Robert Fuchs
(geb. Frauenthal, 5. Februar 1847 - gest. Wien, 19. Februar 1927)

Serenade No. 5 D-dur

Vorwort
Auch wenn der heutige Musikinteressierte die Gattung „Serenade“, zumindest was das 19. Jahrhundert betrifft, reflexartig mit dem Namen Johannes Brahms verbindet: Am Anfang der Wiener Serenaden-Tradition stand nicht Brahms, sondern Robert Volkmann mit seinen drei Streicherserenaden. Diese beim Publikum sehr beliebten Gattungsbeiträge haben auch Robert Fuchs (1846–1927) die Richtung gewiesen. Der geachtete Lehrer am Wiener Konservatorium, zu dessen Schülern so unterschiedliche Komponisten wie Jean Sibelius, Franz Schmidt, Alexander Zemlinsky oder Franz Schreker gehörten, wurde in der Rezeption nachgerade mit der Serenaden-Gattung identifiziert. Bereits zu Lebzeiten galt er zumeist als „Serenaden-Fuchs“, ein Beiname, der nicht nur den Ausgangspunkt seines Erfolgs als Komponist, die erste Serenade op. 9, bezeichnet, sondern auch seine Geschicklichkeit in gerade dieser Gattung herausstreicht. Dies schließt allerdings auch einen Nebensinn, den der Abwertung des „leichten“ Genres mit ein, welchem Serenaden, in ihrer Doppelstellung als „Abendständchen“ mit Anspruch, teilweise zugeordnet wurden. Das Klischee eines allein auf Charmantes Spezialisierten verfolgte den Komponisten zeitlebens. Eduard Hanslick, bereits ein wenig außerhalb des rein holzschnittartigen Zugriffs stehend, spricht von Fuchs als einer „feinsinnige[n], mehr lyrische[n] denn dramatische[n] Natur“, deren „musikalisches Feingefühl uns aus seinen Serenaden, Suiten und Klavierkompositionen stets sympathisch angesprochen hat [...].“ 1

Auch Brahms, den Fuchs frühzeitig kennen lernt, bemerkt am jüngeren Kollegen vor allem ein sozusagen lyrisches Talent: „Fuchs ist doch ein famoser Musiker, alles ist so fein und so gewandt, so reizvoll erfunden! Man hat immer seine Freude daran!“ 2 Die Kehrseite daran: Selten wird Fuchs eine Begabung zu dramatischer Formung zugestanden. Seine zwei Symphonien jedenfalls haben nie die Beachtung gefunden wie seine fünf Serenaden.

Sieht man sich die Entwicklung der Fuchsschen Serenade auf die Instrumentation hin an, so fällt auf, dass der Komponist sukzessive die Mittel erweitert. Während seine ersten drei Serenaden für reines Streichorchester komponiert sind, treten mit der vierten zwei Hörner hinzu. Beim hier vorliegenden fünften Gattungsbeitrag schreibt der Komponist nun für „kleineres Orchester“, wie es der Titel herausstreicht: Fuchs stellt den Streichern mit Flöte, Oboe, Klarinette und Fagott einen korrespondierenden Bläserapparat an die Seite, während die zwei Hörner das Klangbild der beiden Pole im Gleichgewicht halten. Dass es Fuchs auf Balance ankommt, darauf deutet schon der Partiturvermerk, dass bei größeren Besetzungen des Streichorchesters die Fortestellen mit verdoppelten Bläsern zu spielen seien (vgl. S. 3).

Wenn auch der langsame Kopfsatz eventuell auf eine Komposition „in memoriam“ hätte verweisen können – der Widmungsträger der 5. Serenade, Walzerkönig Johann Strauß, jun. erfreute sich zum Zeitpunkt der Fertigstellung bester Gesundheit. Über den Anlass der Zueignung gehen die Meinungen auseinander. Anton Mayr, der Biograph Robert Fuchs‘, bezieht das Werk auf Straussens 70. Geburtstag am 25. Oktober 1894. Da scheint Mayr allerdings die Erinnerung getäuscht zu haben, denn Strauß feierte erst ein Jahr später, 1895, den runden Geburtstag. Aus diesem Grunde ist wohl eher Max Kalbeck zu trauen, wenn dieser in seiner Brahms-Biographie berichtet, es wäre damals um das 50-jährige Musikerjubiläum des Geehrten am 15. Oktober gegangen, „an welchem Johann Strauß vor fünfzig Jahren zum ersten Male ‚beim Dommayer in Hietzing‘, einem berühmten vormärzlichen Vergnügungslokal, den Geigenbogen taktschlagend über seinem eigenen Orchester geschwungen hatte [...].“ 3 Beide Autoren sind sich indes darüber einig, wo die Uraufführung stattgefunden hat: Im Hause des Widmungsträgers in der Wiener Igelgasse, gespielt von 19 Konservatoriumsschülern unter Leitung des Komponisten. Fuchs hatte die Partitur Ende September 1894 nach nur zwei Monaten Arbeit abgeschlossen. Mit dem Werk verfertigte Fuchs jedoch nicht nur eine ansonsten beziehungslose Jubiläumsmusik, sondern bezog den Widmungsträger dergestalt ein, dass er im Schlusssatz zwei Themen aus der Fledermaus verarbeitete. Strauß freute sich darüber: „Ich fühle mich geehrt und beglückt, dass meine bescheidenen Themen für wert befunden worden sind, einer dermaßen kunstvollen Bearbeitung als Grundlage zu dienen.“ 4 Später schätzte Fuchs die 5. Serenade zurückhaltend ein; allein der letzte Satz mit den Strausschen Themen, so Mayr, gefalle ihm noch, ansonsten zöge er die 4. Serenade vor.

Fuchs immer wieder zu beobachtende Vorzüge, seine reichhaltige Harmonik sowie seine Erfindungsfrische, was sangliche Melodien betriff, kommen auch in der 5. Serenade zur vollen Entfaltung. Mayr überliefert, dass Fuchsens „unruhiger Geist [...] es nicht lange in einer Tonart aushielt und ihm Kompositionen, in denen wenig moduliert wurde, bald langweilig wurden.“ 5 Der langsame Kopfsatz verdeutlicht diese Aussage auf das Nachdrücklichste. Doch auch die folgenden Sätze versammeln, mal heiter besonnen, mal überschwänglich auftrumpfend ähnliche Konstellationen. Dies erklärt sich nicht nur dem späten Zeitpunkt der Entstehung am Ende des 19. Jahrhunderts; bereits in früheren Werken aus den 60er und 70er Jahren überrascht Fuchs mit Instrumentalsätzen, die der gängigen Etikettierung dieses Komponisten als einem „Konservativen“ (für die wiederum die harmonische Komponente, besonders was den Akkordaufbau betraf, den gravierendsten Abstoßungspunkt von den „Fortschrittlern“ darstellte) widersprechen. Und wenn nicht Bekanntschaftsverhältnisse, sondern die klingende Faktur einer musikalischen Einordnung zugrunde gelegt werden, dann ist Fuchs eben kein Brahms-Epigone, sondern ein Komponist mit spezifisch eigenem Gepräge. Dass er dabei der Musikstadt Wien immer verbunden blieb, dafür steht die 5. Serenade als beredtes Beispiel.

Markus Gärtner, 2008

1 Eduard Hanslick, Am Ende des Jahrhunderts, Berlin 21899, S. 261.
2 Richard Heuberger, Erinnerungen an Johannes Brahms, hrsg. von Kurt Hofmann, Tutzing 1970, S. 48.
3 Max Kalbeck, Johannes Brahms, Bd. 4, 2. Halbband, Berlin 1921, S. 367.
4 zit. nach Anton Mayr, Erinnerungen an Robert Fuchs, Graz 1934, S. 70.
5 Mayr, Erinnerungen an Robert Fuchs, S. 81.

For performance material please contact the publisher Kistner & Siegel, Leipzig.

Robert Fuchs
(b. Frauenthal, 5 February 1847 - d. Vienna, 19 February 1927)

Serenade No. 5 in D major

Preface
Today’s music-lovers automatically associate the serenade, or at least its 19th-century version, with the name of Johannes Brahms. Yet it was not Brahms who stood at the fountainhead of the Viennese serenade tradition, but the three string serenades of Robert Volkmann. It was these highly popular contributions to the genre that served as guideposts for Robert Fuchs (1846–1927), a much-respected teacher at Vienna Conservatory whose pupils included composers of such contradictory natures as Jean Sibelius, Franz Schmidt, Alexander Zemlinsky and Franz Schreker. In the annals of music history Fuchs’s name has become virtually synonymous with the serenade; even during his lifetime he was widely known as ‘Serenade Fuchs’, a nickname that pinpoints not only the starting point of his success as a composer (the First Serenade, op. 9), but his adroitness in this particular genre. But the same nickname has pejorative overtones, namely, the deprecating tag of ‘light music’ often attached to the serenade in its dual function as an ‘evening’s musical entertainment’ with artistic pretensions. The stereotype of a specialist intent solely on a charming civility hounded Fuchs to the end of his days. Eduard Hanslick, already departing slightly from this broad-brushed image, spoke of him as a ‘sensitive nature concerned more with lyricism than with drama’, a composer whose ‘musical tact invariably appeals to our sympathies in his serenades, suites and piano music’. 1# Even Brahms, whom Fuchs met in his early years, primarily noted a so-called lyrical talent in his younger colleague: ‘Fuchs is a sterling musician; everything is so polished and skilful, so charmingly invented! One is invariably delighted!’ 2 But there was a dark side: Fuchs was rarely conceded to have a gift for the dramatic. In any event his two symphonies have never received the same attention as his five serenades.

Looking at the evolution of Fuchs’s serenades with an eye to their orchestration, we straightaway notice a gradual expansion of resources. If the first three were written for an orchestra consisting entirely of strings, the fourth adds two horns, and the fifth, as we are informed on the title page, was conceived for a ‘smallish orchestra’. Here Fuchs offsets the strings with a corresponding body of winds consisting of flute, oboe, clarinet and bassoon, with the two horns serving as a linchpin between the two sections. That Fuchs was primarily concerned with balance is suggested by a note on the score to the effect that, in performances with a large string section, the winds should be doubled in the forte passages (see p. 3).

Though the slow opening movement of the Fifth Serenade might be mistaken for a memorial dirge, the dedicatee, the ‘Waltz King’ Johann Strauss the Younger, was in the pink of health at the time it was written. Opinions vary as to the reason for this dedication. Anton Mayr, Fuchs’s biographer, relates the piece to Strauss’s 70th birthday on 25 October 1894. Here Mayr’s memory seems to have played tricks on him, for Strauss only celebrated his 70th a year later, in 1895. We are thus on safer ground with Max Kalbeck, who, in his Brahms biography, reports that the work was connected with the anniversary celebrations surrounding the 15th of October, ‘the day on which, 50 years earlier, Johann Strauss first raised his bow in Dommayer’s in Hietzing, a famous pre-revolutionary entertainment hall, and beat the time for his own orchestra’. 3 Whatever the case, both writers agree on the site of the première: it was given at the dedicatee’s Viennese home in the Igelgasse by 19 conservatory students conducted by the composer. Fuchs had completed the score in late September 1894 after working on it for a mere two months. Yet, in the Fifth Serenade, he did more than produce an otherwise impersonal piece of celebratory music: he cited its dedicatee by developing two themes from Die Fledermaus in the final movement. Strauss was enthralled: ‘I feel honoured and delighted that my modest themes were found worthy of serving as the basis of such an artistic arrangement.’ 4 Later Fuchs regarded the Fifth Serenade with some restraint; only the finale with the Strauss quotations left him satisfied, Mayr informs us, and he otherwise preferred the Fourth.

The virtues so frequently encountered in Fuchs’s music – the richness of its harmony and its fresh profusion of tuneful melody – come fully to the fore in the Fifth Serenade. Mayr records that Fuchs’s ‘restless spirit [...] could not tarry for long in a single key, and compositions that seldom modulated soon left him bored’.5 The slow opening movement offers a prime example of this very point, but the other movements likewise reveal similar propensities, now cheerfully contemplative, now deliriously triumphant. This is only partly explained by the work’s late date at the end of the 19th century: even Fuchs’s early works of the 1860s and 1870s have ear-catching instrumental movements that belie the ‘conservative’ label customarily attached to this composer – a label for which the major sticking-point, according to the ‘progressives’, was the element of harmony, especially chord structure. And if we take compositional fabric as the basis of our categorisation rather than ties of personal acquaintance, then Fuchs was not a Brahms imitator at all but a composer with a voice all his own. That he remained forever attached to the musical capital of Vienna receives eloquent confirmation in the Fifth Serenade.

Markus Gärtner, 2008

1 Eduard Hanslick: Am Ende des Jahrhunderts (Berlin, 21899), p. 261.
2 Richard Heuberger: Erinnerungen an Johannes Brahms, ed. Kurt Hofmann (Tutzing, 1970), p. 48.#
3 Max Kalbeck: Johannes Brahms, iv/2 (Berlin, 1921), p. 367.#
4 Translated from Anton Mayr: Erinnerungen an Robert Fuchs (Graz, 1934), p. 70.#
5 Ibid., p. 81.#

 

For performance material please contact the publisher Kistner & Siegel, Frankfurt.