Richard Wagner (geb. Leipzig, 22. Mai 1813 – gest. Venedig, 13. Februar 1883)

Vier Orchesterouvertüren
König Enzio, Columbus, Polonia, Rule Britannia

Vorwort

Bei allen vier Ouvertüren in der vorliegende Studienausgabe handelt es sich um Werke aus den Gesellenjahren Wagners, in denen er das kompositorische Handwerk zu beherrschen versuchte – keine leichte Aufgabe für einen jungen Mann, der sich gegen jegliche Art von Schulunterricht sträubte und später behauptete, er hätte das Komponieren durch Abkopieren der Partitur der Chorsymphonie Beethovens gelernt. Zwei dieser Ouvertüren – zu König Enzio bzw. Columbus – wurden zwar für die Bühne geschrieben, gingen jedoch mit dem bereits sich abzeichnenden übermäßigen Ehrgeiz des Komponisten ziemlich weit über das hinaus, was für eine Bühnenvorstellung erforderlich wäre. Bei den beiden anderen Werken handelt es sich um Konzertouvertüren, die einerseits eine Reaktion auf aktuelle Ereignisse (Polonia) darstellen, andererseits ein künstlerisches Machwerk zur Beeindruckung der großen Öffentlichkeit und der musikalischen Instanzen (Rule Britannia). Die vier Werke teilten mehr oder minder das gleiche Schicksal, da sie allesamt kurz nach ihrer Fertigstellung aus dem Repertoire verschwanden. Und dennoch: Alle vier tragen auch gewisse Keimzellen – melodische Wendungen, orchestrale Eigentümlichkeiten, harmonische Reibungen –, die in den späteren Meisterwerken Wagners aufblühen sollten und daher diesen vier „musikalischen Jugendsünden“ ein besonderes Interesse verleihen.

Ouvertüre zu “König Enzio” (1831/32)

Dieser kompositorische Erguß aus der Feder des 18jähringen Künstlers, der damals bei Theodor Weinlig in Leipzig noch privat Komposition studierte, verdankt seine Existenz Wagners geliebter älterer Schwester Rosalie (1803-1837), die nicht nur seit dem 17. Lebensjahr eine hochangesehene berufsmäßige Schauspielerin in Dresden war, sondern auch seit dem Tod des Stiefvaters Ludwig Geyer im Jahre 1821 faktisch als Oberhaupt der Familie Wagner fungierte. Die seit 1829 zum Leipziger Theater gehörende Schauspielerin setzte sich dafür ein, ihrem nicht gerade vielversprechenden kleinen Bruder einen Kompositionsauftrag in die Wege zu leiten, und zwar für eine Bühnenmusik zu einem großen Drama, in dem sie gerade eine Hauptrolle spielte. Der Auftrag kam tatsächlich zustande und Wagner lieferte dazu eine entsprechende Musik, allerdings mit einem solchen Kleinmut, daß er sich vorsichtshalber weigerte, seinen Namen auf dem Programmzettel der ersten Aufführung abdrucken zu lassen, und zog es vor, sich für den Fall eines Mißerfolgs in der Anonymität zu verstecken. Das Stück, König Enzio, war ein Historiendrama Shakespeare’schen Ausmaßes von Ernst Raupach (1784-1852), einer interessanten Erscheinung, die eine Unzahl von Theaterdichtungen hervorbrachte und seinerzeit als „neuer Schiller“ der deutschen Bühne hochstilisiert wurde. Raupach war früher Professor für deutsche Literatur und Geschichte in St. Petersburg, bis er sich 1822 durch ein gegen ihn eingeleitetes politisch motiviertes Ermittlungsverfahren gezwungen sah, Rußland zu verlassen und sich in Berlin niederzulassen. Danach wurde er zu einem ungemein produktiven Stückeschreiber in allen erdenklichen theatralischen Gattungen und zugleich zum großen Liebling des deutschen Theaterpublikums. Zu seinen am wenigsten beliebten Bühnenwerken gehörte ein Zyklus von nicht weniger als 16 Historiendramen über die mittelalterliche Hohenstaufen-Dynastie – ein Zyklus, der im Anspruch und Umfang sowohl Shakespeare als auch Schiller offensichtlich übertreffen sollte. Darunter befindet sich das Trauerspiel König Enzio, das vom tragischen Schicksal des gleichnamigen Königs von Sardinien (1224-1272) handelt. Dieser uneheliche Sohn des großen Kaisers Friedrich II. hatte das Mißgeschick, während der Belagerung von Modena von den Guelphen gefangengenommen zu werden und die restlichen 22 Jahre seines Lebens im heutigen „Palazzo di re Enzio“ in Bologna als politischer Gefangener verbringen zu müssen. Während der Gefangenschaft schrieb er elegische Gedichte in seinem angeborenen sizilianischen Dialekt, darunter ein berühmt gewordenes Sonett über den Untergang des Hauses Hohenstaufen, den er noch zu Lebzeiten miterleben mußte.

Zur großen Erleichterung des jungen Wagner wurde seine Bühnenmusik zu diesem pseudo-Schiller’schen Exerzitium bei der Premiere, die am 17. Februar 1832 im Leipziger Theater unter der Leitung von Heinrich Dorn stattfand, nicht mit Buhrufen aufgenommen, und er fühlte sich daraufhin selbstbewußt genug, um seinen Namen doch noch auf dem Programmzettel der zweiten Aufführung abdrucken zu lassen – ein denkwürdiges Ereignis, denn es handelt sich um nichts weniger als das erstmalige Erscheinen seines Namens auf einem Theaterprogramm. Der erfolgreiche Komponist schrieb aufgeregt an seine etwas ältere Schwester Ottilie: “Neuerdings habe ich auch zu König Enzio [...] eine Ouvertüre komponierte, die bei jedesmaliger Darstellung des Stücks im Theater aufgeführt wird. Sie gefällt allen.“ Ein ähnliches Gefallen fand das Drama jedoch nicht, das bereits im März 1832 vom Theaterspielplan verschwand. Danach ist auch die Bühnenmusik verlorengegangen mit Ausnahme der Ouvertüre, die – anders als bei Wagners Frühwerk im allgemeinen – erhalten blieb und 1908 posthum beim Leipzig Verlag Breitkopf & Härtel in einer von Felix Mottl besorgten Partiturausgabe erschien.

Ouvertüre zu “Columbus” (1834/35)

Im Juli 1834 trat der nunmehr 21jährige Wagner, der bereits seine erste Arbeitsstelle als Chorleiter in Würzburg hinter sich hatte, eine neue Stelle als musikalischer Leiter einer theatralischen Wandertruppe an, die in der Provinzstadt Magdeburg ihren Sitz hatte. Von dieser hohen Warte aus machte er sich an sein Opernprojekt Das Liebesverbot, das überhaupt als erste Wagner-Oper zur Aufführung gelangen sollte (der Mißerfolg sorgte für die endgültige Pleite des Magdeburger Theaterunternehmens), und organisierte zudem die Inszenierung eines großangelegten Historiendramas über das Leben Christoph Columbus’, zu dem er eine Ouvertüre und eine Bühnenmusik beitragen wollte.

Der Verfasser dieses Dramas, Theodor Apel (1811-1867), war der engste Jugendfreund Wagners und zugleich der Empfänger vieler hochherziger und liebevoller Briefe aus der Feder des künftigen Genies. Bevor Wagner die neue Magdeburger Stelle antrat, hatte er und Apel die Sommermonate mit einer ausgelassenen Reise durch Böhmen verbracht, die Wagner später zu den schönsten Zeiten seines Lebens zählte. Anders als der mittellose Wagner war Apel jedoch finanziell unabhängig, da er kurz zuvor die Ländereien seines Vaters geerbt hatte und seitdem das angenehme Leben eines wohlhabenden Belletristen führte. Es dauerte nicht lange, bis Wagner buchstäblich in Apels Schuld stand – ein Verhaltensmuster, das sich als einer der wenigen Konstanten im unsteten Leben des Komponisten erweisen sollte. Im Augenblick jedoch setzte er alle Hebel in Bewegung, um die literarische Laufbahn seines Freundes zu lancieren.

Der Grundtenor der Beziehung Wagner-Apel kommt in einem Brief Wagners vom 7. Dezember 1834 über das neue Bühnenstück geradezu paradigmatisch zum Ausdruck: “Mein Theodor! [...] Ich kann nicht genug Deine Sprache loben [...] Deine szenische Gewandtheit frappiert mich [...] Die Poesie [...] ist bezaubernd [...] hinreißend [...] herrlich [...] vortrefflich” – und so weiter und so fort, bis der Brief im Satz gipfelt: “Ich bitte dich, nimm ein kleines Kapital von 200 Taler, lege es bei mir auf ein Jahr an, Du büßest höchstens nur die Geldzinsen ein...” Apel willigte ein und schickte Wagner nicht nur die erbetene Geldsumme, sondern übernahm auch einen Teil der Kosten für die Bühnendekoration und Kostüme der Erstinszenierung seines fünfaktigen Dramas Columbus, das am 16. Februar 1835 in Magdeburg zum erstenmal über die Bretter ging. Das Stück fiel jedoch durch, worauf sich neben weiteren Bitten um Geldanleihen auch ein Mißton der gegenseitigen Schuldzuweisung in den Briefwechsel der beiden Busenfreunde einschlich. Ein Jahr später erlitt Apel einen Reitunfall, der ihn erblinden ließ, worauf die Freundschaft rasch abklang.

Die zwischen Dezember 1834 und Januar 1835 entstandene Columbus-Ouvertüre wurde in sehr großen Dimensionen konzipiert, die sich nicht nur in der Aufführungsdauer, sondern auch im aufgeblähten Blechkontingent erkennen lassen: vier Hörner, drei Posaunen, eine Kontrabaßtuba sowie nicht weniger als sechs Trompeten, die entweder paarweise oder – am Höhepunkt – als sechsköpfige Trompetenschar auftreten. Das Stück lehnt sich stark an Mendelssohns brillante Konzertouvertüre Meeresstille und Glückliche Fahrt, wie Wagner selbst am 17. Juni 1879 seiner Ehefrau Cosima gegenüber gestand (er reihte das Werk unter die „Plagiate meiner Jugend“ ein). Zur Entstehungszeit der Ouvertüre war er jedoch von ihrem Wert völlig überzeugt und versuchte Konzertaufführungen zu organisieren, um seine Komponistenkarriere zu fördern. Eine solche Aufführung fand am 2. April 1835 im Leipziger Gewandhaus unter der Leitung seines gutmütigen Beschützers Pohlenz statt; einige Wochen darauf – am 25. Mai – dirigierte Wagner selber die Columbus-Ouvertüre in Leipzig. Davor hatte er am 2. Mai eine Magdeburger Konzertaufführung im Rahmen eines Benefizkonzerts zu seinen eigenen Gunsten geleitet, bei dem auch die Schlachtsymphonie Beethovens und ein Auftritt der großen dramatischen Sopranistin Wilhelmina Schröder-Devrient zu hören waren. Dieses Ereignis, das in der Autobiographie Wagners mit viel Humor geschildert wird, nahm einen so ungünstigen Verlauf, daß am Ende Wagner alleine im Saal dem orchestralen Kanonenbeschuß Beethovens gegenüberstand.

Nicht weniger unheilvoll verlief eine Aufführung der Columbus-Ouvertüre während der Pariser Jahre Wagners, der offenbar das Werk für das einzige aus seiner Feder hielt, das eines musikalischen gebildeten Pariser Konzertpublikums würdig war. Die guten Blechinstrumentalisten, die in jeder deutschen provinziellen Regimentskapelle reichlich vorhanden waren, ließen sich in der Musikmetropole Paris nicht auftreiben, und die vielen Trompeten kieksten entsetzlich bei der Aufführung, die am 4. Februar 1841 unter der Leitung von Valentino, in der Anwesenheit des schweigsamen Berlioz‘ und unter den Buhrufen eines strapazierten Publikums stattfand. Der Lärm des Fiaskos erreicht eine solche Lautstärke, daß sich Wagners Ehefrau Minna hinter der Bühne in Tränen auflöste und von einem Freund wiederbelebt und getröstet werden mußte. Danach hat Wagner nie wieder versucht, die Columbus-Ouvertüre nochmals aufzuführen. Es war das melancholische Ende der frühen Rezeptionsgeschichte eines Werks, das er – wie er später seiner zweiten Ehefrau Cosima anvertraute – „in einer Stube mit Minna u[nd] Apel [schrieb,] indem er eifersüchtig auf Apel sah und immer hinguckte, ob diese nicht zu sehr miteinander tändelten!“

Polonia-Ouvertüre (Mai-Juli 1836)

Im Jahre 1831 wurde der große polnische Aufstand der 1830er Revolution von russischen Truppen endgültig zerschlagen. Während der darauffolgenden Repressalien flüchteten Abertausende von Polen und breiteten sich über die Hauptstädte Europas aus, wo sie über Jahre hinweg bunt-schillernde Figuren in operettenhafter Nationaltracht abgaben. Am 8. Januar des darauffolgenden Jahres erreichte eine solche Gruppe von Flüchtlingen Leipzig, wo sie von einer jubelnder und bewundernden Menge begrüßt wurde, darunter auch der schwärmerische 17jährige Wagner. Der angehende Musiker war vor allem durch den verwegenen Grafen Vincenz Tyskiéwicz angetan, dem er fast täglich einen Besuch abstattete und der den gescheiten Jungen offensichtlich unter seine Fittiche nahm. Am 3. Mai versammelten sich die noch in Leipzig verbliebenen Polen zur Feier des mißratenen „Verfassungstags“, wobei Wagner als einziger Nicht-Pole mitfeiern durfte. Als er später seine Autobiographie „Mein Leben“ schrieb, konnte er sich an die feurigen Reden, den brennenden Nationalstolz und das erlahmende Heimweh der Vertriebenen noch lebhaft erinnern. Als der Graf Tyskiéwicz kurz nach diesem Treffen Leipzig verließ, nahm er den jungen Wagner in seinem Gefolge mit und gab ihm auf einem Teil der Wegstrecke nach Wien das Geleit.

Vier Jahre später, als die Magdeburger Theaterstelle bereits beendet war, verarbeitete Wagner seine jugendlichen Eindrücke in einer Konzertouvertüre mit dem Titel Polonia, die er im Juli 1836 bei der Umsiedelung nach Königsberg in Ostpreußen im Reisegepäck mitnahm. Dort, ganz in der Nähe der historischen Ereignisse und Gefühle, die das neue Werk zum Ausdruck bringt, erlebte die Polonia-Ouvertüre im Winter 1836/37 ihre Uraufführung. Das Königsberger Publikum bekam dabei eine leidenschaftliche, kontrastreiche Musik zu hören, die vom anfänglichen Unisono-Trauergesang über eine leichtfüßige Polonaise bis zu einem mitreißenden Marsch als Symbol für den aufkeimenden Nationalstolz des noch ungeborenen Lands Polen reichte. Zwar weist Polonia einen noch schwerfälligen Orchestersatz sowie eine erhebliche Überlänge auf, jedoch erhebt das Werk einen berechtigten Anspruch darauf, als erfolgreichster Versuch des jungen Wagners im Bereich der Konzertouvertüre zu gelten.

Auch bei der Umsiedelung nach Paris im Jahre 1839 nahm Wagner das Manuskript zu Polonia wohl abermals im Reisegepäck mit, denn es wurde viele Jahre später - 1881 - im Privatarchiv des französischen Dirigenten Jean-Etienne Pasdeloup wiederentdeckt. Die wertvolle Handschrift wurde an den noch lebenden Wagner weitergeleitet, der damals mit seiner Familie in Palermo weilte. Sie traf noch im Dezember ein, worauf es am Weihnachtstag 1881 zur Belustigung des Komponisten am Klavier (wahrscheinlich durch den Hauspianisten Josef Rubinstein) vorgetragen wurde. Diese Begebenheit wird in den Tagebüchern Cosima Wagners lebhaft festgehalten:

„ ‚Gratel, gratel‘, höre ich in der Frühe neben mir, und wie ein Kinderkopf erscheint mir sein mächtiges Haupt, wie er heiter mir Glück wünscht. Bald wird es ernst, er ruft mich, und mit den Kindern beschert er mir die holden Gaben alle! ‚Polonia!‘ Die Skizzen zu Parsifal, den Talisman-Ring, und – pia Fraus! die vollendete Partitur! [...] Abends wird ‚Polonia‘ vorgeführt und daran allerhand aus dem Leben angeknüpft. [...] Wie mir von der ‚Polonia‘ scheint, daß sie das sei, was sie sein will, sagt R.: ‚O, mit Militär-Musik für’s Volk, wie ich alles mir damals dachte, hätte sie sich prächtig gemacht und gewiß auch einen großen Effekt erzielt.‘“

Vielleicht fiel Cosima dabei die entfernte Ähnlichkeit auf, die den Unisono-Anfang in Polonia – und seine spätere Harmonisierung – mit dem gleichen, jedoch unendlich tiefer empfundenen Effekt verbindet, der durch das gleiche Verfahren im Vorspiel zu ihrem weiteren Weihnachtsgeschenk vorkommt: Parsifal.

Ouvertüre “Rule Britannia” (März 1837)

Am 15. März 1837, kurz vor dem Ende seiner Königsberger Amtszeit, vollendete Wagner die Partitur zu einer breit angelegten Ouvertüre über die berühmte Melodie Thomas Arnes: Rule Britannia. Ursprünglich sollte die neue Ouvertüre Teil einer historisierenden Trilogie bilden, die zusätzlich aus der bereits vorliegenden Polonia-Ouvertüre sowie einer weiteren, jedoch nie ausgeführten Konzertouvertüre zum Thema Napoleon bestehen sollte (Wagner gab später als Grund für den Abbruch des Napoleonprojekts an, er habe sich nicht entscheiden können, wo der Gong einzusetzen wäre). Das neue Werk erlebte am 19. März 1838 zusammen mit der Columbus- Ouvertüre in Riga seine Uraufführung. Die Resonanz beim Publikum dürfte positiv gewesen sein, denn ein Monat später wurde der 24jährige Komponist zum musikalischen Leiter des Rigaer Stadttheaters ernannt. Ein nüchterneres Urteil über dieses aufgeblasene, pompöse und schließlich unfreiwillig komische Werk lieferte jedoch Wagners ehemaliger Mitstreiter Heinrich Dorn: Wagner, so Dorn, sei in der Musik Beethovens zwar fest verwurzelt, fege jedoch mit den Armen als Dirigent in Allerweltspartituren herum; dies sei natürlich bei einem Theaterdirigenten durchaus angebracht, aber „in seinen eigenen Kompositionen alle möglichen Stile und Manieren vereinigen zu wollen, um alle Parteien für sich zu gewinnen, ist der sicherste Weg, es mit allen zu verderben.“ Auch wenn die Kritik Dorns den Komponisten zutiefst kränkte, dürfte er wohl auch ein Quentchen Wahrheit darin erkannt haben, denn kurz darauf machte er sich an die Komposition der Oper Rienzi und der Faust- Ouvertüre, also der ersten seiner Werke, die sich über das Niveau von historisch-biographischen Kuriositäten herausragen.

Wagner hegte offensichtlich große Hoffnungen auf einen Erfolg der Ouvertüre „Rule Britannia“ in Großbritannien, denn bald nach der Rigaer Premiere schickte er die Partitur an den damaligen Leiter der Londoner Philharmonischen Gesellschaft, Sir George Smart. Dieser jedoch lehnte das Werk wohlweislich ab und schickte es an den Komponisten wieder zurück, der jedoch bis dahin bereits aus Riga vor seinen Gläubigern geflüchtet und in Paris gelandet war. Da er die sieben Francs Nachzahlung an Porto nicht aufbringen konnte, wurde das Paket nach London zurückgeschickt, wo das Manuskript verschwand und lange Zeit als verschollen galt. Auf noch unbekannten Wegen erreichte die Partitur einen gewissen Evan William Thomas, der früher als Dirigent in Liverpool und Leicester tätig war, der jedoch 1892 mittellos in einem Armenhaus verstarb. Seine nachgelassenen Papiere wurden wiederum von einem gewissen Cyrus Gamble aus Leicester aufgekauft, der beim Durchblättern des Manuskripts im Jahre 1904 auf den Namen des mittlerweile berühmten Richard Wagner auf der letzten Seite stieß: Die Ouvertüre „Rule Britannia“ war wieder aufgetaucht! Vier Jahre später wurde das Werk zum erstenmal veröffentlicht, und zwar in der oben erwähnten, bei Breitkopf & Härtel erschienenen Ausgabe von 1908, wo sie neben den drei anderen Ouvertüren der vorliegenden Studienpartitur erscheint und u.a. mit Serpent, Ophikleide, Kontrafagott, zwei Pikkoloflöten, vier Hörnern, vier Trompeten und gewichtigem Schlagzeugkontingent einschließlich höchst lächerlich wirkenden Triangels stolz aufwartet.

Bradford Robinson, 2008

For performance material please contact the publisher Breitkopf und Härtel, Wiesbaden. Reprint of a copy from the Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.

Richard Wagner

(b. Leipzig, 22 May 1813 – d. Venice, 13 February 1883)

Four Orchestral Overtures: König Enzio, Columbus, Polonia, Rule Britannia

Preface

The four overtures in this volume all stem from Wagner’s journeyman years when he was trying to master the craft of composition – no easy task for a young man who had shown a visceral aversion to schooling of any sort and later claimed that he learned to compose by copying out the score of Beethoven’s Ninth. Two of them – König Enzio and Columbus – were written for the stage but obviously, with Wagner’s characteristic megalomania, exceed the bounds of what was strictly necessary for theatrical performance. The other two were concert overtures, one a response to current events (Polonia), the other an overblown pot-boiler intended to impress the crowds and musical luminaries (Rule Britannia). All more or less shared the fate of vanishing from the repertoire shortly after they were written. Yet all bear seeds – turns of phrase, quirks of instrumentation, harmonic acerbities – that would later burgeon into the supreme masterpieces and that lend these musical péchés de jeunesse a more than casual interest.

Overture to “König Enzio” (1831-2)

This outpouring from the pen of the eighteen-year-old Wagner, then a private composition student of Theodor Weinlig in Leipzig, owes its existence to his beloved older sister Rosalie (1803-1837), who was a highly regarded professional actress in Dresden from the age of seventeen and de facto head of the family after the death of Wagner’s stepfather Ludwig Geyer in 1821. Having joined the Leipzig company in 1829, she used her influence to arrange for her not exceptionally promising younger brother to write incidental music for a play in which she was currently appearing. This he did, and with such timidity that he declined to put his name on the playbill for the first performance, preferring the safety of anonymity in case the music should fail.

The play, König Enzio, was a historical drama of Shakespearean proportions by Ernst Raupach (1784-1852), an interesting figure whose voluminous writings for the stage caused him to be hailed as the “new Schiller” in his day. Raupach had been a professor of German literature and history in St. Petersburg before being forced to flee in 1822 after finding himself the object of an investigation by the political police. Settling in Berlin, he became an extremely productive playwright in every genre and a great favorite with German audiences. Among his least popular plays was a cycle of no fewer than sixteen historical dramas on the medieval Hohenstaufen dynasty, obviously meant to outdo both Shakespeare and Schiller in scale and comprehensiveness. Among these sixteen plays was König Enzio. a tragedy dealing with the sad plight of Enzio, King of Sardinia (1224-1272). Enzio, an illegitimate son of Emperor Frederick II, had the misfortune of being captured in battle while fighting the Guelphs near Modena and spent the last twenty-two years of his life as a political prisoner in what is today known as the “Palazzo di re Enzio” in Bologna. During his imprisonment, he wrote elegiac poetry in his native Sicilian dialect, including a well-known sonnet on the downfall of the Hohenstaufens, which he lived long enough to witness.

To the young Wagner’s great relief, his incidental music for this sub-Schillerean exercise was not hissed off the stage at its première (conducted by Heinrich Dorn in Leipzig Theater on 17 February 1832), and he felt confident enough to place his name on the playbill for the second performance, where we can read “the overture and the music at the end of the fifth act have been newly composed for the occasion by Richard Wagner.” This memorable occasion marked the first time that his name appeared on a theatrical playbill. Richard was excited enough to write to his slightly older sister Ottilie, “I also recently composed an overture to König Enzio [...] that is performed in the theater at each and every presentation of the play. Everybody likes it.” Not so the play itself, which was dropped from the repertoire in March 1832. Thereafter the incidental music vanished, but the overture survived, unlike so many of Wagner’s fledgling compositional efforts, and was published posthumously in full score by Breitkopf & Härtel in 1908, edited by Felix Mottl.

Overture to “Columbus” (1834-5)

By 1834 Wagner, now a ripe twenty-one years old, had weathered his first appointment as chorus master in Würzburg and, in July, had taken up a new position as musical director of a traveling theater company based in provincial Magdeburg. From this position of high influence he advanced on his first operatic project ever to reach the stage, Das Liebesverbot (its failure sealed the collapse of the Magdeburg company), and arranged for the performance of a vast historical drama in five acts on the life of Christopher Columbus, to which he would contribute an overture and incidental music.

The author of this drama was Theodor Apel (1811-1867), the best friend of Wagner’s youth and the recipient of many a high-spirited and affectionate letter from the future genius. Before taking up his Magdeburg appointment, Wagner and Apel had spent a summer touring Bohemia and generally sowing wild oats – a period that Wagner would later recall as one of the happiest of his life. But Apel, unlike his impecunious friend, was independently wealthy, having inherited his father’s estates at an early age, and led the life of a leisurely littérateur. Before long Wagner was in his debt in a very literal sense, starting a pattern that would remain one of the few constants in his tumultuous life. For the moment, however, he moved heaven and earth to launch his friend’s literary career. The tenor of their relationship could hardly be better expressed than in Wagner’s letter of 7 December 1834 regarding the new play: “My Theodor! [...] I can’t praise your language enough. [...] Your command of stagecraft leaves me dumbfounded. [...] The poetry [...] is magical [...] intoxicating [...] excellent” – and so on and so forth, culminating in “I ask you to take a small capital sum of 200 thalers and invest it in me for a year, the most you can possibly lose will be the interest...” Apel obliged, sending Wagner not only the money he requested but paying for some extra scenery and costumes for the production of his Columbus, which was duly premièred at Magdeburg Theater on 16 February 1835. The play failed, after which a note of recrimination enters the correspondence of these two bosom friends, accompanied by Wagner’s further appeals for money. A year later Apel was blinded in an equestrian accident, and the friendship rapidly withered.

The Columbus Overture, composed between December 1834 and January 1835, was conceived on a huge scale apparent not only in its length but in its scoring for the brass: four horns, three trombones, contrabass tuba, and no fewer than six trumpets, either paired into three groups or gathered into a phalanx of six for the climax. The piece is heavily indebted to Mendelssohn’s brilliant concert overture Calm Sea and Prosperous Voyage, as Wagner himself admitted to his wife Cosima on 17 June 1879 (he called it a “youthful plagiarism”). At the time, however, he was fully convinced of its worth and sought about arranging concert performances of the work to advance his career. One such performance took place at the Leipzig Gewandhaus on 2 April 1835, conducted by his kindly patron, Pohlenz; a few weeks later, on 25 May, Wagner himself conducted the work in Leipzig. Before then he had given the piece in Magdeburg on 2 May at a benefit concert (for himself) that featured Beethoven’s Battle Symphony and an appearance by the great dramatic soprano Wilhelmina Schröder-Devrient. This event, comically described in Wagner’s autobiography, ended so disastrously that Wagner eventually found himself facing Beethoven’s orchestral cannonades alone.

No less disastrous was a performance of the Columbus Overture that Wagner arranged during his Paris years – the only work of his that he saw fit to present to a sophisticated Parisian audience. The military brass instruments that he could rely on in the German provinces were not to be found in the French capital, and the instruments cracked on the high notes during the performance on 4 February 1841 – conducted by Valentino, attended by a silent Berlioz, and hissed by an unsympathetic audience. The noise of the fiasco was so great that Wagner’s wife Minna collapsed in tears backstage and had to be revived and comforted by a friend. Thereafter Wagner never attempted to perform the overture again. It was a melancholy end to a work which, as he confided four decades later to Cosima, “he composed in the same room with Minna and Apel and, being jealous of Apel, continually glanced in their direction to see if they were flirting to excess!”

 

Polonia Overture (May-July 1836)

In 1831 the great Polish uprising of 1830 was crushed by Tsarist troops, and in the repression that followed thousands of Poles fled the country and spread through the capitals of Europe, where for years they cut colorful figures of nationalist freedom-fighters in operetta-like costumes. On 8 January of the following year one such group arrived in Leipzig, where it was greeted by crowds of jubilant admirers, including the excitable seventeen-year-old Wagner. The young man was much taken in particular by the swashbuckling Count Vincenz Tyskiéwicz, whom he visited on an almost daily basis and who took the brilliant lad under his wing. On 3 May the Poles remaining in Leipzig gathered to celebrate their abortive “Constitution Day.” Wagner was the only non-Pole among them. In later years, when he came to write his autobiography, he vividly recalled their fiery speeches, their nationalist fervor, and their debilitating homesickness. When Count Tyskiéwicz left Leipzig a short while later, he took the young Wagner with him, escorting him part way to Vienna.

Four years later, the Magdeburg theater company having by now collapsed, Wagner worked these youthful impressions into a concert overture entitled Polonia, which he took with him when he relocated to Königsberg in East Prussia in July 1836. There, near to the scene of the events and emotions it tries to reflect, the new work was given its première at some point during the winter of 1836-7. The Königsberg audience was treated to music rich in passion and contrast, from the mournful unisono dirge of the opening to a sprightly triple-meter polonaise and finally a rousing march symbolic of the nascent nationalism of this still unborn country. Though heavily orchestrated and, as so often with early Wagner, blessedly overlong, Polonia can lay claim to being the most successful of the young Wagner’s ventures into the world of the concert overture.

The score to Polonia probably accompanied Wagner on his move to Paris in 1839, for years later, in 1881, it was discovered among the papers of the French conductor Jean-Etienne Pasdeloup. The precious manuscript was forwarded to the composer, then staying with his family in Palermo, where it arrived in December and, to Wagner’s amusement, was played at the piano (probably by the Wagners’ house pianist Josef Rubinstein) on Christmas Day 1881. The event is vividly recounted in Cosima Wagner’s diaries:

“In the early morning I hear the words ‘Gratel, gratel’ at my side, and his mighty head seems but a child’s as he cheerfully wishes me every happiness. Things shall soon get serious, he tells me, and together with the children he hands me all the lovely presents! Polonia! The sketches for Parsifal, the talisman ring, and – pia Fraus! – the complete score. [...] In the evening there is a run-through of Polonia, accompanied by all manner of tales from his life. [...] As I say that Polonia seems to be exactly what it sets out to be, Richard replies: ‘Oh, military music for the people, as I conceived of it all at the time, would have turned out splendidly and surely achieved a great effect.’”

Perhaps Cosima noted the thin line of similarity connecting the unisono opening of Polonia, later restated in harmony, and the infinitely more profound effect brought about by the same device in the prelude to her other Christmas present, Parsifal.

Overture on “Rule Britannia” (March 1837)

On 15 March 1837, shortly before the end of his Königsberg interlude, Wagner completed an extended overture on Thomas Arne’s famous melody Rule Britannia. Originally he intended it to form part of a historical trilogy comprising the Polonia Overture and another on the subject of Napoleon, which, in the event, was left unexecuted (Wagner later claimed that this was due to his indecision as to where to insert the gong). The new piece was premièred in Riga on 19 March 1838 along with the Columbus Overture. The impression it left on the audience can only have been positive, for one month later he was appointed musical director of the Riga town theater. A more sober assessment of this inflated, pompous, and ultimately comical work, which seems to consist of twelve minutes of climaxes, stems from the pen of his former champion Heinrich Dorn. Wagner, Dorn begins, has his feet firmly rooted in Beethoven but “waves his arms” through all manner of negligible scores in his daily work. This is perfectly all right for a theater conductor, “but to attempt to combine every style and manner in his own music in order to win every party to his cause is the surest way to spoil relations with all of them.” Though stung by this criticism, Wagner may well have been struck by its rightness, for in short order he began work on Rienzi and the Faust Overture, the first of his works to rise above the level of historical and biographical curiosities.

Wagner, holding out high hopes for the success of his Rule Britannia Overture in Great Britain, sent it to the principal conductor of the London Philharmonic Society, Sir George Smart, shortly after its Riga première. Smart wisely rejected the piece and returned it to the composer, who had by then fled Riga and landed in Paris. Finding himself unable to pay the seven francs of postage, Wagner had the package returned to London, where it vanished and was long thought to be lost. Somehow it wound up among the possessions of one Evan William Thomas, a former conductor in Liverpool and Leicester who died, impoverished, in a work house in 1892. His effects were purchased by one Cyrus Gamble of Leicester, who leafed through the score one day in 1904 and discovered the name of the now famous Richard Wagner emblazoned on its final page. The Rule Britannia Overture had resurfaced, and four years later it was published for the first time in the above-mentioned Breitkopf & Härtel edition of 1908, where it stands alongside the other three works in our study score, proudly brandishing its serpent, ophicleide, double bassoon, two piccolos, four horns, four trumpets, and weighty percussion section with riotously comic triangle.

Bradford Robinson, 2008

Aufführungsmaterial ist von der Breitkopf und Härtel, Wiesbaden zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.