Richard Wagner
(geb. Leipzig, 22. Mai 1813 – gest. Venezia, 13. Februar 1883)
Großer Festmarsch
zur Eröffnung der hundertjährigen Gedenkfeier der Unabhängigkeitserklärung
der Vereinigten Staaten von Nordamerika
Vorwort
Die Weltausstellung des Jahres 1876 fand in Philadelphia (USA) statt. Da die Vereinigten Staaten in jenem Jahr auch das hundertjährige Bestehen ihrer Unabhängigkeit feierten, wollte man die Gelegenheit nutzen und in der Weltausstellung den amerikanischen Geist der Vergangenheit und Gegenwart präsentieren. Aus diesen Gründen setzten die Amerikaner sich zum Ziel, die eindrucksvollen Weltausstellungen von Paris 1867 und Wien 1873 zu überbieten. Für die Eröffnungsfeierlichkeiten wurde eine Festmusik gewünscht, die eigens für diesen Anlaß komponiert werden sollte. Da Richard Wagner sich auf der Höhe seines Ruhms befand und in den 1870er Jahren als einer der bedeutendsten Komponisten galt, wundert es nicht, dass er mit der Komposition beauftragt wurde, zumal es im 19. Jahrhundert keinen amerikanischen Komponisten von Weltrang gab. Der direkte Auftraggeber hierzu war Theodore Thomas. Der deutschstämmige Thomas (geb.1835 in Esens/Ostfriesland) legte den Grundstein für mehrere Symphonieorchester in ganz Amerika. Kein anderer Dirigent machte die Kompositionen der europäischen Meister in Amerika so populär wie er.
Wagner verlangte als Honorar für die Komposition 5000 Dollar, eine für die damalige Zeit sehr große Summe. Aufgebracht wurde das Geld von dem Festfeier-Frauenverein, die sich wünschten, das Werk möge ihnen gewidmet sein.
Die Arbeit an dem Marsch fiel Wagner schwer. Er hatte 1876 ein riesiges Arbeitspensum zu bewältigen. Er dirigierte in Wien und Berlin, traf Vorbereitungen für die ersten Bayreuther Festspiele mit der vollständigen Aufführung seines Ring des Nibelungen und suchte hierfür nach geeigneten Sängern. Wagner klagte gegenüber seiner Frau Cosima „daß er sich bei dieser Komposition gar nichts vorstellen könnte... außer 5000 Dollars“. Der Marsch wurde zwischen dem 9. und 20. Februar 1876 skizziert, die Instrumentation war am 17. März in Berlin abgeschlossen. Während der Arbeit daran kamen ihm Ideen zur Musik des 2. Aktes von Parsifal, und er bemerkte dazu, dass die Blumenmädchen wohl Amerikanerin werden wollten. Wagner stellte dem Marsch ein Motto voran: „Nur der verdient sich die Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß“. Hierzu schrieb er an T.Thomas: „Aus dem Motto....werden sie ersehen, daß ich es mit der Sache ernst nahm. Einige zarte Stellen meiner Composition deutete ich meinen Freunden so, daß hier die schönen und tüchtigen Frauen Nordamerikas im Festzuge mit dahinschreitend zu denken wären.“
Von den drei Märschen, die Wagner komponierte (Huldigungsmarsch 1864/71, Kaisermarsch 1871, Großer Festmarsch 1876), ist der Große Festmarsch der umfangreichste. Das betrifft ebenfalls die Besetzung, den dreifach besetzten Holzbläsern fügt er noch ein Kontrafagott hinzu. Für die Blechbläser verlangt Wagner eine Basstrompete, die er erstmals im Ring des Nibelungen verwendete und als erster Komponist überhaupt einführte. Zum ohnehin umfangreichen Schlagwerk fügt er noch ein Tam Tam hinzu, für Wagner eine Seltenheit.
Rhythmisch geprägt wird der Marsch durch die Triole, sie zieht sich durch das ganze Werk und ist in beinahe jedem Takt präsent, daher auch Wagners Anweisung, das Tempo so zu wählen, dass die Triole akzentuiert gespielt werden kann. Auch thematisch ist die Triole von Bedeutung, da das Kernmotiv aus einer ansteigenden Triole mit folgender Dreiklangsbrechung besteht (erstmals in T.5-6). Dieses Motiv durchzieht die ganze Komposition und wird kontrastiert durch einen lyrischen Seitengedanken (erstmals in T.80).
Der Marsch wurde am 10. Mai 1876 in Philadelphia unter der Leitung von T.Thomas uraufgeführt. Die europäische Erstaufführung fand am 2. Juli 1876 statt.
Spieldauer ca: 13 Minuten.
Marcus Prieser, 2007
Aufführungsmaterial ist von der Breitkopf und Härtel, Wiesbaden zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars aus der Sammlung Marcus Prieser, Wittmund.
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