Artur Schnabel
(geb. Lipnik bei Bielitz (Bielsko), Österreich [heute Polen], 17. April 1882 - gest. Axenstein, Schweiz, 15. August 1951)

II. Symphonie
(1941-43)

I Andante - Allegro
II Vivacissimo
III Largo
IV Allegretto energico

Vorwort
Zum Zeitpunkt dieser erstmaligen Herausgabe der Partitur der Zweiten Symphonie im Studienformat ist, trotz des fantastischen Einsatzes eines so großartigen Geigers und Dirigenten wie Paul Zukofsky, die herausragende Bedeutung des Komponisten Artur Schnabel in der musikalischen Welt noch immer ein unbekannter Faktor. Ähnlich wie bei Eduard Erdmann haben die Faszination und der Ruhm des epochemachenden Pianisten das kompositorische Schaffen weitestgehend überschattet. Schnabel galt schnell als radikal fortschrittlicher Tonschaffender, der auf leichte Faßlichkeit keine Rücksicht nahm. Rückschauend ist in ihm einer der kompromißlosesten und freisinnigsten Komponisten der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zu erblicken.

Wie kam Schnabels Musik seinerzeit in der Fachwelt an? Stellvertretend sei aus einer einfühlend geschriebenen Kritik von Walter Schrenk zitiert, die am 10. Oktober 1929 in der Deutschen Allgemeinen Zeitung erschien: “Das war eine harte Nuß, besonders für das Publikum, das an diesem Abend, den das Kolisch-Quartett mit Artur Schnabel gab, den Beethoven-Saal [Berlin] bis zum letzten Platz füllte. Artur Schnabel hat sich weder als Klavierspieler noch als Komponist je um Popularität bemüht; er ist einer der wenigen, die in keiner Richtung Konzessionen machen, und auch darauf beruht die unangreifbare Stellung, die er in dem heutigen, sinnlos gewordenen Konzertbetrieb einnimmt. Der Komponist Artur Schnabel ist insofern eine Ausnahmeerscheinung, da ihm an der öffentlichen Aufführung seiner Werke offenbar nicht viel liegt; nur selten hört man eines seiner Werke, jedesmal aber hat man den Eindruck, einem bedeutenden Ereignis beizuwohnen. Die Uraufführung des dritten, 1922 komponierten Streichquartetts enthüllte wieder die Kraft und Eigenart einer schöpferischen Begabung, die sozusagen nur in sich hineinmusiziert, die — abhold jedem äußeren Effekt — nur innere Visionen musikalisch zu gestalten sucht. Eine solche, ethisch und geistig tief fundierte Kunst wird nie eine breitere Wirkung erwarten dürfen. […] Eine ganz abseitige Musik steckt in diesem Quartett, eine Musik voller Phantasie und Ausdruckskraft, eine Musik von einer für die heutige Zeit fast beispiellosen Intensität des Gefühls. Sie ist ganz in sich versponnen, sie geht Wege, auf denen gewiß nicht jeder folgen kann, aber sie bleibt immer Musik im schönsten Sinne des Wortes. Musik des Herzens und der Seele: glücklicherweise denkbar weit entfernt von dem Phantom der neuen Sachlichkeit. Ihre unendlich komplizierte Faktur ist nur eine Folge der verwickelten und differenzierten seelischen Vorgänge, die sich hier in zuweilen sehr absonderlichen, immer aber schöpferischen Klängen manifestieren. Die Allgemeingültigkeit dieser Musik sinkt dadurch allerdings auf ein Minimum hinab — sie ist nur für wenige Menschen geschrieben.”

Die Zweite Symphonie ist das dritte von den fünf Orchesterwerken Artur Schnabels, wenn man von dem als unvollständigem Klavierauszug des ersten Satzes überlieferten Klavierkonzert-Fragment vom Februar 1898 absieht. 1901 entstand das noch sehr in der Tradition stehende Klavierkonzert d-moll, welches am 17. November 1901 in Berlin durch den Komponisten, begleitet vom Berliner Philharmonischen Orchester unter Josef Rebicek, zur Uraufführung kam. Dem folgte erst 37 Jahre später die Erste Symphonie, entstanden in den Sommermonaten 1938 und 1939 in Tremezzo und New York und das einzige reife Orchesterwerk, dessen Uraufführung Schnabel selbst erleben sollte: am 13. Dezember 1946 in Minneapolis durch das Minneapolis Symphony Orchestra unter der Leitung von Dimitri Mitropoulos. Daran schließt sich die 1941-43 komponierte Zweite Symphonie an, seine monumentalste Orchesterschöpfung (erstmals realisiert vom 18. bis 20. Juli 1988 in London durch das Royal Philharmonic Orchestra unter Paul Zukofsky als Platteneinspielung für cp2). 1946 schrieb Schnabel seine Rhapsody for Orchestra(Repertoire Explorer Studienpartitur 173), die am 15. April 1948 in Cleveland vom Cleveland Orchestra unter George Szell aus der Taufe gehoben wurde und Anfang der fünfziger Jahre durch das Philharmonia Orchestra (London) unter Paul Kletzki für Columbia als Platte eingespielt wurde. ). In den Sommermonaten 1948 und 1949 schließlich komponierte Schnabel seine Dritte Symphonie (Repertoire Explorer Studienpartitur 221), die erstmals gespielt wurde anlässlich der CD-Ersteinspielung durch das Prager Symphonie-Orchester unter Paul Zukofsky in Prag vom 23. bis 29. April 1992 für Zukofskys New Yorker Label cp2 (CD 109). Zukofsky war es dann auch, der das Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks in dessen musica viva-Reihe im Münchner Herkulessaal der Residenz in der späten, höchst erfolgreichen Uraufführung der Dritten Symphonie am 11. März 2005 leitete.

Die Zweite Symphonie entstand in Gascon Ranch, New Mexico, in den Sommermonaten der Jahre 1941-43: Mitte Juli bis Mitte August 1941 das Particell der ersten drei Sätze, im August 1942 das Particell des Finales. Vom September 1942 bis Ende 1943 (und mit Detailkorrekturen vielleicht bis zum Sommer 1944) war Schnabel mit der Orchestration beschäftigt (im April 1943 vollendete er den Kopfsatz, im August 1943 das Vivacissimo in Partitur). Die Arbeit im Jahr 1944 war fast ausschließlich Vortragsbezeichnungen gewidmet.

Die Besetzung der Zweiten Symphonie ist: 2 Flöten (auch Piccolo), 3 Oboen (auch Englischhorn) 3 Klarinetten (auch Bassklarinette) 3 Fagotte (auch Kontrafagott), 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Basstuba, Pauken, kl. & gr. Trommel, Becken, Triangel, Tambourin, Xylophon, Glockenspiel, Harfe und Streicher.

Erstmals gespielt wurde Artur Schnabels Zweite Symphonie anlässlich der Ersteinspielung auf CD durch das Royal Philharmonic Orchestra unter Paul Zukofsky in London vom 18. bis 20. Juli 1988 (erschienen bei cp2, CD 104; erhältlich über ). Die öffentliche Uraufführung des Werkes kam unter skandalösen Umständen zustande. Der Intrigendschungel beim Deutschlandfunk war aktiviert, und Paul Zukofsky, den man bereits im Rahmen der Schnabel-Retrospektive der Berliner Festwochen als Dirigenten um die Leitung gebeten hatte, wurde kurzerhand aufgrund der persönlichen Ressentiments eines anderen Beteiligten wieder ausgeladen. Die Leitung dieses Konzerts des Deutschen Symphonie-Orchesters am 16. September 2001 in Berlin, in welchem die Symphonie zu einer höchst unzureichenden Darstellung kam, hatte Jürg Wyttenbach. Zukofsky, der Pionier und phänomenale Gestalter am Pult, hatte bis zum Zeitpunkt der Herausgabe dieser Studienpartitur keine Gelegenheit, die Zweite Symphonie in der Öffentlichkeit aufzuführen (noch steht überhaupt die zweite Aufführung aus). Auf Schnabels Zweite Symphonie trifft exemplarisch das vielzitierte Statement zu, seine Symphonik sei „so lang wie Gustav Mahler, aber komplexer und moderner als Arnold Schönberg“.

Die folgenden Informationen sind dem von Anouk Jeschke zusammengestellten Artur Schnabel Werkverzeichnis (ISBN 3-923997-99-X) entnommen, erschienen 2003 als Band 6.2 in der Schriftenreihe Archive zur Musik des 20. Jahrhunderts der Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin (dort befindet sich der Nachlass Artur Schnabels).
Sämtliche nun folgenden Zitate entstammen Briefen Artur Schnabels an seine Geliebte Mary Virginia Foreman in englischer Sprache. Am 18. Juli 1941 schrieb er aus seinem Sommerdomizil in Gascon Ranch: “Letzten Montag [14. Juli] habe ich mit einer Komposition begonnen, mit einer weiteren Symphonie. Es ging so weit sehr gut, Gott sei Dank, bereits 120 Takte. Es ist an und für sich eine unvergleichliche Tätigkeit. Nur für die Musik und für mich. Ich weiß, dass es kaum eine Chance geben wird, dass ich je eine Aufführung dieser Musik hören werde. Meine Impulse, mein Drängen, meine Gaben fragen nicht nach Aufführungen, Beifall und Geld. Sollte das den Produkten meiner inneren Notwendigkeit folgen, möge manches davon unvermeidlicherweise willkommen sein.“ Und am 23. Juli: „Mein Werk schreitet voran.Den ersten Satz meiner Zweiten Symphonie werde ich, bis zur letzten Note, diese Woche geschrieben haben. Zwar natürlich nicht in der Orchestration, aber keineswegs nur als Skizze. Es ist ein sehr sauberes Manuskript mit praktisch allen Noten, die die Orchesterpartitur enthalten wird, und die Musik ist – so meine ich – ziemlich expressiv und originell.“ Der rasche Fortschritt wird bestätigt am 31. Juli: „Die Komposition kommt gut voran. Im bin mitten im lebendigen und energetischen zweiten Satz. Ich weiß nie, was schwieriger zu schreiben ist: ein langsames oder ein schnelles Stück. Ich denke, dass die Anforderung gleich hoch ist.“ Am 7. August: „Der zweit Satz ist fast fertig. Nie zuvor habe ich ein derartiges Stück geschrieben. Es ist sehr dynamisch. Ich hoffe, mit dem dritten Satz beginnen zu können. Das ist das Programm, das ich mir auszuführen vorgenommen hatte, bevor ich nach Ann Arbor gehe, wo mich mehr Arbeit als im Vorjahr erwartet.“ Und tatsächlich sollte er am 21. August 1941 berichten können: „Morgen reise ich nach Ann Arbor ab. Gascon war vorzüglich geeignet für meine Bedürfnisse: Spaziergänge, Raum, Ruhe, und daher vielversprechende Arbeitsbedingungen, die demgemäß mit genussreicher Behaglichkeit einhergingen. Ich vollendete drei Sätze meiner neuen Symphonie. Ich habe den vierten vor Augen, werde aber einige Zeit warten müssen, bevor ich daran gehen kann, ihn niederzuschreiben. Ich denke, es wird ein ganz ordentliches Stück sein.“

Der folgende Sommer war der Niederschrift des Finales gewidmet. Am 6. August 1942 schrieb Schnabel von Gascon Ranch an Mary Virginia Foreman: „Ich habe mit dem Finale meiner Zweiten Symphonie begonnen. Ich glaube, es wird was Bemerkenswertes werden. Ich bin so zufrieden, wieder über dem hohen, leeren Notenpapier gebeugt zu sitzen.“ Am 12. August: „Ich bin jetzt in voller Fahrt in meiner Musik. Jeden Tag arbeite ich bis zu sechs Stunden daran.“ Am 18. August: „Jeden Tag bin ich – wie ich schon in meinem letzten Brief berichtete – aktiv. Die Symphonie geht recht zufriedenstellend voran. Ich habe 200 Takte geschrieben, alle Stimmen, ohne Instrumentation. Es sieht so aus, dass dieses Finale ein sehr vitales, wildes musikalisches Spannungsgefüge sein wird. Wahrscheinlich werde ich es nie hören.“ Und am 1. September konnte er berichten: „Gestern – am ersten Tag ohne Sonnenschein, mit ununterbrochenem, starkem Regen, der noch nicht aufgehört hat – habe ich meine Zweite Symphonie beendet. Wie Du weißt, ist sie noch nicht orchestriert, und das zu machen wird eine sehr langwierige Arbeit sein, aber natürlich eine andersartige als die überwiegend schöpferische Tätigkeit. Ich hoffe, dass ich über den ganzen Winter hin eine oder zwei Stunden täglich finden werde, um mich mit der Instrumentation der Symphonie zu befassen, auf dass ich kommenden Sommer frei sein kann für eine andere ‚Schöpfung’. Mit dem Finale bin ich sehr ziufrieden, insbesondere das Ende erscheint mir wirklich inspiriert, konzentriert, einfach und originell.“ Am 7. September notierte er: „ich lese, schreibe, gehe spazieren und bereite – primar im Kopf – die Orchestration meiner letzten Komposition vor.“ Und am 28. November 1942 schrieb er aus Chicago, ausnahmsweise an Therese Behr: „Für diesen Winter werde ich nicht mehr Klavier zu ‚üben’ haben, und ich freue mich, so viel Zeit für die Instrumentationsaufgabe zu bekommen.“
So schnell sollte es dann doch nicht gehen, und Ende der ersten August-Woche 1943 ging die Arbeit an der Instrumentation in Gascon Ranch in die letzte Runde. Am 14. August erwähnte er „Morgenspaziergänge und nachmittags die Symphonie“. Am 27. August: „Am regnerischen heutigen Tag habe ich bereits sieben Stunden an der Symphonie gearbeitet.“ Und am 3. September: „Jeden Tag gehe ich vier Stunden spazieren und arbeite mindestens fünf Stunden. […] Ich befürchte, es nicht zu schaffen, die Orchestration hier bis zum letzten Takt zu vollenden; ein kleiner Rest wird in New York fertigzustellen sein, hoffe ich. Auch die ganzen Bezeichnungen für einen (potentiellen) Vortragenden, die – mit Metronomangaben – auch noch lange Arbeit beanspruchen werden. Insgesamt werde ich diesen Winter mehr Arbeit haben als in den vorangegangenen. […] Jedenfalls muss ich mit der Symphonie fortfahren, um frei zu sein, das nächste Opus anzufangen.“ Am 10. September: „Ich arbeite sehr viel, weil ich bis zu einem bestimmten Abschnitt der Symphonie kommen will, bevor ich vor hier abreise. Es ist sehr langsame Arbeit, wo jeder Fehler mehr Arbeit verursachen würde. Bei der enormen Anzahl an Noten, die über ein großes Blatt Papier verteilt sind, bedarf es minutiöser Aufmerksamkeit, um Fehler zu vermeiden. Wie auch immer, ich genieße es und bin sicher, dass die Komposition ihre definitiven Verdienste hat.“
Endlich, im kommenden Jahr, am 6. August 1944, konnte Artur Schnabel aus Gascon Ranch berichten: „Noch sind einige Seiten meiner neuen Symphonie übrig, die noch nicht mit Vortragsbezeichnungen versehen sind. Sie werden mich zwei oder drei weitere Tage in Anspruch nehmen.“

Paul Zukofsky, einer der großartigsten Geiger und Dirigenten unserer Zeit und der überragende Champion der Werke Schnabels, hat sich auch schriftlich mit singulärer nüchterner Präzision und Entschiedenheit über Wert und Eigenart dieser Musik geäußert. Von besonderem Interesse ist beispielsweise Zukofskys Text im Begleitheft der von ihm geleiteten CD-Ersteinspielung (cp2 CD 104). Darin schreibt er u.a.:
„Von Schnabels drei Symphonien finde ich diese am wenigsten komplex; die Erste ist harmonisch viel dichter (Schnabel war definitiv kein Zwölfton-Komponist, auch wenn er alle zwölf Töne benutzte!), während die Dritte rhythmisch viel schwieriger ist und damit ihre Schatten vorauswirft auf Verwendungen und Entwicklungen, wie sie später z.B. bei Elliott Carter zu finden sind. Strukturell ist Schnabels Zweite Symphonie der Sonate für Violine und Klavier von 1935 verbunden, und ist in diesem Sinne eine Abkehr von den früheren Abenteuern in freier Form, von der Solo-Violin-Sonate von 1919. Das ist nicht als eine Kapitulation vor der Konvention zu verstehen. Die Abfolge der Phrasenlängen ist weiterhin extrem frei, bis dahin, dass es fast eher eine Überraschung ist, aufeinanderfolgende Phrasen derselben Länge zu entdecken, als solche kontrastierender Länge zu finden. Auch die Orchestration ist bemerkenswert, indem sie viele ungewöhnliche ‚Verdopplungen’ anwendet, die in einem Fort changieren, so dass man, wenn man das Werk dirigiert, einen Eindruck von Klangfarbenmanipulation hat, der viel näher ist an dem, was man in einem elektronischen Musikstudio findet, als an ‚Orchestration’ in dem Sinne, wie wir es gewohnt sind, und die Komplexität der Artikulation – und ihre Notation – verstärkt diesen Eindruck. Mir erscheint Schnabels Grundhaltung zu und –verständnis von Orchestration näher an derjenigen Milton Babbitts als an jener Roger Sessions’ (auch wenn Babbitts Notierungsweise der Artikulation viel beschränkter ist als die von Schnabel). Wie dem auch sei, die changierenden ‚Verdopplungen’ haben eine konstante Metamorphose der Klangfarbe zur Folge, die stilistisch ihrer Zeit weit voraus ist, was für vieles in Schnabels Musik gilt.“

[…] „Es bleibt ein Missverständnis hinsichtlich des Platzes von Schnabel dem Komponisten in der Musikgeschichte. Abgesehen von seinen sehr frühen Werken (vor 1914) war Schnabel immer an der vordersten Front kompositorischen Neulands, ohne je über die Schwelle hin ins von der Mode Vorgegebene zu kippen (es sei angemerkt, dass Busoni in einem Brief vom 21. März 1918 – sein Urteil auf die Beschreibung der Musik durch eine dritte Person stützend – anmerkt, dass sowohl Schnabels Erstes Streichquartett als auch die vorhin erwähnte Sonate für Violine solo der Kategorie ‚Futuristisches Experiment’ angehören …). Ich will damit nicht andeuten, Schnabel hätte sich um die Frage gekümmert, ob er an irgendeiner Grenze tätig sei, oder, er hätte eine bewusste Entscheidung getroffen, dort zu sein.Er war einfach da, durch keinen Fehler seinerseits.

Geschichte ist eine wirre Angelegenheit. Wir glauben an Helden, die plötzlich mit Lösungen auftauchen, aber tatsächlich haben solche Typen immer auf der Arbeit anderer aufgebaut. Viel passender für die vorwärtstreibende Bewegung, mit ihren inhärenten Brownschen Bewegungen miteinander wettstreitender Objekte, ist die Sachlage, wonach ‚Dinge in der Luft liegen’, und Leute, die voneinander nicht wissen, plötzlich und gleichzeitig beginnen, ähnliche Ideen und Gegenstände zu erkunden, zu erfinden und zu entwickeln.

Von den Dingen, die ‚in der Luft’ lagen, und an denen Schnabels Musik teilhat, möchte ich die folgenden herausgreifen: wie bringe ich Musik verschiedener Geschwindigkeiten in Bezug zueinander (und wie notiere ich sie) (das führte to metrischer Modulation); wie kontrolliere ich schnell sich verändernde Klangfarben und erfinde neue (das führte zu elektronischen Musikstudios, zu computergenerierten und sythetischen Klängen); wie verbinde und vereine ich gleichzeitig erscheinende verschiedene Arten von Musik, die nicht ‚Leitmotiv’-verankert sind (was teilweise zu ‚Serialismus’ führte, aber auch zur Erkundung räumlicher Bedingungen); und wie vermittle ich all diese Elemente zunächst dem Aufführenden, letztlich jedoch dem Hörer (was zuerst eine Explosion der Komplexität und Detailliertheit der Notation auslöste und schließlich zu graphischer und/oder porportionaler Notation führte, ebenso wie zur formalen Akzeptanz der Aleatorik, wie Berio sie verwendete).

Ich bezweifle, dass Schnabel sich irgendeines dieser herankeimenden Trends bewusst war, und ich denke, dass es keine spielt, ob oder ob nicht. […] Es war aufgrund von Schnabels kreativem Vorausdenken, ebenso wie aufgrund der unbezweifelten Schönheit seiner Musik, dass Roger Sessions bekannte: »Je mehr man diese Partituren studiert, desto unbestreitbarer entdeckt man die Zeugnisse authentischen Genies, und desto mehr wird man davon gefesselt«.“

Christoph Schlüren, 2003

Aufführungsmaterial ist von Peermusic zu beziehen.
© für die Zweite Symphonie ist 2004 by Peermusic III Ltd., New York

Artur Schnabel
(b. Lipnik nr. Bielsko (Bielitz), Austria [today Poland], 17 April 1882 - d. Axenstein, Switzerland, 15 August 1951)

Symphony No. 2
(1941-43)

I Andante - Allegro
II Vivacissimo
III Largo
IV Allegretto energico

Preface
Despite the passionate support of so brilliant a violinist and conductor as Paul Zukofsky, at the time of this first publication of the score of the Second Symphony in study size the significance of the composer Artur Schnabel to the musical world remains an unknown factor. Like Eduard Erdmann, the attraction and fame of this epoch-making pianist has completely overshadowed his musical creations. Schnabel quickly gained renown as a radical avant-garde composer who had no regard for the public’s effortless comprehension. In hindsight we may perceive in him one of the most uncompromising and liberal composers of the first half of the twentieth century.
How was Schnabel’s music received by the experts of his time? A representative reaction comes from a sympathetically written review of Walter Schrenk, which appeared on 10 October 1929 in the Deutsche Allgemeine Zeitung: “That was a hard nut to crack, particularly for the public, which filled the Beethoven-Saal [Berlin] to the last seat on the concert evening given by the Kolisch Quartet with Artur Schnabel. Schnabel has never endeavoured to court popularity, either as a piano player or as a composer; he is one of the few men who make no concessions in any direction, and thereupon lies the unassailable position he occupies amidst today’s senseless concert activity. The composer Artur Schnabel is exceptional insofar as he does not appear to lend much credence to the public performance of his works; one seldom hears one of his pieces, although when one does, one has the impression of witnessing an important event. The premiere performance of the third string quartet composed in 1922 again divulged the power and uniqueness of a creative talent which only plays to itself, so to speak; which, contrary to every external effect, only seeks to shape inner visions musically. Such an ethical and deeply spiritual art would never wait upon broader appeal. […] An absolutely distinctive music lies in this quartet, a music full of fantasy and expressive power, a music with an intensity of emotion almost unparalleled in contemporary times. It is entirely immersed in itself; it travels paths which certainly not every person can follow, but it always remains music in the most beautiful sense of the word. Music of the heart and of the soul, which happily is far removed from the phantom of neue Sachlichkeit [new functionalism]. Its endlessly complex structure is only the result of developed and differentiated spiritual processes, which manifest themselves here in occasionally very strange but always imaginative sounds. The universal validity of this music is reduced thereby to a minimum — it is written only for the few.”

The Second Symphony is the third of Schnabel’s five works for orchestra, provided we overlook a fragmentary piano concerto of February 1898 that survives only in an incomplete piano reduction of the opening movement. In 1901 there appeared the still very traditional Piano Concerto in D Minor, which was first performed by the composer, accompanied by the Berlin Philharmonic Orchestra under Josef Rebicek, on 17 November 1901 in Berlin. This was followed some 37 years later by the First Symphony, which originated in the summer months of 1938 and 1939 in Tremezzo and New York, and which is thought to be the only mature orchestral work whose premiere Schnabel himself experienced. This took place on 13 December 1946 in Minneapolis with the Minneapolis Symphony Orchestra under the direction of Dimitri Mitropoulos. Then came the most monumental of his orchestral creations, the Second Symphony (1941-3), first heard in London from 18 to 20 July 1988 when Paul Zukofsky recorded it with the London Royal Philharmonic Orchestra for his New York label for cp2. In 1946 Schnabel wrote his Rhapsody for Orchestra (Repertoire Explorer Study Score 173), which was first performed on 15 April 1948 in Cleveland by the Cleveland Orchestra under George Szell, and which was recorded on vinyl at the beginning of the 1950’s by the Philharmonia Orchestra, London, under Paul Kletzki for Columbia. Lastly, in the summer months of 1948 and 1949, Schabel composed his Third Symphony (Repertoire Explorer Studienpartitur 221), heard for the first time between 23 and 29 April 1992 when Zukofsky recorded it with the Prague Symphony Orchestra for cp2 (CD 109). It was again Zukofsky who gave the highly successful first performance of the Third Symphony in the Hercules Room of the Munich Residence, where it was given in the Music Viva series on 11 March 2005.

The Second Symphony originated in Gascon Ranch, New Mexico, in the summer months from 1941 to 1943. The first three movements were written down in short score between mid-July and mid-August 1941, the finale in August 1942. From September 1942 to the end of 1943 (with minor alterations until perhaps summer 1944), Schnabel was occupied with the orchestration, completing the first movement in April 1943 and the Vivacissimo in August 1943. His work in 1944 was devoted almost entirely to expression marks. The piece is scored for two flutes (incl. piccolo), three oboes (incl. cor anglais), three clarinets (incl. bass clarinet), three bassoons (incl. contrabassoon), four horns, three trumpets, three trombones, bass tuba, timpani, side drum, bass drum, cymbals, triangle, tambourine, xylophone, glockenspiel, harp, and strings. It was first heard when Paul Zukofsky recorded it with the Royal Philharmonic Orchestra in London from 18 to 20 July 1988 (the recording was released as CD 104 by cp2 and is available at ). The public première occasioned a scandal. The Byzantine schemers at Deutschlandfunk had been activated, and Zukofsky, who had been invited to conduct the piece during a Schnabel retrospective at the Berlin Festival, was summarily dismissed owing to the personal grudge of another participant. The highly unsatisfactory performance, given by the Deutsche Symphonie-Orchester in Berlin on 16 September 2001, was conducted by Jürg Wyttenbach. At time of writing Zukofsky, a trailblazing musician and a giant at the conductor’s rostrum, has not had another opportunity to conduct the work, which indeed still awaits its second performance. The Second Symphony well exemplifies the much-quoted statement that Schnabel’s symphonies are “as long as Gustav Mahler but more complex and modern than Arnold Schoenberg.”

The following information is taken from Artur Schnabel Werkverzeichnis (ISBN 3-923997-99-X), compiled by Anouk Jeschke and published in 2003 as volume 6.2 of the series Archive zur Musik des 20. Jahrhunderts of the Stiftung Archiv der Akademie der Künste in Berlin (where the bequest of Artur Schnabel resides). All of the ensuing citations come from letters in English from Artur Schnabel to his beloved, Mary Virginia Foreman. We begin with Schnabel writing from his summer retreat in Gascon Ranch on 18 July 1941: “I started a composition, another Symphony, Monday last [14 July]. It went, thank god, so far, very well. I did, already, 120 measures. It is an incomparable activity, as such. Exclusively done for music and myself. I know there is scarcely a chance for me ever to hear it performed. My impulses and urge and gift don’t ask for performances, applause and money. If that follows the products of my inner necessities, some of it might be, undeniably, welcome.” His account continued on 23 July: “My work goes on. The first movement of my second symphony will be written, to its last tone, this week. Of course, not yet in instrumentation, but by no means a sketch. It is a very clean manuscript with practically all the notes the full score will show, and the music is, I think, quite expressive and original.“ A letter of 31 July confirms his rapid progress: “The composition comes along fine. I am in the midst of the second movement, a lively and energetic one. I never know what is more difficult to write, a slow or a fast piece. I think the demand is the same.” And again on 7 August: “The second movement is almost finished. I have never before written a piece of that kind. It is very dynamic. I hope to start with a third. That is the program I intended to execute before going to Ann Arbor, where more work than last year is waiting.” Indeed, he kept to this schedule, as his letter of 21 August reveals: “I am leaving tomorrow for Ann Arbor. Gascon was well-suited to my requirements; walks, space, quite, and thus, promising conditions for work, which, accordingly, came along with much enjoyed ease. I finished three movements of the new Symphony. I know the fourth, but have to wait a while before I can begin to write it out. I think it is quite a piece.”

The following summer was devoted to writing out the finale. On 6 August 1942 Schnabel again wrote to Mary Virginia Foreman from Gascon Ranch: “I started the Finale of the second Symphony. I think it might become something. I am so content to sit again bent over the long-deserted music-paper.” A week later, on 12 August: “I am now at full speed in my music. I am working on it every day up to six hours.” And again a week later, on 18 August: “All day long, as I reported in my last letter, I am active. The Symphony is getting along rather satisfactorily. I have written 200 measures, all parts, not in instrumentation. It looks as if this Finale would be a very vital, wild stretch of music. I shall probably never hear it.” On 1 September he could at last report: “I have yesterday, the first without sunshine, with uninterrupted, heavy rain which has not yet ceased, finished my second symphony. It is not yet orchestrated, as you know, and to do this will be along labor, but of course a different one from the merely creative activity. I hope that all winter through, I might find one or two hours a day to occupy myself with the instrumentation of the symphony, so that next summer I can be free for another ‘creation’. I am very satisfied with the Finale, particularly the very end seems to me really inspired, concentrated, simple, and original.” His thoughts continued on 1 September: “I am reading, writing, walking, and preparing, chiefly in mind, the orchrestration of my last composition.“ And on 28 November he wrote from Chicago, this time in German to Therese Behr: “I will no longer have to ‘practice’ the piano this winter, and I’m happy to have so much time for the task of orchestration.”

But Schnabel’s work did not proceed so fast after all. The task of orchestration entered its final phase in Gascon Ranch toward the end of the first week of August 1943. On 14 August he mentions “morning walks and afternoon symphony.” Work continued on 27 August: “I have already worked seven hours today, a rainy one, on the symphony.” And again on 3 September: “I am walking four, working at least five hours every day. […] I am afraid that I shall not succeed to finish the orchestration here to its last measure, a small part will have to be finished in New York, I hope. Also all the indications for a (potential) performer, which, with metronome marks, will still require long labor. Altogether, I shall have more work during the coming winter than the previous ones. […] I must, however, continue with the symphony in order to be free to start the next opus.” And yet again on 10 September: “I am working very much, for I should like to come to a certain section of the symphony before leaving here. It is slow work, every mistake would cause much more. With the enormous amount of notes distributed over a big sheet of paper, it requires minute care to avoid mistakes. I enjoy it, however, and I am sure that this composition has its definite merits.” It was not until the following year, on 6 August 1944, that Schnabel could finally report from Gascon Ranch: “I have still a few pages of my symphony not yet trimmed with markings. It will take me two or three more days.”

Paul Zukofsky, one of the sterling violinists and conductors of our time and a supreme champion of Schnabel’s music, has written about the value and nature of this music with unique sobriety, accuracy, and resolution. Especially interesting are his comments in the booklet accompanying the first CD recording (cp2 CD 104), where we can read the following:
“Of Schnabel’s three symphonies, I find this one the least complex, the First being much denser harmonically (Schnabel was most definitely not a twelve-tone composer, although he did use all twelve tones!) while the Third is much more difficult rhythmically, foreshadowing later usage and developments that are to be found in, for example, an Elliott Carter. Structurally, Schnabel’s Second Symphony is akin to his Violin and Piano Sonata of 1935, and in that sense is a retreat from the earlier, free-form adventures, of the 1919 Solo Violin Sonata. This is not to be understood as a capitulation to conventionality. The phrase-length succession is still extremely free, to the extent that it is almost more of a surprise to find consecutive phrases of the same length, than it is to find those of contrasting lengths. The orchestration is also remarkable, using many unusual instrumental ‚doublings’ that change constantly, so that when conducting this work, one has an impression of timbral manipulation that is far closer to what one finds in an electronic music studio, than to ‚orchestration’ as we may be used to, and the complexity of the articulation, and its notation, reinforce that impression. To me, Schnabel’s approach to orchestration appears closer to that of Milton Babbitt’s, than to that of Roger Sessions’ (although Babbitt’s notation for articulation is far more restricted than Schnabel’s). In any event, the changing ‚doublings’ result in a constant color metamorphosis ahead of its time stylistically, as much of Schnabel’s music was, and thereby hangs a tale.
[…] There remains a residual misunderstanding of Schnabel-the-composer’s place in history. Other than for his very early music (pre 1914) Schnabel was always on the border of some compositional frontier, without ever crossing the line into fadism (note, however, that Busoni, in a letter dated March 31, 1918, basing his judgement on someone else’s description of the music, states that either of Schnabel’s First String Quartet, or the aforementioned Solo Violin Sonata, belongs into the musical category of Futurist experiment, conveniently forgetting some of his own music, such as the Sonatina Seconda for piano of 1912). I am not implying that Schnabel cared whether he was on a frontier, or that he made a conscious decision to be there. He was just simply there, through no fault of his own!

History is a messy business. We believe in heros that appear suddenly with solutions, but in actuality, such types have always built upon the work of many others. Far more usual of the forward-moving drift, with its internal Brownian motion of competing objectives, is the case where ‚things are in the air’, and people unbeknown to one another, suddenly, and simultaneously, begin to explore, invent, and develop similar ideas.

Of some of those ideas that were ‚in the air’, and that I feel Schnabel’s music partakes of, I could point to the problems of: how to relate (and notate) musics at different tempi, (this led to metric modulation); how to control quick changing timbres, and invent new ones, (this led to electronic music studios, computer generated, and synthesized sound); how to relate and cohere simultaneously occurring different kinds of musics that were not ‚leit-motif’ based, (very partially this led to ‘serialism’, but also to exploration of spatial constraints); and how to convey all these, first to a performer, but ultimately to a receiver, (this led to an explosion in the complexity and detail of the notation, and ultimately to graphic, and/or proportional notation, as well as the formal allowance of aleatory, such as used by Berio).

I doubt that Schnabel was consciously aware of any of these budding trends, and I don’t think it matters whether he was or was not. […] It is because of Schnabel’s prescience, as well as the undoubted beauty of the music, that Roger Sessions said ‘The more one studies these scores, the more indisputable one finds their evidences of authentic genius, and the more captivated one remains.’”

Translation: Hereward Tilton & J. Bradford Robinson

 

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