Modest Petrovitsch Mussorgski
(geb. Karevo, 9./21. März 1839 – gest. St. Petersburg,16./28. März 1881)

Chowanschtschina
(“Die Chowansky-Affäre”)
Nationale Musikdrama in sechs Bildern nach einem eigenen Libretto (1872-81)
Vervollständigt, revidiert und orchestriert von Nikolai Rimsky-Korsakow

 

Vorwort
Sicherlich hat keiner der großen Opernkomponisten der Musikgeschichte, zu denen Mussorgski ohne Zweifel gehört, sein musikalisches Oeuvre in einer auch nur annähernd heillosen Unordnung hinterlassen. Wenn sein Opernmeisterwerk Boris Godunow (1868-74) in zwei stark unterschiedlichen, gleichermaßen von Komponisten autorisierten Fassungen erhalten ist, so ist das Werk wenigstens vollständig überliefert worden. Ähnliches läßt sich von den beiden darauffolgenden Opern Der Jahrmarkt von Sorotschinzy (1874-80) und Chowanschtschina (1872-81) nicht behaupten: Beide Werke mußten nach dem Tod Mussorgskis - er starb im Alter von 42 Jahren an Alkoholvergiftung - anhand seines musikalischen Nachlasses mühsam zusammengestückelt werden. Obwohl Mussorgski behauptet hatte, Chowanschtschina sei abgeschlossen, so war schliesslich alles, was man in den nachgelassenen Papieren fand, eine Kiste voller Skizzen, Entwürfe und Partizelle sowie zwei kurze Szenen als Orchesterpartitur. Die Aufgabe, aus diesem Materialvorrat ein aufführbares Werk für die Opernbühne zu schaffen, sollte schließlich einige der größten Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts beschäftigen, darunter Rimsky-Korsakow, Ravel, Strawinsky und Schostakowitsch.

Die Unvollständigkeit von Chowanschtschina ergab sich teilweise aus den Arbeitsmethoden Mussorgskis, teilweise aus dem Wesen des Opernprojekts selbst. Im Jahre 1872 hatten der Komponist und der befreundete Kritiker Wladimir Stassow die kühne und damals unerhörte Idee, eine „große historische Oper“ ausschließlich nach Originaldokumenten zu schaffen. Ähnlich wie Tolstoi bei den Vorarbeiten für Krieg und Frieden durchstöberte Mussorgski daraufhin die Archive und Geschichtsbücher Rußlands, um sein Material zusammenzutragen. (Tatsächlich singt eine der handelnden Personen, der Fürst Golizyn, buchstabengetreu ein Originaldokument). Darauf machte er sich daran, die Oper im Partizell zu entwerfen, und zwar szenenweise in keiner festgelegten Reihenfolge. Während der ersten sieben Jahre der Entstehungszeit verfügte der Komponisten nicht einmal über das eigene Libretto, denn das sogenannte „Blaue Buch“, das ein detailliertes Szenario enthält, entstand – wahrscheinlich zur Vorlage bei der staatlichen Zensur – erst 1879. Wenigstens erwies es sich auf der Grundlage dieses Szenarios als möglich, die Reihenfolge der verschiedenen Einzelszenen und die Lücken im überlieferten Notenmaterial festzustellen. Die Frage, wie das Werk in wie viele Akte zu unterteilen wäre, blieb jedoch nach wie vor unbeantwortet.

Die entmutigende Aufgabe, aus dieser Masse an Materialien eine “runde Sache” zu gestalten, fiel Nikolai Rimsky-Korsakow zu, der seinen Künstlerfreund im „Mächtigen Häuflein“ sehr hoch, wenn auch leicht herablassend schätzte und ihm ein unschätzbaren und selbstlosen Dienst erwies, indem er ihn für die musikalische Nachwelt rettete, namentlich durch die beiden Aufführungsfassungen von Boris Godunow und eine weitere von der Nacht auf dem Kahlen Berg. Als praktisch veranlagter Theatermensch wußte Rimsky-Korsakow allzu genau, daß ein wissenschaftlich-puristischer Ansatz hier fehl am Platz wäre: “Falls Mussorgskis Kompositionen fünfzig Jahre nach seinem Tod unverblaßt weiterleben sollten (danach werden all seine Werke Eigentum eines jeden Verlegers), wird eine musikwissenschaftlich akkurate Ausgabe immer noch möglich sein .... Im Augenblick jedoch bestand das Bedürfnis nach einer praktischen Ausgabe zu Aufführungszwecken, um seine riesigen Begabungen erst einmal bekannt zu machen.” Daher näherte sich Rimsky-Korsakow der unvollendeten Oper in einem Geist, den spätere Generationen zwar übereilt als pietätlos verurteilten, der jedoch mit aller Wahrscheinlichkeit das Werk vor der Vergessenheit bewahrte. Einige Szene wurden dabei gekürzt, andere erweitert, wieder andere gänzlich gestrichen; das ganze Werk wurde vollständig orchestriert (eine Aufgabe, zu der sich Rimsky mit seiner ausgesprochenen Begabung für Orchesterfarbe besonders eignete); die fehlenden Schlüsse zum 2. und 5. Akt wurden vorwiegend durch geschickt ausgesuchte Reprisen ergänzt. Es handelt sich bei Rimsky-Korsakows Vervollständigung um eine Liebesgabe an seinen verstorbenen Freund, die der Musikwelt ein Meisterwerk bescherte, das sonst – wie bei der Zehnten Symphonie Mahlers oder die Oper Lulu von Alban Berg – möglicherweise nie das Licht der Welt erblickt hätte.

Bei dem „großen historischen Drama“, das Mussorgski auf der Opernbühne wieder aufleben lassen wollte, ging es um nichts weniger als die Machtergreifung Peters des Großen im Rußland am Ende des 17. Jahrhunderts. Wie bei vergleichbaren Machtspielen Heinrichs VIII. in England oder Napoleons in Frankreich polarisierten diese Ereignisse die Zeitgenossen zutiefst und lassen die Meinungen sogar heute noch weit auseinandergehen. Im 19. Jahrhundert waren die Nachwirkungen dieser Politik – eine westlich ausgerichtete Orientierung und die damit verbundene Unterdrückung bodenständig russischer Entwicklungen – noch deutlich spürbar und für die russischen Intelligenz, zu der Mussorgski wie die anderen Mitglieder des Mächtigen Häufleins gehörten, ein immer noch brennendes Thema. Mussorgski glaubte fest daran, mit seiner neuen Oper einen Beitrag zur aufkeimenden Identitätssuche des russischen Volks leisten zu können –, daher sein lapidares Motto: „die Vergangenheit in der Gegenwart – das ist meine Aufgabe!“. Chowanschtschina sollte also kein Kostümdrama mit eingebauter Liebesromantik à la Meyerbeer werden, sondern Betrachtungen über den Sinngehalt der nationalen Identität Rußlands darstellen.

Eine besondere Schwierigkeit bestand darin, daß die russische Zensur die Darstellung eines Zaren oder eines Mitglieds der Zarenfamilie auf der Bühne strengstens verbot. Demnach durfte Peter der Große in einer Bühnendarstellung seines Lebens nicht einmal als Bühnengestalt erscheinen. Das gleiche betraf auch seine Halbschwester, die Regentin Sophia, deren Bedeutung im historischen Zusammenhang etwa dem entsprach, was Maria Stuart für den Aufstieg Elisabeths I. bedeutete. Die historischen Protagonisten mußten daher durch Stellvertreter – durch ihre Minister, Günstlinge oder auch Gegner – auf der Bühne repräsentiert werden. Auch diese Personen hat Mussorgski – mit ein paar wichtigen Ausnahmen – mit historischen Persönlichkeiten besetzt: Iwan und Andrej Chowanski (beides † 1682), Fjodor Schaklowity († 1689) und Fürst Wassily Wassiljewitsch Golizyn (1643-1714). Als geschichtlicher Rahmen dienten die drei sogenannten „Strelitzen-Aufstände“, die sich zwischen den Jahren 1682 und 1698 ereigneten (aus Gründen der Übersichtlichkeit und der Bühnenwirksamkeit ließ Mussorgski allerdings die drei Aufstände nahtlos ineinander übergehen). Bei den Strelitzen handelt es sich um eine Gruppe von Elitesoldaten, die unter Iwan dem Schrecklichen als Leibgarde dienten, später jedoch zu einer Militärkaste mit gehöriger politischer Macht wurden. Der Erste Strelitzenaufstand, der von Iwan Chowanski geführt wurde, wurde durch die Machenschaften Schaklowitys vereitelt, der dann die Führung der Strelitzen selber übernahm (dies war die sogenannte „chowanschtschina“ oder „Chowanski-Affäre“ des Werktitels). Beim Zweiten Aufstand von 1689, der nun von Schaklowity in die Wege geleitet wurde, ging es um ein fehlgeschlagenes Attentat auf den Zaren Peter, das lediglich zur Hinrichtung Schaklowitys führte. Der Dritte Aufstand war ein Putschversuch, um Peters Halbschwester Sophia als Herrscherin wiedereinzusetzen. Das Mißlingen dieses Aufstandes im Jahre 1698 brachte die vollständige Unterdrückung der Strelitzen mit sich, die zu Tausenden hingerichtet wurden und danach aus der Geschichte verschwanden.

Nach Mussorgskis Darstellung mußte Peter also drei Gruppen von Kontrahenten überwinden. Zwei davon haben wir bereits kennengelernt: Es sind die Strelitzen, die hier durch ihr Oberhaupt Iwan Chowanski und seinen Sohn Andrej vertreten sind, und die Regentin Sophia, die den Zarenthron für Peters minderbemittelten Halbbruder Iwan begehrte und auf der Bühne durch den Emporkömmling Schaklowity sowie durch ihren Berater und Liebhaber Fürst Golizyn vertreten ist. Die dritte Gruppe der Kontrahenten war die religiöse Sekte der Raskolniki oder „Altgläubige“, die sich von der Russisch-Orthodoxen Kirche im Zuge der Reformen der 1670er Jahre losgesagt hatte und seitdem marginalisiert und verfolgt wurde. Da Iwan Chowanski selber Altgläubiger war, geriet im Laufe des Ersten Strelitzenaufstandes die Sekte als Ganzes in Verdacht und wurde unter der Regentschaft Sophiens furchtbaren Verfolgungen ausgesetzt. Mit Folterungen und Hinrichtungen konfrontiert suchten viele Sektenmitglieder den Freitod. Zwischen den Jahren 1672 und 1690 starben rund 20.000 Raskolniki, überwiegend durch eigene Hand, und wiederum meistens durch den Feuertod, wie am Schluß von Mussorgski Oper dargestellt.

Da die Altgläubigen keine feste Kirchenhierarchie aufzubauen pflegten, brachten sie auch keine historischen Persönlichkeiten hervor, die etwa mit Chowanski oder Golizyn vergleichbar wären. Um sie doch auf der Bühne darstellen zu können, schuf Mussorgski die bemerkenswerte Figur des Priesters Dosifei, den er aus verschiedenen historisch belegten Akteuren zusammenbaute und die Eigenschaften der Integrität und Rechtschaffenheit verlieh, die den anderen Bühnenfiguren ohne Zweifel fehlen. Auch erfand der Komponist eine weitere bemerkenswerte Figur, um die drei Gruppen der Kontrahenten Peters miteinander zu verbinden. Diese Figur – Marfa – ist eine Altgläubige, die Geliebte Andrej Chowanskis und zugleich eine Wahrsagerin, die in einer denkwürdigen Szene den unentschlossenen Fürsten Golizyn berät. Mit dieser Mischung aus Micaële, Azucena und Suor Angelica, die sehr glaubhaft in Musik übersetzt wird, bedient sich Mussorgski einer altgedienten Erzähltechnik, die der etwas lockeren Szenenfolge Festigkeit verleiht und zugleich den Zuschauer in die drei fremdartigen und verfeindeten Welten der Oper begeleitet.

Was hielt aber Mussorgski selber von den Ereignissen, die er in seiner Oper schilderte? In der Abwesenheit einer vollständigen Partitur – und in Anbetracht der vagen, oft emotionsgeladenen Briefäußerungen über seine russische Heimat – gibt es keine eindeutige Antwort auf diese Frage. Rimsky-Korsakow setzte einen Fortschrittsglauben voraus und gestaltete das Finale zum 5. Akt mit dem Untergang der Altgläubigen als den willkommenen Sieg Peters des Großen über die Rückständigkeit und den Aberglauben des Volkes. Schostakowitsch, der seine Fassung in einer späteren Zeit unter gänzlich anderen Umständen schrieb, schloß sich dieser Ansicht Rimskys an, die auch mit der offiziellen sowjetischen Kulturpolitik übereinstimmte. Nur Strawinsky und Ravel in ihrer Aufführungsfassung von 1913 neigten dazu, die Schlußszene als unwiederbringlichen Verlust, als ironisch-elegischen Kommentar über die gemeinen Handlungen der vorhergehenden Akte zu deuten. Mussorgski, der Boris Godunow mit dem Klagelied eines heiligen Narren über das Schicksal Rußlands abschloß, wäre womöglich eher mit letztgenannter Auffassung einverstanden gewesen.

Die Aufführungsfassung Rimsky-Korsakows wurde erstmals am 21. Februar 1886 von einem Petersburger Laientheater aufgeführt, nachdem die offizielle Premiere 1883 von der russischen Obrigkeit verboten wurde. (Davor hatte Rimsky bereits 1879 einem irritierten Konzertpublikum in der Petersburger Freien Musikschule einige Auszüge aus der Oper vorgestellt.) Bei der legendenumwobenen Uraufführung von 1886 fehlten rund 800 Takte der Originalmusik, auch wurden die Bekenntnisworte der Altgläubigen zensiert und die Figur des Priesters Dosifei durch eine andere ersetzt. Der allgemeine Eindruck war der eines unausgewogenen und wirren Werks von unzweifelhafter Genialität. Die nächste Aufführung, die 1897 in einem privaten Opernhaus in Moskau stattfand, schuf den eigentlichen Ruhm der Oper und bestätigte zugleich ihre Bühnenfähigkeit, nicht zuletzt durch den brillanten Auftritt Fjodor Schaljapins als Dosifei. Später verkörperte Schaljapin die gleiche Rolle in zwei weiteren Inszenierungen am Petersburger Mariinsky-Theater (1911) und am Moskauer Bolschoj-Theater (1913), bei denen er auch Regie führte. Diese ebneten den Weg zum endgültigen Siegeszug der Oper durch die führenden Opernhäuser der Welt, darunter 1913 Paris und London, 1923 wieder Paris, 1924 Frankfurt und 1929 Buenos Aires. Bis etwa 1960 basierten alle Inszenierungen von Chowanschtschina auf der Fassung Rimsky-Korsakows, die bereits 1883 als Partitur und Klavierauszug bei Petersburger Verlagshaus Bessel erschienen war. Danach neigten die Theater eher zur Fassung Schostakowitschs, die angeblich – vor allem in ihren dunkler Orchesterfarben und in der Einbeziehung weiterer Szenen, die bei Rimsky fehlten – dem Original näherstand. Dennoch bleibt das Grundproblem bestehen, daß es keine vollständige Originalfassung von Chowanschtschina gibt, auf die die Nachwelt zurückgreifen könnte. Auch die Fassung Schostakowitschs mußte zu den Problemen der skizzenhaften Autographe, der Einteilung der Akte sowie der fehlenden Schlüsse des 2. und 5. Akts vorübergehende Lösungen finden. Hier, wie in so vielem anderen, hat Rimsky-Korsakow als Erster gezeigt, daß die Probleme tatsächlich lösbar sind und daß das Ergebnis ein überwältigend mächtiges und originelles Meisterwerk darstellt, das seitdem aus dem Opernrepertoire nicht wegzudenken ist.

Handelnde Personen
Fürst Iwan Chowanski, der Strelitzenführer - Baß
Fürst Andrei Chowanski, sein Sohn - Tenor
Fürst Wassili Golizyn - Tenor
Bojar Schaklowity - Bariton
Dosifei, Haupt der Altgläubigen - Baß
Marfa, eine Altgläubige - Alt
Sussanna, eine Altgläubige - Sopran
Schreiber - Tenor
Emma, ein Mädchen aus der deutschen Vorstadt - Sopran
Pastor - Baß
Warsonofjew, Vertrauter Golizyns - Baß
Kuska, Strelitze - Tenor
Sreschnew, ein junger Bojar - Tenor
Zwei Strelitzen - 2 Bässe
Helfershelfer Golizyns - Baß
Chor
Moskauer, zugewanderte Leute, Strelitzen, Raskolniki,
Hausmädchen, Petrowzen, Volk.

Ballett
persische Sklavinnen Iwan Chowanskis.

Ort
Moskau und Umgebung

Zeit
1682.

 

Zusammenfassung der Handlung
(aus: Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Bd. 4, 1991)
I. Akt., Roter Platz; Morgendämmerung: Die Strelitzen bewachen den Kreml und beherrschen die Stadt. Ein Schreiber beginnt sein Tagewerk: Ihm wird eine Denunziation diktiert, in der dem Zaren von einer geplanten Verschwörung der Strelitzen Kunde gegeben wird. Für den Schreiber zahlt sich die gefährliche Arbeit aus, denn hinter dem Denunzianten verbirgt sich der reiche Bojar Schaklowity. Hingegen schlägt er fremden armen Analphabeten die Bitte ab, ihnen amtliche Mitteilungen vorzulesen. Der Strelitzenführer Iwan Chowanski wirbt um die Gunst des Volks und präsentiert sich den Moskauern als Wohltäter und Beschützer. Sein Sohn Andrei hat ein deutsches Mädchen entführt und will ihm Gewalt antun, wird aber von seiner ehemaligen Geliebten Marfa daran gehindert. Vater und Sohn geraten in Streit um den Besitz des geraubten Mädchens. Der Führer der Altgläubigen, Dosifei, rettet das Mädchen und bittet Gott, Rußland vor diesen „Beschützern“ zu bewahren.

II. Akt, Arbeitszimmer bei Fürst Wassili Golizyn; Sommer, später Abend: Der ehrgeizige Golizyn hat Karriere gemacht und steht in der Gunst der Regentin. Briefe warnen ihn, die Gunst der Mächtigen sei ein wankender Grund. Von einer Wahrsagerin erhofft sich der beunruhigte Fürst Auskunft über sein Schicksal. Marfa beherrscht die Kunst der Prophezeiung und sagt ihm baldige Verbannung voraus. Er bezahlt ihr den Dienst und befiehlt, sie zu ermorden. Auf einer Versammlung der Fürsten versuchen Golizyn und Iwan, ihre Machtinteressen gegeneinander abzugrenzen, können sich aber nicht einigen. Dosifei mahnt vergeblich die Interessen des Lands an. Marfa ist dem Mordanschlag entkommen. Schaklowity sprengt die geheime Zusammenkunft mit der Nachricht, daß sich die Strelitzen erhoben haben und Peter I. unerbittlich gegen die „Chowanschtschinerei“ vorgehe.
III. Akt, die Moskauer Strelitzenvorstadt gegenüber Belgorod; Mittag: Die Altgläubigen fürchten den baldigen Sieg des Bösen auf Erden. Marfa wird von der Eiferin Sussanna sündhafter Liebe zu Andrei angeklagt und im Namen eines unerbittlichen Gotts verflucht, von Dosifei aber im Namen eines gütigen Gotts getröstet. Schaklowity träumt von einem durch gerechte Herrscher beruhigten mächtigen russischen Reich. Ein Teil der Strelitzen kehrt nach Haus zurück, doch bringt der Schreiber die Nachricht, daß die in Moskau Verbliebenen von den Petrowzen niedergemetzelt werden. Die Menge wendet sich um Hilfe und Rat an Iwan, der sie mit Versprechungen beruhigt.

IV. Akt, 1. Bild, prunkvoll eingerichteter Speisesaal in Iwans Gemächern: Bäuerinnen warten dem Strelitzenführer auf; ihm mißfällt jedoch ihr trauriger Gesang. Er fordert ein lustiges Lied und befiehlt die persischen Tänzerinnen herbei. Schaklowity gelingt es, ihn unter dem Vorwand wegzulocken, die Zarin brauche seinen Rat; an der Tür läßt er ihn ermorden.

2. Bild, Platz vor der Basiliuskathedrale: Golizyn tritt seinen Weg in die Verbannung an. Dosifei hat durch Marfa ausspähen lassen, was die neuen Machthaber beschlossen haben: den Untergang der Altgläubigen. Er beschließt, ihnen durch einen kollektiven Selbstmord zuvorzukommen. Als Andrei sieht, wie seine Leute zur Hinrichtung geführt werden, flüchtet er zu Marfa. Peter begnadigt die Strelitzen auf dem Gang zur Hinrichtung in letzter Sekunde.

V. Akt, Fichtenwald, Einsiedelei; Mondnacht: Die Altgläubigen sind umringt von Petrowzen; es gibt kein Entkommen. Dosifei bereitet seine Glaubensgenossen auf den Tod vor. Marfa macht Andrei klar, daß es auch für ihn keinen Ausweg gibt. Die Altgläubigen enden in den Flammen des selbst errichteten Scheiterhaufens.

Bradford Robinson, 2007

 

Aufführungsmaterial ist von Breitkopf und Härtel, Wiesbaden zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.

Modest Petrovich Mussorgsky

(b. Karevo, 9/21 March 1839 – d. St. Petersburg,16/28 March 1881)

Khovanshchina
(“The Khovansky Affair”)
National music drama in six scenes on a libretto by the composer (1872-81)
Completed, edited and orchestrated by Nikolai Rimsky-Korsakov

 

Preface
Surely none of history’s great opera composers - and Mussorgsky is unquestionably one of them - have left behind an oeuvre in such utter disarray. If his masterpiece Boris Godunov (1868-74) exists in two competing versions, each glaringly different from the other and each sanctioned by the composer, at least it was complete. The same cannot be said of his two remaining operas, Sorochintsy Fair (1874-80) and Khovanshchina (1872-81), both of which had to be assembled piecemeal from the composer’s effects after his death from acute alcoholism at the age of forty-two. Although Mussorgsky himself claimed that he had finished Khovanshchina, all that was discovered among his papers was a crate of sketches, drafts, and short scores, with only brief short scenes fully orchestrated. Assembling this body of materials into a viable work for the operatic stage was a task that eventually occupied some of the greatest composers of his century and the next: Rimsky-Korsakov, Ravel, Stravinsky, and Shostakovich.

The incompleteness of Khovanshchina was a result partly of Mussorgsky’s working methods and partly of the nature of the project itself. In 1872 the composer and his friend, the critic Vladimir Stassov, lit on the bold and unprecedented idea of creating a “grand historical opera” based entirely on original documents. Proceeding somewhat in the manner of Tolstoy with War and Peace, Mussorgsky rummaged through archives and historical tomes to assemble his material (one character, Prince Golitsyn, actually sings a document verbatim). He then set about composing his opera in short score, working scene by scene in no particular order. Indeed, for the first seven years he did not even have a libretto to work from: it was only in 1879 that he created the so-called “Blue Book” containing a detailed scenario for the opera, perhaps for future presentation to the Russian censor. On the basis of this sketch it at least proved possible to establish the order of the scenes and to ascertain the gaps in the score, although there still remained the question how to divide the work into acts.

The daunting task of turning this mass of material into a fully rounded work of art fell to Nikolai Rimsky-Korsakov, who held his fellow-member of the Mighty Handful in very high if somewhat patronizing esteem and did inestimable and selfless service in presenting him to posterity, notably in his two performing versions of Boris Godunov and another of Night on Bald Mountain. Being a practical man of the theater, Rimsky-Korsakov was well aware that a purist impulse would be entirely out of place: “If Mussorgsky’s compositions are destined to live unfaded for fifty years after their author’s death (when all his works will become the property of any and every publisher), a musicologically accurate edition will always be possible... For the present, though, there was need of an edition for performances, for practical artistic purposes, for making his colossal talent known.” He therefore approached the work in a spirit that later generations have hastily condemned as high-handed, but which probably rescued the opera from certain oblivion. Some scenes were abridged, others expanded, still others skipped entirely; he orchestrated the entire piece, a task to which he was uniquely suited by his own gifts for orchestral timbre; and he found solutions for the two missing sections, the endings of Acts 2 and 5, mainly by choosing judicious reprises. It was a consummate labor of love for his deceased friend, and it presented to the world a masterpiece which, like Mahler’s Tenth Symphony or Berg’s Lulu, might otherwise never have come into being.

The “grand historical drama” which Mussorgsky sought to recreate on the opera stage was nothing less than the rise to power of Peter the Great in late seventeenth-century Russia. These were events which, like the comparable ascents to power of Henry VIII in England or Napoleon in France, left their contemporaries polarized and still divide opinion today. In the nineteenth century the impact of Peter the Great - his westernizing policies and concomitant suppression of native Russian developments - was keenly felt among Russia’s intelligentsia, to which Mussorgsky and his fellow-composers in the Mighty Handful belonged. Mussorgsky firmly believed that his new opera would be a contribution to the nascent Russian nation’s quest for an identity - hence his chosen motto, “the past in the present: that is my task.” Khovanshchina, then, was not to be a costume drama with romance interest à la Meyerbeer, but a meditation on history and the meaning of Russia’s national identity.

One serious difficulty was posed by the fact that Russian censors forbade the presentation of a tsar or members of his family on stage. Thus Peter the Great could not appear in an opera ostensibly depicting his own life. The same applied to his scheming half-sister, the regent Sophia, whose importance to historical events was roughly comparable to that of Mary Queen of Scots in the rise of Elisabeth I. These historical protagonists had to be represented on stage by proxies – by their ministers, minions, or adversaries. These, too, with some notable exceptions, Mussorgsky drew from the pages of history: Ivan and Andrey Khovansky (both d. 1682), Fyodor Shaklovity (d. 1689), and Prince Vasily Vasilievich Golitsyn (1643-1714). The historical setting was provided by the three so-called “Streltsy Uprisings” that occurred between 1682 and 1698. (Mussorgsky, for the sake of concision and theatrical effect, effectively conflated these three uprisings into one.) The Streltsy were a group of élite soldiers who originally formed the tsar’s bodyguards under Ivan the Terrible and eventually became a hereditary military caste with great political clout. The first Streltsy Uprising, headed by Ivan Khovansky, was suppressed through the machinations of Shaklovity, who had Khovansky executed and took charge of the Streltsy in his stead (this was the “khovanshchina,” or “Khovansky Affair,” of the title). The second uprising of 1689, now led by Shaklovity, was a failed attempt to assassinate Peter that only led to Shaklovity’s own execution. The third was a putsch designed to reinstate Peter’s half-sister Sophia as the ruler of Russia; its failure in 1698 led to the complete suppression of the Streltsy, who were executed by the thousands and vanished from history.

Peter, in Mussorgsky’s account, thus had to surmount three sets of adversaries. We have already met two of them: the Streltsy, represented by their leader Ivan Khovansky and his son Andrey; and Sophia, who sought the tsarship for Peter’s weak-minded half-brother Ivan and is represented on stage by the upstart Shaklovity and by her counselor and lover, Prince Golitsyn. The third set of adversaries was a fundamentalist religious sect known as the raskolniki, or Old Believers, who dissented from the reforms of the Russian Orthodox Church in the 1670s and have been marginalized and persecuted ever since. As Ivan Khovansky was himself an Old Believer, suspicion fell on the entire sect as a result of the First Streltsy Uprising, and they were violently persecuted under the regency of Sophia. Faced with certain torture and execution, they chose instead the path of self-immolation. It is estimated that 20,000 raskolniki died between 1672 and 1690, most by their own hand, and most by fire, as at the end of Mussorgsky’s opera.

As the Old Believers did not cultivate a firm ecclesiastical hierarchy, they did not cast up any historical figures comparable to Khovansky or Golitsyn. To represent them Mussorgsky therefore invented the remarkable figure of Dosifey, cobbling him together from several historical agents and investing him with qualities of integrity and rectitude conspicuously lacking in the opera’s other characters. He also invented another remarkable character to link Peter’s three sets of adversaries. This character, Marfa, is at once an Old Believer, Andrey Khovansky’s lover, and a soothsayer who, in a memorable scene, gains access to the indecisive Prince Golitsyn. Marfa, a sort of mixture of Micaële, Azucena, and Suor Angelica, is vividly depicted in Mussorgsky’s music; she also functions as a time-honored narrative device that binds this loose-limbed opera together and guides the spectator into its three competing and alien worlds.

What did Mussorgsky himself feel about the historical events he was depicting? In the absence of a completed score, and given the general vagueness of his often highly emotional letters on the subject of his native country, there is no firm answer to this question. Rimsky-Korsakov assumed a “meliorist” view of the events and designed the fifth-act finale - the demise of the Old Believers - to function as a welcome triumph for Peter the Great over backwardness and superstition. Shostakovich, writing in a different time and under far different circumstances, took much the same view, which was officially accepted by Soviet authorities at the time. Only Stravinsky and Ravel, in their version of 1913, chose to present the final scene as one of irreparable loss, an ironic and elegiac commentary on the sordid events of the four preceding acts. Mussorgsky, who had ended Boris Godunov with a simple saint alone on stage lamenting the fate of Russia, may well have sympathized with this latter view.

Rimsky-Korsakov’s performance version was given for the first time by an amateur dramatic club in St. Petersburg on 21 February 1886, after the official 1883 première had been prohibited by government authorities. (Previously, in 1879, Rimsky had bewildered audiences by conducting excerpts from the score in a concert at the Free Music School in St. Petersburg.) The legendary 1886 première, lacking 800 bars of Mussorgsky’s original and using a bowdlerized text in which the confessional words of the Old Believers were expunged and the figure of Dosifey replaced entirely, impressed audiences as an ill-digested and confused work of unquestionable genius. The next performance, given at a private opera house in Moscow in 1897, established the work’s true reputation and theatrical viability, not least due to the appearance of Fyodor Shalyapin as Dosifey. Shalyapin also sang the role in two productions which he himself directed at the Mariinsky Theater in St. Petersburg (1911) and the Bolshoy in Moscow (1913). These paved the way for the opera’s triumphal progress through the great opera houses of the world, including Paris (1913 and 1923), London (1913), Frankfurt (1924), and Buenos Aires (1929). Until 1960 all productions of Khovanshchina made use of the Rimsky-Korsakov version, which had been published in full score and vocal score by Bessel of St. Petersburg as early as 1883. Thereafter theaters tended to favor the Shostakovich version, which is thought to be more faithful to the original, especially in its darker orchestral colors and its completion of several scenes omitted by Rimsky. Nonetheless, the fundamental problem remains that there is no complete original of Khovanshchina to which posterity can revert, and Shostakovich’s version too must solve the problems of the skeletal autograph material, the division into acts, and the missing endings of Act 2 and 5. In these, as in so much else, it was Rimsky-Korsakov who first demonstrated that these problems could be solved, and that the result was a towering masterpiece of consummate power and originality that has held the stage ever since.

 

 

Characters
Prince Ivan Khovansky, leader of the Strelsky musketeers - bass
Prince Andrey Khovansky, his son - tenor
Prince Vasily Golitsyn - tenor
The Boyar Shaklovity - baritone
Dosifey, leader of the Old Believers - bass
Marfa, young widow, an Old Believer - contralto
Susanna, an Old Believer - soprano
A Scrivener - tenor
Emma, a young girl from the German quarter - soprano
A Lutheran Pastor - bass
Varsonofiev, Golitsyn’s confidante - bass
Kouska, a musketeer - tenor
Streshniev, a young boyar - tenor
Two Streltsy musketeers - 2 basses
Golitsyn’s Henchman - bass

Chorus
Muscovites, émigrés, musketeers, Old Believers, maids-in-waiting,
Tsar’s bodyguards, populace.

Ballet
Persian slave girls in Ivan Khovansky’s retinue.

Place and time
Moscow and environs, 1682.

Plot Synopsis
Act I, Red Square in Moscow at sunrise: The Streltsy musketeers are guarding the Kremlin and commanding the city. A scrivener begins his daily work: he takes down a denunciation in which the Tsar is informed of a plot being hatched by the Streltsy. This is well-paid work for the Scrivener, for the man behind the informants is the rich boyar Shaklovity. In contrast, he turns down a crowd of poor unknown illiterates who want him to read out the latest official bulletins. Ivan Khovansky, head of the Streltsy, tries to win the crowd’s sympathy and present himself to the Muscovites as their benefactor and protector. His son Andrey begins to impose his will on a young German girl he has abducted, but is restrained by his former lover Marfa. The father and the son begin to quarrel over who should get the girl. She is rescued by Dosifey, the leader of the Old Believers, who prays God to deliver Russia from such “protectors.”

Act II, Prince Vasily Golitsyn’s studio on a late summer evening: The ambitious Prince Golitsyn has made a career for himself in the service of the Tsarevna. He receives letters warning him not to place his trust in the favor of the powerful. The restless prince hopes to receive information on his destiny from a soothsayer, Marfa, who commands the art of prophecy. She foresees that he will soon suffer banishment. He pays her for her services and orders her to be murdered. At a gathering of the princes, Golitsyn and Ivan attempt to draw a dividing line between their own spheres of power but are unable to reach an agreement. Dosifey urges them to serve the interests of their country – in vain. Marfa enters, having escaped the murderer. Shaklovity disperses the secret gathering with the news that the Streltsy have revolted and Tsar Peter is proceeding mercilessly against the “Khovanchine plot.”

Act III, noon in the Streltsy quarter in Moscow opposite Belgorod: The Old Believers fear the coming victory of evil on earth. The fanatic Susanna accuses Marfa of living a life of sin with Andrey and curses her in the name of a merciless God. But Dosifey offers her comfort in the name of a compassionate God. Shaklovity dreams of a powerful Russian empire pacified by a just ruler. Some of the Streltsy return home, but the Scrivener brings the news that those remaining in Moscow will be slaughtered by the Tsar’s bodyguard. The crowd turns to Ivan for advice and is calmed by his promises.

Act IV, Scene 1, magnificently furnished dining room in Ivan’s residence: Peasant girls sing to the leader of the Streltsy, but he is displeased by the sadness of their song. He asks for a merry tune and summons his Persian dancing girls. Shaklovity succeeds in drawing him away under the pretext that the Tsarevna needs his counsel. Ivan is murdered as he leaves the room.

Scene 2, square in front of the Church of St. Basil: Golitsyn departs to his life of exile. Dosifey has learned through Marfa’s eavesdropping that the new powers-that-be have decided to annihilate the Old Believers. He resolves to pre-empt them through collective suicide. As Andrey sees his people being led off to their execution he flies to Marfa. At the last moment Peter pardons the Streltsy en route to their execution.

Act V, a pinewood forest with hermitage on a moonlit night: The Old Believers are surrounded by the Tsar’s bodyguards; there is no possible escape. Dosifey prepares his fellow-believers to meet their deaths. Marfa makes clear to Andrey that for him, too, there is no escape. The Old Believers perish in the flames of their self-erected funeral pyre.

Bradford Robinson, 2007

For performance material please contact the publisher Breitkopf und Härtel, Wiesbaden. Reprint of a copy from the Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.