthely, 18. Mai 1830 - gest. Wien 2. Januar 1915)

In Italien
Ouvertüre op. 49
(1903)

Heute ist Goldmark beinahe vergessen, nur sein Violinkonzert und die Symphonie „Ländliche Hochzeit“ tauchen hin und wieder in Konzertprogrammen auf. Und doch war er eine der wichtigsten Musikerpersönlichkeiten Wiens zwischen 1860 und 1900 und damit ein Komponist von Weltruf. Goldmark wurde in seinem letzten Lebensabschnitt mit Auszeichnungen geradezu überhäuft: 1896 erhielt er das Ritterkreuz des Leopold-ordens, 1910 ernannte ihn die Universität Budapest zum Ehrendoktor, und 1914 wurde er zusammen mit Richard Strauss Ehrenmitglied der Accademia Santa Cecilia in Rom. Bereits 1866 erhob die Wiener Gesellschaft der Musikfreunde ihn ebenfalls zum Ehrenmitglied. Diese Erfolge lassen nicht vermuten, wie beschwerlich die Karriere von Goldmark zunächst verlief.

Er wurde am 18. Mai 1830 in Keszthely geboren. Goldmarks Name ist reinste Ironie, stammte er doch aus ärmlichen Verhältnissen. Seine ungarisch-jüdischen Eltern (sein Vater war Kantor) hatten über 20 Kinder zur Welt gebracht, über die genaue Anzahl findet man unterschiedliche Angaben. Bei so vielen Kindern blieb nicht genug Geld für eine sorgfältige Schulbildung. An Instrumentalunterricht war dabei überhaupt nicht zu denken. Im Alter von vier Jahren zog Carl mit seinen Eltern nach Ödenburg (dem heutigen Sopron im Westen Ungarns). Hier bekam er auch im Alter von elf Jahren sein erstes Musikinstrument, eine Violine. Er machte auf der Violine so erstaunliche Fortschritte, dass er 1844 vorübergehend Unterricht in Wien erhielt, doch bereits nach anderthalb Jahren war den Goldmarks das Geld ausgegangen, und er musste zurück. Er bereitete sich selbstständig auf sein Schulexamen vor und lernte autodidaktisch auf der Violine weiter. Nachdem er diese Widrigkeiten überstanden hatte, begann er am Wiener Konservatorium zu studieren. Doch bereits kurze Zeit später, es war das Jahr 1848, wurde das Konservatorium wegen der Revolution geschlossen. Man hielt ihn sogar fälschlicherweise für einen Rebellen, diesen Irrtum hätte Goldmark beinahe mit seinem Leben zahlen müssen. Auf der Violine hatte er es aber bereits soweit gebracht, dass er für das Orchester des Ödenburger Theaters engagiert wurde. Später ging er als Orchestermusiker nach Wien. Hier begann er auch, sich das Klavierspielen selber beizubringen. Seinen Unterhalt verdiente er sich neben der Tätigkeit als Orchestermusiker mit dem Unterrichten auf dem Klavier. Trotzdem fand er Zeit zu ersten Kompositionen.
Mit seinem Streichquartett op.8 konnte er bereits einen Erfolg feiern. 1862 erhielt er ein Staatsstipendium und konnte sich mehr dem Komponieren widmen. Der erste Erfolg mit einem Orchesterwerk gelang ihm 1865 mit seiner „Sakuntala“ Ouvertüre op.13, die auch bei der Kritik auf große Zustimmung traf. Seinen größten Triumph feierte er aber mit seiner Oper „Die Königin von Saba“, die an der Wiener Hofoper 1875 uraufgeführt wurde. Sie trug ihm internationale Anerkennung ein. Im Wiener Musikleben war er eine feste Größe. Auch sein 1877 komponiertes Violinkonzert und die im gleichen Jahr entstandene Symphonie „Ländliche Hochzeit“ hatten seinen Ruhm gefestigt.

Goldmark komponierte sechs Opern. Da er sich mit antiken Stoffen beschäftigte, nannte der berühmte Wiener Kritiker Eduard Hanslick ihn einen „Poeten des tragischen Untergangs“. Neben der „Königin von Saba“ komponierte er noch die Opern „Merlin“ (1886), „Das Heimchen am Herd“ (1896), „Die Kriegsgefangene“ (1899), „Götz von Berlichingen“ (1903) und „Ein Wintermärchen“ (1907). Goldmark stirbt im Alter von 84 Jahren in Wien.

Goldmark war ein leidenschaftlicher Anhänger der Musik Richard Wagners und engagierte sich seit den 1860er Jahren sehr für ihn. Wagners Einfluss wird vor allem in Goldmarks acht Konzertouvertüren deutlich. Er nahm jedoch eine Reihe verschiedenster Einflüsse auf: So ist seine erfolgreichste Oper: „Die Königin von Saba“ (1875) ein exotisches Stück im damals beliebten französischen Stil.

Viele Künstler der Romantik bereisten Italien und wohl alle, die dort waren, verarbeiteten ihre Eindrücke in Dichtung, Malerei oder Musik. Unter den bekanntesten Kompositionen, die ihre Entstehung diesen Erfahrungen verdanken, sind Mendelssohns „Italienische“ Symphonie, Berlioz´ „Harold in Italien“, Bizets „Roma“ Symphonie, Tschaikowskys „Capricio Italien“ und Strauss´ Tondichtung „Aus Italien“ zu zählen. Goldmark, der mit Brahms befreundet war, besuchte 1878 mit diesem Italien. Seit dieser Zeit hatte Goldmark eine Vorliebe für dieses Land, und er besuchte Italien noch häufig. Hat Goldmark uns auch kein Programm zu seiner Ouvertüre gegeben, so mag doch folgender Absatz aus seinen „Erinnerungen aus meinem Leben“ zum Verständnis hilfreich sein: „In erster Linie ist es wohl das heitere, sonnige Leben, die liebenswürdige Bevölkerung, das „dolce far niente“, das auch auf den Nordländer so anziehend wirkt, dann die großartigen, so reich aufgestapelten Kunstschätze; schließlich der Zauber der so eigenartigen Städte selbst“. Die Ouvertüre entstand 1903, sie wurde am 28. Dezember vollendet.

Das Werk ist dreiteilig angelegt. Bereits nach zwei Takten erklingt zum ersten Mal das sechstaktige Hauptthema in den Violinen. Es wird von Triolen geprägt, die so typisch sind für die Italienische Musik. Insbesondere der Themenkopf erscheint im ersten Teil immer wieder. Innerhalb kurzer Zeit wechselt die Tonart von C-Dur nach E-Dur. Ab Ziffer 4 wird As-Dur erreicht, und in der Oboe wird ein zweites Thema vorgestellt, das durch große Intervalle gekennzeichnet wird. Auch von diesem Thema wird der Themenkopf immer wieder verwendet. Der weitere Verlauf bis zum zweiten Teil ist von starker Chromatik geprägt und nimmt teilweise die Musik Regers vorweg. Der bemerkenswerte zweite Teil, beginnend ab Langsam kurz nach Ziffer 14, ist ein Nachtstück. Die schwüle und erotische Atmosphäre entsteht vor allem aufgrund seiner Harmonik und der Orchestrierung. Goldmark ist in der Kunst des Instrumentierens hier durchaus mit Richard Strauss zu vergleichen, ihm gelingt dabei ein plastisches und durchsichtiges Klangbild. Goldmark äußerte sich selber zu seiner Orchestrierung: „Drei bis vier Jahre später (1854) schrieb ich eine Ouvertüre, einen Psalm für Chor, Orchester und Singstimme. Bei Abfassung genannter Werke hatte ich noch immer keine Instrumentationslehre oder Partitur gelesen. Aber ich saß doch schon mehrere Jahre im Orchester und habe so empirisch das grobe Handwerk gelernt“ (Erinnerungen aus meinem Leben). Im dritten Teil verwendet Goldmark wieder beide Themen des ersten Teils, wobei die Musik immer turbulenter wird, und das Werk mit einer Stretta schließt, die an das bunte Treiben eines italienischen Karnevals erinnert.

Spieldauer ca. 12 Minuten.

Marcus Prieser 2008

Aufführungsmaterial ist von Kalmus, Boca Raton zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.

Carl Goldmark
(b. Keszthely 18. May 1830 – d. Vienna 2. January 1915)

In Italy
Overture op. 49 (1903)

Today, Goldmark has been almost forgotten. Only his Violin Concerto and the Symphony “Rustic- Wedding” occasionally appear in concert programs. But he was one of the most important musical personalities in Vienna between 1860 and 1900, and thus a composer of world renown. Goldmark was showered with awards during the last period of his life: in 1896 he received the Knight’s Cross of the Order of Leopold, in 1910 the University of Budapest awarded him an honoury doctorate, and in 1914, together with Richard Strauss, he became an honoury member of the Academia Santa Cecilia in Rome. As early as 1866 the Vienna Society of the Friends of Music also awarded him honoury membership. These successes do not indicate how difficult the outset of Goldmark’s career was.

He was born on the 18th of May 1830 in Keszthely. Goldmark’s name is pure irony, he grew up in impoverished conditions. His Hungarian Jewish parents (his father was precentor) had more than 20 children, there a varying accounts of the precise number. With so many children there was not enough money for a thorough education. Lessons on a musical instrument were quite out of the question. At the age of four, Carl and his parents moved to Ödenburg (today Sopron in west Hungary). Here he received his first musical instrument, a violin, at the age of eleven. He made such remarkable progress on the violin that for a while, from 1844 he received lessons in Vienna. But after one and a half years, the Goldmarks ran out of money and he had to return. He prepared himself alone for his school exams and continued to teach himself the violin. Having overcome these problems, he began to study at the Vienna Conservatory. But shortly afterwards, it was the year 1848, the Conservatory was closed because of the revolution. He was even falsely considered to be a rebel, and this very nearly cost him his life. But he made such progress on the violin that he was engaged for the orchestra of the Ödenburg Theatre. Later he went to Vienna as a orchestra musician. Here he began to teach himself to play the piano. In addition to his work as orchestra musician he supported himself by giving piano lessons. However, he still found time to compose.

With his String Quartet op.8 he was already successful. In 1862, he received a State Scholar-ship and could increasingly concentrate on composition. His first success with an orchestral work was in 1865 with the overture op.13 “Sakuntala”, which was also very well received by the critics. His greatest triumph however was the opera “The Queen of Sheba”, which was first performed at the Vienna Court Opera in 1875. It brought him international acclaim. He was a well established member of the Vienna music scene. In 1877, his violin concerto and the symphony “Rustic- Wedding” reinforced his fame.

Goldmark composed six operas. As he used classical material, the famous Vienna critic Eduard Hanslick called him a “poet of the tragic downfall”. In addition to the the “Queen of Sheba” he composed the opera “Merlin” (1886), “The Cricket behind the Stove” (1896), “The Prisoner of War” (1899), “Götz of Berlichingen” (1903), and “A Winter Tale” (1907). Goldmark died at the age of 84 in Vienna.

Goldmark was a passionate devotee of the music of Richard Wagner and since the 1860’s was very committed for him. Wagner’s influence is most evident in Goldmark’s eight concert overtures. He responded, however, to a wide range of influences: his most important opera “The Queen of Sheba” (1875) is an exotic piece in the then so popular French style.

Many artists of the romantic period travelled through Italy and all who were there expressed their impressions in poetry, painting or music. Among the most famous compositions created in this way are Mendelssohn’s “Italian” symphony, Berlioz’ “Harold in Italy”, Bizet’s “Rome” symphony, Tchaikovsky’s “Capricio Italien”, and Strauss’ symphonic poem “From Italy”. Goldmark, who was a friend of Brahms, visited Italy with him in 1878. Since then, Goldmark was particularly fond of this country and often visited Italy. Although Goldmark has not given us a program for his overture, the following extract from his “Memories of my Life” may be helpful: “It is primarily the serene, sunny life, the charming people, the “dolce far niente”, that is so attractive for the Northerner, and then the amazing, opulent accumulation of cultural treasures;and finally the magic of the unique cities themselves”. The overture was written in 1903 and was completed on the 28th December.

The work is divided into three sections. Already after two bars, the main theme consisting of six bars appears in the violins. It is characterized by triplets which are so typical of Italian music. In particular the start of the theme repeatedly recurs in the first section. The key soon changes from C major to E major. At number 4, A-flat major is reached and a second theme is introduced in the oboe, which is characterized by large intervals. The start of this theme is also repeatedly used. From here on until the second section, there is a strong chromaticism, which partly anticipates the music of Reger. The remarkable second section, beginning with Langsam shortly after number 14, is a nocturne. The oppressive and erotic atmosphere is created principally by the harmony and orchestration. In the context of the instrumentation, Goldmark can here well be compared with Richard Strauss. He achieves a malleable and translucent sound environment. Goldmark later said of his orchestration: “Three to four years later (1854) I wrote an overture, a psalm for choir, orchestra and solo voice. Before composing this work, I had had no training in instrumentation nor had I read a single score. But I had already sat for many years in the orchestra and had thus learned the rough craft in an empirical manner” (Memories from my Life). In the third section, Goldmark uses the two themes of the first section and the music becomes more and more turbulent. The work concludes with a stretta that recalls the colourful bustle of an Italian carnival.

Duration about 12 minutes
Translation: John Conrad

Aufführungsmaterial ist von Kalmus, Boca Raton zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.