Josef Suk
(geb. Krecowitz, 4. Januar 1874 — gest. Beneschau, 29. Mai 1935)

Meditace
Op. 35a

Vorwort
Obwohl heute vorwiegend als Komponist des weltberühmten Orchesterwerks Asrael bekannt, pflegte Josef Suk ebenfalls die Kammermusik, war er doch Zeit seines Lebens auch Mitglied des berühmten Tschechischen Streichquartetts. Maßgeblich beeinflußt wurde seine musikalische Laufbahn durch Antonín Dvořák, der nicht nur sein (offensichtlich wichtigster) Kompositionslehrer, sondern im späteren Leben auch sein Schwiegervater wurde. Sein kompositorisches Oeuvre läßt sich triftig in zwei Kategorien unterteilen: Zur ersten gehören die Werke, die vorwiegend in seinen jungen Jahren entstanden und im allgemeinen einem nationalen Gestus huldigen, auch wenn sich Suk nur schwer als national gesinnter Komponist einstufen läßt. Zur zweiten, zahlenmäßig größeren Kategorie gehören diejenigen Werke, die einen persönlichen, eigenwilligeren Kompositionsstil aus der Perspektive der Neuromantik anstreben. Es muß ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß sich diese beiden Werkkategorien mitunter auch chronologisch überschneiden.

Beim Meditace handelt es sich um ein Teil eines größeres Werktriptychons, das als op. 35 veröffentlicht wurde. Obwohl die Verbindungen zwischen op. 35a, op. 35b und op. 35c eher ideologisch als strukturell bedingt sind, wurden in letzter Zeit alle drei Werke unter dem Titel Kriegstriptychon auf CD aufgenommen. Dennoch gibt es keinerlei Hinweis darauf, daß Suk eine Aufführung der drei Werke als in sich geschlossene Einheit beabsichtigte. Zudem besteht ein weiterer, rein musikalischer Unterschied zwischen den drei Werken: In seiner ursprünglichen Form war Meditace ein Werk für Streichquartett (wie auch in der vorliegenden Studienausgabe), das vom Komponisten erst später für Streichorchester umgearbeitet wurde, während die beiden anderen bereits als Orchesterwerke konzipiert wurden.

Alle drei Teile des Triptychons (Meditation, Die Legende von den toten Siegern, Ins neue Leben) sind innerhalb von sieben Jahren 1914-1920 unter den schweren und tragischen Bedingungen entstanden, die das Leben der Menschen in Zeiten des Kriegs und der Unruhe beherrschen. Angeregt wurde das in den Jahren des Ersten Weltkrieges komponierte Werk durch das alte tschechische Choral für den Heiligen Wenzel, den Schutzpatron Böhmens, dessen Standbild einen der beliebtesten Plätze Prags stolz überragt. Der Komponist machte von den Originalmotiven des Chorals ausgiebig Gebrauch, um die Glaubensfestigkeit des Menschen angesichts des Leidens zu unterstreichen und zu bekräftigen. Es handelt sich hierbei um ein rein programmatisches und romantisches Werk, das aus dem gemeinsamen Ideengut des Zuhörerkreises schöpft. Damals waren musikalische Sujets, die vom berühmten Choral „Heiliger Wenzel“ abgeleitet wurden, alles andere als selten.
Das Stück fängt mit der Tempobezeichnung Adagio, ma con moto an, wobei die Bratschenmelodie der ersten Takte den Charakter des Werks weitgehend bestimmt. Statt jedoch allein dem Bratschenpart überlassen zu werden, breitet sich das Anfangsthema über alle anderen Instrumente des Klangkörpers aus. Diese Anfangstakte sind voller emotionaler und melodischer Eigenschaften, die im weiteren Verlauf des Werkes fast allgegenwärtig werden.

Es soll besonders auf die häufigen Taktwechsel des Werkes hingewiesen werden, die vorwiegend den Zweck erfüllen, die musikalische Entwicklung und Steigerung zu unterstützen. Um so deutlicher wird diese Eigenart durch eine nähere Betrachtung, wie Suk mit Crescendi und Diminuendi im Laufe des Werks umgeht und wie er die musikalische Höhepunkte gestaltet. Die musikalische Spannung nimmt beinahe sich spiralförmig zuspitzende Erscheinungsformen an.

Bei Meditace war es Suks Bestreben, ein Werk voller religiöser Empfindung in einer seinen Landsleuten wohlvertrauten Klangwelt hervorzubringen. Im allgemeinen scheint er den Versuch unternommen zu haben, die geistige Verfassung der Zuhörer zu stärken und zugleich eine qualitativ hochwertige Komposition zu bieten, die das Herz der Menschheit direkt anspricht. Nicht nur sind ihm beide Absichten meisterhaft gelungen, sondern es wurde auch etwas wesentlich Wichtigeres erreicht: Suk hat ein Werk hervorgebracht, das die Gefühlswelt aller leidenden Menschen gleichermaßen anspricht.

Alexandros Charkiolakis, Musikwissenschaftler
Musikalische Nationabibliothek Lilian Voudouri, Athen

Aufführungsmaterial ist von Benjamin Musikverlage, Hamburg zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars aus der Sammlung Philipp Brookes, Market Drayton.

Josef Suk
(b. Krecowitz, 4 January 1874 — d. Beneschau, 29 May 1935)

Meditace
Op. 35a

Preface
Although Josef Suk is remembered today mainly as the composer of a world-famous orchestral piece, the Asrael Symphony, one of his main interests was chamber music. One should not forget that he was a life-long member of the renowned Czech String Quartet.

Suk’s career as a musician was deeply influenced by his connection with Antonín Dvořák, who was one of his composition teachers, obviously the most influential of all, and who later in his life became Suk’s father-in-law. Dividing the work of Suk into two large categories seems to be a quite fair solution towards his compositional output. One category should be attributed to the works that were written mainly in the early stages of his career and which follow in general terms a national trend, though it is difficult to classify him as a nationalist composer. The other, containing the larger part of Suk’s music, presents a more personal, idiosyncratic style of composition that derives from an angle of the neo-romantic movement. It should be noted that these two categories are not strictly chronological.

Meditace is a part of a larger triptych of works that constitute his opus 35. The connection between opuses 35a, 35b and 35c is purely ideological and not structural. However, in later years, these three works have been recorded together under the title War Triptych. There is no solid argument to support the idea that Suk intended these pieces to be performed as a unified whole. Moreover, there is another, purely musical difference between these three pieces that should be taken into account: Meditace is, in its original form, a piece for string quartet (the way it is presented in our edition), which was later orchestrated for string orchestra by the composer, whereas the other two pieces are written for orchestra.

These three pieces (Meditation, Legend of the Dead Victors, Towards a New Life) were composed in the course of seven years (1914 – 1920) under the heavy spell and tragic conditions that come across people’s lives during periods of war and instability. Written during the First World War, it derives its inspiration from the old Czech chorale for St. Wenceslas, who is the patron saint of Bohemia and whose statue stands proudly in one of the most popular squares in Prague. The composer used the original motives of the chorale in order to underline and strengthen people’s faith against adversity. This is a purely programmatic and romantic work that is based on a common apperception among the people who were meant to listen it. Musical subjects deriving from the famous “St. Wenceslas Chorale” were a commonplace around Suk’s time.
The piece opens up with the tempo mark Adagio, ma con moto. The opening bars, performed by the viola, directly determine the character of the piece. The opening theme does not remain in the viola part but spreads to all the other instruments of the ensemble. These opening bars are full of emotional and melodic features that remain present for the most of the piece.

One should note the composition’s frequent changes of meter, which are designed mainly to help the development and climax. This argument becomes stronger if we observe closely the way Suk uses crescendi and diminuendi during the course of the work and, of course, the way he achieves climax. The tension has an almost spiral, climactic character.

Suk aimed to create a piece full of religious sentiment and a sound familiar to his compatriots. On a general note, he seems to be trying not only to uplift the listener’s morale but also to offer a high-quality piece of music that speaks directly to people’s hearts. He achieves both goals, and it might be added that he also achieves something more important: he has composed a work that can address the emotional world of all suffering people everywhere.

Alexandros Charkiolakis, Musicologist
Music Library of Greece “Lilian Voudouri”

For performance material please contact the publisher Benjamin Musikverlage, Hamburg. Reprint of a copy from the collection Philipp Brookes, Market Drayton.