Samuel Coleridge-Taylor
(geb. Holborn/London, 15. August 1875 — gest. Croydon/London, 1. September 1912)

Ballade a-moll op. 33

Er wurde zwar am besten bekannt für sein Kantaten-Triptychon über das indianische Hiawatha-Epos (Hiawathas Hochzeit, Der Tod von Minnehaha und Hiawathas Abschied), doch während seiner kurzen Karriere schuf Samuel Coleridge-Taylor Vokal- und Instrumentalmusik von großer Vielfalt. Der 1875 geborene Sohn eines west-afrikanischen Vaters und einer weißen, britischen Mutter begann 1890 am Royal College of Music ein Violinstudium und wurde später Kompositionsstudent von Sir Charles Villiers Stanford. Auf Wunsch eines Mitglieds der Fakultät komponierte Coleridge-Taylor sein Klarinettenquintett op. 10 für die gleiche Besetzung wie Brahms sein op. 115. Zwar hießen seine frühen Idole in der Tat Brahms und Dvorák, doch war er bemüht, sich in diesem Stück von Brahms’ Einfluß weitgehend frei zu halten – was ihm, zeitgenössischer Kritiker zufolge, tatsächlich auch gelang. Er genoß die Unterstützung namhafter Exponenten des Kultur-Betriebs diesseits und jenseits des großen Teiches – Sir Charles Wood, Sir George Grove und Sir Edward Elgar in Großbritannien; Paul Lawrence Dunbar, Harry T. Burleigh und Carl Stoeckel in Amerika. Ungeachtet dessen war, wie der heutige Coleridge-Taylor-Biograph William Tortolano mitteilte, »das Geld im Coleridge-Taylor-Haushalt stets knapp.« [William Tortolano: Samuel Coleridge-Taylor: Anglo-Black Composer, 1875–1912; zweite Auflage, Scarecrow Press, Lanham/Maryland 2002, S. 11] Wie viele Komponisten seiner Zeit versuchte daher auch Coleridge-Taylor, sein schmales Einkommen aus Auftragswerken und Verlags-Tantiemen durch Lehraufträge an verschiedenen Institutionen und Dirigier-Gastspiele aufzubessern sowie Konzerte zu geben, in denen er eigene Werke vorstellte (sowohl als Dirigent und Repetitor wie auch als Pianist).

Die Ballade für Orchester a-moll op. 33 verdankt ihre Entstehung der Fürsprache eines der oben erwähnten Mentoren des Komponisten, Sir Edward Elgar. Der ältere Meister war im Jahr 1898 gebeten worden, für das Three Choirs Festival in Gloucester ein neues Orchesterwerk zu schreiben, doch war er bereits mit anderen Projekten ausgelastet. Daher schrieb Elgar am 17. April 1898 an Dr. Herbert Brewer: »Ich habe von Ihrem Sekretär die Anfrage erhalten, für das Abendkonzert ein kurzes Ding für Orchester zu schreiben. Es tut mir leid, ich bin dazu viel zu beschäftigt. Doch ich wünsche, wünsche, wünsche so sehr, sie würden Coleridge-Taylor bitten, das zu übernehmen. Er sehnt sich noch nach Anerkennung, und er ist weit und breit der Geschickteste unter den Jüngeren. Bitte lassen Sie ihr Kommittee nicht die Chance vertun, etwas Gutes zu tun. Edward Elgar« [William C. Berwick Sayers: Samuel Coleridge-Taylor, Musician: His Life and Letters; Cassell Verlag, London 1915, S. 52]

Das Kommitee folgte Elgars Vorschlag; Coleridge-Taylor schrieb die Ballade op. 33. Gewidmet ist sie August J. Jaeger, Lektor bei Novello und ein Vertrauter beider Komponisten. In ihren knapp 13 Minuten zeigt die Ballade einen aufstrebenden Komponisten, der allmählich seine eigene Stimme entwickelt, auch wenn immer noch Einflüsse seiner musikalischen Vorbilder Brahms und Dvorák hörbar sind. Daran erinnern die reiche Palette von Harmonik und Klangfarben wie auch die Bevorzugung von Hemiolen; besonders dvorákisch wirkt außerdem die schlichte, doch tief empfundene Melodik. Coleridge-Taylor verwendet drei Themen, die ersten beiden in einem energischen 6/8-Takt, im Gegensatz dazu ein leidenschaftliches drittes Thema im 2/4-Takt und in C-Dur, das zunächst leicht unterbelichtet von gedämpften Streichern vorgestellt wird, doch bald anwächst und in einem Tutti gipfelt. Nach dieser hinreißenden Ablenkung kehren die ersten beiden Themen wieder und werden in verschiedenen Tonarten und Tempi durchgeführt. Das emotionsgeladene dritte Thema taucht ein weiteres Mal auf, diesmal in F-Dur, bevor das Stück zu einem dramatischen, klangvollen Schluß findet.

Aus verschiedenen Gründen erwies sich die Uraufführung der Ballade am 12. September 1898 als Scheidemarke für Coleridge-Taylor: Das Konzert eröffnete dem jungen Komponisten, der gerade erst ein Jahr zuvor die Hochschule beendet hatte, eine der bis dahin vielversprechendsten Gelegenheiten seiner Karriere; die rhythmische Vitalität und sichere Instrumentierung der Ballade hinterließen beim musikalisch gebildeten Publikum tiefen Eindruck; außerdem dirigierte Coleridge-Taylor selbst das Orchester. Nach Mitteilung seiner Tochter urteilte seinerzeit die Zeitung Daily Graphic: »Zwar dauert das Werk nur eine knappe Viertelstunde, doch es ist lange her, seit uns eine Novität des Festivals derart spannungsvolle und charmante 15 Minuten bereitete. In seinen Kontrasten zwischen barbarischer Freude und sehnsuchtsvoll ausschweifender Melodik, in seinen starrköpfigen Rhythmen und seltsam exotischen Harmonien provoziert dies bemerkenswerke Stück Vergleiche mit dem Besten der böhmischen Schule und hält dem glaubwürdig Stand. Mr. Coleridge-Taylor, der sein Werk selbst dirigierte, wurde am Ende infolge der bewundernswerten Aufführung dreimal hervorgerufen und bejubelt.« [Avril Coleridge-Taylor: The Heritage of Samuel Coleridge-Taylor; Verlag Dennis Dobson, London 1979, S. 30]

Als ob der Ruhm dieses musikalischen Triumphes noch nicht ausreichte, wurde nur zwei Monate später die erste der Hiawatha-Kantaten von Coleridge-Taylor unter großem Zuspruch uraufgeführt. Dies zementierte ungeachtet seiner Herkunft und Hautfarbe seinen Ruf als einer der führenden Komponisten seiner Generation. Seine Flamme brannte hell für mehr als ein weiteres Jahrzehnt, bis Samuel Coleridge-Taylor unerwartet 1912 im jungen Alter von siebenunddreißig Jahren einer Lungenentzündung zum Opfer fiel.

Timothy Olsen, © 2007
Übertragung ins Deutsche: Benjamin-Gunnar Cohrs, © 2007
(Direktkontakt: bruckner9finale@web.de)

Orchestermaterial ist erhältlich bei Fleisher Orchestral Library, Philadelphia. Nachdruck einer Partitur aus der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.

Samuel Coleridge-Taylor
(b. Holborn, 15 August 1875 — d. Croydon, 1 September 1912)

Ballade in A Minor, op. 33

Best known for his cantata triptych based on the Hiawatha legend (Hiawatha’s Wedding Feast, The Death of Minnehaha, and Hiawatha’s Departure), during his brief career Samuel Coleridge-Taylor composed a wide variety of vocal and instrumental music. Born in London in 1875 to a black West African father and a white British mother, Coleridge-Taylor entered the Royal College of Music in 1890 as a violinist, later studying composition with Sir Charles Stanford. His early idols were Brahms and Dvorák; although Coleridge-Taylor’s Quintet for Clarinet and Strings op. 10 uses the same instrumentation as Brahms’ op. 115, at the challenge of a faculty member, the student composer sought to write a piece wholly free of the influence of Brahms (and succeeded, according to contemporary critics). Despite the fact that Coleridge-Taylor enjoyed the patronage and mentorship of musical and cultural movers and shakers on both sides of the Atlantic – Sir Charles Wood, Sir George Grove, and Sir Edward Elgar in Great Britain; Paul Lawrence Dunbar, Harry T. Burleigh, and Carl Stoeckel in the United States –, according to modern-day Coleridge-Taylor biographer William Tortolano, »financial problems were always prevalent in the Coleridge-Taylor household.« [William Tortolano, Samuel Coleridge-Taylor: Anglo-Black Composer, 1875–1912, 2nd ed.; Lanham, Maryland: Scarecrow Press, 2002, p. 11] Like many composers of his era, Coleridge-Taylor augmented his income from commissions and publishing royalties through teaching at a variety of institutions, conducting the works of others, and making personal appearances (including leading orchestras in rehearsal and performance and playing piano) in support of his own music.

The Ballade in A Minor, op. 33 owes its existence to the benevolence of one of Coleridge-Taylor’s aforementioned mentors, Sir Edward Elgar. The elder composer had been approached to write an orchestral work for the 1898 Three Choirs Festival in Gloucester. Already occupied with other projects, on April 17, 1898 the composer wrote the following to Dr. Herbert Brewer of the Three Choirs Festival: »I have received a request from the secretary to write a short orchestral thing for the evening concert. I am sorry I am too busy to do so. I wish, wish, wish you would ask Coleridge-Taylor to do it. He still wants recognition, and he is far and away the cleverest fellow going amongst the young men. Please don’t let your committee throw away the chance of doing a good act. Edward Elgar« [William C. Berwick Sayers, Samuel Coleridge-Taylor, Musician: His Life and Letters; London: Cassell, 1915, p. 52]

The committee followed upon Elgar’s advice and awarded the commission to Coleridge-Taylor, who produced the Ballade in A Minor, op. 33. The work is dedicated to August J. Jaeger, music editor at Novello and a confidant of the composer. Some thirteen minutes in length, the Ballade shows a journeyman composer developing his own voice while still retaining elements of his musical heroes Brahms and Dvorák. Brahmsian features include a rich harmonic and timbral palette as well as ample use of hemiola. The musical world of Dvorák is evoked through the use of simple, heartfelt melodic material. In the work Coleridge-Taylor employs three subjects, the first two tossed around in an energetic 6/8 meter; the highly contrasting third subject is a passionate theme in 2/4 and C major, introduced in an understated way by muted strings, then growing and eventually climaxing in an orchestral tutti. After this ravishing diversion, the first two themes reappear and are developed in a variety of key areas and tempi. The emotion-laden third theme makes one more appearance (this time in F major) before the piece comes to a dramatic and resounding close.

For a number of reasons the premier performance of the Ballade on September 12, 1898 proved to be a watershed for Coleridge-Taylor: the concert offered the young composer – only one year out of school – some of the greatest exposure of his career up to that point; the Ballade’s rhythmic vitality and skillful orchestration made a very strong impression upon the musical public; and Coleridge-Taylor himself led the orchestra. According to the composer’s daughter, the Daily Graphic offered the follow-ing review: »The work occupies barely a quarter of an hour in performance, but it is long since a Festival novelty has provided fifteen minutes packed so full of excitement and charm. In its alternations of barbaric gaiety with languid swaying melody, in its wayward rhythms and strange exotic harmonies, this remarkable work provokes comparisons with the best work of the Bohemian school, and emerges with credit from the ordeal of comparison. Mr. Coleridge-Taylor, who conducted his own work, was three times recalled and cheered to the echo at the close of an admirable performance.« [Avril Coleridge-Taylor, The Heritage of Samuel Coleridge-Taylor; London: Dennis Dobson, 1979, p. 30]

If the fame of this musical triumph were not enough, the first of Coleridge-Taylor’s Hiawatha cantatas was premiered to great acclaim some two months later, cementing his reputation as one of the leading composers – irrespective of race – of his generation. Coleridge-Taylor’s flame burned bright for another decade and more until he succumbed to pneumonia in 1912 at the young age of thirty-seven.

Timothy Olsen, 2007

For performance material please contact Fleisher Orchestral Library, Philadelphia. Reprint of a copy from the Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.